1. Der Anspruch auf Beitragszuschüsse für Beschäftigte nach § 257 SGB V ist ein dem öffentlichen Recht zuzuordnender, sozialversicherungsrechtlicher Anspruch. Voraussetzungen und Rechtsfolgen bestimmen sich nach Sozialversicherungsrecht.
2. Der Anspruch auf Beitragszuschüsse nach § 257 SGB V bzw. im Falle deren irrtümlicher Zahlung ein Herausgabeanspruch des Arbeitgebers unterfällt nicht einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist, die nur Ansprüche "aus dem Arbeitsverhältnis" erfasst.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.07.2022 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Rückerstattung von Arbeitgeberzuschüssen zur freiwilligen Krankenversicherung des Beklagten in Höhe von 11.732,33 Euro für die Zeit Januar 2017 bis einschließlich November 2019 streitig.
Die Klägerin ist als Teil des Softwarekonzerns D Systèmes ein Softwareunternehmen mit Sitz in S mit über 200 Mitarbeitern. Der 1954 geborene Beklagte war vom 01.03.1981 bis zum 31.03.2010 bei der I Deutschland GmbH beschäftigt. Im Zuge eines Betriebsübergangs ging sein Arbeitsverhältnis als Vertriebsbeauftragter mit Wirkung zum 01.04.2010 auf die Klägerin über. Der Beklagte war für die Klägerin am Standort S tätig. Der Beklagte war während seiner Beschäftigung bei der Klägerin wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze als freiwilliges Mitglied bei der Techniker Krankenkasse gesetzlich krankenversichert. Er erhielt während seines laufenden Arbeitsverhältnisses nach § 257 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) von der Klägerin Arbeitgeberzuschüsse zu seiner freiwilligen Krankenversicherung.
Durch Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 30.04.2016 wurde das Arbeitsverhältnis zwischen den Beteiligten einvernehmlich beendet. Der Beklagte bezieht seit 01.05.2016 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 3.867,32 Euro sowie jährlich eine kapitalisierte Rente aus einem IVersorgungsbaustein entsprechend dem Auszahlungsplan Versorgungskonto (im Jahr 2017 19.883,20 Euro; im Jahr 2018 20.728,23 Euro; im Jahr 2019 21.609,18 Euro; im Jahr 2020 22.527,57 Euro, vgl. Bl. 137 der SG-Akte). Die Klägerin zahlte an den Beklagten zusätzlich zu der Betriebsrente ab Mai 2016 bis November 2019 versehentlich weiterhin Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung nach § 257 SGB V. Die Klägerin überwies dem Beklagten auf dessen Konto dabei seit Januar 2017 insgesamt 11.732,33 Euro, im Einzelnen die folgenden 35 Beitragszuschüsse:
- Januar 2017 bis einschließlich Dezember 2018: je 330,53 Euro,
- Januar 2019 bis einschließlich Oktober 2019: je 346,41 Euro,
- November 2019: 335,51 Euro.
Die Klägerin wies diese Zahlungen in den Verdienst- bzw. Pensionsabrechnungen als „Ausgezahlter AG-Anteil Krankenversicherung“ aus (Bl. 51, 66 der SG-Akte).
Seit September 2017 bezieht der Beklagte eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nebst Zuschuss zur seiner freiwilligen Krankenversicherung nach § 106 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), wobei er an seine Krankenversicherung - auch ohne Berücksichtigung der von der Klägerin gewährten Zuschüsse zur Krankenversicherung - wegen Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenze Höchstbeiträge zu entrichten hatte.
Mit Schreiben vom 17.11.2020 forderte die Klägerin den Beklagten auf, den Betrag von 11.732,33 Euro an sie bis spätestens zum 01.12.2020 zurückzuzahlen. Der Beklagte lehnte dies telefonisch am 26.11.2020 und schriftlich am 18.12.2020 ab.
