L 12 AS 2141/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 3000/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2141/21
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30.12.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.


Tatbestand


Die Kläger wenden sich in der Berufung noch gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.10.2016 bis 31.03.2017 und gegen die Geltendmachung der Erstattung der in diesem Zeitraum bezogenen Leistungen.

Dem Kläger zu 1 (geboren 1985), seiner damaligen Partnerin und den insgesamt 4 gemeinsamen Kindern, darunter dem 2009 geborenen Kläger zu 2 und dem 2008 geborenen Kläger zu 3, die zu dieser Zeit noch allesamt gemeinsam in einer Wohnung unter der im Klagerubrum angegebenen Anschrift wohnten (K-Straße, EG-Wohnung; monatliche Kosten hierfür: Kaltmiete: 582,54 €, Heizkosten: 109,98 €, Nebenkostenvorauszahlung: 90 €), wurden auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 02.08.2016 zuletzt mit Bescheid vom 04.08.2016 Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld) für die Zeit vom 13.09.2016 bis 30.09.2017 bewilligt. Dabei entfielen auf den Kläger zu 1 für September 2016 296,65 € und für den Zeitraum Oktober 2016 bis September 2017 monatlich 494,42 € und auf die Kläger zu 2 und 3 für September 2016 jeweils 126,20 € und für Oktober 2016 bis September 2017 jeweils monatlich 210,42 €.

Der Kläger zu 1 bezog zum 10.11.2016 mit den Klägern zu 2 und zu 3 (getrennt von den weiteren Angehörigen der bisherigen Bedarfsgemeinschaft) eine eigene Wohnung unter der im Klagerubrum angegebenen Anschrift (K-Straße, 13. Obergeschoss). In einer persönlichen Vorsprache schilderten der Kläger zu 1 und seine Ehefrau, dass die bei der Ehefrau verbliebenen Kinder jederzeit den Kläger zu 1 in dessen Wohnung aufsuchen könnten und umgekehrt der Kläger zu 2 und der Kläger zu 3 jederzeit ihre Mutter in deren Wohnung im gleichen Haus aufsuchen könnten. Der Umzug sei erfolgt, damit sich der Kläger zu 1 und seine Frau „nicht mehr sehen“, da sie ja getrennt seien. Die Kinder sollten jedoch durch diesen Umzug keine Nachteile haben und weiterhin zusammenleben, weshalb der Umzug auch im gleichen Haus erfolgt sei. Die Kinder würden auch weiterhin von beiden Eltern erzogen werden. Für die von den Klägern neubezogene Wohnung betrug die monatliche Grundmiete 501,68 €, die Vorauszahlung für Heizkosten/Wasser/Betriebskosten 200 € und fiel ein Garagenzuschlag in Höhe von 26 € an, insgesamt 727,68 €. In der Anlage VM zum Antrag vom 05.10.2016 verneinte der Kläger zu 1 Vermögen und nannte als Einkommen das Kindergeld für den Kläger zu 2 und für den Kläger zu 3, welches ihm seine Ehefrau weiterleiten würde.

Daraufhin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 22.11.2016 Leistungen für die nunmehr aus lediglich 3 Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 10.11.2016 bis 31.10.2017 in Höhe von 509,40 € (November 2016) und monatlich in Höhe von 1.291,68 € ab Dezember 2016. Mit Änderungsbescheid vom 16.01.2017 hob der Beklagte die Bewilligung für die Zeit vom Februar 2017 bis einschließlich Oktober 2017 teilweise (in Höhe von monatlich 402 €) auf und bewilligte für diesen Zeitraum monatlich noch 932,68 €. Ab Februar werde beim Kläger zu 1 das „Kindergeld“ (gemeint wohl Unterhaltsvorschuss) als Einkommen angerechnet, weshalb sich der Anspruch verringere.

Mit Bescheid vom 25.01.2017 bewilligte das Jugendamt der Stadt F Unterhaltsvorschuss für den Kläger zu 2 und den Kläger zu 3 jeweils ab März 2017 monatlich und jeweils in Höhe von 201 € und gewährte eine Nachzahlung in Höhe von 674 €. Die Nachzahlung wurde an den Beklagten und die laufenden Leistungen an den Kläger zu 1 ausbezahlt.

Mit Änderungsbescheid vom 08.03.2017 bewilligte der Beklagte für März 2017 höhere Leistungen in Höhe von insgesamt 1.141,48 € und begründete dies mit der Übernahme der Abfallgebühren für das Jahr 2017 in Höhe von 208,80 €. Einen Antrag auf Erstausstattung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10.03.2017 ab, weil es sich ausweislich des Ermittlungsberichts des Außendienstes vom 18.01.2017 um eine Scheinwohnung handle und die Kläger weiterhin mit der restlichen Bedarfsgemeinschaft zusammenleben würden.

