L 4 KR 567/20

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 365/20
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 567/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Bei KSVG Versicherten entsteht der Anspruch auf Krankengeld von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an (§ 46 Satz 4 SGB V). Der Anspruch beginnt somit am 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit.
2. Die Entstehung des Anspruchs setzt keine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit voraus.
3. Wie auch bei Versicherten, die eine Wahlerkärung nach § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 SGB V abgegeben haben, setzt der Krankengeldanspruch der nach dem KSVG Versicherten dann nicht eine zuvor bestehende "ununterbrochene" Dauer der Arbeitsunfähiigkeit von sechs Wochen voraus, wenn die einzelnen Arbeitsunfähigkeitszeiten auf derselben Erkrankung beruhen (Verweis auf BSG vom 28.03.2019, B 3 KR 15/17 R).

 

I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 25.11.2020 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.


T a t b e s t a n d :

Streitig sind Krankengeldansprüche der Klägerin und Berufungsbeklagten für die Zeiten vom 12.03.2019 bis 05.04.2019, 23.04.2019 bis 28.04.2019 und 30.04.2019 bis 12.05.2019.

Die 1968 geborene Klägerin ist als arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiterin beim B (B) tätig und versicherungspflichtig nach den Bestimmungen des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG). Sie ist bei der Beklagten gegen das Risiko der Krankheit versichert.

Am 12.03.2019 bescheinigte die Ärztin A der Klägerin Arbeitsunfähigkeit (AU) bis zum 24.03.2019 wegen der Diagnose F 43.0 (akute Belastungsreaktion). Am 01.04.2019 wurde deswegen eine Folgebescheinigung bis zum 05.04.2019 ausgestellt. Eine Erstbescheinigung wegen derselben Diagnose stellte A am 23.04.2019 bis zum 28.04.2019 ebenso wie am 02.05.2019 bis zum 12.05.2019 für eine AU ab dem 30.04.2019 aus.

Auf Nachfrage des B wegen der bescheinigten AU vom 23.04.2019 bis 28.04.2019 teilte die Beklagte dem B mit, dass nach ihren Unterlagen AU wegen derselben Erkrankung wie vom 06.08.2018 bis 14.09.2018, 17.09.2018 bis 31.12.2018 sowie 12.03.2019 bis 24.03.2019 und 01.04.2019 bis 05.04.2019 vorliege. Der B lehnte sodann gegenüber der Klägerin die weitere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ab, da bereits 42 Tage Entgeltfortzahlung im Jahr 2018 geleistet worden seien. Zu viel gezahlte Entgeltfortzahlung werde zurückgefordert.

Einen Anspruch auf Krankengeld für die bescheinigten Zeiten vom 12.03.2019 bis 05.04.2019, 23.04.2019 bis 28.04.2019 und 30.04.2019 bis 12.05.2019 lehnte die Beklagte mit streitigem Bescheid vom 19.07.2019 gegenüber der Klägerin ab. Der Anspruch auf Krankengeld für Versicherte nach dem KSVG beginne nach § 46 Satz 4 SGB V erst von der siebten Woche, also dem 43. Tag, der AU an. Dies gelte für jede AU, also auch dann, wenn das Mitglied wegen derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig werde. Die nach dem KSVG Versicherten könnten jedoch nach § 53 Abs. 6 SGB V i.V.m. § 27 Abs. 1 der Satzung einen früheren Beginn des Krankengeldanspruches wählen. In diesem Fall entstehe der Anspruch auf Krankengeld entsprechend des gewählten Wahltarifs KGK 15 bereits ab dem 15. Tag der AU. Einen solchen Tarif habe die Klägerin jedoch nicht gewählt.

