L 7 AS 2528/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 3967/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 2528/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.


Tatbestand


Der Kläger begehrt von der Beklagten weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Monat Juni 2018 in Höhe von insgesamt 35,87 EUR.

Der 1958 geborene und alleinstehende Kläger bezieht von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit in Höhe von 263,58 EUR bis Juni 2018 und in Höhe von 272,08 EUR ab Juli 2018 (Bl. 86 Band 8 d. Verwaltungsakte). Er übt eine geringfügige Beschäftigung als Zeitungszusteller bei der B1 GmbH K1 aus, aus welcher er Arbeitslohn in schwankender Höhe erhält. Neben dem Zustell- und Trägerlohn sowie Zuschlägen steht dem Kläger ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Kilometergeld/Erstattung von Fahrtkosten sowie Erstattung von Auslagen zu. Für die täglichen Zustellungen in seinem Zustellbezirk benutzt er sein eigenes Fahrzeug. Für Mai 2018 erhielt er 169,18 EUR, bestehend aus 234,55 EUR Lohn brutto bzw. 229,97 EUR netto, einen Auslagenersatz in Höhe von 3,20 EUR und ein Kilometergeld in Höhe von 46,00 EUR abzüglich eines Betrages in Höhe von 109,99 EUR für Berufskleidung (vgl. Verdienstabrechnung, Bl. 133 Band 7 d. Verwaltungsakte), wobei der Lohn jeweils im Folgemonat ausgezahlt wurde.

Der Kläger steht im ständigen Leistungsbezug bei der Beklagten. Mit Änderungsbescheid vom 27. Dezember 2017 (Bl. 76 Band 7 d. Verwaltungsakte) bewilligte sie ihm vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von Februar 2018 bis Juni 2018 in Höhe von 271,09 EUR monatlich. Nach Vorlage der Lohnabrechnung für den Monat Mai 2018 setzte sie die Leistungen endgültig fest und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 12. Juni 2018 (Bl. 136 Band 7 d. Verwaltungsakte) Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 413,22 EUR für den Monat Juni 2018. Sie berücksichtigte dabei einen Bedarf in Höhe von 712,67 EUR (Regelleistung in Höhe von 416,00 EUR zuzüglich Mehrbedarf für Warmwasserbereitung in Höhe von 9,57 EUR zuzüglich Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 287,10 EUR) und zog von diesem ein Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 162,78 EUR abzüglich eines Freibetrages in Höhe von insgesamt 126,91 EUR und die Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 263,58 EUR, mithin ein bereinigtes Einkommen in Höhe von 299,45 EUR ab. Mit weiterem Bescheid vom 13. Juni 2018 (Bl. 12 Band 8 d. Verwaltungsakte) bewilligte der Beklagte Leistungen nach dem SGB II aufgrund zu erwartenden schwankenden Einkommens aus nichtselbständiger Tätigkeit für die Monate Juli 2018 bis einschließlich Dezember 2018 vorläufig.

Gegen den Bescheid vom 12. Juni 2018 erhob der Kläger am 25. Juni 2018 mit der Begründung Widerspruch (Bl. 23, 33 Band 8 d. Verwaltungsakte), der Bescheid sei rechtswidrig, soweit die dem Kläger gewährte Fahrkostenerstattung als Einkommen angerechnet werde. Diesbezüglich verweise er auf ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Detmold vom 18. September 2014 (Az. S 18 AS 871/12). Demgemäß stünden ihm weitere 46,00 EUR für den Monat Juni 2018 zu. Auch bei der vorläufigen Entscheidung über die Gewährung von Leistungen für die Monate Juli bis einschließlich Dezember 2018 dürfe eine Fahrtkostenerstattung nicht als Einkommen berücksichtigt werden, so dass ebenfalls höhere Leistungen zu gewähren seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2018 (Bl. 48 Band 8 d. Verwaltungsakte) wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Juni 2018 als unbegründet zurück. Maßgeblich für die Berechnung sei ein Bruttolohn im Mai 2018 in Höhe von 229,97 EUR und der Nettolohn zuzüglich der Positionen Aufwendungsersatz (3,20 EUR) und Kilometergeld (46,00 EUR) abzüglich der Kosten für die Berufskleidung (109,99 EUR), mithin ein Einkommen in Höhe von 169,18 EUR. Nach Abzug der Freibeträge errechne sich ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 43,19 EUR. Tatsächlich sei ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 35,87 EUR zugrunde gelegt worden. Hierdurch sei der Kläger aber nicht beschwert. Eine Korrektur zu seinen Ungunsten scheide demnach aus. Von der Anrechnung der Fahrtkosten könne nicht abgesehen werden, da dieser Betrag tatsächlich an den Kläger ausgehändigt worden sei. Wie er den Betrag letztendlich verwende, obliege seiner Entscheidung. Zudem würden die Fahrtkosten bereits begünstigt über den Freibetrag bei Erwerbstätigkeit. Aufgrund der Gesetzesänderung zum 1. August 2016 könne ein Nachweis höherer Kosten auch nicht mehr zu einer Begünstigung führen, wenn der Verdienst unter 400,00 EUR betrage. Dies sei im Falle des Klägers zutreffend. Die Entscheidung des SG Detmold überzeuge nicht, da sie die Rechtslage vor 2016 betreffe.

