Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 22.06.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2022 verurteilt, die Beiträge des Klägers für die Kranken- und Pflegeversicherung für das Jahr 2018 auf der Grundlage von beitragspflichtigen Einnahmen von kalendertäglich 1/60 der monatlichen Bezugsgröße festzusetzen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der von dem Kläger zu zahlenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Der am 15.07.1961 geborene Kläger ist als hauptberuflich Selbständiger freiwilliges Mitglied der Beklagten. Mit Bescheid vom 20.12.2017 stellte die Beklagte vorläufig die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.01.2018 fest. Mit Bescheid vom 16.08.2018 erfolgte die vorläufige Neuberechnung zum 01.08.2018. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen wies die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 20.09.2021 darauf hin, dass noch der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 fehle. Auch stehe die Beitragsberechnung auf Basis des letzten Einkommensteuerbescheides unter dem Vorbehalt der Neuberechnung. Der Kläger wurde gebeten, bis 15.10.2021 eine Kopie des vollständigen Einkommensteuerbescheides von 2018 zuzuschicken. Andernfalls verpflichte der Gesetzgeber die Beklagte, den Beitrag nach Ablauf der Dreijahresfrist auf der Grundlage der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze festzulegen. Eine rückwirkende Beitragskorrektur für das Jahr 2018 sei nur bei Eingang der Unterlagen bis 31.12.2021 möglich. Eine Erinnerung erfolgte durch die Beklagte ausweislich des entsprechenden Vermerks mit Schreiben vom 07.12.2021.
Mit Bescheiden vom 22.06.2022 berechnete die Beklagte die Beiträge für die Zeiträume 01.01.2018 bis 31.07.2018 und 01.08.2018 bis 31.12.2018 auf der Grundlage der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze. Am 06.07.2022 erhob der Kläger Widerspruch. Er trug vor, er habe von der Beklagten keine schriftlichen Aufforderungen erhalten, den Einkommensteuerbescheid 2018 vorzulegen. Ob dies von der Beklagten nicht versandt worden, auf dem Postweg verloren gegangen oder im Mehrparteienhaus durch andere Bewohner entwendet worden sei, könne nicht geklärt werden. Der Kläger legte die Einkommensteuerbescheide des Finanzamts Ravensburg vom 20.04.2020 für 2018 und vom 11.02.2021 für 2019 vor. Im Einkommensteuerbescheid für 2018 sind bei dem Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 4.906 € aufgeführt. Am 11.07.2022 stellte der Kläger klar, dass gegen beide Bescheide vom 22.06.2022 Widerspruch eingelegt werde. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2022 zurück.
Mit Bescheid vom 06.07.2022 stellte die Beklagte die Beitragshöhe für das Jahr 2019 in gleicher Höhe wie im Rahmen der vorläufigen Entscheidung fest. Die vorläufige Beitragsberechnung für die darauffolgenden Kalenderjahre bleibe zunächst weiterbestehen.
Am 05.10.2022 hat der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.09.2022 Klage bei dem Sozialgericht Konstanz erhoben. Der Kläger hat erneut vorgetragen, ihm seien vor den Bescheiden vom 22.06.2022 keinerlei Benachrichtigungen der Beklagten zugegangen, mit denen er aufgefordert worden wäre, den Einkommensteuerbescheid für 2018 vorzulegen. Hätte er eine solche Aufforderung erhalten, hätte er umgehend den Steuerbescheid vorgelegt.
Der Kläger beantragt zuletzt,
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 22.06.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2022 zu verurteilen, die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung für das Jahr 2018 auf der Grundlage von beitragspflichtigen Einnahmen von kalendertäglich 1/60 der monatlichen Bezugsgröße festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ergänzend darauf hingewiesen, dass grundsätzlich bei jedem neu verschickten Beitragsbescheid ein Merkblatt beigefügt werde, mit dem an das zeitnah einreichen eines von der Finanzverwaltung ausgestalten Einkommensteuerbescheides erinnert werde. Beispielhaft werde auf den Bescheid vom 06.07.2022 Bezug genommen.
