L 4 KR 240/22 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 143 KR 179/22 B ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 KR 240/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Die Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente (§ 65d SGG) besteht nicht, wenn der Prozessbevollmächtigte kein Rechtsanwalt ist und nur das Fax-Gerät der als Rechtsanwältin zugelassenen Zustellungsbevollmächtigten zur Einlegung des Rechtsmittels nutzt.

2. Der Hebammenhilfe-Vertrag ermächtigt den Spitzenverband Bund der Krankenkassen nicht zum Erlass von Verwaltungsakten.

3. Ein mangels Ermächtigung rechtswidriger Verwaltungsakt kann nicht als öffentlich-rechtliche Willenserklärung aufrechterhalten werden.

 

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2022 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2021 wird angeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Der Antragsgegner trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte.

 

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 25.566,57 EUR festgesetzt.

 

 

Gründe

 

Die am 30. Juni 2022 eingegangene Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr am 30. Mai 2022 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2022 hat teilweise Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den dort am 31. Januar 2022 gestellten sinngemäßen Antrag abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage (S 143 KR 1607/21) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2021 anzuordnen, mit welchem der Ausschluss der als freiberufliche Hebamme tätigen Antragstellerin von dem Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe (Hebammenhilfe-Vertrag) in der ab dem 25. September 2015 geltenden Fassung (www.gkv-spitzenverband.de) verfügt wurde. Der Antragsgegner hatte mit Schreiben vom 24. November 2021 die sofortige Vollziehung dieses Bescheides angeordnet. Ergänzend hat die Antragstellerin erstinstanzlich sinngemäß beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, seinen Mitgliedskrankenkassen mitzuteilen, dass sie zur Vergütung nach dem Hebammenhilfe-Vertrag berechtigt ist. Im Beschwerdeverfahren hat sie einen zusätzlichen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung gestellt, indem sie Vergütungsansprüche nebst Zinsen in einer Gesamthöhe von 51.133,14 EUR geltend gemacht hat.

 

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere formgerecht eingelegt worden. Der Antragsgegner kann nicht mit Erfolg einwenden, dass ein Verstoß gegen § 65d Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vorliegt. Hier ist der Beschwerdeschriftsatz, der von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin – ihrem Ehemann – unterzeichnet worden ist, mit dem Telefaxgerät der zur Zustellungsbevollmächtigten bestellten Rechtsanwältin an das Sozialgericht übersandt worden. Nach § 65d Satz 1 SGG sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung, um den elektronischen Rechtsverkehr zu etablieren, sehe die Regelung eine Pflicht für alle Rechtsanwälte und Behörden vor,  Schriftsätze, Anträge und Erklärungen den Gerichten nur noch in elektronischer Form zu übermitteln. Die Einreichung sei eine Frage der Zulässigkeit und daher von Amts wegen zu beachten. Bei Nichteinhaltung der elektronischen Form sei eine Prozesserklärung unwirksam (BT-Drucksache 17/12634, S. 27, 37). Zwar ist § 65d Satz 1 SGG nach seinem Sinn und Zweck so auszulegen, dass die Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente von dem berufsrechtlichen Status als Rechtsanwalt abhängt, nicht aber von der konkreten Rolle im Verfahren (vgl. zu den parallelen Vorschriften anderer Prozessverordnungen Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31. Januar 2023, XIII ZB 90/22, Rn. 20; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23. August 2022, VIII S 3/22, Rn. 3; hier und nachfolgend alles zitiert nach JURIS). Die Regelung ist jedoch auch dahingehend zu verstehen, dass der Rechtsanwalt nur von ihm selbst verantwortete Schriftstücke als elektronische Dokumente zu übermitteln hat. Das ergibt sich im Wege der systematischen Auslegung im Hinblick auf § 65a Abs. 3 SGG. Danach muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Das Erfordernis der persönlichen Signatur durch die verantwortende Person soll, wie bei der handschriftlichen Unterzeichnung, die Identifizierung des Urhebers einer Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des elektronischen Dokuments zu übernehmen (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2022, XII ZB 311/21, Rn. 10). Daher unterliegen solche Schriftstücke, deren Urheber – wie im vorliegenden Fall – kein Rechtsanwalt ist, nicht der Nutzungspflicht nach § 65d Satz 1 SGG, auch wenn sie durch einen Rechtsanwalt übermittelt werden.

 

Der Antragsgegner kann der Beschwerde auch nicht entgegenhalten, diese sei unzulässig, weil die ladungsfähige Anschrift der Antragstellerin nicht feststellbar sei. Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren setzt in der Regel voraus, dass im Verfahren die ladungsfähige Anschrift des Rechtsschutzsuchenden genannt wird (Bundessozialgericht, Beschluss vom 1. September 2022, B 12 KR 28/22 BH, Rn. 8; Beschluss vom 18. November 2003, B 1 KR 1/02 S, Rn. 4; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30. Juni 2015, X B 28/15, Rn. 11; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. April 1999, 1 C 24/97, Rn. 27 ff.). Das gilt auch dann, wenn die zunächst zutreffende Anschrift im weiteren Prozessverlauf unrichtig wird. Der Rechtsschutzsuchende hat dafür Sorge zu tragen, dass er durch die Angabe seines tatsächlichen Wohnortes und Lebensmittelpunktes für das Gericht erreichbar bleibt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 6. November 2009, 2 BvL 4/07, Rn. 27; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30. Juni 2015, X B 28/15, Rn. 14). Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift dient der Identifizierung des Rechtsschutzsuchenden. Gleichzeitig dokumentiert dieser hiermit seine Bereitschaft, sich möglichen nachteiligen Folgen des Prozesses, insbesondere der Kostentragungspflicht, zu stellen und damit den Prozess nicht aus dem Verborgenen heraus zu führen. Zudem wird dem Gericht nur hierdurch ermöglicht, das persönliche Erscheinen des Rechtsschutzsuchenden anzuordnen. Die unter Beachtung dieser Zielsetzungen zu stellenden Anforderungen an die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift dürfen jedoch im Hinblick auf dessen Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz nicht weiter gehen, als es für die Wahrung der vorgenannten berechtigten Interessen des Beklagten und für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens erforderlich ist. Hiernach ist der Zweck der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift dann erfüllt, wenn der Beteiligte durch die angegebene Anschrift eindeutig identifiziert wird und an sie wirksam Zustellungen vorgenommen werden können (Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. April 2022, VIII ZR 262/20, Rn. 15). Das ist hier der Fall. Nachdem die Antragstellerin im ersten Rechtszug zunächst nur eine Geschäftsanschrift im Fürstentum Liechtenstein angegeben hatte, hat sie im Beschwerdeverfahren eine Meldebescheinigung der Stadt L übersandt, aus der sich ihre ladungsfähige Anschrift ergibt, ohne dass Zweifel an ihrer Identität bestehen. Zudem hat sie eine Zustellungsbevollmächtigte in Deutschland benannt.

 

Die Beschwerde ist auch zulässig, soweit die Antragstellerin ihr Begehren im Beschwerdeverfahren um einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung erweitert hat. Insoweit kann ihr keine fehlende Beschwer entgegengehalten werden. Nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt in dem Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden ist. Diese Vorschrift ermöglicht die Rückgängigmachung der erfolgten Vollziehungshandlungen im Wege eines Folgenbeseitigungsanspruches. Der Sache nach handelt es sich um eine Regelungsanordnung, wie sie § 86b Abs. 2 SGG vorsieht, da die Rechtsposition des Antragstellers erweitert wird. Das Verfahren ist lediglich ein Annexverfahren zu § 86b Abs. 1 Satz 1 SGG, das den Erfolg des Hauptantrags voraussetzt (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. November 2020, L 32 AS 1455/20 B ER, Rn. 60; Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11. September 2019, L 7 AS 857/19 B ER, Rn. 27). Die Ergänzung eines Antrages nach § 86b Abs. 1 Satz 1 SGG um einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG ist entsprechend § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht als Antragsänderung anzusehen. Der Folgenbeseitigungsanspruch kann daher auch noch in der Beschwerdeinstanz geltend gemacht werden (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24. November 2011, 3 C 10.11, Rn. 19; Beschluss vom 2. Oktober 2008, 2 B 12.08, Rn. 5; Urteil vom 30. April 2003, 6 C 5.02, Rn. 19).

 

Die Beschwerde ist nur hinsichtlich des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage begründet. Dieser Antrag ist nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zulässig. Zwar haben Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung. Der Antragsgegner hat jedoch die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 12. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2021 gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG angeordnet. Soweit der Antrag ausdrücklich „auf den Zeitpunkt des Erlasses des formellen Verwaltungsaktes“ gerichtet ist, handelt es sich um den gesetzlichen Regelfall (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Januar 2016, 9 C 1.15, Rn. 14).

 

Unzulässig ist hingegen der Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, seinen Mitgliedskrankenkassen mitzuteilen, dass die Antragstellerin zur Vergütung nach dem Hebammenhilfe-Vertrag berechtigt ist. Hierfür besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, da der Antragsgegner zu einer solchen Mitteilung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 Hebammenhilfe-Vertrag ohnehin verpflichtet ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der er dieser Verpflichtung nicht nachkommen wird. Für eine über § 8 Abs. 2 Satz 2 Hebammenhilfe-Vertrag hinausgehende Verpflichtung des Antragsgegners fehlt es im Übrigen an einer Rechtsgrundlage.

 

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage ist auch begründet. Das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig.

 

Als Rechtsgrundlage kommt ausschließlich § 15 Abs. 3 Hebammenhilfe-Vertrag in Betracht. Danach kann der GKV-Spitzenverband bei schwerwiegenden oder wiederholten schuldhaften Vertragsverstößen nach erfolgloser Abhilfeaufforderung im Einvernehmen mit dem Berufsverband, in dem die Hebamme Mitglied ist, eine angemessene Vertragsstrafe bis zu 10.000,00 EUR festsetzen und/oder einen Vertragsausschluss herbeiführen.

 

Diese Regelung ist jedoch keine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsakts. Der Hebammenhilfe-Vertrag beruht auf § 134a Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V). Danach schließt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Berufsverbänden der Hebammen und den Verbänden der von Hebammen geleiteten Einrichtungen auf Bundesebene mit bindender Wirkung für die Krankenkassen Verträge über die Versorgung mit Hebammenhilfe, die abrechnungsfähigen Leistungen unter Einschluss einer Betriebskostenpauschale bei ambulanten Entbindungen in von Hebammen geleiteten Einrichtungen, die Anforderungen an die Qualitätssicherung in diesen Einrichtungen, die Anforderungen an die Qualität der Hebammenhilfe einschließlich der Verpflichtung der Hebammen zur Teilnahme an Qualitätssicherungsmaßnahmen sowie über die Höhe der Vergütung und die Einzelheiten der Vergütungsabrechnung durch die Krankenkassen.

 

Das Bundessozialgericht hat allgemein ausgeführt, bei Streitigkeiten über Inhalt und Befugnisse der Krankenkassen aus öffentlich-rechtlichen Verträgen mit nichtärztlichen Leistungserbringern sei der Erlass von Verwaltungsakten durch Krankenkassen grundsätzlich ausgeschlossen, weil ein Gleichordnungssystem und kein Subordinationsverhältnis zwischen den Beteiligten bestehe (Bundessozialgericht, Urteil vom 29. Juni 2017, B 3 KR 16/16 R, Rn. 17; vgl. auch Urteil vom 8. Juli 2015, B 3 KR 17/14 R, Rn. 10; Urteil vom 17. März 2005, B 3 KR 2/05 R, Rn. 14). Zur Auszahlung des Sicherstellungszuschlags für Hebammen nach § 134a Abs. 1b SGB V heißt es im Terminbericht 4/23 des Bundessozialgerichts über seine Sitzung vom 22. Februar 2023 im Rechtstreit B 3 KR 13/21 R: „Mit dieser Ausgestaltung hat der Gesetzgeber dem GKV-Spitzenverband nicht die Rechtsmacht eingeräumt, über die Auszahlung des Sicherstellungszuschlags durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Die Befugnis, Rechtsbeziehungen hoheitlich durch Verwaltungsakt zu gestalten, muss sich aus dem materiellen Recht ergeben, das den betreffenden Rechtsbeziehungen zugrunde liegt. Diese Rechtsbeziehungen sind im Verhältnis zwischen den an der Versorgung von gesetzlich Krankenversicherten teilnehmenden Hebammen und den Krankenkassen wie auch im übrigen nichtärztlichen Leistungserbringungsrecht durch ein Gleichordnungsverhältnis geprägt, in dem Entscheidungen durch Verwaltungsakt nur auf der Grundlage einer ausdrücklichen Normierung oder entsprechend ausgestalteter Rechtslage ergehen. Das ist hier weder den maßgeblichen Regelungen selbst noch dem Regelungszusammenhang hinreichend deutlich zu entnehmen“.

 

So liegt der Fall auch hier. Die Regelungen des § 134a SGB V enthalten keine ausdrückliche Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes über den Ausschluss einer Hebamme von den Verträgen nach § 134a Abs. 1 Satz 1 SGB V. Auch der Regelungszusammenhang spricht gegen eine solche Ermächtigung. Der Zugang freiberuflicher Hebammen zu den Verträgen nach § 134a Abs. 1 Satz 1 SGB V ist in § 134a Abs. 2 SGB V geregelt. Danach haben die Verträge nach Abs. 1 Rechtswirkung für freiberuflich tätige Hebammen, wenn sie (1.) einem Verband nach Abs. 1 Satz 1 auf Bundes- oder Landesebene angehören und die Satzung des Verbandes vorsieht, dass die von dem Verband nach Abs. 1 abgeschlossenen Verträge Rechtswirkung für die dem Verband angehörenden Hebammen haben, oder (2.) einem nach Abs. 1 geschlossenen Vertrag beitreten (§ 134a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Hebammen, für welche die Verträge nach Abs. 1 keine Rechtswirkung haben, sind nicht als Leistungserbringer zugelassen (§ 134a Abs. 2 Satz 2 SGB V). Hängt somit der Zugang von dem Beitritt der Hebamme zu dem entsprechenden Verband oder zu dem Vertrag ab, also von Willenserklärungen im Gleichordnungsverhältnis (vgl. zum Erwerb einer Vereinsmitgliedschaft: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. Juni 1987, II ZR 295/86, Rn. 7), liegt es angesichts der fehlenden ausdrücklichen Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes über den Ausschluss einer Hebamme auf der Hand, dass der Ausschluss ebenfalls nur durch eine Willenserklärung im Gleichordnungsverhältnis erfolgen kann.

 

Entgegen der Rechtsansicht des Antragsgegners ist der angefochtene Bescheid auch nicht gemäß § 42 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) aufrechtzuerhalten. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung von Vorschriften über das Verfahren die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Hier geht es jedoch nicht um die Verletzung von Vorschriften über das Verfahren. Als solche sind allgemein diejenigen Normen anzusehen, die für das Verfahren von seiner Einleitung bis zu seinem Abschluss gelten (Bundessozialgericht, Urteil vom 15. Juli 2015, B 6 KA 30/14 R, Rn. 33). Die Frage, ob eine Ermächtigungsgrundlage vorliegt, gehört dagegen nicht zu den Verfahrensvorschriften, sondern zum materiellen Recht.

 

Der zu Unrecht in der Form eines Verwaltungsaktes erklärte Ausschluss von dem Hebammenhilfe-Vertrag kann auch als schlichte öffentlich-rechtliche Willenserklärung keinen Bestand haben. Mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage entfällt vielmehr die Gestaltungswirkung des angefochtenen Verwaltungsaktes in jeder Hinsicht. Er kann nicht als schlichte Ausschlusserklärung gewertet werden. Die Frage, ob der Ausschluss von dem Hebammenhilfe-Vertrag durch Verwaltungsakt oder durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung erfolgt, hat Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Erklärung. So gilt ausschließlich für Verwaltungsakte die Bekanntgabefiktion nach § 37 SGB X, während sich das Wirksamwerden sonstiger öffentlich-rechtlicher Willenserklärungen entsprechend § 130 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nach den auch für Willenserklärungen geltenden allgemeinen Grundsätzen richtet (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. März 2022, B 1 KR 6/21 R, Rn. 21 ff.). Zudem ist der Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte gemäß §§ 84, 87 SGG fristgebunden und hat gemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung. Bei einer Einstufung des Ausschlusses von dem Hebammenhilfe-Vertrag als öffentlich-rechtliche Willenserklärung wäre dies nicht der Fall. Ob und gegebenenfalls wann der Ausschluss wirksam geworden ist und den Zulassungsstatus der Hebamme beendet hat, kann damit nicht losgelöst von der Frage beantwortet werden, ob der Ausschluss durch Verwaltungsakt oder durch einfache öffentlich-rechtliche Willenserklärung erfolgt ist. Würde man die materielle Wirksamkeit des Ausschlusses unabhängig von der Form beurteilen, in der er erklärt wurde, bestünde gerade nicht zu jeder Zeit Klarheit über den Zulassungsstatus der Hebamme. Zudem wäre auch unklar, in welcher Form und innerhalb welcher Fristen die Hebamme Rechtsschutz gegen ihren Ausschluss in Anspruch nehmen könnte. Sie könnte nicht sicher sein, dass über die Wirksamkeit des Ausschlusses im Rahmen der gegen den formellen Verwaltungsakt gerichteten Anfechtungsklage abschließend entschieden wird, und müsste daneben vorsorglich eine Feststellungsklage erheben. Auch dürfte sie trotz der Regelung des § 86a Abs. 1 SGG nicht darauf vertrauen, dass der Widerspruch und die Anfechtungsklage gegen den eindeutig in der Form eines Verwaltungsaktes erklärten Ausschluss aufschiebende Wirkung haben, und müsste vorsorglich einstweiligen Rechtsschutz in der Form einer Sicherungsanordnung beantragen (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG). Dieses Ergebnis wäre mit dem Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar (vgl. zur Kündigung eines Versorgungsvertrages: Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Dezember 2022, B 1 KR 37/21 R, Rn. 31 ff.).

 

Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin kann von dem Antragsgegner nicht im Wege des Folgenbeseitigungsanspruches die Zahlung ausstehender Vergütungen verlangen. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt bereits vollzogen oder in anderer Weise verwirklicht worden ist, bevor er wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben oder zurückgenommen worden ist. Der Anspruch kann nur auf die Wiederherstellung des tatsächlichen Zustandes vor dem Vollzug (Naturalrestitution) gerichtet sein (Bundessozialgericht, Urteil vom 29. Mai 1996, 3 RK 26/95, Rn. 58; Urteil vom 10. August 1995, 11 RAr 91/94, Rn. 32). Insbesondere kann nur die Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes unter Einhaltung gesetzlicher Bindungen gefordert werden (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. April 1997, 8 C 38.95, Rn. 8). Hiervon ausgehend scheitert der geltend gemachte Folgenbeseitigungsanspruch bereits daran, dass nicht der Antragsgegner, sondern die jeweilige Krankenkasse die Vergütung der Antragstellerin schuldet.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

 

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit den §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4, 63 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Der Senat setzt in Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens in den Fällen des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 1 SGG den Streitwert regelmäßig und so auch hier mit der Hälfte des Streitwerts der Hauptsache an (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Januar 2021, L 28 BA 68/20 B ER, Rn. 16; Beschluss vom 9. Juli 2018, L 9 BA 29/18 B ER, Rn. 6; Beschluss vom 29. Juli 2014, L 1 KR 131/14 B ER, Rn. 29).

 

Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

 

Rechtskraft
Aus
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