Mit Schreiben vom 4. Oktober 2018 (Bl. 101 Band 8 d. Verwaltungsakte) wies der Klägerbevollmächtigte die Beklagte darauf hin, dass bislang lediglich eine Widerspruchsentscheidung für den Zeitraum Juli 2018 bis Dezember 2018 ergangen sei, eine Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Juni 2018 liege ihm nicht vor. Die Beklagte teilte ihm sodann unter Übersendung einer Kopie des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2018 mit, dass der Widerspruchsbescheid vom 6. August 2018 an ihn übersandt worden sei (Bl. 103 Band 8 d. Verwaltungsakte).

Am 18. Oktober 2018 hat der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 12. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 6. August 2018 zum SG Karlsruhe erhoben, welche zunächst unter dem Az. S 17 AS 3291/18 geführt wurde. Die Beklagte habe zwar mit Schreiben vom 10. Oktober 2018 mitgeteilt, dass der Widerspruchsbescheid vom 6. August 2018 an den Klägerbevollmächtigten übersandt worden sei und mit diesem Schreiben nochmals eine Kopie dieses Widerspruchsbescheides übermittelt. Inwieweit der Widerspruchsbescheid tatsächlich am 6. August 2018 übersandt worden sei, könne nicht beurteilt werden. Vor Erhalt der mit Schreiben vom 10. Oktober 2018 übersandten Fotokopie des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2018 sei dem Klägerbevollmächtigten kein Widerspruchsbescheid zugegangen. Kenntnis sei erstmals am 15. Oktober 2018 erlangt worden. Dies ergebe sich u. a. auch aus dem Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 4. Oktober 2018 an die Beklagte. Lediglich fürsorglich beantrage er, wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. In der Sache mache er geltend, eine Anrechnung des vom Arbeitgeber gewährten Kilometergeldes sowie des Auslagenersatzes auf das Einkommen dürfe nicht erfolgen. Die Fahrten mit seinem Fahrzeug zum Zwecke der Zustellung der Zeitungen nehme er nicht im Eigeninteresse vor, wie etwa bei einer Fahrt zur Arbeitsstelle oder zurück. Es handele sich vielmehr um Fahrten, die allein im Interesse des Arbeitgebers lägen. Es sei daher nicht gerechtfertigt, dass er die Aufwendungen für die Fahrten zum Zwecke der Zustellung der Zeitungen aus dem Regelbedarf bestreite.