Die Klägerin hat am 30.12.2020 Zahlungsklage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Sie könne vom Beklagten gemäß oder entsprechend § 812 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die (Rück-)Zahlung der versehentlich gezahlten Zuschüsse verlangen, auf die der Beklagte keinen Anspruch mehr gehabt habe. Eine als Rechtsgrund hier allein in Frage kommende gesetzliche Zahlungspflicht nach § 257 SGB V habe nicht mehr bestanden, da dies unabdingbar ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) voraussetze. Der Rückzahlungsanspruch könne - so auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) - bereits aufgrund seiner öffentlich-rechtlichen Natur einer tariflichen Ausschlussfrist nicht unterworfen werden. Die tarifliche Ausschlussfrist sei darüber hinaus nicht einschlägig, weil ihr Rückzahlungsanspruch erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden sei. Sie - die Klägerin - mache zudem nicht die Erstattung von Arbeitnehmerbeiträgen zur gesetzlichen, sondern von Arbeitgeberzuschüssen zur freiwilligen Krankenversicherung geltend, die sie rechtsgrundlos direkt an den Beklagten gezahlt habe. § 28g Satz 3 SGB IV sei nicht anwendbar. Auch liege keine Entreicherung durch die im Jahr 2020 erworbenen Polstermöbel in Höhe von 12.950,00 Euro (Zahlungen am 14.09.2020 und am 10.11.2020) vor. Der Beklagte könne schon angesichts dessen, dass er eine monatliche Betriebsrente von 3.867,32 Euro erhalte sowie am 31.08.2020 eine Auszahlung aus dem I-Versorgungsbaustein in Höhe von 22.527,57 Euro erhalten habe, nicht einwenden, dass er nicht auf anderes Vermögen als die von ihr - der Klägerin - zurückgeforderten Beitragszuschüsse beim Erwerb der Polstermöbel zurückgegriffen habe. Verwirkung sei zudem zu verneinen, da das sogenannte Umstandsmoment nicht erfüllt sei. Sofern der Beklagte das Umstandsmoment daraus ableiten wolle, dass sie über Monate hinweg falsche Abrechnungen vorgenommen und er sich auf die Professionalität der nicht allzu kleinen Unternehmung verlassen habe, liege dies neben der Sache. Ein wissender, objektiver Beobachter hätte aus der Gleichförmigkeit ihres Verhaltens allenfalls schließen können, dass sie ihren Fehler (noch) nicht bemerkt habe. Davon unabhängig erschließe sich nicht, wie der Beklagte ein Vertrauen darauf aufgebaut haben wolle, dass er von ihr endgültig nicht mehr wegen der zu Unrecht an ihn überwiesenen Beitragszuschüsse in Anspruch genommen werde, wenn er doch zugleich vortrage, die Falschabrechnung nicht bemerkt zu haben.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, dass dem streitigen Anspruch schon die Verfallklausel des § 11 Tarifvertrag Allgemeine Beschäftigungsbedingungen der I Deutschland GmbH (vgl. Bl. 31/44 der SG-Akte) entgegenstehe, wonach Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach dessen Beendigung innerhalb von drei Monaten, während des Arbeitsverhältnisses innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen seien (Ausschlussfrist). Die Klägerin habe im Rahmen des Betriebsübergangs nach § 613a BGB insofern das gegenständliche Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten übernommen. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch sei nicht anwendbar. Bei den streitgegenständlichen Beitragszuschüssen handle es sich um eine Leistung des Arbeitgebers (vorliegend der Klägerin), welche primär das Innenverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien berühre. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Beitragszuschuss als besonderer Anspruch des Beschäftigten gegen seinen Arbeitgeber im SGB vorgeschrieben sei. Das Arbeitsrechtsverhältnis werde durch diese gesetzlichen Vorgaben ausgeformt, wie es auch durch den gesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geschähe. Es unterliege aber weiterhin dem Grunde nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften, anhand derer die materielle Rechtslage zu beurteilen sei. Insbesondere scheide im Falle des Streits um die Rückforderung von Beitragszuschüssen ein Rückgriff auf § 50 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aus. Auch habe er - der Beklagte - sich auch mit den Grundlagen der Zuschussgewährung nie beschäftigt und von der Richtigkeit der Abrechnungen der Klägerin und deren Professionalität ausgehen dürfen. Aus seiner Sicht spreche die Rechtsprechung des BAG nicht dagegen. Vielmehr sei in der Rechtsprechung des BAG anerkannt, dass selbst unabdingbare gesetzliche Ansprüche tariflichen Ausschlussfristen unterworfen werden könnten. Eine tarifliche Ausschlussfrist betreffe nicht den Inhalt des Anspruchs, sondern dessen Geltendmachung und zeitliche Begrenzung. Leistungen der Klägerin seien aufgrund seiner Beschäftigung, wenn auch zu Unrecht, als Lohnbestandteil geleistet worden und damit aus dem Arbeitsverhältnis heraus entstanden. Vorsorglich hat der Beklagte einen Ausschluss nach § 28g Satz 3 SGB IV, höchst hilfsweise Verwirkung der erhobenen Rückforderung eingewandt. Die Klägerin habe über Monate hinweg die Zuschüsse gewährt, sodass ihr nicht nur ein- oder zweimal der Fehler unterlaufen sei, die Zahlungen nicht auf Richtigkeit hin zu überprüfen. Er - der Beklagte - habe keinesfalls bösgläubig gehandelt. Nach unzähligen erst auf sein Betreiben vorgenommenen Korrekturen der Abrechnungen der Klägerin habe er darauf vertraut, dass die Abrechnungen, nachdem er sich ja selbst entsprechend an die Klägerin gewandt habe, stimmten. Nachdem er die erhaltenen Zuschüsse für den Erwerb von Luxusgütern (Polstermöbel) verbraucht habe, bedürfe es auch keiner Vorteilsabschöpfung mehr aus dem Gesichtspunkt des Bereicherungsrechtes.
