L 4 KR 550/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 211 KR 2263/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 KR 550/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 17/23 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. IT-Spezialisten, die in selbstgewählter Arbeitsstätte, z.B. in der eigenen Wohnung, tätig und hierbei auf Hard- und Software ihres Auftraggebers bzw. dessen Kunden angewiesen sind, können Heimarbeiter i.S.v. § 12 Abs. 1, Hs. 2 SGB IV sein.

2. Aufgabe von Rechtsprechung ist es auch, die herkömmlichen Kriterien für die Statusabgrenzung entsprechend der Entwicklungen der Arbeitswelt teleologisch weiterzuentwickeln. In diesem Zusammenhang lässt sich feststellen, dass Freiheiten bei Ort und Zeit der Tätigkeit in der modernen Arbeitswelt nicht zwingend für eine selbständige Tätigkeit sprechen.

3. Fehlende feste Arbeits- oder Bürozeiten in Kombination mit einer in der eigenen Wohnung vollzogenen Aufgabenerledigung bei gleichzeitiger Einbindung in eine nicht selbstgeschaffene betriebliche Organisation stehen einer Qualifizierung als Beschäftigung nicht entgegen.

4. Im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens sind, wenn die zu prüfende Tätigkeit im Rahmen weiterer Vertragsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und Dritten erbracht wird, auch diese weiteren Vertragsbeziehungen zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R).

5. Ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten ist im Rahmen der Statusabgrenzung nicht maßgeblich (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R). Unter eine doppelte Schriftformklausel gestellte Vereinbarungen verlieren nicht deshalb an Bedeutung, weil die Beteiligten etwas anderes „gelebt“ haben. Andernfalls wäre dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht Genügt getan.

6. Zur Statusbeurteilung eines IT-Spezialisten, der ausschließlich bei einer Kundin seiner Auftraggeberin eingesetzt wurde.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. November 2016 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2013, beide in der Fassung des Bescheids vom 13. Juli 2021, werden aufgehoben, soweit darin die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1 in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung aufgrund seiner Beschäftigung bei der Klägerin im Jahr 2013 festgestellt wird.

Es wird festgestellt, dass der Beigeladene insoweit nicht der Versicherungspflicht unterlag.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu ¾ und die Beklagte zu ¼. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst; dies gilt nicht für die dem Beigeladenen zu 1 durch die Anordnung seines persönlichen Erscheinens entstandenen Kosten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beigeladene zu 1 (im Folgenden: der Beigeladene) aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin im Zeitraum 1. März 2012 bis 30. April 2014 der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung (KV, PV, RV) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

 

Der 1976 geborene Beigeladene ist von Beruf Ingenieur und lebt bereits seit 2006 in Deutschland. Er war bis zu seiner Einbürgerung vor ca. zwei Jahren indischer Staatsbürger und verfügte im streitigen Zeitraum über eine Niederlassungserlaubnis. Am 17. Februar 2012 schloss er mit der in Großbritannien ansässigen, nach dem Recht von England und Wales gegründeten Klägerin, der E Limited (im Folgenden auch: E), einen in englischer Sprache gehaltenen Vertrag mit u.a. folgendem Inhalt (hier wiedergegeben nach der von den Vertragsparteien eingereichten deutschen Fassung des Vertrags, in der der Beigeladene als Lieferant bezeichnet wird):

 

Dienstleistungsvertrag: Freiberufliche Mitarbeiter

 

(A)    E hat sich darauf spezialisiert, seinen Kunden für spezielle projektbasierte Anforderungen die Dienstleistungen freiberuflicher Mitarbeiter zu vermitteln, die gewillt sind, für Projekte von Kunden auf zeitweiliger Basis Dienstleistungen zu erbringen.

 

(B)    Die Geschäftstätigkeit des Lieferanten besteht im Angebot spezieller, von bestimmten Kunden von E benötigter Kompetenzen und Dienste.

 

(C)    Der Lieferant sagt zu, die Dienstleistung für den Kunden entsprechend den Bestimmungen dieses Vertrages zu erbringen; dieser stellt einen Dienstleistungsvertrag dar.

 

1.      Auslegung und Definitionen

1.1    In diesem Vertrag haben die folgenden Wörter und Ausdrücke nachfolgende Bedeutungen: […]

 

„Aufstellung“        die diesem Vertrag beiliegende Aufstellung in der jeweils gültigen Fassung […]

„Kunde“                der Kunde, wie er in der Aufstellung definiert ist. In Fällen, in denen der Lieferant Dienstleistungen erbringt, die den direkten Kontakt o‍‍der die Beteiligung eines Kunden des Kunden erfordern, oder in denen die Dienstleistungen Teil eines Projektes sind, das der Kunde einem seiner Kunden liefert, schließt das Wort „Kunde“ im Rahmen dieses Vertrags auch den/die Kunden des Kunden ein; […]

„Berater“               der Berater, wie er in der Aufstellung definiert ist, sowie jeglicher Ersatz gemäß Absatz 10.2; […]

„Dienstleistung“     Dienstleistung, wie in der Aufstellung festgelegt; […]

Lieferanten“           Lieferanten, wie sie in der Aufstellung festgelegt ist; […]

 

1.5    Die Überschriften in diesem Vertrag dienen ausschließlich der einfachen Bezugnahme und haben keinen Einfluss auf dessen Auslegung.

