S 8 AS 662/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 662/19
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 806/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.


T a t b e s t a n d :

Der Kläger begehrt die Feststellung von Amtspflichtverletzungen durch die Beklagten in Bezug auf einen Antrag vom 10.04.2013.
Am 10.04.2013 übersandte der Kläger dem Beklagten zu 1 ein Mietangebot für die Wohnung in der G.- Straße  in XXXXX N. und begehrte die Zustimmung nach § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Mit Schreiben vom 17.04.2013 teilte der Beklagte zu 1 dem Kläger mit, dass er sich mit seinem Mietangebot an das Jobcenter seines Wohnsitzes (zu dem Zeitpunkt K.) wenden solle, da er nicht mehr zuständig sei.
Dies sei jedoch nach Angaben des Klägers, welcher vorträgt das Schreiben am 23.04.2013 erhalten zu haben, bereits zwecklos gewesen, da das Mietangebot zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gültig gewesen sei. Eine Entscheidung über seinen Antrag habe der Beklagte zu 1 nicht getroffen. Frühestens am 20.08.2018 sei sein Antrag an den Beklagten zu 2 weitergeleitet worden. Bis heute sei keine Entscheidung über seinen Antrag vom 10.04.2013 getroffen worden.
Unter dem 03.01.2019 reichte der Kläger beim D. Feststellungklage ein. Das Verwaltungsgericht hat die Angelegenheit mit Beschluss vom 30.04.2019 an das Sozialgericht Nürnberg verwiesen.
Der Kläger beantragt festzustellen,
1. dass der Beklagte zu 1 beim Amtshandeln auf die Einreichung des Mietangebots des Klägers für die Wohnung in der G.-Straße in XXXXX N. hin schwerwiegend gegen die Amtspflicht zu rascher Sachentscheidung verstoßen habe, weil er bis zum 01.08.2016, zu der er die Entscheidung nach der bis zum 01.08.2016 gültigen Rechtslage hätte tätigen müssen, keine Entscheidung gefällt habe (Verzögerung 3 Jahre, 3 Monate und 21 Tage) und nach dem 01.08.2016 eine Weiterleitung des Antrages bzw. eine Entscheidung bis mindestens zum 19.08.2018 mit Vorsatz verzögert hat (Verzögerung 2 Jahre und 19 Tage).
2. dass der Beklagte zu 2 ebenfalls gegen die Amtspflicht zur raschen Sachentscheidung verstoßen habe, weil er sich langzeitig weigerte, zu dem an ihn weitergeleiteten Mietangebot eine Entscheidung zu fällen.
3. dass insgesamt schwerwiegendst gegen die Amtspflicht zur raschen Sachentscheidung verstoßen wurde, weil nach 5 Jahren und 8 Monaten trotz mehrfacher Anmahnung immer noch keine Entscheidung zum Antrag des Klägers getätigt wurde.
4. dass der Beklagte zu 1 schwerwiegendst gegen die Amtspflicht zu rechtmäßiger Amtsausübung verstoßen hat, weil anstatt der gebotenen unverzüglichen Weiterleitung des Antrages des Klägers gemäß § 16 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) eine Weiterleitung erst nach mehrjährigem Schriftverkehr nach 5 Jahren vier Monaten und 10 Tagen erfolgte und zudem schwerwiegend gegen § 17 Abs. 1 SGB I verstoßen wurde.
5. dass der Beklagte zu 2 schwerwiegend gegen die Amtspflicht zu rechtmäßiger Amtsausübung verstoßen hat, weil er sich weigerte zu einem an ihn weitergeleiteten Antrag eine Entscheidung zu fällen.
6. dass der Beklagte zu 1 und der Beklagte zu 2 je zweifach schwerwiegend gegen die Amtspflicht zu verfahrensgemäßem Amtshandeln verstoßen haben.
Der Beklagte zu 1 hat sich im Rahmen des Klageverfahrens nicht geäußert.
Der Beklagte zu 2 beantragt,
        die Klage als unzulässig abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist bereits unzulässig, da es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt.
Das erforderliche schutzwürdige Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art sein, wobei der Kläger sein berechtigtes Feststellungsinteresse durch entsprechenden Tatsachenvortrag substantiiert darlegen muss, ohne dass große Anforderungen an die Substantiierungspflicht zu stellen sind (vgl. BSG, Urteil vom 28.08.2007, Az.: B 7/7a AL 16/06 R. Es besteht jedoch nur, wenn die angestrebte gerichtliche Feststellung die Lage des Klägers verbessern kann (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 55 Rn. 21; § 131 Rn. 10, jeweils m.w.N.). Bei einem vergangenen Rechtsverhältnis, wie es der Kläger hier geltend macht, kommt ein Feststellungsinteresse in Betracht, wenn eine ausreichend konkrete, in naher Zukunft oder doch in absehbarer Zeit tatsächlich bevorstehende Gefahr der Wiederholung des Verwaltungshandelns bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen besteht und der Kläger dementsprechend das Interesse verfolgt, durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Wiederholung eines entsprechenden Verwaltungsaktes vorzubeugen. Als berechtigtes Interesse ist darüber hinaus das Rehabilitationsinteresse eines Klägers anerkannt, der einem Verwaltungsakt mit diskriminierender Wirkung ausgesetzt war oder durch die Begründung des Verwaltungsaktes oder die Umstände seines Zustandekommens in seiner Menschenwürde, in seinen Persönlichkeitsrechten oder in seinem Ansehen erheblich beeinträchtigt wurde. Unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG)) kommt weiterhin ein berechtigtes Feststellungsinteresse in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsverletzung nach sich zieht. Schließlich kann sich das Feststellungsinteresse aus der Präjudizialität für andere Rechtsverhältnisse, insbesondere zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen ergeben. Demgegenüber genügt es nicht, wenn der Kläger lediglich seine Rechtsauffassung bestätigt sehen möchte (vgl. BSG, Urteil vom 28.08.2007, Az.: B 7/7a AL 16/06 R).
Die genannten Voraussetzungen liegen nicht vor.
Eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht derzeit nicht. Der Kläger steht derzeit bei keinem der beiden Beklagten im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Insofern bedarf es für einen Umzug keiner Zustimmung zu etwaigen Mietangeboten durch einen der beiden Beklagten.
Ein Rehabilitationsinteresse ist nicht ersichtlich. Das Handeln der Beklagten lassen eine irgendwie geartete Diskriminierung des Klägers oder einen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht nicht erkennen und wurden vom Kläger auch nicht vorgetragen.
Es liegt auch keine fortwirkende Grundrechtsbeeinträchtigung des Klägers vor. Eine solche ist weder dargelegt noch erkennbar.
Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich auch nicht aus der Präjudizialität für andere Rechtsverhältnisse, insbesondere für ein Amtshaftungsverfahren.
Zur Vorbereitung eines Amtshaftungsverfahrens ist ein Feststellungsinteresse nur zu bejahen, wenn ein Amtshaftungsprozess bereits anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 131 Rn. 10e m.w.N.). Der Kläger hat noch keine Amtshaftungsklage vor dem zuständigen Landgericht erhoben. Es ist auch nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, dass er - gerichtskostenpflichtige - Klage ernsthaft beabsichtigt. Der Kläger hat, wie bereits in anderen Verfahren beim Sozialgericht Nürnberg, vorgetragen eine solche Klage vorzubereiten. Jedoch hat der Kläger nicht konkret dargelegt, dass die Voraussetzungen für einen Amtshaftungsanspruch vorliegen.
Insbesondere ist eine konkrete Nennung des von den Beklagten angeblich verursachten Schadens nicht erfolgt (vgl. insoweit auch LSG NRW, Urteil vom 27.08.2008, Az.: L 11 KA 18/08). Das Fehlen substantiierter Angaben zum Schaden und zur Schadenshöhe vermag zwar nicht ohne weiteres die Annahme rechtfertigen, die beabsichtigte Amtshaftungsklage sei offensichtlich aussichtlos und deshalb zur Begründung eines Feststellungsinteresses ungeeignet (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 131 Rn. 10f).
Wenn jedoch, wie hier, jegliche Angaben dazu, ob und in welcher Hinsicht überhaupt ein Schaden entstanden sein soll, fehlen, kann bereits nicht festgestellt werden, dass eine Amtshaftungsklage mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Hinzu kommt, dass nach Angaben des Klägers die begehrte Wohnung bereits zehn Tage nachdem er den Antrag auf Zustimmung an den Beklagten zu 1 versandt hat, erledigt hat, da diese nicht mehr zur Vermietung auf dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stand. Insofern ist nicht erkennbar, welches Interesse der Kläger an einer weiteren Entscheidung der Beklagten zur Zustimmung zu diesem Mietangebot hatte bzw. welcher konkrete Schaden dem Kläger entstanden ist, sollte sich herausstellen, dass die Beklagten die Entscheidung tatsächlich verzögert haben.
Weiterhin dürfte der Anspruch bereits verjährt sein. Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Zustimmung zum Mietangebot hat der Kläger im Jahr 2013 begehrt. Ebenfalls in dem Jahr ist die begehrte Wohnung bereits anderweitig vermietet worden. Sofern in dem Handeln der Beklagten tatsächlich eine Amtspflichtverletzung liegen sollte, ist ein etwaiger Anspruch bereits wegen des Eintritts der Verjährung nicht mehr durchsetzbar.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs. 1 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
Saved