Das SG hat mit Urteil vom 13.07.2022 den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 11.732,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 30.12.2020 zu zahlen, und im Übrigen (Zinsen bereits ab 02.12.2020) die Klage abgewiesen sowie dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt. Die zum örtlich (§ 57 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) zuständigen SG erhobene Klage sei als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Insbesondere sei die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit für den Rechtsstreit gegeben. Denn gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG entschieden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung. Hierunter fielen die von der Klägerin geltend gemachten Rückforderungsansprüche bezüglich der Beitragszuschüsse nach § 257 SGB V (Hinweis auf BAG 19.08.2008, 5 AZB 75/08; Hessisches Landessozialgericht <LSG> 30.10.2014, L 8 KR 379/11; SG Regensburg 14.02.2019, S 8 P 30/17). Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs sei § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB, da im vorliegenden Rechtsstreit keine Verwaltungsbehörde, insbesondere kein Versicherungsträger oder eine sonstige Einrichtung der öffentlichen Hand, sondern zwei Privatrechtssubjekte um die Rückzahlung einer ohne Rechtsgrund erbrachten Leistung miteinander stritten. Eines Rückgriffs auf das Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs bedürfe es nicht (Hinweis auf Hessisches LSG 30.10.2014, L 8 KR 379/11; SG Regensburg 14.02.2019, S 8 P 30/17; a.A. SG Heilbronn 26.03.2012, S 12 KR 4737/10). Der Beklagte habe von der Klägerin in der streitigen Zeit vom 01.01.2017 bis 30.11.2019 etwas durch Leistung erlangt, nämlich die gezahlten Arbeitgeberzuschüsse in Höhe von 11.732,33 Euro (für Januar 2017 bis einschließlich Dezember 2018 monatlich 330,53 Euro; für Januar 2019 bis einschließlich Oktober 2019 monatlich 345,41 Euro sowie für November 2019 335,51 Euro) zu seiner freiwilligen Krankenversicherung nach § 257 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Die Zahlung der Beitragszuschüsse sei auch rechtsgrundlos erfolgt. Ein Beitragszuschuss hätte dem freiwillig versicherten Beklagten nur nach den Grundvoraussetzungen des § 257 Abs. 1 Satz 1 SGB V zustehen können. Danach erhielten freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Beschäftigte, die nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei seien, von ihrem Arbeitgeber als Beitragszuschuss den Betrag, den der Arbeitgeber entsprechend § 249 Abs. 1 oder 2 SGB V bei Versicherungspflicht des Beschäftigten zu tragen hätte. Voraussetzung sei also ein Beschäftigungsverhältnis im Sinn von § 7 SGB IV, welches hier jedoch im Einvernehmen durch Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 30.04.2016 geendet habe. Der Beklagte sei in der hier streitigen Zeit von Januar 2017 bis einschließlich November 2019 kein Beschäftigter der Klägerin gewesen. Die Verpflichtung zur Herausgabe der erlangten Arbeitgeberzuschüsse sei auch nicht wegen Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Der Beklagte habe nach § 818 Abs. 2 BGB den Wert der zu viel gezahlten Arbeitgeberzuschüsse in Höhe von 11.732,33 Euro zu ersetzen. Da der vom Arbeitgeber gewährte Beitragszuschuss in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht als Sozialleistung im engeren Sinne einzustufen sei (Hinweis auf Hessisches LSG 30.10.2014, L 8 KR 379/11), sei eine Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften über die Entreicherung in § 818 BGB und § 819 BGB nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Bejahung eines rechtsgrundlosen Erwerbs führe nicht automatisch dazu, dass der Leistungsempfänger das rechtsgrundlos Erhaltene ungeschmälert wieder herauszugeben oder Wertersatz zu leisten habe. Vielmehr stelle § 818 Abs. 3 BGB klar, dass der redliche und unverklagte Bereicherungsschuldner nur die tatsächlich objektiv noch in seinem Vermögen vorhandene Bereicherung herausgeben müsse. Darin trete der dem Bereicherungsrecht inhärente Grundgedanke der Vorteilsabschöpfung zu Tage, die nicht etwa dem Bereicherungsgläubiger einen Ausgleich für die erlittene Entreicherung verschaffe, sondern durch Wiederherstellung des Zustandes vor dem Bereicherungsvorgang die beim Bereicherungsschuldner eingetretene Bereicherung beseitigen solle. § 818 Abs. 3 BGB solle den redlichen und unverklagten Bereicherungsschuldner davor schützen, durch eine ungeschmälerte Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Wertersatz einen Vermögensnachteil zu erleiden, d.h. schlechter zu stehen als bei regelmäßigem Verlauf der Dinge. Andererseits gelte wiederum, dass der Bereicherungsschuldner sich durch den Entreicherungseinwand nicht auf Kosten des Gläubigers besserstellen dürfe als beim regelmäßigen Verlauf. Was als regelmäßiger Verlauf und damit als Vergleichszustand für die Ermittlung des Saldos anzusehen sei, hänge von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (Hinweis auf Hessisches LSG 30.10.2014, L 8 KR 379/11). Im Regelfall sei dies die Lage, in welcher der Bereicherungsschuldner sich befände, wenn er gar nichts erworben oder erhalten hätte. Die Wahl des Vergleichszustands beruhe auf einer normativ-typisierenden Betrachtung. Habe der Bereicherungsschuldner mit dem rechtsgrundlos Erlangten eigene