Bereits am 29.07.2016 erstattete die Sparkasse F beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg eine Verdachtsmeldung wegen Geldwäsche und teilte mit, der Kläger zu 1 habe am 26.07.2016 in einer Geschäftsstelle der Bank in W einen Betrag in Höhe von 25.000 € von Noten zu 500 € in Noten zu 100 € wechseln wollen und habe dabei nicht sein Konto, sondern das Konto seines minderjährigen Sohnes angegeben. Aus einer im Zuge der polizeilichen Ermittlungen bei der Sparkasse F beigezogenen Umsatzanzeige ergaben sich weiterhin zwei Bareinzahlungen in Höhe von jeweils 10.000 € mit anschließenden Abbuchungen in Höhe von 10.000 €, 9.000 € und 1.000 €, allesamt am 29.09.2016 und allesamt im SB-Bereich der Geschäftsstelle W. Dabei erfolgten die fraglichen Einzahlungen zu je 20 Noten zu 500 €. Im Zuge der Durchsuchung der Wohnung der Kläger am 30.11.2016 stellten auch die Polizeibeamten, wie zuvor der Ermittlungsdienst der Beklagten, fest, dass die Wohnung nicht beheizt war. Ein benutzter Schlafplatz wurde nicht vorgefunden. Es entstand der Eindruck einer nicht im Gebrauch befindlichen Wohnung. Geld wurde nicht gefunden. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche wurde eingestellt, da der Tatverdacht sich nicht mit dem für eine strafrechtliche Verurteilung erforderlichen Grad an Gewissheit erhärtet habe, nachdem die Herkunft der 25.000 € nicht näher habe aufgeklärt werden können.

Die zuständigen polizeilichen Ermittler setzten den Beklagten im Januar 2017 über die festgestellten Geldzuflüsse in Kenntnis.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27.03.2017 hob der Beklagte gegenüber dem Kläger zu 1 die ihm gegenüber ergangene Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10.2016 bis 30.11.2016 auf und machte einen Erstattungsbetrag in Höhe von 988,84 € geltend. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Aufhebung der Bewilligung wegen der Kontogutschrift am 29.09.2016 erfolgt sei.

Mit weiterem Bescheid vom 27.03.2017 hob der Beklagte gegenüber den Klägern zu 1 bis 3 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Dezember 2016 bis einschließlich April 2017 sowie die Leistungen für Bildung und Teilhabe für den Kläger zu 2 und den Kläger zu 3 in Höhe von jeweils 30 € ganz auf und machte gegenüber dem Kläger zu 1 einen Erstattungsbetrag in Höhe von 3.322,40 €, gegenüber dem Kläger zu 2 in Höhe von 1.155,40 € und gegenüber dem Kläger zu 3 in Höhe von gleichfalls 1.155,40 €, insgesamt 5.693,20 €, geltend. Die Kläger seien mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen (Geldeingang in Höhe von 20.000 € im September 2016) nicht hilfebedürftig.

Die gegen die beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit 2 Widerspruchsbescheiden vom 06.07.2017 (bezüglich der an den Kläger zu 1 gerichteten Aufhebung und Erstattung für Oktober und November 2016 sowie bezüglich der an die Kläger insgesamt adressierten Aufhebung und Erstattung für Dezember 2016 bis einschließlich April 2017) zurück.

Hiergegen hat der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, am 08.08.2017 jeweils Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, die unter den Aktenzeichen S 17 AS 3000/17 und S 17 AS 3001/17 geführt und mit Beschluss des SG vom 22.02.2018 unter dem Aktenzeichen S 17 AS 3000/17 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind.

Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage vortragen lassen, er leide an einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung. Dem Sachverhalt liege eine Geschichte zugrunde, die sich wie ein Krimi lesen würde, aber so zugetragen habe. Er, der Kläger, sei auf einem Spielplatz in der Nähe der Sparkassenfiliale von einem Mann, der sich als muslimischer Glaubensbruder zu erkennen gegeben habe, gebeten worden, Geld bei der Sparkasse einzuzahlen und gleich wieder abzuheben, um das Geld, welches dieser Mann mit sich in einem Briefumschlag geführt habe, zu wechseln. Dies habe der Kläger getan und das Geld dann wieder dem Mann zurückgegeben, den er nicht gekannt und auch nie wiedergesehen habe. Beim Kläger sei durch diese Aktion kein wertmäßiger Zuwachs eingetreten. Dass er diese 20.000 € nicht vereinnahmt habe, belege auch die Hausdurchsuchung, bei der kein Geld gefunden worden sei. Der Kontostand sei vor der bemerkenswerten Einzahlungs- und Abhebungsaktion so hoch gewesen wie danach. Daher sei die Aufhebung zu Unrecht erfolgt.

