I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin begehrt die Kostenerstattung einer gastroplastischen Operation.
Die am XX.XX.XXXX geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich gegen Krankheit versichert. Am 22.07.2019 ging bei der Beklagten ein vom Klinikum B-Stadt - Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie erstelltes "Gutachten zur Kostenübernahme einer gastroplastischen Operation zur Gewichtsreduktion" vom 03.07.2019 ein. In diesem wird ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine Adipositas permagna Grad II mit metabolischem Syndrom mit den Nebendiagnosen Diabetes mellitus und einer polyzystischen Nierenerkrankung. Bei der Patientin liege nach den Leitlinien AWMF eine klare Indikation zur gastroplastischen Operation vor. Das zeitnah und auch langjährig zurückliegende, ärztlich kontrollierte, multimodale Therapiekonzept sei bei der Patientin als aussichtslos anzusehen. Die gastroplastische Operation sei die Ultima ratio.
Die Beklagte beteiligte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung.
Dieser führte unter dem 23.08.2019 aus, dass bereits im Mai 2016 eine Begutachtung bezüglich einer bariatrischen Operation erfolgt sei. Es sei nicht ausreichend nachgewiesen gewesen, dass die konservative Behandlung, d.h. fortlaufende diätische, bewegungstherapeutische und verhaltenstherapeutische Maßnahmen, maximal ausgeschöpft gewesen seien. Es habe weiteres konservatives Optimierungspotential bestanden. Die Ultima-ratio-Situation sei nicht erfüllt gewesen.
Da auch im aktuellen Antrag auf den ursprünglichen Antrag auf Kostenübernahme verwiesen werde und sich aktuelle Befunde nicht finden ließen, könne unverändert auf die Verbegutachtung verwiesen werden.
Mit Bescheid vom 22.08.2019 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 09.09.2019 Widerspruch.
In der Folgezeit legte die Klägerin eine Begründung des Klinikums B-Stadt vom 24.09.2019 vor. Auf diese wird verwiesen.
Die Beklagte beteiligte nochmals den MDK. Dieser nahm unter dem 31.03.2020 gutachterlich Stellung. Es wurden weitere Ermittlungen hinsichtlich aktueller ärztlicher Befunde angeregt.
Die streitgegenständliche Operation (Sleeve Resektion des Magens) wurde in der Zeit vom 05.10.2020 bis 08.10.2020 im Klinikum B-Stadt durchgeführt. Hierfür entstanden Kosten in Höhen von 7.952,01€.
Nach Vorlage weiterer Unterlagen nahm der MDK wiederum gutachterlich Stellung. Es wurde ausgeführt, dass auf Basis der vorliegenden (unvollständigen) Dokumente weder eine Ultima-ratio-Situation noch eine primäre Indikation im Sinne der entsprechenden Leitlinien gutachterlicherseits bestätigt werden könnten (Gutachten vom 10.05.2021).
Gestützt hierauf wies die Beklagte mit Bescheid vom 14.10.2021 den Widerspruch der Klägerin zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
Mit Schriftsatz ihres ehemaligen Bevollmächtigten vom 26.10.2021 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg.
Die Klägerin hat im Verfahren keinen Antrag gestellt.
Die Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen.
Die Vorsitzende holte Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin ein. Danach erhob es Beweis durch ein ärztliches Sachverständigengutachten durch Dr. G.. Dieses wurde nach Aktenlage durchgeführt, da mehrere Untersuchungstermine durch die Klägerin unentschuldigt nicht wahrgenommen wurden.
Dr. G. führte unter dem 16.09.2022 aus, dass im Rahmen der multimodalen Therapie die Komponente der Ernährungsberatung nicht in Gänze umgesetzt worden sei. Seitens des bariatrischen Operateurs werde darauf hingewiesen, dass die Klägerin Diabetikerin sei und deswegen ohnehin schon eine entsprechende Ernährungsberatung stattgefunden haben sollte. Darüber hinaus seien aber keine weiteren Ernährungsberatungen dokumentiert. Dies sei deswegen von Bedeutung, da eine Beratung hinsichtlich der Zuckererkrankung nicht gleichzusetzen sei mit einer Beratung im Sinne einer Kalorienreduktion zur Gewichtsabnahme.
Im vorliegenden Fall hätten zum Zeitpunkt der Operation weder eine primäre Indikation noch eine Ultima-ratio-Situation vorgelegen, nachdem die konservativen Therapiemaßnahmen nicht in Gänze ausgeschöpft gewesen seien.
Ein Antrag nach § 109 SGG wurde nicht gestellt.
Mit Schriftsatz vom 16.01.2022 legte der Bevollmächtigte der Klägerin das Mandat nieder.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die bereits durchgeführte bariatrische Operation.
Da die Versicherte das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 2 SGB V ersichtlich nicht gewählt hat, kommt als einzige Anspruchsgrundlage § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V sind jedoch nicht erfüllt.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind dem Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, wenn sie dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse die unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Dabei reicht der Kostenerstattungsanspruch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z. B Urteil vom 18.05.2004, B 1 KR 21/02 R, nach juris).