Verbindlichkeiten getilgt und sich dadurch von Verbindlichkeiten befreit, komme es darauf an, ob er dadurch Aufwendungen aus seinem übrigen Vermögen erspart habe. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergebe sich unter Anwendung der vom Hessischen LSG (30.10.2014, L 8 KR 379/11) aufgestellten Grundsätze zunächst Folgendes: Es sei gegenüberzustellen und zu saldieren, wie sich die Vermögenssituation des Beklagten als Bereicherungsschuldner infolge der rechtsgrundlosen Erlangung der von der Klägerin gezahlten Beitragszuschüsse im Hinblick auf den Versicherungsschutz für Krankheit und Pflege entwickelt habe und wie sich seine Situation bei einem regelmäßigen gesetzesgemäßen Verlauf dargestellt hätte. Bei regelmäßigem Ablauf hätte der Beklagte mit Austritt aus dem Beschäftigungsverhältnis keine Beitragszuschüsse mehr erhalten. Eine Besserstellung des Beklagten durch den rechtsgrundlosen Erhalt der Beitragszuschüsse könne somit in Höhe der geltend gemachten vollen im Zeitraum Januar 2017 bis einschließlich November 2019 gezahlten Beitragszuschüsse in Höhe von 11.732,33 Euro festgestellt werden. Hätte der Beklagte - was er aber selbst schon nicht behaupte – die von der Klägerin zu viel gezahlten Arbeitgeberzuschüsse für die von ihm zu zahlenden Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung verwendet, hätte er Aufwendungen aus seinem übrigen Vermögen erspart. Er könne sich insofern nicht auf Entreicherung berufen. Auch habe der Beklagte für die Bezahlung seiner Polstermöbel im Gesamtwert von 12.950,00 Euro schon nicht nur auf die von der Klägerin zurückgeforderten Beitragszuschüsse im Sinne eines monatlichen Ansparens der Zuschüsse zurückgegriffen. Der Beklagte beziehe neben seiner gesetzlichen Rente noch eine monatliche Betriebsrente von 3.867,32 Euro. Zudem habe der Beklagte u.a. im Zeitraum 2017 bis einschließlich 2020 eine jährliche Auszahlung aus einer kapitalisierten Rente aus einem I-Versorgungsbausteins erhalten. Am 31.08.2020 habe er im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem vorgetragenen Erwerb der Polstermöbel eine Auszahlung in Höhe von 22.527,57 Euro erhalten. Dass er sodann dafür nur einen angesparten Betrag einer monatlichen Überzahlung verwendet haben will, sei fernliegend und überzeuge nicht. Lediglich hilfsweise hat das SG darauf hingewiesen, dass dem Beklagten für sein Geld ein Wert in Form der Polstermöbel verblieben sei. Dass der Beklagte die Abrechnung der Klägerin sehr häufig moniert habe, spiele auf Ebene der geltend gemachten Entreicherung indes keine Rolle.
Der Anspruch der Klägerin sei nicht verfallen aufgrund der in § 11 Tarifvertrag der I GmbH geregelten Verfallklausel bzw. Ausschlussfrist. Denn es handele sich bei dem geltend gemachten Rückforderungsanspruch der Klägerin nicht um einen Anspruch „aus dem Arbeitsverhältnis“. Nur ein solcher unterliege aber schon nach dem Wortlaut der Verfallsklausel („§ 11 Ausschlußfristen. Ansprüche der Mitarbeiter/innen aus dem Arbeitsverhältnis sind der I innerhalb von 6 Monaten nach Fälligkeit, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb von 3 Monaten geltend zu machen. … Für Ansprüche der I gegenüber dem/der Mitarbeiter/in gelten die Bestimmungen des § 11 entsprechend.“). Ein solcher Anspruch liege aber allein deshalb hier schon nicht vor, da der Rückforderungsanspruch der Klägerin erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Beklagten entstanden sei. Die Ausschlussfrist, auf die sich der Beklagte berufe, knüpfe den Fristbeginn dabei ausdrücklich an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eine Ausschlussfrist, deren Lauf mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beginne, könne aber auf Ansprüche, die erst nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses entstünden oder bezifferbar würden, sinnvollerweise nicht angewendet werden (Hinweis auf BAG 19.12.2006, 9 AZR 343/06; Hessisches Landesarbeitsgericht <LAG> 19.02.2007, 17 Sa 902/06). Das Arbeitsverhältnis zwischen Klägerin und Beklagtem sei mit Wirkung zum 30.04.2016 beendet worden. Die Klägerin fordere vom Beklagten die Rückzahlung zu viel geleisteter Arbeitgeberzuschüsse zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung für den Zeitraum Januar 2017 bis November 2019. Die Frage, ob der Entstehungsbereich des Anspruchs unmittelbar im ehemaligen Arbeitsverhältnis der Beteiligten begründet liege oder lediglich mittelbar, brauche das Gericht nicht abschließend zu klären. Lediglich ergänzend hat das SG darauf verwiesen, dass es sich bei Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis um Ansprüche handele, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag
begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander hätten. Maßgeblich sei dabei der Entstehungsbereich des Anspruchs, nicht aber die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage. Entscheidend sei die enge Verknüpfung eines Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis (Hinweis auf BAG 19.03.2009, 6 AZR 557/07; BAG 24.06.2009, 10 AZR 707/08 (F); BAG 18.12.2008, 8 AZR 105/08). Habe ein Anspruch seinen Grund in der arbeitsvertraglichen Beziehung der Parteien, sei er ein „Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis“ (Hinweis auf BAG 30.10.2008, 8 AZR 886/07). Vorliegend gründe der Rückerstattungsanspruch vielmehr auf das Nichtbestehen eines Beschäftigungs-, mithin sozialversicherungsrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen der Klägerin und
dem Beklagten im Sinne des § 7 SGB IV und damit zusammenhängend die fehlende Zahlungspflicht der Klägerin aus § 257 Abs. 1 Satz SGB V im streitgegenständlichen Zeitraum. Der Entstehungsbereich liege daher im Recht der Sozialversicherung, weshalb auch die sachliche Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit (Hinweis auf BAG 19.08.2008, 5 AZB 75/08, Rn. 6 f.: „Fragen über die Rückgewährung von Leistungen, die sozialrechtlich geregelt sind, sind ohne Hinzutreten weiterer arbeitsvertraglicher Vereinbarungen grundsätzlich demselben Rechtsverhältnis zuzuordnen wie die Ansprüche selbst.“) sachdienlich sei, wenngleich die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage eine andere darstelle. Dass der Anspruch freilich in Verbindung, mithin mittelbar mit dem beendeten Arbeitsverhältnis zusammenhänge, spiele keine Rolle. Auch könne der Entscheidung des Hessischen LSG nichts Anderes entnommen werden. Die Ausführungen des LSG, auf die sich der Beklagte beziehe, beträfen gerade die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage und nicht den Entstehungsbereich, worauf es aber wiederum gerade bei der Anwendung tarifvertraglicher Ausschlussfristen ankomme.