Die Klägerin trug hierauf vor, dass sie wegen Todes ihres Ehemannes nach schwerer Erkrankung im Jahr 2018 auch 2019 immer wieder an akuter Belastungsreaktion erkrankt gewesen sei und deswegen mehrfach krankgeschrieben worden. In den Tarifbedingungen des B für arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter sei festgelegt, dass in den ersten 42 Tagen Honorarfortzahlung geleistet werde. Danach habe die Krankengeldzahlung der Krankenkasse einzusetzen, auf die der B nach den Tarifbedingungen noch einen Zuschuss leiste. Nach dem SGB V bestehe ein Anspruch für 78 Wochen innerhalb von drei Jahren für ein und dieselbe Krankheit.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2020 zurück. Krankengeldansprüche bestünden nicht, da solche jeweils erst ab der siebten Woche der AU vorgesehen seien. Die Zeit der Vorerkrankung vom 06.08.2018 bis zum 31.12.2018 könne auf die Wartezeit nicht angerechnet werden. Auch das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28.03.2019 (B 3 KR 15/17 R) sei hierauf nicht anwendbar, da es sich allein auf den Personenkreis der Selbstständigen und nicht auf Künstler beziehe.

Im Klageverfahren am Sozialgericht München (SG) hat die Klägerin dargelegt, dass der Krankengeldanspruch für KSVG-Versicherte nicht zwingend eine vorausgehende ununterbrochene AU voraussetze. Er bestehe vielmehr auch dann, wenn die Summe der AU-Zeiten (wegen derselben Krankheit) insgesamt sechs Wochen erreiche, also ab dem 43. Tag der AU wegen derselben Erkrankung. Die Beklagte verkenne, dass die Entscheidung des BSG vom 28.03.2019 auch für KSVG-Versicherte Geltung habe.

Demgegenüber hat die Beklagte darauf verwiesen, dass es sich in dem vom BSG entschiedenen Fall um eine Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V gehandelt habe. Das BSG habe z. B. die Frage offengelassen, welcher Zeitraum generell rückwirkend herangezogen werden müsse. Eine Analogie zu abhängig Beschäftigten mit einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung erscheine schwierig, zumal die Wartetage anders als die Tage der Entgeltfortzahlung nicht auf den Höchstanspruch auf Krankengeld angerechnet würden. Darüber hinaus stelle sich die Frage, wie zu verfahren sei, wenn es sich nicht um dieselbe Erkrankung handle. Nach Auffassung der Beklagten handle es sich bei dem vom BSG entschiedenen Fall um eine Einzelfallentscheidung.

Mit streitigem Gerichtsbescheid vom 25.11.2020 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Krankengeld für die Zeiten vom 12.03.2019 bis 05.04.2019, vom 23.04.2019 bis 28.04.2019 und vom 30.04.2019 bis 12.05.2019 zu zahlen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die mit Unterbrechungen bestehende AU der Klägerin beruhe nach den Angaben auf den AU-Bescheinigungen auf derselben Erkrankung. Das Urteil des BSG in der Rechtssache B 3 KR 15/17 R sei auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Hieraus folge, dass der Krankengeldanspruch in dem Zeitpunkt begonnen habe, als die Summe der AU-Zeiten 42 Kalendertage (= sechs Wochen, weil sieben Tage) im Jahr 2018/2019 erreicht worden sei, also vom 43. Tag der AU an. Dementsprechend habe die Klägerin Anspruch auf Krankengeld jeweils für die Zeiträume, für die die AU wegen derselben Krankheit bis zur Höchstdauer nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V Leistungssprüche auslöse. Dies sei für alle beantragten Zeiträume zu bejahen.

Gegen den Gerichtsbescheid hat die Beklagte Berufung eingelegt und ergänzt, es gehe vorliegend um einen Krankengeldanspruch in Höhe von insgesamt 2.513,10 EUR brutto (2.241,18 EUR netto). Unabhängig von der Frage, ob das Urteil des BSG auch auf KSVG-Versicherte erstreckt werden könne, habe die Entscheidung aus Sicht der Beklagten keine Wirkung über den dort entschiedenen Einzelfall hinaus. Aus Sicht der Beklagten sei die Entscheidung des BSG zu Unrecht ergangen. Das BSG habe die Grenzen einer grammatikalischen Auslegung nach der juristischen Methodenlehre überschritten, da die Formulierung "der Anspruch entsteht von der siebten Woche der AU an" aus sich heraus verständlich und eindeutig sei. Einer redaktionellen Klarstellung habe es überhaupt nicht bedurft. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus der systematischen Auslegung. Das BSG bleibe eine Erklärung schuldig, warum die Wartezeit des § 46 Satz 2 SGB V mit einer nach Zeit bestimmten maximalen Leistungsmenge vergleichbar sein soll.