Eine unaufschiebbare Leistung lag unzweifelhaft nicht vor. Aber auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V liegen nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts scheidet ein auf § 13 Abs. 3 SGB V gestützter Erstattungsanspruch aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne zuvor die Krankenkasse einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 15 m.w.Nachw.). Es muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Kausalzusammenhang bestehen. Nur dann ist die Bedingung des § 13 Abs. 1 SGB V für eine Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz erfüllt (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. z.B. Urteil vom 20.05.2003, B 1 KR 9/03 R).
Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da bereits kein Sachleistungsanspruch der Klägerin auf die durchgeführte Operation bestanden hat.
Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung in Gestalt der stationären Krankenhausbehandlung gemäß § 27 Abs.1 Satz 2 Nr.5 SGB V, soweit diese gemäß § 2 Abs.1, § 12 Abs.1, § 39 Abs.1 Satz 2 SGB V wirtschaftlich notwendig sowie erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch ambulante Behandlung erreicht werden kann.
Wird durch eine Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, wie das bei einer bariatrischen Operation geschieht, bedarf diese mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind BSG Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R mwN).
In Anwendung dieser Grundsätze auf den Fall der Klägerin ist zunächst festzustellen, dass diese an krankhaftem Übergewicht littt. Der Sachverständige hat zutreffend ein Übergewicht nach einem BMI von knapp 40 diagnostiziert. Dieses Übergewicht bestand - wie aus den vorgelegten medizinischen Dokumentationen ersichtlich - trotz einiger Behandlungsversuche bereits über Jahre hinweg fort. Es lag insoweit ein krankhaftes Übergewicht vor. Zudem litt die Klägerin an Folgeerkrankungen des Übergewichts in Gestalt eines Diabetes mellitus Typ 2, eines Leberparenchymschadens sowie der arteriellen Hypertonie. Dieser Krankheitszustand wurde auch von der Beklagten nicht bezweifelt. Hingegen waren Erkrankungen des Magens selbst, an welchem die geplante Operation durchgeführt werden soll, nicht vorhanden.
Somit sollte im Falle der Klägerin durch einen operativen Eingriff am gesunden Magen die krankhafte Adipositas behandelt werden. Dies setzt voraus, dass das Behandlungsziel des Eingriffs, die Gewichtsreduktion, notwendig sowie wirtschaftlich ist und dass das Behandlungsziel durch ambulante Maßnahmen nicht erreicht werden kann (§ 2 Abs.1, § 12 Abs.1, § 39 Abs.1 Satz 2 SGB V). Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin zwar bereits mehrere Maßnahmen der Gewichtsreduktion unternommen hat. Dies reicht jedoch nicht aus, um die chirurgische Behandlung als notwendige und wirtschaftliche Maßnahme anzuerkennen. Denn die Klägerin hatte nicht das vor der Operation für wenigstens sechs Monate durchzuführende ärztlich begleitete multimodale Behandlungskonzept, welches durch ein Konzept der psychologischen Begleitung und Ernährungsberatung sowie Bewegungsanregung begleitet wird, vollständig durchlaufen. Diese alternative ambulante und im Vergleich mit der Magenbandoperation wegen der dort erforderlichen lebenslangen Nachbetreuung wirtschaftlichere Maßnahme genießt Vorrang vor dem streitigen Eingriff. Insoweit dem gerichtlich beauftragten Gutachter zu folgen, die überzeugend dargelegt hat, dass eine Ernährungsberatung im Rahmen eines Diabetes nicht mit einer Beratung im Sinne einer Kalorienreduktion gleichzusetzten ist. Die Kammer macht sich die Feststellungen des Gutachters zu eigen und schließt sich diesen an.
Die Klägerin hat somit bereits mangels Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit der stationären Behandlung keinen Anspruch auf die begehrte Operation.
Darüber hinaus sind die Voraussetzungen der Rechtsprechung für eine mittelbare chirurgische Behandlung an einem gesunden Körperorgan nicht erfüllt. Diese sind im Falle des chirurgischen Eingriffes in Gestalt der Implantation eines Magenbandes wie folgt anzusetzen (vgl. Bundessozialgericht Urteil vom 10.09.2009 - B 1 KR 2/08 R):
- BMI 40 oder 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen,
- Erschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten,
- tolerables Operationsrisiko,
- ausreichende Motivation,
- keine manifeste psychiatrische Erkrankung sowie
- Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung.
Im vorliegenden Falle fehlte es an der Erschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten, die chirurgische Behandlung war nicht die "ultima ratio". Denn die Klägerin hatte vor der Opation kein wenigstens sechsmonatiges Behandlungsprogramm zur Gewichtsreduktion mit ärztlicher Begleitung vollständig durchgeführt (s.o.). Die bisherigen Abnehmversuche der Klägerin ersetzen diese konservative Behandlungsmöglichkeit nicht.
Auch folgt aus den bisherigen vergeblichen Abnehmversuchen der Klägerin keineswegs, dass eine konservative mehrmonatige Behandlung aussichtslos war.
Die Klage war somit abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.