 

2.      Pflichten des Lieferanten

 

2.1    Der Lieferant […]

2.1.2      liefert [wöchentlich/monatlich] vollständige Ablaufpläne (in einer von E gebilligten Form) zur Unterzeichnung an einen bevollmächtigten Vertreter des Kunden und leitet diese an E zurück;

2.1.3      […] ist zu allen Zeiten für die Erbringung der Dienstleistung verantwortlich; […]

2.1.5      befolgt beim Zugriff auf die Systeme des Kunden oder bei der Benutzung derselben die IT-Sicherheitsrichtlinien und -Protokolle des Kunden (wobei der Kunde dem Zugriff bzw. der Verwendung der Systeme vorher zuzustimmen hat); […]

2.1.7      unternimmt keine Handlungen, die den Interessen von E oder des Kunden zuwiderlaufen; insbesondere unterlässt er Verhaltensweisen, die E oder den Kunden in Misskredit bringen können;

2.1.8      macht E und den Kunden mit angemessener Frist Mitteilung über alle Zeiträume, in denen er die Dienstleistung nicht erbringen wird;

2.1.9      hält eine seiner Dienstleistung entsprechende Berufshaftpflichtversicherung vor und weist diese gegenüber E auf Verlangen nach; […]

2.1.12   übernimmt (ohne vorherige Einwilligung durch E und/oder den Kunden) keine(e) Beratungsstelle, Beschäftigungsverhältnis, Direktorenstelle oder andere Positionen oder Verpflichtung, die/das mit seinem Pflichten im Rahmen dieses Vertrages ein Interessenkonflikt hervorrufen (oder nach begründeter Überzeugung von E dazu führen) könnte(n);

2.1.13   stellt E von allen Verlusten frei, die E aufgrund fahrlässiger, widerrechtlicher oder betrügerischer Handlungen oder Unterlassungen des Lieferanten und/oder des Beraters entstehen […].

 

3.      Zahlung der Gebühren

3.1    Nach Abschluss der einzelnen Projektphasen oder entsprechend anderer Vereinbarungen und Festlegungen in Aufstellung 1 stellt der Lieferant regelmäßig Rechnungen samt detaillierter Aufschlüsselung der in der jeweiligen Periode ausgeführten und erbrachten Dienstleistungen aus. Diese Rechnungen entsprechen den anzuwendenden Zahlungssätzen. […]

3.5    Sämtliche laut diesem Vertrag zahlbaren Beträge sind Nettobeträge; die Umsatzsteuer, falls anwendbar, ist in Höhe des jeweils geltenden Satzes von E zahlbar, sobald der Lieferant seine Steuernummer vorgelegt hat.

3.6    In einer Periode, während welcher keine Dienstleistung erbracht wurde, wird keine Vergütung an E zahlbar.

 

4.      Status des Lieferanten

 

4.1    Die Parteien bestätigen, dass weder der Lieferant noch der Berater Angestellter, Arbeiter, Vertreter, Partner oder Mitarbeiter von E (oder des Kunden) sind; entsprechend […]

4.1.2   treffen der Lieferant und der Berater ihre eigenen Krankheits-, Arbeitsunfähigkeits-, Versicherungs- und Altersruhegeldvorkehrungen;

4.1.3   sind E (oder der Kunde) keinesfalls für Versicherung des Lieferanten oder des Beraters verantwortlich;

4.1.4   erhält der Lieferant Bruttozahlungen […];

4.1.5   sind weder der Lieferant noch der Berater berechtigt, im Namen von E oder im Namen des Kunden Verträge abzuschließen […];

4.1.7   befolgt der Lieferant alle rechtlichen und steuerlichen Verpflichtungen des Landes, in dem die Dienstleistungen ausgeführt werden […], insbesondere die Pflichten in Abs. 4.1.8, die Arbeitszeitregelungen in 1998 (Working Time Regulations 1998) […];

4.1.8   rechnet der Lieferant mit den entsprechenden Behörden alle zu entrichtenden Steuern (einschließlich Umsatzsteuer), Krankenversicherungsabgaben und (etwaigen) Sozialversicherungsabgaben (oder gleichartigen ausländischen Abgaben), die in Verbindung mit Beträgen, die dem Lieferanten […] gezahlt werden […];

4.1.10 stellt der Lieferant E (oder, falls zutreffend, den Kunden) von allen Verlusten frei, die E (oder, falls zutreffend, dem Kunden)

4.1.10.1  als Folge eines Versäumnisses des Lieferanten durch die Nichteinhaltung der Bestimmungen der Abs. 4.1.6, 4.1.7, 4.1.8 oder 4.1.9 entstehen bzw.

4.1.10.2  nicht entstanden oder eingetreten wären, wenn:

4.1.10.3  der Lieferant bzw. der Berater nicht behauptet hätte, er wäre:

4.1.10.4  oder ein amtliches Gremium, eine öffentlich-rechtliche Körperschaft oder Behörde den Lieferanten oder Berater für einen beliebigen Zweck nicht so betrachtet hätte, als wäre er:

ein Angestellter oder Arbeiter von E (oder, falls zutreffend, des Kunden) oder hätte einen anderweitigen Anspruch auf die Angestellten oder Arbeitern üblicherweise zustehenden Rechte und Sozialleistungen;

4.1.11 sind weder E noch der Kunde im Rahmen dieses Vertrags verpflichtet, den Lieferanten oder den Berater mit Arbeitsaufträgen oder Schulungen zu versorgen, für ihn Patente oder anderen Schutz für Arbeitsergebnisse zu registrieren, Arbeitsergebnisse zu verwerten oder dem Lieferanten oder dem Berater für Arbeitsergebnisse Sonderzahlungen zu leisten.