Auch die Gesetzgebungshistorie führe zu keinem anderen Ergebnis. Bereits bei der vor dem Jahr 2009 geltenden Regelung des § 44 Abs. 2 SGB V, der auf die Satzung für freiwillig Versicherte verwiesen hat, sei klar gewesen, dass die Wartezeit für jede AU neu anzusetzen sei (vgl. z. B. BSG vom 14.02.2007, B 1 KR 16/06 R). An der Konzeption der Wartezeit ab Beginn der AU habe der Gesetzgeber auch nicht mit den weiteren Gesetzesänderungen gerüttelt. Es sei daher davon auszugehen, dass eine Änderung überhaupt nicht beabsichtigt gewesen sei.

Schließlich habe das BSG seine Entscheidung ausdrücklich auch nur auf die Personengruppe der hauptberuflich selbstständigen Versicherten bezogen, die eine Wahlerklärung abgegeben hätten. Die Gruppe der KSVG-Versicherten sei zwar erwähnt, jedoch insbesondere im Rahmen der Auslegung der Historie nicht weiter berücksichtigt worden. Deswegen könne nicht per se angenommen werden, dass das BSG seine Entscheidung auch auf KSVG-Versicherte habe erstrecken wollen. Es handle sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wegen einer Vielzahl von Fällen.

Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 25.11.2020 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 19.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2020 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten und gewechselten Schriftsätze verwiesen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Der Senat entscheidet über die Berufung der Beklagten im Verfahren nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), dem die Beteiligten zugestimmt haben.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG entschieden, dass der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 04.03.2020 rechtswidrig ist. Die Klägerin hat Anspruch auf Krankengeld auch für die Zeiten ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 12.03.2019 bis 05.04.2019, vom 23.04.2019 bis 28.04.2019 und vom 30.04.2019 bis zum 12.05.2019.

Versicherte haben nach § 44 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden.

Keinen Anspruch auf Krankengeld haben nach Absatz 2
1. (...),
2. hauptberuflich selbständig Erwerbstätige, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung).

Vorliegend besteht trotz der (hauptberuflich) selbständigen Tätigkeit der Klägerin kein Ausschluss nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 (1. HS) SGB V, da die Klägerin als freiberufliche Publizistin zwar selbstständig tätig ist, jedoch eine Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Ziff. 4 SGB V nach den Bestimmungen des KSVG besteht. Der Anspruch auf Krankengeld ist daher nicht von der Abgabe einer Wahlerklärung abhängig.

Die Klägerin war in den streitigen Zeiträumen arbeitsunfähig erkrankt. Bei Arbeitnehmern liegt AU vor, wenn der Versicherte aufgrund der Krankheit seine zuletzt vor der AU ausgeübte Beschäftigung nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Krankheit ausführen kann (st. Rsp., vgl. Urteil des BSG vom 30.05. 1967 - 3 RK 15/65). Bei selbstständig Tätigen stellen die Anforderungen der selbstständigen Tätigkeit den Beurteilungsmaßstab für die AU dar. Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin entgegen der ärztlichen Feststellungen nicht arbeitsunfähig gewesen ist.

Der Anspruch auf Krankengeld für die nach dem KSVG Versicherten sowie für Versicherte, die eine Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V abgegeben haben, entsteht nach § 46 Satz 4 SGB V erst von der siebten Woche der AU an. Der Beginn des Anspruchs ist im Gegensatz zu anderen Versicherten mit Anspruch auf Krankengeld (vgl. § 46 Satz 1 und 2 SGB V i.d.F. des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes vom 16.07.2015, BGBl. 1 Nr. 30, S. 1211 ff.) nicht davon abhängig, dass die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Daher kann dem Anspruch der Klägerin für die Zeit vom 25.03.2019 bis zum 31.03.2019 sowie vom 30.04.2019 bis zum 01.05.2019 nicht entgegengehalten werden, dass für diese Tage keine zeitgerechte ärztliche Feststellung der AU vorliegt. Dies folgt aus dem eindeutigen Wortlaut der Norm (ebenso z.B. Sonnhof/Pfeiffer in Juris PK § 46 SGB V Rn. 82), auch wenn eine Begründung für die unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Versichertengruppen in der GKV nur schwerlich zu erkennen ist.

Dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Krankengeld steht auch nicht die in § 46 Satz 4 SGB V geregelte Karenzfrist von sechs Wochen entgegen. Wie auch das SG ist der Senat im Ergebnis der Auffassung, dass der Anspruch auf Krankengeld bei AU wegen derselben Krankheit keine ununterbrochene Dauer der AU von sechs Wochen erfordert, sondern die Karenzfrist bereits dann erfüllt ist, wenn die einzelnen AU-Zeiten für diese Erkrankung zusammengerechnet einen Zeitraum von sechs Wochen (= 42 Kalen- dertagen) ergeben. Dies hat hier zur Folge, dass für die AU-Zeiten ab dem 12.03.2019, ab dem 23.04.2019 und ab dem 30.04.2019 wegen der bereits vom 06.08.2018 bis zum 14.09.2018 und vom 17.09.2018 bis zum 31.12.2018 bestandenen AU wegen akuter Belastungsstörung mit Ausschöpfung der sechswöchigen Karenzfrist keine Wartefristen mehr ausgelöst werden und damit jeweils unmittelbar mit Beginn eines neuen AU-Zeitraums ein Anspruch auf Krankengeld entstanden ist.

Dieses Ergebnis, das in der Kommentarliteratur nicht unumstritten ist (wie hier: BeckOK SozR/Tischler SGB V § 46 Rn. 24, Sonnhoff/Pfeiffer in jurisPK-SGB V, § 46 SGB V, Just in v.Koppenfels-Spieß/Wenner, § 46 SGB V Rn. 10; gegen eine Zusammenrechnung: BeckOGK/Schifferdecker, 1.3.2022, SGB V § 46 Rn. 102, 103), folgt für den Senat vor allem aus dem in der Vorschrift angelegten Gleichlauf der Rechtslage für die nach dem KSVG Versicherten und für die Versicherten mit Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V. Da die Regelung mit identischer Formulierung auf beide Personengruppen Anwendung findet, spricht sehr viel dafür, sie auch hinsichtlich der Rechtsfolge einheitlich zu behandeln.

Für die Gruppe der Versicherten mit Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V hat das BSG mit seinem Urteil vom 28.03.2019 entschieden, dass ein Anspruch auf Krankengeld nicht zwingend eine vorausgehende ununterbrochene AU von sechs Wochen erfordert. Vielmehr entstehe der Anspruch bereits dann, wenn die Summe der AU-Zeiten wegen derselben Krankheit 42 Tage (= 6 Wochen mal 7 Tage) erreicht hat.

Mit dem BSG ist der Senat der Auffassung, dass der Wortlaut des § 46 Satz 4 SGB V ("von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an") eine solche Auslegung zulässt. Der Beklagten ist allerdings zuzugestehen, dass der Gesetzgeber besser von einem Krankengeldanspruch ab dem 43. Tag der AU wegen derselben Erkrankung gesprochen hätte. Die Auslegung, wonach ein Zusammenrechnen nicht zusammenhängender AU-Zeiten erfolgen kann, überschreitet aber jedenfalls nicht die Grenze des möglichen Wortsinns, sondern ist hiervon noch umfasst.

Für die Zusammenrechnung von einzelnen, nicht unbedingt aufeinander folgenden AU-Zeiten kann vor allem der Zusammenhang mit den anderen Regelungen zum Krankengeldrecht unter ergänzender Einbeziehung des § 3 EntgFG angeführt werden. So regelt  § 48 Abs. 1 SGB V, dass Versicherte Krankengeld für den Fall der AU wegen derselben Erkrankung für längstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren erhalten. Es ist unbestritten, dass diese Höchstdauer, die 546 Tagen entspricht, nicht zusammenhängen muss, sondern auch dann erreicht wird, wenn einzelne AU-Zeiten wegen derselben Erkrankung mit Unterbrechungen zurückgelegt werden. Andernfalls würde der Drei-Jahreszeitraum keinen Sinn machen. Für abhängig Beschäftigte ist ergänzend auf § 3 EntgFG zu verweisen, weil die Höchstdauer der 6-wöchtigen Entgeltfortzahlung nach herrschender Meinung nicht im Sinne einer zusammenhängenden Frist verstanden wird, sondern in Anlehnung an § 192 BGB als Frist von 42 Kalendertagen (vgl. BAG vom 09.03.1973, 5 AZR 491/72). Die Dauer des Anspruchs auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts wird daher durch Addition der AU-Zeiten (Tage) ermittelt. Zutreffend hat das BSG festgestellt, dass nichts anderes dann für die spiegelbildliche Berechnung der maximalen Zeitdauer für das Ruhen der Krankengeldansprüche von beschäftigten Versicherten und ihren Anspruch auf den Beginn der Krankengeldzahlung grundsätzlich am 43. Tag der AU gelten kann. Dass in diese Systematik auch hauptberuflich Selbständige, die eine Wahlerklärung abgegeben haben, einbezogen werden, ist für den erkennenden Senat konsequent.

Entgegen der Auffassung der Beklagten stützen auch die Gesetzesmaterialien zum Krankengeldanspruch der hauptberuflich Selbständigen mit Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Nr. 2 SGB V dieses Ergebnis, da der Gesetzgeber diesem Personenkreis die Wahl des "gesetzlichen" Krankengeldes gegen Zahlung des allgemeinen Beitragssatzes "wie bei Arbeitnehmern" ermöglichen wollte. Gegenüber den zuvor mit dem GKV-Wettbewerbs- stärkungssgesetz (GKV-WSG) eingeführten Wahltarifen zur Absicherung des Krankengeldanspruchs wurde nunmehr wieder als zusätzliche Option ein "gesetzlicher" Krankengeldanspruch ab der siebten Woche der AU eröffnet. Ausdrücklich sollte dies so sein wie bei Arbeitnehmern, so dass auch eine Abstimmung mit den Regelungen des EntgFG naheliegt (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.07.2009, BT-Drs.16/12256, S. 64 zu Nummer 2a: "Für hauptberuflich selbstständige Erwerbstätige, die sich mit einer Wahlerklärung nach § 44 Absatz 2 Nummer 2 für den "gesetzlichen" Krankengeldanspruch gegen Zahlung des allgemeinen Beitragssatzes entschieden haben, beginnt der Anspruch ab der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit und damit im selben Zeitpunkt wie bei gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern.").

Trifft es danach zu, dass bei Versicherten mit Wahlerklärung nach 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V auch nicht zusammenhängende Arbeitsunfähigkeitszeiten zusammengerechnet werden bis insgesamt sechs Wochen erreicht werden, kann aus Sicht des Senates für die nach dem KSVG Versicherten nichts Anderes gelten. Hätte der Gesetzgeber den Krankengeldanspruch beider Versichertengruppen unterschiedlich regeln wollen, dann hätte er dies deutlich machen müssen und nicht KSVG-Versicherte und hauptberuflich Selbstständige mit Wahlerklärung in einer Norm ohne inhaltliche Differenzierung zusammenfassen dürfen.

Schließlich sind für den Senat auch keine Gründe erkennbar, die trotz dieser Sachlage eine andere rechtliche Beurteilung der nach dem KSVG Versicherten erfordern. Der Personenkreis der KSVG-Versicherten kann, was die finanzielle Absicherung im Krankheitsfall angeht, kaum als weniger schutzbedürftig angesehen werden kann, als die Gruppe der hauptberuflich Selbstständigen mit Wahlerklärung bzw. der versicherungspflichtigen Beschäftigten. Vielmehr gilt, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung eines eigenen Sozialversicherungssystems für selbständige Künstler und Publizisten gerade eine Verbesserung der sozialen Absicherung dieses Personenkreises zum Ziel hatte (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Bundestagsdrucks. 8/3172 A). Soweit es dem Gesetzgeber jedenfalls damals auch um die Vermeidung von Missbrauch gegangen ist, wird diesem Zweck - in eingeschränktem Umfang - auch durch das erstmalige Herausschieben des Krankengeldanspruches um sechs Wochen Rechnung getragen.
 
Die Klägerin hat daher Anspruch auf Krankengeld für die von ihr geltend gemachten weiteren Zeiten der Arbeitsunfähigkeit. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

Die Revision wird nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung für den Personenkreis der nach dem KSVG Versicherten hat.

 

Rechtskraft
Aus
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