Der Beklagte könne sich auch nicht auf § 28g Satz 3 SGB IV berufen, da die Norm im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Nach Satz 1 bis 3 des § 28g SGB IV habe der Arbeitgeber gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch könne nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug dürfe nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben sei. Bei den genannten Gesamtsozialversicherungsbeiträgen handele es sich nach § 28d Satz 1 SGB IV um die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie um den Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Klägerin mache hier keine Erstattung von Arbeitnehmeranteilen der Gesamtsozialversicherungsbeiträge im genannten Sinne geltend, sondern rechtsgrundlos gezahlte Arbeitgeberzuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung.
Auch liege kein Fall der Verwirkung nach § 242 BGB vor, da vorliegend weder ein Zeit- noch ein Umstandsmoment bestehe. Das Rechtsinstitut der Verwirkung sei als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch für das Sozialversicherungsrecht anerkannt. Die Verwirkung setze als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen habe und weitere Umstände hinzugetreten seien, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen ließen. Solche die Verwirkung auslösenden „weiteren Umstände“ lägen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf habe vertrauen dürfen, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), und der Verpflichtete darauf vertraut habe, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet habe (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG> 30.11.1978, 12 RK 6/76, BSGE 47, 194). Für das zeitliche Moment reiche die zunächst bloße Untätigkeit der Klägerin für die Annahme der Verwirkung nicht aus, da diesem Umstand bereits durch das Verjährungsrecht Rechnung getragen werde. Insofern komme auch eine Verwirkung vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht in Betracht. Außergewöhnliche Umstände, die ein Abweichen davon in Bezug auf das Zeitmoment rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich und in der Form auch nicht geltend gemacht. Des Weiteren habe der Beklagte selbst vorgetragen, dass er nach seinen diversen Beanstandungen der falschen Verschlüsselung und fehlerhaften Bezeichnung der Abrechnung als Verdienstabrechnung durch die Klägerin „schlicht den Überblick“ verloren habe und nach der Korrektur davon ausgegangen sei, „dass nun alles seine Richtigkeit habe.“ Der Beklagte habe also jedenfalls vor November 2020 keine Kenntnis von einem möglichen Anspruch der Klägerin gehabt, habe also auch kein entsprechendes Vertrauen bilden und sich nicht auf eine Leistungsfreiheit einrichten (Vertrauensverhalten) können.
Der Klägerin stehe ab Rechtshängigkeit der Hauptforderung (§ 94 SGG) ein Anspruch auf Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 BGB zu. Nach § 291 BGB habe der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug sei; werde die Schuld erst später fällig, so sei sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Vorliegend sei die Klage seit dem 30.12.2020 rechtshängig, sodass auch erst ab diesem Zeitpunkt und nicht schon wie beantragt ab dem 02.12.2020 Zinsen zu entrichten seien.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 20.07.2022 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 22.07.2022 beim LSG Baden-Württemberg eingelegten Berufung, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Das SG führe gegen die Anwendung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist aus, dass diese schon nicht anwendbar sei, da die Rückzahlungsansprüche allesamt erst nach dem formalen Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses fällig geworden seien und somit nicht innerhalb der drei Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätten geltend gemacht werden können. Allerdings gingen Auslegungsschwierigkeiten nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen immer zu Lasten des Verwenders von AGB. So sei es auch im hiesigen Fall. Zunächst einmal lasse § 11 Abs. 1 des Tarifwerkes ohne Weiteres zu, die Ausschlussfrist innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit heranzuziehen. Fällig seien Rückzahlungsansprüche ohne bestimmte Frist im Zweifel sofort (§ 271 BGB). Ohne Weiteres lasse sich die Ausschlussfrist zu Gunsten des Vertragspartners der Klägerin als Verwenderin dahingehend auslegen, dass nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit des jeweiligen Rückzahlungsanspruches diese Rückzahlungsforderungen geltend gemacht werden müssten. Unklarheiten, ob nun drei oder sechs Monate gälten, gingen grundsätzlich zu Lasten der Klägerin. Die Klausel sei auslegungsbedürftig, aber auch auslegungsfähig. Er - der Beklagte - könne sich darauf berufen. Grundsätzlich sei auch in § 11 des I-Tarifes geregelt, dass die Ausschlussfrist für Ansprüche der I als Rechtsvorgängerin der hiesigen Klägerin gegenüber dem/der Mitarbeiter/in gälten. Nachdem die Auslegung zu seinen Gunsten die Ausschlussfrist ohne Weiteres anwendbar mache, sei nicht bereits daraus die Nichtanwendbarkeit abzuleiten. Im Gegenteil. Die Klägerin hätte sicherlich wenig Probleme damit, läge der Fall anders und würde er - der Beklagte - als Altersteilzeitberechtigter