 

Der Dienstleistungsvertrag (DLV) erhielt auch Regelungen

- zur Vertraulichkeit (Nr. 5),

- zur Pflicht des Beigeladenen, der Klägerin oder deren Kunden oder anderen von der Klägerin hierzu ermächtigten Personen sämtliche Arbeitsergebnisse sowie die hierauf bezogenen Informationen und Daten, Erläuterungen und Anweisungen zu überlassen (Nr. 6.1),

- zur Abtretung aller mit den Arbeitsergebnissen verbundenen geistigen Eigentumsrechten, Urheber- und Patentrechten durch den Beigeladenen an die Klägerin (Nr. 6.2 bis 6.4),

- zum Konkurrenzschutz (Nr. 8),

- zur Pflicht des Beigeladenen, bei Unzufriedenheit des Kunden einen geeigneten Ersatzberater anzubieten (Nr. 10.2),

- zur Schriftform bezüglich aller im Rahmen des Vertrags erforderlichen Mitteilungen (Nr. 13.5).

Ferner sollte der Vertrag dem englischen Recht unterliegen (Nr. 13.6).

Wegen des weiteren Inhalts des DLV wird auf Bl. 110 ff., 148 ff. und 164 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

 

Nach der gesondert von den Vertragsparteien vereinbarten Aufstellung wurde der Beigeladene in der Zeit vom 1. März bis 28. September 2012 bei einem „Gebührensatz“ von 58 € stündlich – bei der Angabe „€58 Per Week“ handelt es sich offenkundig um ein Versehen – als „Software Consultant“ für die I C GmbH (im Folgenden: IC), eine Kundin der Klägerin, tätig. Gleichlautende Aufstellungen bei einem Gebührensatz von 59 € stündlich schlossen die Vertragsparteien auch für die Zeiträume 1. Oktober 2012 bis 30. September 2013, 1. Oktober 2013 bis 31. März 2014 und 1. bis 30. April 2014. In allen Vereinbarungen wurde der Beigeladene (auch) als „Berater“ bezeichnet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Aufstellungen wird auf Bl. 50 ff., 177 ff. der Verwaltungsakte und Bl. 371 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

 

Die Klägerin verfügte im Zeitraum von Oktober 2012 bis April 2014 nicht über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG).

 

Bereits im Juni/Juli 2011 hatte die Klägerin mit der in Bayern ansässigen IM GmbH (im Folgenden: IM) einen Rahmendienstleistungsvertrag (RDV) mit u.a. folgendem Inhalt (hier wiedergegeben nach der vom Senat veranlassten Übersetzung des in englischer Sprache abgefassten Vertrages):

 

Präambel

 

IM und/oder ihre verbundenen Unternehmen sind daran interessiert, den Auftragnehmer von Fall zu Fall mit der Entwicklung bestimmter Softwarelösungen, einschließlich Komplettlösungen, Beratungsleistungen oder Design-Aktivitäten, zu beauftragen, die von IM zur eigenen Nutzung oder zur Integration in die an Dritte zu verkaufenden Produkte angefordert werden. Der Auftragnehmer ist bereit, diese Tätigkeiten auszuführen. Die Parteien möchten die grundlegenden Bestimmungen für diese Dienstleistungen festlegen, um die Durchführung einzelner Projekte für solche zukünftigen Dienstleistungen zu vereinfachen und zu beschleunigen. Daher vereinbaren die Parteien, den folgenden Rahmenvertrag abzuschließen:

 

1.         Definitionen

 

    1. „Verbundene Unternehmen“ bezeichnet sämtliche rechtlich selbständigen Unternehmen, die im Verhältnis zueinander im Mehrheitsbesitz stehende oder über Mehrheitsbesitz verfügende Unternehmen, abhängige oder beherrschende Unternehmen, Mitglieder einer Unternehmensgruppe, Unternehmen mit Überkreuzbeteiligungen oder Parteien eines Unternehmensvertrages sind. […]

 

2.         Gegenstand des Rahmenvertrages; Allgemeine Grundsätze

 

2.1       Der vorliegende Rahmenvertrag beinhaltet die allgemeinen Bestimmungen, die für alle zwischen den Parteien vereinbarten Leistungsbeschreibungen gelten. Leistungsbeschreibungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform und müssen Bestimmungen über Lastenhefte bzw. Aufgabenstellungen, Implementierung, Einweisungen und ggf. Schulungen, Anlagen, Geräte, Datenverarbeitung, Ort und Zeit der Leistungserbringung sowie Zeitpläne, Meilensteine, Lieferort und Teillieferungen enthalten. Vorlagen für Leistungsbeschreibungen sind diesem Rahmenvertrag in Anhang 1 beigefügt. Je nach Art der zu erbringenden Dienstleistungen:

 

            Anhang 1 a für Outsourcing-Dienstleistungen

            Anhang 1 b für Dienstleistungen mit zugesicherten Leistungen

            (nachstehend jeweils als Anhang 1 bezeichnet)

 

            Alle Bestimmungen dieses Rahmenvertrages zwischen dem Auftragnehmer und IM gelten auch für Dienstleistungen, die für verbundene Unternehmen von IM erbracht werden.