Mit Beschluss vom 8. Mai 2019 hat das SG das Ruhen des Verfahrens angeordnet und nach Wiederanrufung unter dem Az. S 17 AS 3967/19 fortgeführt. Mit Urteil vom 14. Juli 2020 hat es den Bescheid vom 12. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2018 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für den Monat Juni 2018 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 3,44 EUR zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Fiktion der Bekanntgabe nach § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zur Ingangsetzung der Klagefrist am 9. August 2018 (§ 64 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) greife nicht, da der Kläger einen späteren Zugangszeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2018 am 15. Oktober 2018 substantiiert geltend mache und die Beklagte einen früheren Zeitpunkt des Zugangs nicht nachgewiesen habe. Insbesondere sei schon kein Absendevermerk auf dem streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid oder sonst aus der Verwaltungsakte ersichtlich. Mithin habe die Klagefrist am 16. Oktober 2018 begonnen und mit Ablauf des 15. November 2018 geendet. Die Klage sei folglich nicht verfristet. Die Klage sei auch teilweise begründet. Der Kläger habe für den streitigen Monat Juni 2018 einen Anspruch auf weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 3,44 EUR. Der für den Kläger im Juni 2018 maßgebliche Bedarf betrage insgesamt 712,67 EUR. Er setze sich zusammen aus dem Regelbedarf in Höhe von 416,00 EUR, dem Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung in Höhe von 9,57 EUR und den Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 287,10 EUR. Auf diesen Bedarf sei, was zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit stünde, das Einkommen des Klägers aus der Erwerbsminderungsrente in Höhe von 263,58 EUR im Juni 2018 anzurechnen. Im Weiteren sei das Erwerbseinkommen des Klägers aus seiner Tätigkeit als Zeitungszusteller anzurechnen. Hierbei sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II nicht nur das Arbeitsentgelt, sondern auch das vom Arbeitgeber gewährte Kilometergeld und den Auslagenersatz berücksichtigt habe. Die Berechnungsweise der Beklagten entspreche den gesetzlichen Vorgaben. Grundsätzlich stellten auch Aufwandsentschädigungen Einkommen dar. Der Kläger könne über beide Beträge, welche zusätzlich zum Arbeitsentgelt gezahlt wurden, frei verfügen. Es handele sich jeweils um „bereite Mittel“, welche zur Bestreitung des Lebensunterhaltes eingesetzt werden könnten. Ob diese vom Arbeitgeber zusätzlich gewährten Beträge dem Ausgleich von Aufwendungen, z.B. Fahrtkosten, dienten, sei an dieser Stelle nicht von Belang. Dies schränke die freie Verwendbarkeit für den Kläger nicht ein. Soweit derartige Zahlungen dem Aufwendungsersatz des Klägers zu dienen bestimmt seien, so seien derartige Aufwendungen bereits mit der Pauschale des § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II vollständig abgegolten. Da sein monatliches Einkommen weniger als 400,00 EUR betragen habe, sei eine darüber hinausgehende Absetzung ohnehin ausgeschlossen. Mit Rücksicht auf die oben angeführten Grundsätze ergebe sich für Juni 2018 ein anzurechnendes (bereinigtes) Einkommen in Höhe von 296,01 EUR. Der Betrag in Höhe von 296,01 EUR errechne sich wie folgt: Das Einkommen brutto habe 283,75 EUR (Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 234,55 EUR zuzüglich Kilometergeld in Höhe von 46,00 EUR und Auslagenersatz in Höhe von 3,20 EUR) betragen. Der Auszahlungsbetrag habe sich auf 169,18 EUR (Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 229,97 EUR zuzüglich Kilometergeld und Auslagenersatz abzüglich des Einbehalts für Berufskleidung in Höhe von 109,99 EUR) belaufen. Nach Abzug der Pauschale des § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von 100,00 EUR sowie des Freibetrages des § 11b Abs. 3 SGB II in Höhe von 36,75 EUR ergebe sich für den Kläger ein bereinigtes Erwerbseinkommen in Höhe von 32,43 EUR, das niedriger sei, als das von der Beklagten zugrunde gelegte bereinigte Erwerbseinkommen in Höhe von 35,87 EUR bzw. 43,19 EUR. Unter Hinzurechnung des Erwerbsminderungsrenteneinkommens belaufe sich das bedarfsmindernd zu berücksichtigende Einkommen auf 296,01 EUR. Somit verbleibe ein ungedeckter Bedarf des Klägers im Juni 2018 in Höhe von 416,66 EUR. Da die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 12. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2018 nur Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 413,22 EUR bewilligt habe, habe der Kläger einen Anspruch auf weitere Leistungen in Höhe von 3,44 EUR. Die Berufung werde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage zugelassen.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 23. Juli 2020 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 6. August 2020 bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung, welche zunächst unter dem Az. L 7 AS 2476/20 geführt wurde. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2020 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 12. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2018 zu verurteilen, dem Kläger für den Monat Juni 2018 weitere Leistungen in Höhe von insgesamt 35,87 Euro zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es werde auf den Inhalt der Akte, die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und den Inhalt des Urteils des SG Karlsruhe vom 14. Juli 2020 verwiesen.

Mit Beschluss vom 24. Februar 2021 hat der Senat im Hinblick auf das bei dem Bundessozialgericht (BSG) unter dem Az. B 14 AS 41/20 R anhängige Revisionsverfahren das Ruhen des Verfahrens angeordnet, welches nach Wiederanrufung unter dem Az. L 7 AS 2528/22 geführt wird.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§124 Abs. 2 SGG), hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§§ 143, 144 SGG). Die Berufung bedurfte der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750,00 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Das Sozialgericht hat die Zulassung der Berufung im Urteil ausgesprochen. Hieran ist der Senat gemäß § 144 Abs. 3 SGG gebunden.

2. Gegenstand des Verfahrens ist neben dem erstinstanzlichen Urteil vom 14. Juli 2020 der Bescheid vom 12. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2018, mit welchem die Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Monat Juni 2018 unter Anrechnung u.a. des vom Arbeitgeber gewährten Kilometergelds und Auslagenersatzes als Einkommen gewährte. Hiergegen wendet sich der Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4, § 56 SGG).

3. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Urteil des SG Karlsruhe ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Leistungen nach dem SGB II für den Monat Juni 2018 über die von dem SG Karlsruhe zugesprochenen Leistungen in Höhe von 3,44 EUR hinaus. Das SG Karlsruhe ist insbesondere zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem Fahrkostenersatz des Arbeitgebers für betriebliche Fahrten mit dem eigenen KFZ in Höhe von 46,00 EUR um Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II handelt, welches nicht nach § 11a SGB II von der Berücksichtigung ausgenommen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die ausführlichen Ausführungen des SG Karlsruhe in dem angegriffenen Gerichtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Darüber hinaus hat auch das BSG in seinem Urteil vom 11. November 2021 – B 14 AS 41/20 R – juris Rdnr. 19 f. folgendes ausgeführt: „Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld (oder Geldeswert) abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge und mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der ständigen Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen das, was der Leistungsberechtigte vor der Antragstellung bereits hatte. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (modifizierte Zuflusstheorie, stRspr seit BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; siehe auch BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18; BSG vom 6.10.2011 - B 14 AS 94/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 46 RdNr 18; zuletzt etwa BSG vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 69 RdNr 16). Dieser wertmäßige Zuwachs ist allerdings nur dann als Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen, wenn die Einnahme der leistungsberechtigten Person tatsächlich zur Deckung ihrer Bedarfe als ‚bereites Mittel‘ zur Verfügung steht (vgl nur BSG vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 69 RdNr 18 mwN).

Neben dem sonstigen Erwerbseinkommen, das der Kläger aus seiner Tätigkeit erzielt, ist dies auch beim pauschalen Fahrkostenersatz, der nach seinem Zufluss dem Kläger zur freien Verfügung steht, der Fall (vgl zu sog ‚Spesen‘ BSG vom 11.12.2012 - B 4 AS 27/12 R - SozR 4-4225 § 6 Nr 2 RdNr 17 ff; zur Fahrkostenerstattung auch LSG Nordrhein-Westfalen vom 14.11.2016 - L 19 AS 885/16 - juris RdNr 29; LSG Sachsen-Anhalt vom 13.9.2017 - L 5 AS 8/16 - juris RdNr 45; Hengelhaupt in Hauck/Noftz SGB II, K § 11 RdNr 501, Stand Dezember 2019; Meißner in GK-SGB II, § 11 RdNr 146.1, Stand Mai 2020; Mues in Estelmann, SGB II, § 11 RdNr 46, Stand November 2018; S. Schmidt in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl 2021, § 11b RdNr 25). Der Qualifizierung des Fahrkostenersatzes als Einkommen aus Erwerbstätigkeit und bereites Mittel steht der Umstand, dass diesem Aufwendungen des Klägers für den Betrieb des Kfz vorangegangen sind, nicht entgegen. Anders als Einnahmen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung von vornherein als reiner Durchlaufposten anzusehen sind, weil dem Empfänger trotz des Einkommenszuflusses kein wertmäßiger Zuwachs verbleibt (so zu Zahlungen aus einer Untervermietung BSG vom 6.8.2014 - B 4 AS 37/13 R - juris RdNr 33; zum weitergeleiteten Kindergeld BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 23/06 R - BSGE 99, 262 = SozR 4-3500 § 82 Nr 3, RdNr 20), steht dem Kläger die Verwendung des Aufwendungsersatzes nach der Zahlung durch die Arbeitgeberin frei. Weder verlangen vertragliche Verpflichtungen eine Weiterleitung an Dritte noch sehen normative Wertungen (wie beim Kindergeld) eine Zuordnung und Weiterleitung an Dritte vor.“

Anders als in dem dortigen Verfahren kommt hier auch die Berücksichtigung eines höheren Freibetrages nicht in Betracht. Nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, anstelle der Beträge nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II ein Betrag von insgesamt 100 EUR monatlich von dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit abzusetzen. (Nur) wenn das monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit mehr als 400 EUR beträgt, gilt dies nicht, wenn der erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachweist, dass die Summe der Beträge nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II den Betrag von 100 EUR übersteigt. Bei dem Kläger betrug das Einkommen aus Erwerbstätigkeit jedoch 283,75 EUR (brutto 234,55 EUR zzgl. Fahrtkostenersatz i.H.v. 46 EUR zzgl. Auslagenersatz i.H.v. 3,20 EUR). Das SG hat mithin den Bedarf des Klägers zutreffend berechnet, ein höherer Anspruch kommt nicht in Betracht.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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