fehlende Zuschüsse anmahnen, sich auf diese Ausschlussfristen zu berufen. Auch das zweite Argument, dass das SG gegen die Anwendung der Ausschlussfristen ins Feld führe, dringe nicht durch. Aus der Formulierung „aus dem Arbeitsverhältnis“ lasse sich jedenfalls nicht zwingend ableiten, dass daraus nur Ansprüche gemeint seien, die während einer aktiven Phase eines Arbeitsverhältnisses entstanden seien. Die Grundlage für die Gewährung der hier streitgegenständlichen Zuschüsse zur Sozialversicherung liege nun einmal im Arbeitsverhältnis, also im Arbeitsvertrag. Es handele sich um Ansprüche im Nachgang zum Arbeitsverhältnis. Wenn bereits Ansprüche während eines Arbeitsverhältnisses erfasst seien, müsse dies erst recht für Ansprüche im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, die aber erst nach der Beendigung fällig würden, gelten. Aus der Formulierung „aus dem Arbeitsverhältnis“ lasse sich auch eine Einschränkung des Verwenders dahingehend, dass nur gewisse Zeiträume dieses Arbeitsverhältnisses erfasst sein sollten, nicht ableiten. Auch hier gingen Unklarheiten grundsätzlich zu Lasten des AGB-Verwenders. Er habe ohne das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis auch keinen Anspruch auf die Zuschüsse haben können bzw. die Klägerin sei davon ausgegangen, solche Zuschüsse leisten zu müssen und zwar aus dem Umstand, dass es sich um einen Mitarbeiter handele. Solche Ansprüche und solche Sachverhalte seien geradezu originär von § 11 Abs. 1 des anzuwendenden Tarifwerkes umfasst. Die Ausschlussfrist sei von einem durchschnittlichen Empfängerhorizont zu bewerten. Dazu fehlten jegliche Erwägungen im angegriffenen Urteil. Die Beitragszuschüsse der Klägerin als Arbeitgeberin des Beklagten seien steuerfreier Arbeitslohn. Das seien Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Eine Tarifvorschrift, die von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis spreche, erfasse auch nach ihrem eindeutigen Wortlaut bereits damit nicht nur tarifliche, sondern auch vertragliche oder gesetzliche Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien. Auch sei in der Rechtsprechung des BAG anerkannt, dass selbst unabdingbare gesetzliche Ansprüche tariflichen Ausschlussfristen unterworfen werden könnten. Eine tarifliche Ausschlussfrist betreffe nicht den Inhalt des Anspruches, sondern dessen Geltendmachung und zeitliche Begrenzung. Deshalb sei die Ausschlussfrist anwendbar. Auch in diesem Punkt fehlten Ausführungen des SG im Urteil. Leistungen der Klägerin seien aufgrund seiner Beschäftigung, wenn auch zu Unrecht, als Lohnbestandteil geleistet worden. Damit seien sie aus dem Arbeitsverhältnis heraus entstanden. Der als steuerfreier Arbeitslohn zu qualifizierende Zuschuss unterfalle damit sehr wohl der zwischen den Beteiligten vereinbarten Ausschlussfrist. Entscheidend sei, aus welchem Rechtsverhältnis Leistungen entstammten, und nicht, wann sie genau konkret erbracht worden seien. Freilich könne die Ausschlussfrist erst dann greifen, wenn überhaupt eine Fälligkeit einer Rückforderung vorliege. Eine solche Fälligkeit könne aber auch ohne Weiteres für Leistungen nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, jedenfalls der aktiven Phase des Arbeitsverhältnisses, bestimmt werden. Diese liege im Zweifel eben sofort vor.
Ferner greife der Verwirkungseinwand in diesem Falle durch. Alle die dargelegten Korrekturgänge der Klägerin hätten dazu führen können und auch müssen, dass die hier streitgegenständlichen Rückforderungen schon viel früher hätten bekannt werden können. Hier liege eine ungewöhnliche Prüf- und Abrechnungspraxis vor. Zwar habe die Klägerin als großes Unternehmen eine Vielzahl von Abrechnungsvorgängen dieser Art monatlich zu bewerkstelligen. Bei einer Monierung und erst recht bei mehrfachen Monierungen habe es Anlass gegeben, die Systeme so einzurichten, dass sich den Vorgang ein Sachbearbeiter genau anschaue. Er habe nach circa 20 Korrekturen davon ausgehen dürfen, dass ihm am Ende die Leistungen, die noch immer überwiesen worden seien, auch zustünden. Das Umstandsmoment liege dadurch vor. Der Vertrauensschutz sei durch die mehrfachen Korrekturen und Weiterüberweisungen der Klägerin gesetzt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.07.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens das angefochtene Urteil. Das SG sei rechtsfehlerfrei zu dem überzeugenden Auslegungsergebnis gekommen, dass die streitgegenständliche Forderung nicht aufgrund von § 11 des Tarifvertrags über Allgemeine Beschäftigungsbedingungen der I Deutschland GmbH verfallen sei. Der Klageanspruch unterliege nicht der tariflichen Ausschlussfrist. Das SG habe dem Verwirkungseinwand des Beklagten zutreffend das Fehlen des erforderlichen Zeit- und Umstandsmoments entgegengehalten.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 17.01.2023 einen Erörterungstermin durchgeführt (Niederschrift vom gleichen Tag; Bl. 98 f. der Senatsakten). Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG), hat keinen Erfolg.
1. Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig und im Übrigen statthaft. Der Senat hat als Rechtsmittelgericht nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist (§ 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz <GVG>).