            Die mit IM verbundenen Unternehmen können jeweils Dienstleistungen zu den Bedingungen dieses Rahmenvertrages in Auftrag geben. Ein mit IM verbundenes Unternehmen, das Dienstleistungen gemäß diesem Rahmenvertrag in Auftrag gibt, ist für die Erfüllung seiner eigenen Verpflichtungen verantwortlich, insbesondere für alle in Verbindung mit diesen Dienstleistung anfallenden Kosten. […]

 

2.2       […]
[…]

            Es wird vereinbart, dass weder IM noch der Auftragnehmer verpflichtet sind, ein bestimmtes Einzelprojekt mit einer daraus resultierenden Leistungsbeschreibung abzuschließen.

 

2.6       Die Dienstleistungen werden von den Mitarbeitern oder Unterauftragnehmern erbracht, die im Auftrag oder in der Leistungsbeschreibung zu diesem Rahmenvertrag aufgeführt sind und unter der uneingeschränkten Kontrolle des Auftragnehmers stehen. Die Zusammensetzung des Mitarbeiterteams darf ohne die vorherige schriftliche Zustimmung von I, die nicht ohne triftigen Grund verweigert werden darf, nicht geändert werden. Der Auftragnehmer wird sich darüber hinaus jederzeit bemühen, ein Teammitglied auf schriftliches Ersuchen von IM zu ersetzen. […]

 

2.7       Es ist die alleinige Aufgabe des Auftragnehmers, die Leistung seiner Mitarbeiter oder seines Unterauftragnehmers zu überwachen und hierüber gegenüber IM Bericht zu erstatten. Der Auftragnehmer gewährleistet, dass alle seine Mitarbeiter und Unterauftragnehmer ihm bis zum Ende eines jeden Monats oder nach Maßgabe der Bestimmungen einer gesonderten Leistungsbeschreibung korrekte Zeiterfassungsnachweise vorlegen. Der Auftragnehmer wird alle Aufzeichnungen monatlich einreichen. Müssen Mitarbeiter des Auftragnehmers oder sein Unterauftragnehmer nachbesetzt bzw. ersetzt werden, wird der Auftragnehmer alle Anstrengungen unternehmen, ein gleichbleibendes Serviceniveau zu gewährleisten und für diese Maßnahmen alle Kosten tragen.

 

2.8       Der Auftragnehmer trägt die volle Verantwortung für die Erfüllung der Leistungsbeschreibung. IM ist bei der täglichen Erbringung der Dienstleistung nur geringfügig involviert.

 

2.9       Der Auftragnehmer benennt schriftlich einen vor Ort beauftragten Vorgesetzten/Leiter, der über die nötige Erfahrung verfügt, bei der Erbringung der Dienstleistungen Informationen bereitzustellen und Unterstützung zu leisten, und der das Projekt leitet und den Mitarbeitern des Auftragnehmers und dem Unterauftragnehmer Anweisungen und Auskünfte erteilt. Der Leiter vor Ort ist für IM der alleinige Ansprechpartner, und alle Interaktionen mit Mitarbeitern von IM erfolgen ausschließlich über den vom Auftragnehmer benannten Leiter. […] Die Mitarbeiter des Auftragnehmers und der Unterauftragnehmer unterstehen dem in den Geschäftsräumen von IM vor Ort befindlichen Vorgesetzten/Leiter des Auftragnehmers. Der Auftragnehmer erteilt alle täglich anfallenden Arbeitsanweisungen, ohne dass IM bzw. ein mit IM verbundenen Unternehmen darin eingebunden ist. Durch regelmäßige persönliche Gespräche und effektive Kommunikation mit den einzelnen Mitarbeitern und Unterauftragnehmern arbeitet der Auftragnehmer eng mit seinen bei IM im Einsatz befindlichen Mitarbeitern und Unterauftragnehmern zusammen. Ein Kontakt und eine Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern von IM bzw. der mit IM verbundenen Unternehmen und den Mitarbeitern oder Unterauftragnehmern des Auftragnehmers ist darüber hinaus unzulässig und für den Arbeitseinsatz der Mitarbeiter nicht erforderlich. […]

 

2.11    Für jede zwischen den Parteien abgeschlossene Leistungsbeschreibung wird der Auftragnehmer die Dienstleistung mit voller Funktionalität entwickeln und bereitstellen, die sämtliche in der jeweiligen Leistungsbeschreibung festgelegten Leistungsmerkmale erfüllt. In jedem Fall wird er die Dienstleistung in der Form oder in dem Format erbringen, wie es von IM im vertretbaren Rahmen verlangt wird, und die entsprechende Dokumentation bereitstellen. […]

 

3.         Unterauftragnehmer

 

            Der Auftragnehmer darf ohne die vorherige schriftliche Zustimmung von IM keine Unterauftragnehmer mit der Erfüllung seiner Vertragspflichten aus den Leistungsbeschreibungen und dem Rahmenvertrag beauftragen. IM ist berechtigt, vom Auftragnehmer jederzeit und ohne Angabe von Gründen die Beendigung solcher Unteraufträge zu verlangen, insbesondere jedoch, wenn Tatsachen und Umstände vorliegen, die dem Unterauftragnehmer zuzuschreiben sind, und diese Umstände IM berechtigen würden, die entsprechende Leistungsbeschreibung aus wichtigem Grund zu kündigen, wenn sie im Vertragsverhältnis zwischen IM und dem Auftragnehmer eingetreten wären. […]

 

5.         Erbringung der Dienstleistungen […]

 

5.2       Auf Verlangen von IM hat der Auftragnehmer unverzüglich:

  1. IM die für die Erbringung der Dienstleistungen eingesetzten Ressourcen mitzuteilen (Fremdpersonal und Material);
  2. […]
  3. IM in angemessenem Umfang über den aktuellen Stand der Dienstleistungen, Ergebnisse und Liefergegenstände schriftlich zu informieren; […]