Der Kläger zu 1 hat im Vorfeld des Erörterungstermins vor dem SG am 21.03.2019 eine fachärztliche Bescheinigung des K1 vom März 2019 vorgelegt, wonach er aufgrund seiner schweren Depression und akuten Schmerzen für noch mindestens sechs Monate verhandlungsunfähig sei. Im Erörterungstermin hat seine Prozessbevollmächtigte klargestellt, dass die Klage unter dem ursprünglichen Aktenzeichen S 17 AS 3001/17 auch im Namen des Klägers zu 2 und des Klägers zu 3 erhoben worden sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.12.2020 hat das SG
den Bescheid vom 27.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.07.2017 betreffend den Zeitraum Dezember 2016 bis einschließlich April 2017 dahingehend abgeändert, dass sich die Aufhebung der Bewilligung auf die Zeit vom 01.12.2016 bis 31.03.2017 beschränkt (statt bis 30.4.2017) und der Kläger zu 1 lediglich 2.670,84 € und die Kläger zu 2 und zu 3 jeweils lediglich 1.014,84 € zu erstatten haben und hat im Übrigen die Klagen gegen die Bescheide vom 27.03.2017 in Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide vom 06.07.2017 abgewiesen. Das SG hat ausgeführt, es folge überwiegend, nämlich soweit es bei den streitgegenständlichen Entscheidungen für insgesamt 6 Monate verbleibe, den zutreffenden Begründungen in den angefochtenen Bescheiden und Widerspruchsbescheiden. Zu ergänzen sei lediglich folgendes: Im vorliegenden Fall sei die leistungsmindernde Berücksichtigung des am 29.09.2016 kurzzeitig auf dem Konto des Klägers zu 1 gutgeschriebenen Betrags von 20.000 € als Einkommen gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II erfolgt. Danach seien einmalige Einnahmen in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen. In Satz 3 der Vorschrift sei geregelt, dass die Einnahmen im Folgemonat berücksichtigt werden, sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden seien. Die Berücksichtigung erfolge deshalb im vorliegenden Fall ab 01.10.2016. In Satz 4 der Vorschrift sei geregelt, dass die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von 6 Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen sei, soweit der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat entfällt. Diese Voraussetzung sei erfüllt, sodass die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen insgesamt für die Zeit vom 01.10.2016 bis 31.03.2017 erfolgen könne. Für die Zeit vom 01.04.2017 bis 30.04.2017 sei der entsprechende Bescheid vom 27.03.2017 hingegen aufzuheben bzw. abzuändern gewesen.

Den Klägern sei zuzugeben, dass als Einkommen lediglich Einkünfte zu berücksichtigen seien, die auch tatsächlich zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehen. Im vorliegenden Fall hätte sich der Kläger zu 1 zumindest in der Zeit vom 26.07.2016 bis 29.09.2017 im Besitz von Bargeld in Höhe von zunächst 25.000 € und später noch 20.000 € befunden. Dies sei nachgewiesen und ergebe sich aus der Dokumentation der Sparkasse F bzw. den entsprechenden Kontoauszügen, wonach der Betrag zunächst im Juli 2016 am Schalter in kleinere Scheine gewechselt werden sollte und zu dem späteren Zeitpunkt im September 2016 an einem SB-Terminal einbezahlt, kurzzeitig gutgeschrieben und unmittelbar am Schalter wieder ausgezahlt worden sei. Unter diesen Umständen seien die Angaben des Klägers zu 1 in der Klagebegründung widerlegt, denn bei dem zweiaktigen Geschehen im Abstand von zwei Monaten könne es sich nicht um einen einmaligen Gefallen gegenüber dem „großen Unbekannten" vom Spielplatz gehandelt haben. Den Klägern sei in diesem Zusammenhang allerdings auch zuzugeben, dass der bloße Besitz des Geldes und die kurzzeitige Gutschrift auf dem Konto des Klägers zu 1 am 29.09.2016 nicht beweise, dass der Betrag für die Zeit ab 01.10.2016 auch tatsächlich zum Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden habe. Dies schade aber nicht. Die Angaben des Klägers zu 1 zur Herkunft und zum Verbleib des Geldes seien offensichtlich unwahr oder zumindest unvollständig und insoweit widerlegt. Weitere Erkenntnismöglichkeiten in dieser Hinsicht hätten dem Beklagten und auch dem Gericht nicht zur Verfügung gestanden, zumal der Kläger zu 1 nach seinen Angaben dauerhaft verhandlungsunfähig sei und deshalb persönlich nicht angehört werden könne. Es wäre deshalb bei dieser Sachlage grob sachwidrig, dem Beklagten die Last des Nachweises aufzubürden, dass der fragliche Betrag zum Lebensunterhalt tatsächlich zur Verfügung gestanden habe, denn ausschließlich der Kläger zu 1 könne wissen, woher der fragliche Betrag ursprünglich stammte und wo er letztlich verblieben sei. In Fällen der vorliegenden Art sei es vielmehr so, dass dem Kläger zu 1 der Nachweis des Gegenteils obliege, und dieser Nachweis ist vorliegend nicht geführt. Soweit der Kläger geltend mache, dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche und des Betrugs zum Nachteil des Beklagten jeweils mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden seien, sei zu sagen, dass es hinsichtlich der Verurteilungswahrscheinlichkeit im Strafverfahren darauf ankomme, ob dem Betreffenden die vorgeworfenen Straftaten mit dem Beweismaß des Vollbeweises nachgewiesen werden könne.