2. Den Gegenstand des Rechtsstreits bildet das Begehren der Klägerin auf (Rück-)Zahlung der für die Zeit vom 01.01.2017 bis 30.11.2019 an den Beklagten irrtümlich geleisteten Zuschüsse zu seiner freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von insgesamt 11.732,33 Euro nebst Zinsen, das die Klägerin statthaft mit der isolierten Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) verfolgt. Das SG hat mit Urteil vom 13.07.2022 den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 11.732,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 30.12.2020 zu zahlen, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich allein der Beklagte und begehrt die vollumfängliche Abweisung der Klage.
3. Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat gegen den Beklagten gem. § 812 BGB einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 11.732,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 30.12.2020, da er die von der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2017 bis 30.11.2019 erbrachten Beitragszuschüsse zur Krankenversicherung i.S.d. § 257 SGB V in der streitigen Höhe ohne Rechtsgrund erlangt hat, der Anspruch nicht nach § 813 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, seiner Geltendmachung nicht § 11 Tarifvertrag der I GmbH entgegensteht, kein Fall des § 28g Satz 3 SGB IV vorliegt sowie der Anspruch der Klägerin nicht verwirkt ist. Das SG hat im Einzelnen die maßgeblichen Rechtsvorschriften sowie die Anspruchsvoraussetzungen und Einwendungen bzw. Einreden dargelegt sowie begründet, warum der Klägerin im vorliegenden Einzelfall der Rückzahlungsanspruch in Höhe von 11.732,33 Euro nebst Zinsen zusteht. Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung des Beklagten aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Im Hinblick auf die Berufungsbegründung des Beklagten weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:
a. Dem Anspruch der Klägerin steht die tarifvertragliche Regelung des § 11 („§ 11 Ausschlußfristen Ansprüche der Mitarbeiter/innen aus dem Arbeitsverhältnis sind der I innerhalb von 6 Monaten nach Fälligkeit, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb von 3 Monaten geltend zu machen. … Für Ansprüche der I gegenüber dem/der Mitarbeiter/in gelten die Bestimmungen des § 11 entsprechend.“) nicht entgegen.
Die Ausschlussfrist ist auf den hier streitigen Bereicherungsanspruch anlässlich einer irrtümlichen Zahlung von Arbeitgeberzuschüssen gem. § 257 SGB V nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht anwendbar. Der tarifvertraglichen Ausschlussfristenregelung unterliegen „Ansprüche … aus dem Arbeitsverhältnis“. Das sind nur solche Ansprüche, welche die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben (BAG 17.10.2018, 5 AZR 538/17, Rn. 34, juris; BAG 13.03.2013, 5 AZR 954/11, BAGE 144, 306). Maßgeblich für die Einordnung ist nicht die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage, sondern der Entstehungsbereich des Anspruchs (BAG 17.10.2018, 5 AZR 538/17, Rn. 34, juris; BAG 19.01.2011, 10 AZR 873/08, Rn. 20 f., juris; BAG 21.01.2010, 6 AZR 556/07, Rn. 19, juris).
Vorliegend streiten die Beteiligten über einen Bereicherungsanspruch anlässlich einer irrtümlichen Zahlung von Arbeitgeberzuschüssen gem. § 257 SGB V. Dieser Zahlungsanspruch nach § 257 SGB V ist ein dem öffentlichen Recht zuzuordnender, sozialversicherungsrechtlicher Anspruch, da er hinsichtlich der Voraussetzungen und der Rechtsfolgen auf das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung verweist und einem eigenen Sicherungszweck dient (vgl. BSG 10.08.2015, B 12 KR 125/14 B, BeckRS 2015, 17293; BSG 20.03.2013, B 12 KR 4/11 R, SozR 4-2500 § 257 Nr. 1; BSG 11.12.1986, 12 RK 43/85, SozR 2200 § 405 Nr. 12; BSG 02.06.1982, 12 RK 66/81, Die Beiträge 1982, 311; Bayerisches LSG 28.04.2022, L 1 SV 6/22 B, Rn. 13, juris; Böttiger in Krauskopf, Stand September 2022, SGB V, § 257 Rn. 3a; Grimmke in jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020 <Stand: 15.06.2020>, Rn. 41 f.; Mecke in Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl. 2022, § 257 Rn. 7; Wallrabenstein in NK-GesundhR, 2. Aufl. 2018, SGB V, § 257 Rn. 7). Bei dem Zuschuss nach § 257 SGB V handelt es sich weder um Arbeitsentgelt i.S.v. § 14 SGB IV noch um einen arbeitsvertraglichen Anspruch (Böttiger in Krauskopf, Stand September 2022, SGB V, § 257 Rn. 3b). Der Anspruch knüpft an das Bestehen eines sozialrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses, das nicht mit einem Arbeitsverhältnis identisch ist (vgl. § 7 SGB IV), an und begründet eigenständige sozialrechtliche Pflichten des Arbeitgebers bzw. der zur Zahlung des Vorruhestandsgeldes verpflichteten Stelle, die neben die arbeitsvertraglichen Pflichten treten (vgl. Böttiger in Krauskopf, Stand September 2022, SGB V, § 257 Rn. 3b). Damit unterliegt der Anspruch auf Beitragszuschuss nach § 257 SGB V sowohl hinsichtlich des Entstehens als auch hinsichtlich der Höhe weder der Disposition der Tarifvertragsparteien (Böttiger in Krauskopf, Stand September 2022, SGB