 

5.6       Der Auftragnehmer wird sich fortlaufend für die Weiterbildung der entsandten Mitarbeiter oder Unterauftragnehmer einsetzen, indem er entsprechende Schulungen anbietet (und ggf. finanziert). […]

 

5.9       IM stellt dem Auftragnehmer ggf. Ausrüstungsgegenstände und Geräte (die I-Vermögensgegenstände“), wie Laptops oder andere Geräte zur Verfügung, um dem Auftragnehmer zu ermöglichen, die Outsourcing-Dienstleistungen zu erbringen oder seinen Arbeitsumfang zu erfüllen. […]

 

5.10    Der Auftragnehmer ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass alle seine bei IM eingesetzten Mitarbeiter oder Unterauftragnehmer mit den Richtlinien und Anforderungen im Hinblick auf Gesundheit, Sicherheit und Verhalten am Arbeitsplatz vertraut gemacht werden. Die Mitarbeiter des Auftragnehmers oder sein Unterauftragnehmer dürfen zu einem Arbeitseinsatz in den Geschäftsräumen von IM erst dann antreten, wenn sie einen Orientierungskurs vor Ort absolviert haben. Die private Nutzung von I-Eigentum (Telefone, Computer, Kopierer usw.) ist Mitarbeitern des Auftragnehmers oder seinem Unterauftragnehmer untersagt. […]

 

5.12    IM leistet keine Zahlungen für den Fall, dass ein Mitarbeiter des Auftragnehmers oder seines Unterauftragnehmers krank wird oder anderweitig nicht in der Lage ist, seiner Arbeit nachzukommen. Es liegt in der alleinigen Verantwortung des Auftragnehmers, sich im Krankheitsfall, im Urlaub oder bei sonstiger Nichtverfügbarkeit seiner Mitarbeiter oder Unterauftragnehmer um einen angemessenen Ersatz zu bemühen und eine ordnungsgemäße Übergabe durchzuführen. […]

 

7.         IMs Pflichten

 

7.1       IM wird dem Auftragnehmer nach Aufforderung die zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen. IM wird die zur Erbringung der Dienstleistung erforderlichen Informationen und Anweisungen nur dem benannten Vertreter des Auftragnehmers zur Verfügung stellen und anderen Mitarbeitern des Auftragnehmers keine Anweisungen erteilen. […]

 

10.       Vergütung, Rechnungstellung und Zahlungsbedingungen […]

 

10.2    Für Dienstleistungen, die nach Zeit und Aufwand vergütet werden, werden nur die Arbeitsstunden vergütet, die in den Tätigkeitsnachweisen des Auftragnehmers oder in anderen im jeweiligen Auftrag festgelegten Unterlagen dokumentiert sind und von Is Projektleiter oder seinem Vertreter gegengezeichnet wurden. Überstunden (definiert als Arbeitsstunden, die über acht (8) Stunden pro Wochentag hinausgehen) bedürfen der vorherigen schriftlichen Genehmigung von I. Spezielle in Rechnung gestellte Beträge, z. B. für Sonntags- oder Feiertagsarbeit, werden nicht vergütet. Fahrtzeiten eines Mitarbeiters des Auftragnehmers von seinem Arbeitsplatz/Wohnsitz zum Arbeitsort gelten nicht als Arbeitszeit.

 

13.       Streitbeilegung und geltendes Recht […]

 

13.2    Dieser Rahmenvertrag und jede Leistungsbeschreibung unterliegen dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden materiellen Recht ohne Bezugnahme auf ihre kollisionsrechtlichen Bestimmungen. […]

 

14.       Sonstiges

 

14.1    Änderungen und Ergänzungen dieses Rahmenvertrages und der Leistungsbeschreibung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Mündlich getroffene Nebenabreden sind unwirksam. Dies gilt auch für die Aufhebung der vorliegenden Bestimmung.

 

Wegen des weiteren Inhalts des RDV wird auf Bl. 490 ff und die Beiakte der Gerichtsakte verwiesen.

 

IC, ein mit IM verbundenes Unternehmen und wie dieses Teil des I-Konzerns, vereinbarte mit der Klägerin auf der Grundlage des RDV unter dem 24. August 2012 / 6. Februar 2013 folgende – auch als „Statement of Work for Outsourcing Services“ bezeichnete – Leistungsbeschreibung (hier wiedergegeben nach der vom Senat veranlassten Übersetzung der in englischer Sprache abgefassten Vereinbarung):

 

1.      Art der Leistungsbeschreibung, Umfang der Beratungsleistungen

 

1.1    Beschreibung der Dienstleistungen (Umfang, Projekt, Ziel usw.)

 

          Der Leistungsumfang umfasst die Plattform- und Kundenprojektpflege des von IC entwickelten 3GPP-konformen Protokollstapels. Die Instandhaltungsleistungen gelten für:

 

                     UMTS Radio-Ressource-Control-Teilschicht

 

          IC-Projekte im Rahmen dieses Arbeitspakets:

 

-a-   XMM6260 (3GPP Rel-7)-Plattform und abgeleitete Kundenprojekte.

 

-b-   XMM6360 und XMM7160 (3GPP Rel-8/9)-Plattform und abgeleitete Kundenprojekte.

 

-c-   XMM7260 (3GPP Rel-10)-Plattform und abgeleitete Kundenprojekte.