Auf einen ersten Zustellungsversuch des Gerichtsbescheids mit Empfangsbekenntnis und anschließender wiederholter Nachfrage des SG nach dessen Verbleib hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 16.05.2021 mitgeteilt, sie habe den Gerichtsbescheid nicht erhalten. Daraufhin hat das SG eine neuerliche Zustellung mittels Postzustellungsurkunde an die Prozessbevollmächtigte veranlasst, welche am 27.05.2021 erfolgt ist.

Hiergegen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 25.06.2021 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zu deren Begründung das bisherige Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend hat sie ausgeführt, das SG hätte das Vorbringen des Klägers nicht ohne Begründung als unwahr bewerten dürfen und hätte ermitteln müssen, wo das Geld hergekommen und wo es verblieben sei. Denn die Staatsanwaltschaft habe im Rahmen der Durchsuchung das Geld nicht aufgefunden und das Verfahren eingestellt. Das SG hätte die ermittelnden Beamten als Zeuge vernehmen können, ebenso wie den behandelnden K1. Der Vorgang des Einzahlens und Abhebens sei belegt. Nicht belegt sei und auch nicht unterstellen könne man, dass der Kläger nach dem Abheben das Geld behalten habe; sonst müsste man sich die Frage stellen, warum er es denn überhaupt einbezahlt habe. Das mache dann keinen Sinn. Er habe diese 20.000 € daher nur in dem kurzen Zeitraum des Einzahlens und Abhebens in seinen Händen gehabt.

Der Kläger zu 1 bzw. die Kläger beantragen sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30.12.2020 abzuändern und

den an den Kläger zu 1 gerichteten Bescheid vom 27.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.07.2017 (Zeitraum vom Oktober 2016 bis November 2016) aufzuheben

sowie

den an die Kläger gerichteten Bescheid vom 27.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2017 (Zeitraum Dezember 2016 bis einschließlich April 2017) in vollem Umfang

aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.

Der Senat hat die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte beigezogen. Nachfragen des Senats hinsichtlich der Zielrichtung der in der Berufungsbegründung diskutierten Zeugenvernehmung der Ermittlungsbeamten und des behandelnden Nervenarztes sowie nach der Verhandlungsfähigkeit des Klägers blieben unbeantwortet.

Ein anberaumter Erörterungstermin ist auf Antrag der Prozessbevollmächtigten aufgehoben worden. Diese hat eine ärztliche Bescheinigung des K1 vorgelegt, wonach der Kläger auf Dauer verhandlungsunfähig sei.


Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten des Beklagten, der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte sowie der Prozessakten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden kann, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Insbesondere ist eine Zustellung des Gerichtsbescheids vor dem 27.05.2021 nicht nachgewiesen, so dass die Berufungseinlegung am 25.06.2021 noch fristgerecht war.

Die Berufung ist aber unbegründet.

Die Kläger wenden sich gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 30.12.2020, soweit das SG die auf die Aufhebung der Bescheide vom 27.03.2017 in Gestalt der zugehörigen Widerspruchsbescheide vom 06.07.2017 gerichtete Klage abgewiesen hat.

Streitgegenständlich ist damit zum einen der Bescheid vom 27.03.2017, mit dem der Beklagte die dem Kläger zu 1 gewährten Leistungen in Zeitraum vom 01.10.2016 bis einschließlich 30.11.2016 aufgehoben und die Erstattung der erbrachten Leistungen in Höhe von 988,84 € geltend gemacht hat. Streitgegenständlich ist weiterhin der Bescheid vom 27.03.2017, soweit der Beklagte die den Klägern gewährten Leistungen im Zeitraum vom 01.12.2016 bis einschließlich 31.03.2017 aufgehoben und Erstattung des in diesem Zeitraum geleisteten Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgelds geltend gemacht hat. Soweit dieser Bescheid darüber hinaus auch den Monat April 2017 zum Regelungsgegenstand hatte, hat das SG der Klage stattgegeben und den Bescheid insoweit aufgehoben. Nachdem der Beklagte hiergegen nicht in Berufung gegangen ist, ist der Gerichtsbescheid des SG insoweit in Rechtskraft erwachsen.

Der Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von Arbeitslosengeld II/Sozialgeld im damit noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.10.2016 bis einschließlich 31.03.2017 gegenüber dem Kläger zu 1 bzw. den Klägern insgesamt aufgehoben. Denn der Kläger zu 1 hat im September 2016 leistungsschädliches Einkommen in Höhe von 20.000 € erzielt, weshalb die maßgeblichen Bewilligungen rechtswidrig und aufzuheben bzw. zurückzunehmen waren.


Leistungen nach dem SGB II erhalten gem. § 7 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), erwerbsfähig sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II), hilfebedürftig sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Für die Kläger zu 2 und zu 3, die die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II nicht erfüllen, kommt ein Anspruch auf Sozialgeld gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Betracht, da sie mit dem Kläger zu 1 in einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 3 SGB II leben. Während die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4 SGB II beim Kläger zu 1 unstreitig vorgelegen haben, fehlte es an der weiteren Voraussetzung der Hilfebedürftigkeit (Nr. 2). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern kann.