Das Gericht hat am 07.03.2023 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt. In dem Termin ist für die Beklagte mitgeteilt worden, dezidiert angefordert worden sei der Einkommensteuerbescheid für 2018 mit Schreiben vom 20.09.2021 und 07.12.2021. Man sei zunächst von einem Telefonat vom 07.12.2021 ausgegangen, es gebe aber kein Telefonat. Die Anforderung vom 07.12.2021 sei praktisch inhaltsgleich mit der Anforderung vom 20.09.2021. Für die Beklagte ist ferner auf die Informationen zum Beispiel mit Bescheid vom 16.08.2018 hingewiesen worden. Sie hätten auch versucht, den Kläger telefonisch zu erreichen. Sie seien aber nicht durchgekommen. Sie seien der Auffassung, dass sie nicht immer dezidiert auf das Fehlen einzelner Steuerbescheide hinweisen müssten. Die Hinweise in den Beitragsbescheiden seien aus Sicht der Beklagten ausreichend. Das, was sie zusätzlich machen würden, sei eigentlich nur Kundenservice. Der Kläger hat im Rahmen seiner Anhörung vorgetragen, er habe diese Briefe nicht bekommen. Es seien 8 Wohnungen, es würden über 20 Leute in dem Haus wohnen, es seien auch Studenten und Familien. Es seien immer mal Briefe vermisst worden. Es sei die Coronazeit gewesen. Teilweise habe der Briefträger in der Zeit die Briefe nicht in den Briefkasten geworfen, sondern auf die Treppe gelegt. Es seien immer mal Briefe auch vermisst worden. Der Kläger hat hierzu ein Schreiben seiner Nachbarin vorgelegt. Ferner hat der Kläger vorgetragen, es ergebe keinen Sinn, dass er den Einkommensteuerbescheid nicht vorgelegt hätte auf entsprechende Anforderung. Er habe das dann gleich gemacht. Er habe ja kein Interesse, diese Unterlagen nicht vorzulegen, wenn sie schon vorhanden seien. Für die Beklagte ist ferner mitgeteilt worden, dass, wenn der Steuerbescheid 2018 fristgerecht eingegangen wäre, er aus Sicht der Beklagten die Grundlage für die Beitragsberechnung gewesen wäre.
Die Beklagte hat die Ergebnisniederschrift über die Sitzung der Fachkonferenz Beiträge am 04.05.2022 vorgelegt. Für den Kläger ist vorgetragen worden, dass nach Durchsicht seiner Unterlagen davon ausgegangen werde, dass er das Schreiben vom 16.08.2018 nicht erhalten habe. Letztlich komme es aber darauf nicht an. Denn eine Aufforderung in Bezug auf den Einkommensteuerbescheid 2018 beinhalte das Schreiben nicht. Dies gelte zum einen aufgrund der Formulierungen, zum anderen, weil der Steuerbescheid im August 2018 noch gar nicht vorgelegt werden könne. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 20.04.2023 auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, wenn von Klägerseite der Einkommensfragebogen bis 31.12.2021 bei der Beklagten eingereicht worden wäre (was allerdings erst am 06.07.2022 erfolgt sei), wären Beiträge auf der Basis von 1/60 der monatlichen Bezugsgröße zu erheben gewesen, da die tatsächlichen Einnahmen des Klägers unter diesem Betrag gelegen hätten und er einen Antrag auf Beitragsentlastung gestellt habe.
Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 20.04.2023 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Nachdem beide Beteiligten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt haben, konnte das Gericht gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und mit dem zuletzt gestellten Antrag in vollem Umfang begründet. Die Beitragsberechnung für das Jahr 2018 hat auf der Grundlage von kalendertäglich 1/60 der monatlichen Bezugsgröße zu erfolgen.
Gemäß § 240 Abs. 1 SGB V in der vom 01.01.2018 bis 14.12.2018 geltenden und im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung (a.F.) wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt; sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223). Mit Wirkung ab 15.12.2018 wurden durch Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Beitragsentlastung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versichertenentlastungsgesetz-GKV-VEG) vom 11.12.2018 in § 240 Abs. 1 folgende Sätze 3 - 5 eingefügt: „Weist ein Mitglied innerhalb einer Frist von zwölf Monaten, nachdem die Beiträge nach Satz 2 auf Grund nicht vorgelegter Einkommensnachweise unter Zugrundelegung der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt wurden, geringere Einnahmen nach, sind die Beiträge für die nachgewiesenen Zeiträume neu festzusetzen. Für Zeiträume, für die der Krankenkasse hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds die nach Absatz 4 Satz 1 oder Satz 2 jeweils anzuwendende Mindestbeitragsbemessungsgrundlage nicht überschreiten, hat sie die Beiträge des Mitglieds neu festzusetzen. Wird der Beitrag nach den Sätzen 3 oder 4 festgesetzt, gilt § 24 des Vierten Buches nur im Umfang der veränderten Beitragsfestsetzung.“
Gemäß § 240 Abs. 2 S. 1 SGB V sind bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Gemäß § 240 Abs. 2 S. 5 SGB V gelten die §§ 223 und 228 Abs. 2, § 229 Abs. 2 und die §§ 238a, 247 Satz 1 und 2 und § 248 Satz 1 und 2 dieses Buches sowie § 23a des Vierten Buches entsprechend.