 

Die wichtigsten Instandhaltungsleistungen betreffen die Projektkategorien a und b.

 

In der Instandhaltungsphase umfassen die Dienstleistungen hauptsächlich Fehlermeldungen oder Weiterentwicklungsanfragen von IC selbst oder von IC-Kunden im IC-Issue-Tracking-System (Problem- und Aufgabenverfolgung) (UTP).

 

Fehler sind definiert als Nichteinhaltung der 3GPP-Spezifikationen, der Kundendokumentation oder der IC-Designdokumentation.

 

Weiterentwicklungen sind definiert als spezielle Software, die nicht unbedingt als Bestandteil der 3GPP-Stack-Dokumente spezifiziert ist.

 

Der Auftragnehmer wird alle eingehenden offenen Punkte (issues) unverzüglich analysieren, die dem Support-Team des Auftragnehmers von IC zugewiesen werden, gleich, ob es sich um Fehler oder Weiterentwicklungen handelt („Arbeitspaket“).

 

          Der Auftragnehmer darf ein Arbeitspaket nur dann ablehnen, wenn es aufgrund von Personalmangel oder aus technischen Gründen nicht realisiert werden kann. Im Falle einer Ablehnung hat der Auftragnehmer IC eine ausführliche Erklärung unter Angabe der Gründe für die Ablehnung vorzulegen. […]

 

Verfahren

 

Der Auftragnehmer prüft alle gemeldeten und zugewiesenen offenen Punkte unter Einhaltung der festgelegten Reaktionszeiten.

 

Der Auftragnehmer übermittelt je nach Priorität ein Status-Update zur Problemlösung, und zwar wie folgt:

 

  1. Tägliche Updates aller „Showstopper“ (kritischer Fehler, der die Weiterentwicklung verhindert) und ausgewählter „hochrangiger“ Fehler.

 

  1. Wöchentliche Updates aller übrigen offenen Punkte.

 

Der Auftragnehmer übernimmt die Pflege der Status- und obligatorischen Informationsfelder in ICs Issue-Tracking-System.

 

Bei Fehlern hat der Auftragnehmer jede Änderung wie folgt in ICs Issue-Tracking-System zu dokumentieren (für Weiterentwicklungen sind nur die jeweiligen Aufgabenstellungen relevant):

 

  • Ursachenbeschreibung
  • Welche Auswirkung hat es auf den Benutzer, wenn die Fehlerkorrektur nicht eingeführt wird?
  • Kann das Problem behoben werden oder ist ein Reset erforderlich?
  • Wie häufig tritt das Problem auf?
  • Lösungsbeschreibung
  • Mit der Änderung verbundenes Risiko
  • Zugehörige GCF/PTCRB-Tests
  • Wie kann das Problem reproduziert werden (Feld-/Systemtest…)
  • Erforderliche Änderungen am entsprechenden Hilfsprogramm
  • Von der jeweiligen Änderung betroffene Dateien
  • Dokumentation der Codeüberprüfung nach vorgenommener Änderung sowie der dabei festgestellten Fehler
  • Entsprechende Host-Tests, die im Zusammenhang mit dieser Änderung entwickelt wurden.

Servicezeiten

 

Die Servicezeiten erstrecken sich auf die Geschäftszeiten von 8:00 Uhr bis 20:00 Uhr MEZ.

 

Um kurze Reaktionszeiten bei Tests in Anbieterlaboren, bei Testsessions im Ausland, Endkundentests oder Produktanläufen bei Endkunden zu gewährleisten, können diese Servicezeiten auf die Zeit außerhalb der Geschäftszeiten ausgedehnt werden. Der tatsächliche Einsatz wird bei Bedarf telefonisch oder per E-Mail (Bereitschaftsdienst) beim zuständigen Projektmanager von IC erfragt.

 

Projektabstimmung

 

Der Auftragnehmer überwacht die Arbeitsbelastung des Support-Teams und stimmt sich hinsichtlich der zu bearbeitenden offenen Punkte mit dem Projektmanager von IC ab.

 

Anforderungen für längere Servicezeiten (z. B. Bereitschaftsdienst) werden mit dem Auftragnehmer abgestimmt und vereinbart.

 

Projektstatusmeetings

 

Im Rahmen der Projekte treffen sich die angegebenen oder im Laufe des Projekts zusätzlich benannten Ansprechpartner mindestens wöchentlich zu einem vereinbarten Termin.

 

1.4    Von IC bereitgestellte Gegenstände (gemäß Absatz 7.4 des Rahmenvertrages)

 

          Die IC wird die erforderlichen Gegenstände und Rechte auf Zugang zu ihrer Infrastruktur zur Verfügung stellen, damit die Arbeiten im erforderlichen Umfang durchgeführt werden können.

 

3.      Team des Auftragnehmers […]

 

3.2    Struktur und Zuständigkeiten (Auftragnehmer)

 

          Der Leiter / der Kundenbetreuer aufseiten des Auftragnehmers ist für die Parteien in allen die Dienstleistungen betreffenden Angelegenheiten der primäre und zuständige Ansprechpartner (sowohl für IC als auch für das Techniker-Team des Auftragnehmers) und ist unter anderem dafür zuständig, die Erbringung der Dienstleistungen und die Arbeitsleistungen anhand der Service-Levels und die von den Parteien jeweils identifizierten gravierenden Probleme zu überprüfen.

 

          Das Techniker-Team des Auftragnehmers wird die technischen Aufgaben unter Aufsicht des Leiters vor Ort und in Absprache mit dem IC-Projektverantwortlichen (Sponsor) bei IC vor Ort ausführen.