Die für den streitgegenständlichen Zeitraum ergangenen Bewilligungsbescheide waren danach rechtswidrig, weil die Kläger unter der gebotenen Berücksichtigung ihres Einkommens keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II im streitgegenständlichen Zeitraum hatten.

1.
Im Hinblick auf die (unter anderem) dem Kläger zu 1 mit Bescheid vom 04.08.2016 bewilligten Leistungen stützt sich die Aufhebung auf § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II Anwendung findet, ist,
soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, unter anderem soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Gemäß dem nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II anzuwendenden § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist, soweit die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen vorliegen, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Beim Kläger zu 1 wurde nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 04.08.2016, einem Dauerverwaltungsakt, ein Einkommenszufluss in Höhe von 20.000 € festgestellt. Der Kläger zu 1 verfügte spätestens am 29.09.2016 ausweislich der an diesem Tag von ihm vorgenommenen Bareinzahlungen in Höhe von zweimal 10.000 mit anschließender Abbuchung in anderer Stückelung aber gleicher Höhe über diesen Betrag, was der Kläger, jedenfalls für die Dauer des Vorgangs der Einzahlung und anschließenden Abbuchung auch nicht bestreitet. Ein Zufluss des Betrags in Höhe von 20.000 € vor dem September 2016 wird vom Kläger bestritten und kann nicht nachgewiesen werden.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden. Nach ständiger Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist Einkommen grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (ständige Rechtsprechung seit BSG, Urteil vom 30.07.2008, B 14 AS 26/07 R, juris). Der dem Kläger zu 1 nach Antragstellung vom 02.08.2016 zugeflossene Geldbetrag in Höhe von 20.000 € ist mangels abweichender rechtlicher Bestimmung somit als Einkommen zu bewerten.

Aber auch im Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 SGB II kann nach Sinn und Zweck der Norm eine von einem Dritten lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung nicht als Einkommen qualifiziert werden
(BSG, Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 46/09 R, juris, auch zum Nachfolgenden). Nur der „wertmäßige Zuwachs“ stellt Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II dar; als Einkommen sind nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert anzusehen, die eine Veränderung des Vermögensstandes dessen bewirken, der solche Einkünfte hat. Dieser Zuwachs muss dem Leistungsberechtigten zur endgültigen Verwendung verbleiben, denn nur dann lässt der Wertzuwachs dessen Hilfebedürftigkeit dauerhaft entfallen.

Der Senat geht vorliegend davon aus, dass der Geldbetrag von 20.000 €, welchen der Kläger zu 1 am 29.09.2016 auf sein Bankkonto einbezahlt und gleich anschließend in einer anderen Stückelung wieder abgehoben hat, dem Kläger zu 1 und damit auch den weiteren Klägern über diesen Einzahlungs- und Abhebevorgang hinaus dauerhaft zur Verfügung gestanden hat.

Der Erklärungsversuch des Klägers zu 1 für den nach seiner Behauptung vorübergehenden Besitz der 20.000 € ist nicht nur, wie die Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 1 selbst einräumt, abenteuerlich. Er ist zur Überzeugung des Senats schlichtweg gelogen. Die Vorstellung, dass ein dem Kläger zu 1 nicht bekannter Mann diesem 20.000 € mit der Bitte um „Umwechseln“ durch Einzahlung und Wiederabhebung überreicht und der Kläger zu 1 dies – trotz der 2 Monate zuvor erfahrenen Schwierigkeiten bei seinem eigenen Versuch, 25.000 € (unbekannter Provenienz) zu wechseln – ohne weiteres vornimmt, ohne wenigstens nach dem Grund und dem Namen des unbekannten Mannes zu fragen, ist auch unter Berücksichtigung der von der Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1 behaupteten besonderen kulturellen Anschauungen fernliegend. Die Überzeugung, dass der Kläger zu 1 hier einfach nur einen abstrusen Erklärungsversuch zur Verschleierung der Herkunft der 20.000 € vornimmt, gewinnt der Senat indes, wie bereits das SG, aus der Tatsache, dass der Kläger zu 1 bereits am 26.07.2016 den Versuch der Umwechselung eines Betrags weit jenseits seiner wirtschaftlichen Verhältnisse unternommen hat. Die Herkunft dieser 25.000 €, die der Kläger zu 1, der seit der erstmaligen Einreise ins Bundesgebiet 2006 im Wesentlichen von Sozialleistungen gelebt hat, an diesem Tag unter Verwendung des Kontos seines minderjährigen Sohnes von Noten zu 500 € in Noten zu 100 € wechseln wollte, bleibt dabei gleichermaßen völlig im Dunklen, ohne dass der Kläger zu 1 hier einen Glaubensbruder unbekannter Herkunft und unbekannten Namens bemüht hätte, der ihn um einen „Gefallen“ gebeten hätte.