Als beitragspflichtige Einnahmen gilt nach § 240 Abs. 4 SGB V in der vom 01.01.2018 bis 31.12.2018 geltenden Fassung (a.F.) für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste, für freiwillige Mitglieder, die einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 93 des Dritten Buches oder eine entsprechende Leistung nach § 16b des Zweiten Buches erhalten, der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt, unter welchen Voraussetzungen darüber hinaus der Beitragsbemessung hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger niedrigere Einnahmen, mindestens jedoch der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße, zugrunde gelegt werden. Dabei sind insbesondere das Vermögen des Mitglieds sowie Einkommen und Vermögen von Personen, die mit dem Mitglied in Bedarfsgemeinschaft leben, zu berücksichtigen. Die durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf Grundlage der Sätze 3 und 4 bestimmten Voraussetzungen für eine Beitragsberechnung sind bis zur endgültigen Beitragsfestsetzung nach Absatz 4a Satz 3 durch das Mitglied nachzuweisen. Für die Beurteilung der selbständigen Erwerbstätigkeit einer Tagespflegeperson gilt § 10 Abs. 1 Satz 2 und 3 entsprechend. Für freiwillige Mitglieder, die Schüler einer Fachschule oder Berufsfachschule oder als Studenten an einer ausländischen staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eingeschrieben sind oder regelmäßig als Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung im Umherziehen anbieten (Wandergesellen), gilt § 236 in Verbindung mit § 245 Abs. 1 entsprechend. Satz 1 gilt nicht für freiwillige Mitglieder, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte dieses Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren; § 5 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.
Gemäß § 240 Abs. 4a SGB V werden die nach dem Arbeitseinkommen zu bemessenden Beiträge auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides vorläufig festgesetzt; dabei ist der Einkommensteuerbescheid für die Beitragsbemessung ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats heranzuziehen; Absatz 1 Satz 2 zweiter Halbsatz gilt entsprechend. Bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit werden die Beiträge auf der Grundlage der nachgewiesenen voraussichtlichen Einnahmen vorläufig festgesetzt. Die nach den Sätzen 1 und 2 vorläufig festgesetzten Beiträge werden auf Grundlage der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen für das jeweilige Kalenderjahr nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides endgültig festgesetzt. Weist das Mitglied seine tatsächlichen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres nach, gilt für die endgültige Beitragsfestsetzung nach Satz 3 als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze. Für die Bemessung der Beiträge aus Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gelten die Sätze 1, 3 und 4 entsprechend. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht, wenn auf Grund des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides oder einer Erklärung des Mitglieds für den Kalendertag beitragspflichtige Einnahmen in Höhe des 30. Teils der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zugrunde gelegt werden.
§ 7 Abs. 3 - 5 der einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) vom 27.10.2008 in der Fassung der Änderung vom 15.11.2017 regelt die Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen für hauptberuflich selbständig Erwerbstätige. Danach sind für den Kalendertag mindestens 1/40 der monatlichen Bezugsgröße (§ 18 Abs. 1 SGB IV) heranzuziehen, auf Antrag für Mitglieder, deren beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag 1/40 der monatlichen Bezugsgröße unterschreiten, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen die tatsächlichen Einnahmen, mindestens 1/60 der monatlichen Bezugsgröße für den Kalendertag. Der Antrag ist grundsätzlich mit Wirkung für die Zukunft im Verfahren der vorläufigen Beitragsfestsetzung zu stellen; er kann jedoch auch mit Wirkung für die Vergangenheit bis zur endgültigen Beitragsfestsetzung nachgeholt werden.