 

5.      Preisgestaltung und Zahlungsplan

 

5.1    Preisgestaltung

 

          Auf der Grundlage der […] beschriebenen Dienstleistungen und des […] angegebenen Zeitplans errechnet sich der Preis für die Dienstleistungen wie folgt:

 

          Voraussichtlicher Personalbedarf:                              ein technischer Mitarbeiter

          Laufzeit von 12 Monaten mit durchschnittlich 168 Std./Monat:           2016 Std.

          Stundensatz:                                                                             69,00 EUR/Std.

          Summe:                                                                                  139.104,00 EUR

 

          [Anzahl der Techniker * Laufzeit in Stunden * Stundensatz in Euro/Std.]

 

 

Wegen des weiteren Inhalts der Leistungsbeschreibung (LB) wird auf Bl. 584 ff und die Beiakte der Gerichtsakte verwiesen.

 

Weitgehende gleichlautende LB existieren für andere Zeiträume.

 

Der Beigeladene rechnete gegenüber der Klägerin monatlich ab und legte hierbei zwischen 109 (Oktober 2012) und 173 (August 2012, Januar 2013), für April 2014 nur 66 Arbeitsstunden zugrunde; er machte für das Jahr 2012 monatliche Vergütungen zwischen 6.431.- € (Oktober) und 10.034.- € (August) und in der Folgezeit zwischen 7.083.- € (Dezember 2013) und 10.207.- € (Januar 2013), im April 2014 nur noch 3.894.- € geltend. Im Juli 2013 war der Beigeladene wegen Urlaubs nicht für die Klägerin tätig.

Für den gesamten streitigen Zeitraum entrichtete der Beigeladene im Rahmen einer Antragspflichtversicherung nach § 28a Drittes Buch Sozialgesetzbuch Beiträge an die Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 4); zugrunde lag deren Annahme, er sei im gesamten Zeitraum einer selbständigen Tätigkeit nachgegangen.

 

Im Zusammenhang mit einem Anfang März 2012 eingeleiteten Kontenklärungsverfahrens bei der Beklagten füllte der Beigeladene u.a. einen „Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige“ aus. Hierbei gab er an, derzeit existiere „nur 1 Auftraggeber (In, T)“. Er arbeite an dessen Betriebssitz und habe vertraglich geregelte regelmäßige Arbeit- und Anwesenheitszeiten von acht Stunden täglich einzuhalten. Weisungen zu Art und Weise seiner Tätigkeit würden ihm nicht erteilt, die Arbeitsausstattung werde vom Auftraggeber gestellt, die Einstellung von Vertretern bzw. Hilfskräften sei nicht von der Zustimmung des Auftraggebers abhängig.

Am 18. Mai 2012 stellte der Beigeladene einen auf seine Tätigkeit für die Klägerin bezogenen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Am 20. Juli 2012 wurde er bei einer Dienststelle der Beklagten in München vorstellig, um deren schriftlich an ihn gerichteten Fragen zu beantworten. Wegen seiner unzureichenden Deutsch-Kenntnisse – so sein späteres Vorbringen – übersetzte ihm eine Mitarbeiterin der Beklagten (Frau R) diese Fragen ins Englische und hielt folgende auf Englisch gegebene Angaben des Beigeladenen schriftlich auf Deutsch fest:

– Hilfskräfte seien nicht vorhanden,

– vor dieser Tätigkeit habe er als Angestellter in einer ähnlichen Firma gearbeitet,

– er arbeite an fünf Tagen pro Woche, jeweils bis zu acht Stunden,

– wenn er wegen Krankheit ausfalle, erhalte er keine Vergütung,

– die Klägerin teile ihm den Kunden mit und dieser ihm dann seine Wünsche und Vorstellungen,

– in der Regel arbeite er allein; wenn es sich um Großprojekte handele, ziehe er eventuell einen anderen Kollegen, der auch als Selbständiger für die Klägerin arbeite, hinzu,

– er benutze immer nur das Computersystem des Kunden,

– wenn der Auftrag erledigt sei, werde das mit dem Kunden besprochen, ohne dass die Klägerin involviert sei,

– Werbung sei nicht erforderlich, weil er alle Kunden (immer einen zur gleichen Zeit) von der Klägerin beziehe.

 

Im anschließenden Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren gab der Beigeladene des Weiteren an:

– seine Tätigkeit bestehe darin, die Kunden der Klägerin bei der Software von Mobiltelefonen zu betreuen,

– Vorgaben und Kontrollen der Klägerin gebe es nicht, der Kunde selbst mache Vorgaben, welche Leistungen er haben wolle,

– wann er die von der Klägerin vorgegebenen 40 Stunden pro Woche ableiste, kläre er direkt mit dem Kunden,

– Dienstbesprechungen fänden nur bei besonderen Belangen (Problemen) statt,

– ein Unternehmerrisiko bestehe insofern, als er auf die Kundenvermittlung durch die Klägerin angewiesen sei.