V, § 257 Rn. 49), noch ist er im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem einem einseitigen (vgl. BSG 08.10.1998, B 12 KR 19/97 R, BSGE 83, 40) oder mehrseitigen (vgl. BSG 25.09.1981, 12 RK 58/80, BSGE 52, 152) Verzicht zugänglich. Hinsichtlich der Verzinsung finden § 44 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) (vgl. BSG 11.12.1986, 12 RK 43/85, SozR 2200 § 405 Nr. 12; Böttiger in Krauskopf, Stand September 2022, SGB V, § 257 Rn. 47), hinsichtlich der Verjährung § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV (LSG Rheinland-Pfalz 21.09.2017, L 5 KR 358/16, Rn. 13, juris; Böttiger in Krauskopf, Stand September 2022, SGB V, § 257 Rn. 48a; Grimmke in jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020 <Stand: 15.06.2020>, Rn. 119; Wallrabenstein in NK-GesundhR, 2. Aufl. 2018, SGB V, § 257 Rn. 60; ferner BSG 04.04.2018, B 12 KR 97/17 B, Rn. 13, juris) analoge Anwendung. Der Zuschuss nach § 257 SGB V wird als Sozialleistung i.S.d. § 183 Satz 1 SGG angesehen (BSG 20.03.2013, B 12 KR 4/11 R, SozR 4-2500 § 257 Nr. 1). Der Beitragszuschuss nach § 257 SGB V stellt kein Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 SGB IV dar und ist weder steuer- noch sozialversicherungspflichtig (§ 3 Nr. 62 Einkommensteuergesetz <EStG>; § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung <SvEV>). Im Hinblick auf diese öffentlich-rechtliche Ausgestaltung ist der Entstehungsbereich des Anspruchs auf einen Beitragszuschuss nach § 257 SGB V dem Krankenversicherungsrecht zuzuordnen und nicht mehr dem Arbeitsvertrag zwischen den Beteiligten. Im Übrigen betrifft der Bereicherungsanspruch der Klägerin nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses irrtümlich erbrachte Leistungen, die in keinem Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung durch den Beklagten standen (vgl. Henssler in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 1 Inhalt und Form des Tarifvertrages, Rn. 99), denn der Beklagte hat seit Mai 2016 keinerlei Arbeitsleistung erbracht und die Klägerin hat ihre irrtümlichen Zahlungen für Zeiten außerhalb des Arbeitsverhältnisses geleistet (und nicht als Nachzahlung für die Zeit des Arbeitsverhältnisses bis 30.04.2016). Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin hat damit seinen Ursprung nicht in dem beendeten Arbeitsverhältnis, sondern in Leistungen danach außerhalb des Arbeitsverhältnisses (BAG 04.09.1991, 5 AZR 647/90, Rn. 11, juris).
b. Das SG hat zu Recht eine Verwirkung des streitigen Rückzahlungsanspruchs verneint. Der Beklagte ignoriert, dass das Rechtsinstitut der Verwirkung innerhalb der kurzen und hier noch nicht abgelaufenen Verjährung nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung findet (z.B. BSG 26.01.2022, B 6 KA 4/21 R, SozR 4-2500 § 117 Nr. 8 (vorgesehen); BSG 23.06.2015, B 1 KR 26/14 R, BSGE 119, 150; BSG 19.11.2019, B 1 KR 10/19 R, SozR 4-2500 § 109 Nr. 80). Eine solche besondere Ausnahmekonstellation liegt nicht vor. Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass der Verpflichtete (= der Beklagte) infolge des Abrechnungsverhaltens des Berechtigten (= der Klägerin) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht (Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen der irrtümlichen Zahlung der Zuschüsse zur Krankenversicherung) nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht (Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung) nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Die vom Beklagten monierten fehlerhaften Abrechnungen sowie Abrechnungskorrekturen haben allesamt, wie er selbst eingeräumt hat, nicht den irrtümlich geleisteten Beitragszuschuss betroffen. Dieser wurde durchgehend durch die Klägerin erbracht. Im Hinblick auf die (irrtümlichen) Zahlungen des Zuschusses nach § 257 SGB V durch die Klägerin hat der Beklagte nach seinem Vorbringen allenfalls darauf vertraut, dass es mit der Zahlung des Zuschusses durch die Klägerin alles seine Ordnung habe. Mangels Kenntnis von der Rechtswidrigkeit dieser Leistung konnte er dagegen kein Vertrauen entwickeln, dass die Klägerin die rechtswidrig erbrachten Leistungen nicht zurückfordern wird. Der Beklagte hat von dem Erstattungsanspruch betreffend die von ihm rechtwidrig erlangten Zuschüsse zu den Krankenversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 01.01.2017 bis 30.11.2019 erst mit Schreiben der Klägerin vom 17.11.2020 Kenntnis erlangt. Schließlich hat der Beklagte nicht ansatzweise aufgezeigt, dass er darauf vertraut hat, dass die Klägerin den Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht mehr ausüben wird, und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen darauf eingerichtet hat.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG (BSG 20.03.2013, B 12 KR 4/11 R, SozR 4-2500 § 257 Nr. 1; Hessisches LSG 30.10.2014, L 8 KR 379/11, Rn. 2, juris). Das Kostenprivileg des § 183 SGG bezieht sich nur auf die Gerichtskosten.
5. Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Grund hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegt.