1. Zur Anwendbarkeit der durch das Gesetz zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung (Qualifizierungschancengesetz) auf 30 Monate verlängerten Rahmenfrist auf Altfälle.
2. Die Übergangsvorschrift § 447 Abs. 1 SGB III ist teleologisch so zu reduzieren, dass die ab 01.01.2020 auf 30 Monate verlängerte Rahmenfrist nur auf Arbeitslosmeldungen nach diesem Stichtag Anwendung findet.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10.05.2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
In Streit steht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem SGB III vom 14.07.2020 bis 14.10.2020.
Die 1997 geborene Klägerin war vom 01.09.2012 bis 14.06.2019 als medizinische Fachangestellte versicherungspflichtig beschäftigt. Hierbei erzielte sie ein Bruttoeinkommen von monatlich 2.350,- € ab Mai 2018 und 2.400,- € ab Januar 2019 (Verwaltungsakte Blatt 12). Vom 24.06.2019 bis 12.07.2020 befand sie sich im Rahmen eines Au-Pair-Programms in den USA. Mit einem auf den „14. Mai 2020“ datierten und per Fax am 15.07.2020 übermittelten Schreiben meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Das Schreiben war bereits zuvor mit dem Eingangsstempel 14.07.2020 per Post eingegangen. Im weiteren Verlauf korrigierte die Klägerin das Datum ihrer Antragstellung auf den 14.07.2020.
Mit Bescheid vom 31.07.2020 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Es bestehe kein Anspruch auf Arbeitslosengeld, da die Klägerin die erforderliche Anwartschaftszeit von 12 Versicherungsmonaten innerhalb der der letzten 30 Monate vor dem 14.07.2020 nicht erfüllt habe.
Den hiergegen von der Klägerin am 04.08.2020 selbst erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit einem an die Klägerin persönlich adressierten Widerspruchsbescheid vom 04.08.2020 zurück, der am 05.08.2020 zu Post gegeben wurde. Zur Begründung führte sie nun an, dass die zur Bestimmung der 12-monatigen Anwartschaftszeit nach § 142 SGB III maßgebliche Rahmenfrist 24 Monate umfasse. Die Dauer der Rahmenfrist bestimme sich nach der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung des § 143 SGB III, da das letzte Versicherungspflichtverhältnis im Kalenderjahr 2019 geendet habe. Ausgehend von einer Rückkehr aus dem Au-Pair-Programm zum 13.07.2020 umfasse die Rahmenfrist daher den Zeitraum vom 13.07.2018 bis zum 12.07.2020. Innerhalb dieser Zeit lägen nur 337 statt wie erforderlich 360 Kalendertage mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. Die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen seien am 13.07.2020 erfüllt.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 11.08.2020 legte die Klägerin erneut Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 31.07.2020 ein.
Mit einem an den Bevollmächtigten der Klägerin adressierten Widerspruchsbescheid vom 12.08.2020 wies die Beklagte den erneuten Widerspruch als unzulässig zurück.
Am 18.08.2020 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben.
Am 15.10.2020 hat die Klägerin wieder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, dass die Rahmenfrist des § 143 SGB III ausgehend vom Wortlaut des § 447 Abs. 1 SGB III und unter Berücksichtigung der am 15.10.2020 aufgenommenen versicherungspflichtigen Beschäftigung 30 statt wie von der Beklagten angenommen 24 Monate betrage. Demnach erfülle sie die erforderliche Anwartschaftszeit. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage der Begründetheit ihrer Klage sei die letzte mündliche Verhandlung.
Das SG hat die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung am 10.05.2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass § 143 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung anzuwenden sei und die maßgebliche Rahmenfrist daher, wie von der Beklagten angenommen, 24 Monate vor dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung umfasse, hier vom 15.07.2018 bis 14.07.2020. Nach der einschlägigen Übergangsbestimmung des § 447 Abs. 1 SGB III in der ab dem 01.01.2020 geltenden Fassung fänden die §§ 142, 143 und 147 SGB III für Personen, die nach dem 31.12.2019 (im Folgenden: Stichtag) nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden haben, in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung Anwendung. Die Klägerin habe nach dem 31.12.2019 nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis im Sinne dieser Vorschrift gestanden. Das am 15.10.2020 begonnene Versicherungspflichtverhältnis sei für den streitigen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 15.07.2020 nicht zu berücksichtigen. § 447 Abs. 1 SGB III erfasse lediglich solche Versicherungspflichtverhältnisse, die zugleich auch innerhalb einer Rahmenfrist des § 143 SGB III liegen. Der Wortlaut des § 447 Abs. 1 SGB III sei insoweit einschränkend auszulegen. Hierfür spreche, dass § 447 Abs.1 SGB III gerade die Anwendbarkeit der §§ 142,143 und 147 SGB III regele. Zudem sei der Gesetzgeber in seiner Begründung ausdrücklich davon ausgegangen, dass lediglich solche Fälle, in denen nach der Zeit eines Versicherungspflichtverhältnisses ein erneuter Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt werde, erfasst seien. Andernfalls müssten die Agenturen für Arbeit und die Jobcenter mit dem Tag des Inkrafttretens der Neuregelung prüfen, ob in laufenden Fällen des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld unter den ab diesem Tag geltenden erleichterten Voraussetzungen erfüllt sei und die entsprechenden Leistungsfälle mit einem hohen Verwaltungsaufwand umstellen (BT-Drs.19/4948, S. 29) oder – wie im vorliegenden Fall – Anträge daraufhin überprüfen, ob zu irgendeinem Zeitpunkt nach dem 01.01.2020 wieder eine versicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen worden sei, und entsprechend rückwirkend Arbeitslosengeld bewilligen. Der Sache nach bedeute die Regelung zwar eine Abweichung vom Geltungszeitraumprinzip. Einem Teil der Leistungsbezieher würde die verbesserte Regelung verwehrt. Da dies allerdings ersichtlich keinen Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen bedeute, weil den Betroffenen „nur“ eine Verbesserung der Rechtslage verwehrt, nicht aber eine bestehende Position gekürzt werde, habe eine solche Regelung im gesetzgeberischen Gestaltungsermessen gestanden. Die Zeit des Au-Pair-Programms sei in die Rahmenfrist einzurechnen. Nach § 143 Abs. 3 S. 1 SGB III würden in die Rahmenfrist lediglich Zeiten nicht eingerechnet, in denen die oder der Arbeitslose von einem Rehabilitationsträger Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme bezogen habe. Innerhalb der so bemessenen Rahmenfrist habe ein Versicherungspflichtverhältnis der Klägerin nur aufgrund der Beschäftigung als medizinische Fachangestellte vom 15.07.2018 bis 14.06.2019 bestanden. Die Teilnahme am Au-Pair-Programm in den USA begründe dagegen kein Versicherungspflichtverhältnis im Sinne von §§ 24 ff. SGB III. Nach § 24 Abs. 1 SGB III stünden Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig seien. Im Rahmen des Au-Pair-Programms sei die Klägerin nicht gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt und damit nicht versicherungspflichtig beschäftigt im Sinne von § 25 Abs. 1 SGB III gewesen. Die Klägerin erfülle auch keinen der Tatbestände der sonstigen Versicherungspflichtigen nach § 26 SGB III.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 21.06.2022 beim SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) gegen das ihm am 23.05.2022 zugestellte Urteil vom 10.05.2022 eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, dass für die Klägerin ausgehend vom Wortlaut des § 447 Abs. 1 SGB III mit ihrer Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung am 15.10.2020 die neue Rahmenfrist des § 143 SGB III von 30 Monaten gelte und dass sie damit die erforderliche Anwartschaftszeit (nachträglich) erfülle. Das SG und die Beklagte übersähen mit ihrer Auslegung des § 447 Abs. 1 SGB III die Wirkung bestandskräftig abgeschlossener Verfahren. Sei ein Bescheid bestandskräftig, müsse die Beklagte grundsätzlich nicht von sich aus in jedem Fall aktiv werden. Bei angefochtenen Bescheiden aber, wie dem vorliegenden, sei es in einem laufenden Verfahren keine allzu große Zumutung für die Beklagte, die Rechtmäßigkeit eines Bescheides auch unter diesem Aspekt zu prüfen. Vor Verfahrenskosten sei sie ebenfalls geschützt, wenn sie den geltend gemachten Anspruch nach Änderung der Sachlage sofort anerkenne. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Neuregelung der Rahmenfrist gemäß der Gesetzesbegründung den Anforderungen des Arbeitsmarkts an die Flexibilität der Arbeitnehmer und den daraus resultierenden Schutzbedürfnissen angemessen Rechnung trage, indem sie den Zugang zum Arbeitslosengeld erleichtere. Die Klägerin sei für ca. 1 Jahr als Au Pair in Amerika gewesen. Hierdurch habe sie ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöht, weil sie ihre Flexibilität bewiesen habe. Hätte die Klägerin dagegen vor ihrer Abreise nur für wenige Tage Arbeitslosengeld beantragt, könnte sie diesen entstandenen Arbeitslosengeldanspruch weiter nutzen; die „Rahmenfrist“ würde quasi 36 Monate betragen. Dies sei sinnfrei und widerspreche der Intention des Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils vom 10.05.2022 und des Bescheids vom 31.07.2020 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 04.08.2020 zu verurteilen, der Klägerin Arbeitslosengeld nach dem SGB III in gesetzlichem Umfang zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, über einen etwaigen Anspruch auf Arbeitslosengeld sei erst wieder nach Beendigung der laufenden versicherungspflichtigen Beschäftigung und nach erneuter Arbeitslosmeldung und Antragstellung zu entscheiden. Die Neuregelung der Rahmenfrist solle sich nach dem Willen des Gesetzgebers nur auf Personen erstrecken, die nach dem Inkrafttreten der Regelung unter Geltung des neuen Rechts in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hätten.
Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 28.10.2022 in nichtöffentlicher Verhandlung erörtert. Die Beteiligten haben dabei ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte beider Rechtszüge und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld vom 14.07.2020 bis 14.10.2020. Der angefochtene Ablehnungsbescheid vom 31.07.2020 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 04.08.2020 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Urteil des SG Ulm vom 10.05.2022 ist nicht zu beanstanden.
Die Berufung ist zulässig, weil die Beschwer der Klägerin die Berufungssumme von 750,- Euro nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG jedenfalls deutlich übersteigt. In dem 91 Tage umfassenden streitbefangenen Zeitraum stünde der Klägerin ausgehend von ihrem bis zum 14.06.2019 erzielten Bruttoeinkommen von monatlich 2.400,- € (zuvor bis 12/2018 monatlich 2.350,- €) ggf. Arbeitslosengeld für die Dauer von 3 Monaten in einer Höhe zu, welche die Berufungsschwelle deutlich übersteigt.
Gemäß § 137 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wer arbeitslos im Sinne des § 138 SGB III ist, sich bei der Agentur für Arbeit gemäß § 141 SGB III arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit nach § 142 in Verbindung mit § 143 SGB III erfüllt hat.
Der Senat stellt ausgehend vom Vorbringen der Klägerin und der damit in Einklang stehenden Aktenlage der beigezogenen Verwaltungsakte fest, dass die Klägerin am 13.07.2020 nach Deutschland zurückgekehrt ist, und sich am 14.07.2020 gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 SGB III bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat. Das hiervon abweichende, zunächst benannte Antragsdatum 14.05.2020 ist dagegen ein unbeachtlicher Schreibfehler und die nachfolgende Übermittlung der Arbeitslosmeldung und des Antrags per Fax am 15.07.2020 ist ebenfalls unerheblich. Leistungen werden für den Zeitraum ab dem 14.07.2020 begehrt und die nach § 143 SGB III zu bestimmende Rahmenfrist beläuft sich auf 24 oder 30 Monate vor dem 14.07.2020.
Zutreffend geht das SG übereinstimmend mit dem Vorbringen der Beteiligten davon aus, dass die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum vom 14.07.2020 bis 14.10.2020 ohne eine Beschäftigung war, sich um eine Beendigung ihrer Beschäftigungslosigkeit (am 15.10.2020 mit Erfolg) bemühte und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stand. Sie war damit in dieser Zeit (unstreitig) arbeitslos im Sinne des § 138 Abs. 1 SGB III. Die Arbeitslosigkeit endete (unstreitig) mit Ablauf des 14.10.2020 wegen Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ab dem 15.10.2020. Die Beklagte hat daher zutreffend festgestellt, dass die sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld erfüllt sind.
Die Klägerin erfüllt jedoch nicht die notwendige Anwartschaftszeit nach § 142 SGB III. Danach sind mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis innerhalb der Rahmenfrist gemäß § 143 SGB III erforderlich. Für die Feststellung, ob die erforderliche Anwartschaftszeit erfüllt ist, sind die Kalendertage eines Versicherungspflichtverhältnisses zu ermitteln, wobei 30 Kalendertage einem Monat entsprechen (§ 339 S. 2 SGB III).
Die von § 142 SGB III in Bezug genommene Rahmenfrist beträgt nach § 143 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Nach § 143 Abs. 1 SGB III in der ab dem 01.01.2020 geltenden Fassung beträgt die Rahmenfrist dagegen 30 Monate. Vorliegend ist § 143 SGB III in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung anzuwenden, wie bereits die Beklagte und das SG zutreffend angenommen haben.
Innerhalb einer nach der neuen Rechtslage auf den Zeitraum 14.01.2018 bis 13.07.2020 zu erstreckenden 30-monatigen Rahmenfrist wäre die Klägerin bis zum 14.06.2019 durchgehend und damit (deutlich) mehr als 360 Tage versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Bei Anwendung der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung des § 143 SGB III wäre die Klägerin dagegen innerhalb der dann nur 2 Jahre umfassenden Rahmenfrist vom 14.07.2018 bis 13.07.2020 an nur 331 und damit weniger als 360 Tagen versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Streitentscheidend ist daher, ob § 143 SGB III in der bis zum 31.12.2019 oder in der ab dem 01.01.2020 geltenden Fassung anzuwenden ist. Dies richtet sich nach der durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes vom 18.12.2018 (BGBl I 2651) erlassenen Übergangsvorschrift in § 447 Abs.1 SGB III. Diese Vorschrift lautet:
„Für Personen, die nach dem 31. Dezember 2019 nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden haben, finden die §§ 142, 143 und 147 in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung Anwendung.“
Ausgehend vom Wortlaut dieser Rechtsanwendungsvorschrift erscheint ihr Tatbestand nicht erfüllt zu sein und die angeordnete Rechtsfolge (Anwendung alten Rechts) daher nicht einzutreten, weil die Klägerin mit der Wiederaufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem geregelten Stichtag am 15.10.2020 das negative Tatbestandsmerkmal „nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis“ nicht zu erfüllen scheint. Dieses Ergebnis hält einer näheren rechtlichen Prüfung jedoch nicht Stand:
Wie bereits vom SG und zuvor im Widerspruchsbescheid der Beklagten (anders jedoch noch im Ausgangsbescheid vom 31.07.2020) zutreffend ausgeführt wurde, ist das negative Tatbestandsmerkmal „nicht in einem Versicherungsverhältnis gestanden“ in § 447 Abs. 1 SGB III einschränkend so auszulegen, dass die angeordnete Rechtsfolge (Anwendung des alten Rechts) immer dann eintritt, wenn nach dem Stichtag kein Versicherungspflichtverhältnis bestanden hat, das innerhalb einer Rahmenzeit im Sinne des § 143 SGB III liegt. Dies beinhaltet wegen der Anknüpfung der Rahmenzeit in § 143 Abs. 1 SGB III (u.a.) an die Arbeitslosmeldung, dass für eine Anwendung des neuen Rechts nur solche Versicherungspflichtzeiten nach dem Stichtag beachtlich sind, die vor einer neuen Arbeitslosmeldung liegen – dies mit der Folge, dass das neue Recht (nur) auf diese neue Arbeitslosmeldung Anwendung findet. Dieses Normverständnis entspricht, wie das SG zutreffend ausführt, exakt den Motiven des Gesetzgebers (BT-Drs.19/4948, 29). Darin heißt es zu § 447 Absatz 1 SGB III:
„Die Neuregelung zur Rahmenfrist des Arbeitslosengeldes soll sich nur auf Personen erstrecken, die nach dem Inkrafttreten der Regelung – unter Geltung des neuen Rechts – mindestens einen Tag in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden haben. Die Regelung berücksichtigt damit auch verwaltungspraktische Erwägungen. Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach den neuen, erleichterten Bedingungen erfüllt sind, wird damit nur dann vorgenommen, wenn die oder der Arbeitslose nach der Zeit eines Versicherungspflichtverhältnisses einen erneuten Antrag auf Arbeitslosengeld stellt. Andernfalls müssten die Agenturen für Arbeit und die Jobcenter mit dem Tag des Inkrafttretens der Neuregelung prüfen, ob in laufenden Fällen des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld unter den ab diesem Tag geltenden erleichterten Voraussetzungen erfüllt ist und die entsprechenden Leistungsfälle mit einem hohen Verwaltungsaufwand umstellen.“
Dieses vom Gesetzgeber eindeutig beabsichtigte Auslegungsergebnis ist vom Wortlaut der Übergangsvorschrift nicht genau vorgegeben, es ist jedoch noch von ihm gedeckt (siehe dazu 1.) und lässt sich im Wege einer an den Motiven des Gesetzgebers orientierten einschränkenden Auslegung und teleologischen Reduktion des § 447 Abs. 1 SGB III unter Beachtung seines Bedeutungszusammenhangs begründen (siehe dazu 2.) Das Ergebnis dieser teleologischen Reduktion entspricht auch einer am Gleichheitsgrundsatz orientierten verfassungskonformen Auslegung (dazu 3.) und findet Zustimmung in der Kommentarliteratur (dazu 4.). Eine Differenzierung zwischen bestands- oder rechtskräftig abgeschlossenen und noch offenen Verfahren, wie sie die Klägerin sinngemäß zur Begründung ihres Rechtsstandpunkts anführt, ist nicht ausreichend geeignet, die vom Gesetzgeber der Übergangsvorschrift in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellte Praktikabilität zu verdrängen (dazu 5.).
1. Der dem Wortlaut einer Rechtsvorschrift zu entnehmende Wortsinn bildet sowohl den Ausgangspunkt als auch die Grenze jeder zulässigen Gesetzesauslegung (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl., S. 307 ff., 309). Maßgeblich ist derjenige Wortlaut, den die Rechtsvorschrift in ihrer letztlich in Kraft getretenen Form erhalten hat. Abweichende Fassungen vorausgegangener Gesetzesentwürfe dienen dagegen ebenso wie die in den Gesetzesmaterialien niedergelegten Motive lediglich zur Ermittlung des Willens des (historischen) Gesetzgebers. Es griffe daher zu kurz, das in den Gesetzesmaterialien niedergelegte Motiv mit dem Wortlaut der Norm gleichzusetzen und allein damit den Versuch zu unternehmen, das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel direkt aus dem Wortsinn abzuleiten (im Ansatz daher wenig überzeugend Leandro Valgolio in: Hauck/Noftz SGB III, § 447, Rn. 6). Dieser Ansatz käme in Konflikt mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (hierzu grundlegend: BVerfGE 111, 54 (82) m.w.N.; zu Details siehe etwa Huster/Rux in: Epping/Hillgruber Grundgesetz, 3. Auflage 2020, Art. 20 Rn. 179, 182), denn das negative Tatbestandsmerkmal „nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden“ enthält kein Merkmal, das den Bedeutungsgehalt dieser Formulierung unmittelbar eingrenzen würde. Der Wortlaut steht einer anderweitig zu begründenden eingrenzenden Norminterpretation hier allerdings auch nicht entgegen. Die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen, Generalklauseln und Ermessensermächtigungen wird durch das Bestimmtheitsgebot nicht ausgeschlossen. Sichergestellt bleiben muss, dass das Handeln der Verwaltung messbar und in gewissem Ausmaße für den Bürger voraussehbar und berechenbar ist sowie dass eine Gerichtskontrolle ermöglicht wird (BVerfG, a.a.O.). Die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots sind hierbei umso höher, je intensiver die Grundrechtsrelevanz der betreffenden Rechtsvorschrift ist (Huster/Rux, a.a.O., Rn. 182). In dem vorliegend allein betroffenen Lebensbereich der Leistungsverwaltung gilt allerdings der verfassungsrechtliche Vorbehalt des Gesetzes anders als in der Eingriffsverwaltung von vornherein nicht unmittelbar, sondern kommt nur mittelbar bei der Beeinträchtigung freiheitlicher Grundrechte und des Gleichheitsgrundsatzes zum Tragen (Gröpl, Staatsrecht I, 12. Aufl. 2020, § 7 Rn. 456 - 457). Wie bereits das SG unter Verweis auf Deinert (in: Gagel, SGB III, § 447, Rn. 5) zutreffend angeführt hat, kann § 447 Abs. 1 SGB III nicht zu einer Rechtsverkürzung, sondern lediglich zum Ausschluss einer neu eingeführten Rechtsverbesserung führen. Die Grundrechtsrelevanz der Vorschrift ist entsprechend gering. Auch der Gleichheitsgrundsatz gebietet vorliegend gerade nicht das von der Klägerin vertretene wortlautnahe weite Normverständnis (siehe hierzu unten 3.). Zu berücksichtigen sind damit zum einen die vergleichsweise niedrigen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Präzision des hier streitentscheidenden Normtextes und zum zweiten die jedenfalls im Ansatz regelmäßig große Bandbreite der im Wortlaut einer Regelung angelegten Bedeutungen (vgl. hierzu Larenz, a.a.O., S. 307 ff.). Die Annahme, (vermeintlich) eindeutige Ausdrücke bedürften keiner Auslegung, die sinngemäß auch das Klage- und Berufungsbegehren prägt, nimmt in Wahrheit selbst das Ergebnis eines Auslegungsprozesses vorweg und ist daher kaum geeignet, die Auslegbarkeit des Normtextes als solche in Frage zu stellen (vgl. Larenz, a.a.O., S. 332 f.). Nur ein buchstäbliches Verständnis des § 447 Abs. 1 SGB III gelangte zwangsläufig zu einer Anwendbarkeit des neuen Rechts auf die Klägerin wegen des buchstäblich nicht (mehr) vorliegenden negativen Tatbestandsmerkmals mit Aufnahme der neuen versicherungspflichtigen Beschäftigung zum 15.10.2020. Die äußerste Wortlautgrenze, in deren Rahmen die anerkannten Auslegungsmethoden zu Anwendung gelangen können und müssen, beschränkt sich jedoch nicht auf dieses buchstäbliche Verständnis. Das von der Beklagten vertretene und vom SG bestätigte Verständnis des § 447 Abs. 1 SGB III liegt vielmehr ebenfalls noch innerhalb der vom Wortlaut des § 447 Abs. 1 SGB III für eine zulässige Auslegung gesetzten äußersten Grenzen, jenseits derer nur der (hier nicht einschlägige) Bereich einer analogen Rechtsanwendung verbliebe. Denn der von § 447 Abs. 1 SGB III in Bezug genommene Begriff „Versicherungspflichtverhältnis“ ist ein stark normativ geprägter Rechtsbegriff, der im Sozialversicherungsrecht vielerorts legaldefiniert wird (§§ 24 - 28a SGB III, § 5 SGB V, § 20 Abs. 1 - § 21a SGB XI, §§ 1 - 6 SGB VI, §§ 2 - 3 SGB VII) und der dabei sowohl in den jeweiligen Zweigen der Sozialversicherung unterschiedliche Ausprägungen annimmt als auch innerhalb des hier betroffenen Rechts der Arbeitsförderung nicht losgelöst vom jeweiligen Regelungszusammenhang und -zweck verstanden werden kann. Beide führen vorliegend gleichermaßen zu einem eingrenzenden Verständnis der Norm im Wege einer systematischen bzw. einer teleologischen Auslegung:
2. Zur Auslegung im Wege teleologischer Reduktion hat der 11. Senat des BSG das Folgende ausgeführt: „Es ist allgemein anerkannt, daß bei der Auslegung von Gesetzen nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern der Sinn einer Norm zu erforschen ist. Schon die Frage, ob der Wortlaut einer Vorschrift tatsächlich eindeutig ist, läßt sich ohne Auslegung nicht beantworten. Maßgeblich für das Verständnis einer Rechtsvorschrift ist der in ihrem Wortlaut zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, dh die ratio legis oder der Sinn und Zweck der Vorschrift, so daß der teleologischen, am Gesetzeszweck orientierten Auslegung wesentliches Gewicht zukommt. Um den Sinn und Zweck einer Norm zu ermitteln, sind wiederum ihr Bedeutungszusammenhang und ihre Entstehungsgeschichte zu berücksichtigen. Grundsätzlich zulässig ist in den danach zu ziehenden Grenzen - und zwar auch von Verfassungs wegen (vgl BVerfG NJW 1997, 2230) - eine sog teleologische Reduktion, d.h. eine Auslegung, die zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs einer Norm gegenüber ihrem Wortlaut führt“ (BSG, Urteil vom 15.12.1999 – B 11 AL 37/99 R –, Rn. 19, juris).
In der Rechtsprechung des 11. Senats des BSG ist überdies anerkannt, dass diese Auslegungsmethode auf die Regelung zur Rahmenfrist in § 143 SGB III unmittelbar Anwendung finden kann (so zuletzt BSG, Urteil vom 04.03.2021 – B 11 AL 7/19 R –, SozR 4-4300 § 25 Nr 4, Rn. 27). Nichts anderes kann für die Übergangsvorschrift in § 447 Abs. 1 SGB III gelten, die „nur“ darüber entscheidet, welche Fassung des § 143 SGB III auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden ist.
Nur im Falle eines wie unter 1. näher aufgezeigten buchstäblichen Verständnisses des § 447 Abs. 1 SGB III käme die Klägerin in den Genuss des neuen Rechts, weil sie am 15.10.2020 eine neue versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen hat. Für die Klägerin käme dies einer rückwirkenden Rechtsverbesserung gleich, denn die ihren Leistungsanspruch ggf. auslösenden Versicherungspflichtzeiten liegen vollständig vor dem geregelten Stichtag. Ein solches Verständnis der Übergangsregelung widerspräche allerdings ihrem Sinn und Zweck, der (hier) den vom Gesetzgeber klar geäußerten Motiven entspricht. Danach soll die Rechtsverbesserung nur für solche Arbeitslosmeldungen Anwendung finden, die nach einer nach dem Stichtag liegenden versicherungspflichtigen Beschäftigung erfolgen und nicht auch rückwirkend für solche Arbeitslosmeldungen (wie vorliegend), denen lediglich eine vor dem Stichtag beendete versicherungspflichtige Beschäftigung vorausgeht. Der bloße Umstand, dass ein Versicherter der letztgenannten Fallgruppe (wie die Klägerin) nach dem Stichtag wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnimmt, ist mit anderen Worten zwar vordergründig vom Wortlaut der Norm mitumfasst, jedoch nicht von ihrem Sinn und Zweck. Außer aus den Gesetzesmaterialien, die die Motive des Gesetzgebers klar widerspiegeln, lässt sich der eine reduzierende Auslegung erfordernde Normzweck hier auch aus dem Bedeutungszusammenhang der Regelung erschließen (hierzu grundlegend Larenz, a.a.O., Seite 311 ff.). In den Tatbestand des § 447 Abs. 1 SGB III kann das den Begriff „Versicherungspflichtverhältnis“ einschränkende weitere Tatbestandsmerkmal „innerhalb einer Rahmenfrist“ hineingelesen werden. Damit beschränkt sich die Anwendung der neuen Rechtslage auf die nach dem Stichtag begründeten neuen Leistungsfälle, wie es der Gesetzgeber beabsichtigt hat. Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal folgt unmittelbar aus dem Bedeutungszusammenhang des die Anwendbarkeit des § 143 SGB III regelnden § 447 Abs. 1 SGB III. Denn Gegenstand des § 143 SGB III ist gerade die nähere Bestimmung des normativen Rechtsbegriffs „Rahmenfrist“ als Voraussetzung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld.
Das Ziel des Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung – Qualifizierungschancengesetz war ein erleichterter Zugang in das soziale Sicherungssystem des Arbeitslosengeldes unter dem Eindruck immer höherer Anforderungen eines im Strukturwandel befindlichen Arbeitsmarktes an die Flexibilität der Beschäftigten (vgl. A. Problem- und Zielbeschreibung im Entwurf der Bundesregierung über das Gesetz zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung – Qualifizierungschancengesetz, BT-Drs.19/4948, S. 1). Um dieses Ziel zu erreichen, wäre eine Ausdehnung der Rechtsverbesserung auch auf Personen, die nach dem Stichtag zwar wieder versicherungspflichtig beschäftigt, jedoch nicht arbeitslos werden, nicht nur nicht erforderlich, sondern sogar abträglich, als die Beiträge der Versichertengemeinschaft in erhöhtem Umfang auch einem Personenkreis zugewendet würden, der dieser Rechtsverbesserung mangels erneuter Arbeitslosigkeit weniger bedarf, als Versicherte, die sich erneut arbeitslos melden (müssen).
3. Diese einschränkende Auslegung des § 447 Abs. 1 SGB III entspricht auch dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, der nicht nur eine gleiche Behandlung von im Wesentlichen gleichen Sachverhalten, sondern ebenso eine unterschiedliche Behandlung von im Wesentlichen verschiedenen Sachverhalten gebietet. Versicherte wie die Klägerin, die nach dem Stichtag wieder in eine versicherungspflichtige Beschäftigung gefunden haben, ohne erneut arbeitslos zu werden, sind weniger schutzbedürftig als diejenigen Versicherten, die sich nach dem Stichtag erneut arbeitslos melden (müssen). Es ist daher auch aus Gleichbehandlungsgründen gerechtfertigt, die Rechtsverbesserung nur auf die zweite Fallgruppe anzuwenden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.04.2022 – 1 BvL 12/120, Rn. 9, juris; Beschluss vom 07.04.2022 – 1 BvL 3/18, Rn. 239, juris).
4. Die hier vorgenommene Auslegung des § 447 Abs. 1 SGB III steht im Einklang mit den Kommentierungen dieser Vorschrift. Ohne nähere Differenzierung und noch als Ausblick auf die seinerzeit anstehende Rechtsänderung haben Schaumberg (in: LPK-SGB III, 3. Aufl., § 447 Rn. 5) und Brackelmann (in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 447 SGB III, Stand: 15.01.2019, Rn. 10) die weitere Anwendbarkeit des alten Rechts auf Versicherte angenommen, „die nach dem 31.12.2019 nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden haben.“ Deinert (in: Gagel, SGB III, 81. EL, 12/2021, § 447, Rn. 5) präzisiert und bestätigt die hier vertretene Auslegung und merkt lediglich an, dass dieses Ergebnis aus rechtspolitischen Erwägungen zwar fragwürdig sei, aber innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsermessens für die Einführung von Rechtsverbesserungen liege. Dem schließt sich Schmidt-De Caluwe (in: NK-SGB III § 447 Rn. 2) an. Valgolio (in: Hauck/Noftz SGB III, 2. Aufl., 6. EL Stand 2022, § 447 Rn. 6) unterstreicht die Bedeutung der vom Gesetzgeber gewählten Übergangsvorschrift für die Reduzierung des mit der Rechtsänderung einhergehenden Verwaltungsaufwands.
5. Der Einwand der Klägerin, dass die Bestandskraft abgeschlossener Verfahren einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand ohnehin vermeide, trifft nur jenseits der Grenzen der sowohl auf Antrag möglichen als auch von Amts wegen ggf. erforderlichen Überprüfungen nach § 44 SGB X zu. Richtig ist, dass allein ein hoher Verwaltungsaufwand es nicht rechtfertigen würde, eine bestimmte Gesetzesauslegung einer anderen vorzuziehen. So verhält es sich beim vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht. Denn zum einen hat bereits der Gesetzgeber in seinen Motiven zum Ausdruck gebracht, dass der Vermeidung eines hohen Verwaltungsaufwands ein besonderer Stellenwert zukommt. Und zum zweiten beruht der von der Beklagten eingenommene und vom SG bestätigte Standpunkt, dem sich auch der Senat in Übereinstimmung mit den hierzu einschlägigen Kommentierungen anschließt, auch auf den weiteren Auslegungsmethoden einer teleologischen Reduktion unter besonderer Berücksichtigung des Gleichbehandlungssatzes sowie auf systematischen Erwägungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier streitentscheidenden und in der bisherigen Rechtsprechung nicht geklärten Frage, wie § 447 Abs. 1 SGB III auszulegen ist, gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.