Einen anderen Erklärungsversuch für den Besitz des hier streitgegenständlichen Betrags von 20.000 € hat der Kläger zu 1 nicht geliefert. Der demnach auf der Hand liegende Verdacht von Geldwäsche konnte im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren nicht in ausreichendem Ausmaße erhärtet werden, spielt für die hier zu klärende Frage einer einkommensmäßigen Berücksichtigung auch keine Rolle. Vielmehr bleibt festzuhalten, dass der Kläger zu 1 im September 2016 in den Besitz von 20.000 € gelangt ist, ohne dass die Herkunft dieses Geldbetrags noch dessen Verbleib abschließend geklärt werden kann. Insbesondere kann sich der Senat aber nicht davon überzeugen, dass der Kläger zu 1 diesen Geldbetrag, in dessen Besitz der Kläger zu 1 unstreitig gelangt ist, in einer Weise weitergegeben hat, die dazu führt, dass der Kläger zu 1 keinen im obigen Sinne relevanten wertmäßigen Zuwachs erfahren hat. Die vom Kläger bemühte Erklärung ist offensichtlich unwahr; andere Erklärungsversuche für den Verbleib des Geldes hat der Kläger zu 1 (konsequenter Weise) nicht unternommen.

Dies stellt auch nicht etwa eine Beweislastumkehr dar. Vielmehr ist es Sache der Kläger, nachzuweisen, dass Geldmittel, in deren Besitz diese nachweislich gelangt sind, ihnen nun nicht mehr zur Verfügung stehen. Dieser Nachweis ist den Klägern nicht geglückt. Insbesondere ist dieser Nachweis entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten nicht dadurch geführt worden, dass im Rahmen der staatsanwaltschaftlich angeordneten Hausdurchsuchung vom 13.12.2016 das Geld nicht vorgefunden wurde. Denn entsprechend des amtsgerichtlichen Beschlusses zur Durchsuchung vom 25.10.2016 haben sich die Vollzugsbeamten bei der Durchsuchung auf die angebliche „neue“ und zu diesem Zeitpunkt offensichtlich unbewohnte Wohnung der Kläger im 13. Obergeschoss beschränkt und trotz Aussage der (vorgeblich) früheren Lebenspartnerin des Klägers zu 1, wonach die Kläger nach wie vor bei ihnen in der Wohnung im Erdgeschoss in der K-Straße wohnen würden, auf eine Durchsuchung der (früheren) EG-Wohnung verzichtet. Bereits dieser Umstand schmälert die Aussagekraft der Hausdurchsuchung entscheidend, ungeachtet dessen, dass es ohnehin nicht schwer sein dürfte, eine Aufbewahrungsmöglichkeit für das Bargeld auch außerhalb der Wohnungen zu finden.

Weitere Ermittlungsmöglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts stehen nicht zur Verfügung. Eine gerichtliche Anhörung des Klägers zu 1 im Wege der persönlichen Anhörung ist sowohl im erstinstanzlichen Verfahren wie auch im Berufungsverfahren nicht möglich gewesen. Der Kläger zu 1 hat zunächst Bescheinigungen des behandelnden Nervenarztes vorgelegt, wonach er für mindestens 6 Monate verhandlungsunfähig sei. Im Hinblick auf den anberaumten Erörterungstermin vor dem Berichterstatter hat der Kläger zu 1 dann eine Bescheinigung des K1 vom 24.06.2022 vorgelegt, wonach der Kläger zu 1 aufgrund der bei ihm vorliegenden schweren Depression jeglichen Stress vermeiden müsse, einer Belastung einer Gerichtsverhandlung nicht gewachsen und deshalb auf Dauer verhandlungsunfähig sei. Eine Anhörung des Klägers zu 1 durch den Senat im Rahmen eines Erörterungstermins oder einer mündlichen Verhandlung ist damit dauerhaft ausgeschlossen.

Zeugen, die Auskunft über das Geldvermögen, insbesondere über die Vorgänge am 29.09.2016 geben könnten, hat der Kläger zu 1 nicht benannt und sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Insbesondere sind naturgemäß der Name und Wohnort des „Unbekannten“ vom 29.09.2016 nicht bekannt. Einen konkreten Beweisantrag hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 1 nicht gestellt. Der Anregung der Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1 im Berufungsverfahren, den K1 als Zeugen zu vernehmen, steht zunächst entgegen, dass der Kläger zu 1 keine Schweigepflichtentbindungserklärung vorgelegt hat. Es ist aber auch völlig unklar, zu welchen Tatsachen K1 (über die von ihm diagnostizierte dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit hinaus) Erkenntnisse beisteuern könnte. Auf eine Nachfrage des Senats, zu welchem konkreten Beweisthema K1 befragt werden soll, wie auch auf die Bitte um Benennung konkreter Beweisfragen ist die Prozessbevollmächtigte nicht eingegangen. Gleiches gilt für die weiterhin angeregte zeugenschaftliche Vernehmung der „ermittelnden Beamten“, mutmaßlich der an der Durchsuchung beteiligten Vollzugsbeamten. Denn über das Ermittlungsergebnis gibt die Ermittlungsakte Auskunft. Es ist für den Senat nicht ersichtlich, welches Ziel eine Vernehmung der Ermittlungsbeamten darüber hinaus verfolgen könnte; dies wurde auf entsprechende Nachfrage des Senats von der Prozessbevollmächtigten auch nicht mitgeteilt.

In Übereinstimmung mit § 11 Abs. 3 SGB II hat der Beklagte das danach vom Kläger zu 1 im September 2016 erzielte einmaligen Einkommen von 20.000 €, gleichmäßig aufgeteilt, in den darauffolgenden 6 Kalendermonaten berücksichtigt.
Danach sind einmalige Einnahmen in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II). Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II werden Einnahmen, sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, im Folgemonat berücksichtigt. Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von 6 Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II). Das demnach von Oktober 2016, dem Folgemonat im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II, bis März 2017 zu berücksichtigende monatliche Einkommen beträgt (20.000 € ÷ 6 =) 3.333,33 €, verringert um den Pauschbetrag gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung in Höhe von 30 € monatlich, somit 3.303,33 €.

Im Zeitraum vom 01.10.2016 bis einschließlich 10.11.2016 (Auflösung der Bedarfsgemeinschaft bestehend aus den Klägern sowie der früheren Lebenspartnerin und den weiteren 2 bei dieser verbliebenen Kinder) belief sich der Bedarf der klägerischen Bedarfsgemeinschaft unter Einschluss der früheren Lebenspartnerin sowie der weiteren beiden Kinder auf monatlich insgesamt 2.524,52 € (Regelbedarf: 1.742 €, Kosten für Unterkunft: 582,54 €, Heizkosten: 109,98 €, Nebenkosten: 90 €). Demgegenüber stand als Einkommen bei den Klägern zu 2 und 3 Kindergeld in Höhe von jeweils 190 € sowie bei den weiteren beiden Kinder von 196 € bzw. 221 €, welches jeweils in vollem Umfang zur Bedarfsdeckung bei den jeweiligen Kinder benötigt wurde (vergleiche § 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II). Hieraus errechnet sich ein monatlicher Anspruch von 1.727,52 €. Für den anschließenden Zeitraum bis zum 30.11.2016, in welchem die klägerische Bedarfsgemeinschaft nach deren Angaben nur noch aus den Kläger zu 1 bis 3 bestanden hat, belief sich der Bedarf der klägerischen Bedarfsgemeinschaft auf monatlich insgesamt 1.671,68 € (Regelbedarf: 944 €, Kosten für Unterkunft: 501,68 €, Heizkosten/Nebenkosten: 200 €, Garage 26 €). Demgegenüber stand als Einkommen bei den Klägern zu 2 und 3 Kindergeld in Höhe von jeweils 190 €. Hieraus errechnet sich ein monatlicher Anspruch von 1.291,68 €.

Das auf sechs Monate aufgeteilte Einkommen, von noch 3.303,33 €, deckte somit bei weitem den Bedarf der klägerischen Bedarfsgemeinschaft. Dies gilt selbst dann, wenn man trotz des offenkundigen fortgesetzten Zusammenlebens des Klägers zu 1 mit seiner Lebenspartnerin diesem einen Mehrbedarf für Alleinerziehende gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II in Höhe von dann monatlich 145,44 € zuerkennen würde. Der Kläger zu 1 hat somit im Zeitraum vom 01.10.2016 bis 30.11.2016 ein Einkommen erzielt, welches den Anspruch der klägerischen Bedarfsgemeinschaft insgesamt und damit auch seinen Anspruch entfallen lies. Der Beklagte hat auch die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt und war somit zur Aufhebung der dem Kläger zu 1 gewährten Leistungen insgesamt verpflichtet.

Auch die Erstattungsforderung in Höhe von 988,84 € steht in Einklang mit den Vorschriften des § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 SGB II, § 50 Abs. 1 SGB X. Nachdem der Beklagte bei der Berechnung der Erstattungsforderungen durchgehend von den niedrigeren anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 130,42 € für die EG-Wohnung (tatsächlich wurden ab 11.11.2016 anteilig 242,56 € für die Wohnung im 13. OG übernommen) ausgegangen ist, ist die Erstattungsforderung zu niedrig bemessen, wodurch der Kläger zu 1 aber nicht beschwert wird.

2.
Im Hinblick auf die den Klägern mit Bescheid vom 22.11.2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 16.01.2017 und des Änderungsbescheids vom 08.03.2017 bewilligten Leistungen für den Zeitraum vom 01.12.2016 bis einschließlich 31.03.2017 stützt sich die Rücknahme der bewilligten Leistungen auf § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 45 SGB X.

a.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach § 45 Abs. 2 SGB X nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Dies gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 Zivilprozessordnung (ZPO) vorliegen (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X). Bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach § 45 Abs. 2 SGB X zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 SGB X gegeben sind (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X) oder der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde (§ 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Nach § 45 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB X wird der Verwaltungsakt nur in den Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, wobei die Behörde dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun muss, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

Gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III ist, soweit die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen, dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(1)
Die mit den oben genannten Bescheiden/Änderungsbescheiden im streitgegenständlichen Zeitraum den Klägern bewilligten Leistungen standen den Kläger nicht zu, da diese nicht hilfebedürftig waren, nachdem sie ihren Bedarf aus dem Einkommen des Klägers zu 1 decken konnten. Die Bescheide waren daher anfänglich rechtswidrig.

Im Dezember 2016, in welchem die klägerische Bedarfsgemeinschaft nach deren Angaben nur noch aus den Klägern zu 1 bis 3 bestanden hat, belief sich der Bedarf der klägerischen Bedarfsgemeinschaft auf insgesamt 1.671,68 € (Regelbedarf: 944 €, Kosten für Unterkunft: 501,68 €, Heizkosten/Nebenkosten: 200 €, Garage 26 €). Demgegenüber stand als Einkommen bei den Klägern zu 2 und 3 Kindergeld in Höhe von jeweils 190 €. Hieraus errechnet sich ein monatlicher Anspruch von 1.291,68 €. Für den anschließenden Zeitraum bis zum 28.02.2017 belief sich der Bedarf der klägerischen Bedarfsgemeinschaft auf monatlich insgesamt 1.718,68 € (Regelbedarf: 991 €, Kosten für Unterkunft: 501,68 €, Heizkosten/Nebenkosten: 200 €, Garage 26 €). Demgegenüber stand als Einkommen bei den Klägern zu 2 und 3 Kindergeld in Höhe von jeweils 192 €. Hieraus errechnet sich ein monatlicher Anspruch von 1.334,68 €. Im März 2017 belief sich der Bedarf der klägerischen Bedarfsgemeinschaft auf 1.987,48 € (Regelbedarf: 991 €, Kosten für Unterkunft: 501,68 €, Heizkosten/Nebenkosten: 200 €, Abfallgebühren: 208,80 €; Garage 26 €; Leistungen für Bildung und Teilhabe für den Kläger zu 2 und 3 jeweils 30 €). Demgegenüber stand als Einkommen bei den Klägern zu 2 und 3 Kindergeld in Höhe von jeweils 192 € sowie der Unterhaltsvorschuss in Höhe von insgesamt 402 €. Hieraus errechnet sich ein monatlicher Anspruch von 1.334,68 €.

Das auf sechs Monate aufgeteilte Einkommen, von noch 3.303,33 €, deckte somit auch im Zeitraum vom 01.12.2016 bis einschließlich 31.03.2017 bei weitem den Bedarf der klägerischen Bedarfsgemeinschaft, selbst unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II in Höhe von dann monatlich 147,24 €.

(2)
Der Rücknahme der Bewilligungs- und Änderungsbescheide steht auch kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers zu 1 entgegen. Der Kläger zu 1 kann sich auf Vertrauen nicht berufen, weil die Bewilligungen zum einen auf Angaben beruhen, die er wenigstens grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig getroffen hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) und er zum anderen die Rechtswidrigkeit der Bewilligungen entweder kannte oder doch zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Denn der Kläger hat zum einen im Antrag auf Leistungen nach dem SGB II vom 05.10.2016 das Einkommen von 20.000 € nicht angegeben, wobei ihm klar sein musste, dass dieses Einkommen den klägerischen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ausschließen oder zumindest deutlich mindern würde. Zum anderen musste dem Kläger zu 1 auch klar sein, dass die Bewilligungsentscheidungen des Beklagten infolge der ohne weiteres ersichtlichen Nichtberücksichtigung des Einkommens in Höhe von 20.000 € rechtswidrig waren. Anhaltspunkte dafür, dass der – seit langem im Leistungsbezug nach dem SGB II befindliche – Kläger zu 1 aufgrund seines intellektuellen Vermögens nicht imstande gewesen sein soll, die Leistungsschädlichkeit eines Einkommens von 20.000 € zu erkennen, sind nicht ersichtlich. Die danach wenigstens grob fahrlässig unterlassenen wesentlichen Angaben bei Antragstellung bzw. die wenigstens grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidungen des Klägers zu 1 ist den Klägern zu 2 und zu 3 zuzurechnen.

(3)
Der Beklagte war damit berechtigt und gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III auch verpflichtet, die Bewilligungsentscheidungen im streitgegenständlichen Zeitraum in vollem Umfang zurückzunehmen.

c.
Die geltend gemachte Erstattung von überzahltem Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld stützt sich auf die §§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II, 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.

Der Beklagte hat im Bescheid vom 27.03.2017 den Erstattungsbetrag, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Klägern und den einzelnen Monaten zutreffend ermittelt und für den Zeitraum vom 01.12.2016 bis 31.03.2017 und für den Kläger zu 1 mit 2.670,84 € und für die Kläger zu 2 und zu 3 mit jeweils 1.014,84 € in zutreffender Höhe bestimmt. Bedenken gegen den für den noch streitgegenständlichen Zeitraum ermittelten Erstattungsbetrag im Bescheid vom 27.03.2017 bestehen nicht und werden auch nicht von den Klägern vorgebracht.


Nach alledem bleibt die Berufung insgesamt ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
Saved