Die endgültige Beitragsfestsetzung für das Jahr 2018 hat unter Berücksichtigung des Einkommensteuerbescheides für dieses Jahr zu erfolgen. Allerdings wurde der Einkommensteuerbescheid nicht innerhalb von drei Jahren, also bis 31.12.2021, vorgelegt. Die Bestimmung des § 240 Abs. 4a S. 4 SGB V, die bei nicht fristgerechter Vorlage eines Nachweises der tatsächlichen Einnahmen vorsieht, dass Beiträge auf der Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze zu erheben sind, setzt jedoch ein „Verlangen“ der Krankenkasse voraus. Beweispflichtig hierfür ist auf der Grundlage des Wortlauts der Bestimmung die Beklagte. Ein „Verlangen“ im Sinne des § 240 Abs. 4a S. 4 SGB V ist nicht nachgewiesen. Die von der Beklagten genannten Schreiben vom 20.09.2021 und 07.12.2021, mit denen der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 ausdrücklich angefordert wurde, hat der Kläger nach seiner Mitteilung nicht erhalten. Das Gericht hat keine Hinweise darauf, dass die diesbezüglichen Angaben des Klägers unzutreffend wären. Ein Zugangsnachweis für die als einfache Briefe versandten Schreiben existiert nicht.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind ihre weiteren Hinweise nicht als „Verlangen“ im Sinne des § 240 Abs. 4a S. 4 SGB V anzusehen. Ein „Verlangen“ setzt bereits vom Begriff her eine konkrete Aufforderung voraus. Soweit die Beklagte auf den Bescheid vom 16.08.2018 hingewiesen hat, hat der Kläger ebenfalls angegeben, diesen nicht erhalten zu haben. Im Übrigen handelt es sich hier wie auch in den weiteren Beitragsbescheiden lediglich um allgemeine Hinweise zur Beitragsberechnung, nicht um Aufforderungen zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides 2018. Denn der Hinweis in dem von der Beklagten vorgelegten Bescheid vom 16.08.2018, dass die Beiträge neu berechnet würden, sobald vom Kläger ein aktueller Einkommensteuerbescheid für das jeweilige Veranlagungsjahr vorliege, ist keine konkrete Aufforderung zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides.
Auch kann etwa die Formulierung im Bescheid vom 20.12.2017: „Die Beiträge stehen daher unter dem Vorbehalt der Neuberechnung und Änderung, bis uns ein aktueller Einkommenssteuerbescheid für das jeweilige Jahr vorliegt.“ nicht als Aufforderung zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2018 angesehen werden.
Ferner genügen die allgemeinen Hinweise, die mit dem Beitragsbescheid vom 06.07.2022 übersandt und nach Mitteilung der Beklagten grundsätzlich jedem neu verschickten Beitragsbescheid beigefügt sind, insoweit nicht. Hier wird zwar darauf hingewiesen, dass Korrekturen in einem Dreijahreszeitraum möglich sind und die Versicherten verpflichtet sind, die Beklagte über die Veränderungen der beitragspflichtigen Einnahmen zu informieren sowie dass nach Ablauf des Dreijahreszeitraum eine rückwirkende Anpassung der Beitragsfestsetzung nicht mehr erreicht werden kann. Hierbei handelt es sich jedoch ebenfalls um allgemeine Hinweise, nicht um eine konkrete Aufforderung zur Vorlage eines Einkommensnachweises. Im selben Merkblatt wird ausgeführt: „Werden nach unserer Aufforderung die tatsächlichen Einkünfte von Ihnen nicht nachgewiesen, erfolgt für das entsprechende Kalenderjahr die Beitragsfestsetzung zunächst vorläufigen Höhe der Beitragsbemessungsgrenze. Wenn die Mitwirkungspflichten nachgeholt, sind die Beiträge auf Grundlage des dann vorliegenden maßgeblichen Einkommensteuerbescheides zu korrigieren. Nach Ablauf der Dreijahresfrist erfolgt die endgültige Beitragsfestsetzung in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze. Änderungen sind dann nicht mehr möglich.“ Auch mit diesem Hinweis wird nicht konkret zur Vorlage von Einkommensnachweisen aufgefordert.
Die Voraussetzungen für die Erhebung von Beiträgen auf der Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze waren daher für das Kalenderjahr 2018 bei dem Kläger nicht erfüllt. Vielmehr ist der endgültigen Beitragserhebung für das Jahr 2018 gemäß § 240 Abs. 4a S. 3 SGB V der Einkommensteuerbescheid für dieses Jahr zugrunde zu legen. Der Kläger hatte im Jahr 2018 ausweislich des entsprechenden Einkommensteuerbescheides Einnahmen von insgesamt lediglich 4.906 €, somit monatlich 408,83 € und damit kalendertäglich weniger als 1/60 der monatlichen Bezugsgröße (Bezugsgröße West 2018 monatlich 3.045,00 €). Da er nach Mitteilung der Beklagten vom 20.04.2023 den Antrag auf Beitragsentlastung rechtzeitig gestellt hat, hat die Beitragserhebung für das Jahr 2018 nach § 240 Abs. 4 S. 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs. 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler auf der Grundlage von beitragspflichtigen Einnahmen von kalendertäglich 1/60 der monatlichen Bezugsgröße zu erfolgen.
Die Beklagte war daher unter Abänderung der Bescheide vom 22.06.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2022 zu verurteilen, die Beiträge des Klägers für die Kranken- und Pflegeversicherung für das Jahr 2018 auf der Grundlage von beitragspflichtigen Einnahmen von kalendertäglich 1/60 der monatlichen Bezugsgröße festzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.