 

Die Klägerin selbst beantwortete einen Fragenkatalog der Beklagten und teilte in diesem Zusammenhang (Schreiben an die Beklagte vom 5. November 2012) mit,

– im Falle einer Erkrankung des Beigeladenen bestehe IC darauf, dass er sich bei ihr (der Klägerin) melde und IC von seiner Abwesenheit unterrichtet werde,

– der Großteil der vom Beigeladenen ausgeübten Tätigkeit bestehe aus Computerprogrammierung,

– nachdem der Kunde den Umfang des Projekts festgelegt habe, schaffe sie Projektlieferziele und leite diese an den Beigeladenen weiter,

– der Beigeladene könne Kontakt mit anderen Vertragsnehmern haben, arbeite jedoch im Wesentlichen selbständig, auch wenn er sich mit Personal von IC hinsichtlich technischer Fragen von Zeit zu Zeit austauschen könne,

– der korrekte Abschluss des Projekts werde durch den die Dienstleistungen erhaltenden Kunden überprüft, dieser leite an sie (die Klägerin) ein Feedback, ob das Projekt den notwendigen Standard erreicht habe, weiter,

– der Beigeladene könne selbst keinen Ersatz für sich bestimmen.

 

In der Folgezeit (bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens) gaben die Bevollmächtigten der Klägerin darüber hinaus an,

– da der DLV mit dem Beigeladenen auf den Zeitraum vom 1. März 2012 bis 30. September 2013 begrenzt sei, lägen die Voraussetzungen einer Einstrahlung gemäß § 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) vor, sodass keine Sozialversicherungspflicht nach deutschem Recht gegeben sei,

– ein Schwerpunkt der Dienstleistung liege auf der Überprüfung und Entwicklung von Software; insoweit analysiere der Beigeladene die bestehenden Software-Bestände, erstelle auf der Grundlage der von ihm erzielten Analyseergebnisse neue Software-Lösungen bzw. -verbesserungsvorschläge in Bezug auf Plattform- und Kunden-Wartungsprojekte im Bereich des von der IM entwickelten 3GPP-kompatiblen Protokoll-Stack,

– der Beigeladene sei als freier Mitarbeiter beschäftigt,

– eine Eingliederung oder Weisungsgebundenheit im Hinblick auf das Einsatzunternehmen ergebe sich weder aus dem DLV vom 17. Februar 2012 noch aus dem mit der „I GmbH“ vereinbarten Frame Service Agreement vom 5. Juli 2011 sowie der zugehörigen Statements of Work for Outsourcing Services vom 9. Dezember 2011 und 24. August 2012,

– weil der DLV keinerlei Vereinbarungen über den Umfang der zu leistenden Stunden und deren zeitliche Verteilung enthalte, sei der Beigeladene hinsichtlich der Gestaltung seiner Tätigkeit gerade nicht bestimmten Vorgaben des Auftraggebers unterworfen,

– gemäß Ziffer 1.4 bearbeite der freie Mitarbeiter – nach einer entsprechenden Einführung durch das Einsatzunternehmen – die übertragenen Projekte unabhängig,

– die Eigenart der Tätigkeit („Software Consultant“, d.h. Berater) spreche für eine Selbständigkeit, weil eine Beraterstellung gerade eine Position außerhalb der betrieblichen Abläufe erfordere, um einen objektiven Rat sowie eine unabhängige Bewertung und Verbesserung der betrieblichen Gegebenheiten zu garantieren,

– dass nach Ziffer 1.1 RDV die Leistungen innerhalb der Geschäftszeiten von 8:00 bis 20:00 Uhr erbracht werden sollen, stehe der Annahme einer frei gestalteten Arbeitszeit nicht entgegen, weil der Beigeladene insoweit nur zur Beachtung der allgemeinen Öffnungszeiten der Gebäude verpflichtet werde,

– die befristete Dauer des DLV spreche zusätzlich für eine projektbezogene selbständige Auftragsleistung,

– weder aus der RDV noch den einzelnen Leistungsvereinbarungen ergebe sich eine fachliche Weisungsgebundenheit des freien Mitarbeiters,

– hinsichtlich des Ortes der Dienstleistung sei der Beigeladene frei, weil ihm – unabhängig von der vertraglichen Vereinbarung im RDV – seitens „der I GmbH“ die Möglichkeit einer Dienstleistungserbringung auch außerhalb ihrer Geschäftsräume gewährt werde,

– Ziffer 2.1.8 des DLV stehe der Annahme einer frei gestaltbaren Arbeitszeit nicht entgegen, sondern habe nur organisatorischen Wert und sei Ausdruck vertraglicher Nebenpflichten gemäß § 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als Bestandteil jeder vertraglichen Vereinbarung,

– dass der Beigeladene alle beim Kunden geltenden einschlägigen Gesundheits-, Unfall-, Standort- und Sicherheitsbestimmungen befolgen müsse, könne nicht mit einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Kunden gleichgesetzt werden,

– schlichte sach- und ergebnisbezogene Kontrollen der vertragsgemäßen Leistungen, die jeder Auftraggeber eines Dienst- oder Werkvertrags im Sinne eines Qualitätsmanagements ausübe, seien per se kein Indiz für ein Weisungsrecht,

– der Beigeladene verfüge bei der IM weder über ein eigenes Büro noch über einen entsprechenden Arbeitsplatz, sondern arbeite in Räumlichkeiten, die von den Büros der Arbeitnehmer der IM abgetrennt seien,

– der Beigeladene sei nicht „in einem Team der I GmbH“ integriert und nicht in den fachlichen Austausch der bei ihr angestellten Arbeitnehmer einbezogen, nehme weder an den projektbezogenen Diskussionen ihrer Arbeitnehmer noch an betrieblichen Veranstaltungen teil, sei nicht in ihr Organigramm aufgenommen worden und verfüge weder über eine Visitenkarte noch eine E-Mail-Signatur „der I GmbH“,

– der Beigeladene verwende entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen überwiegend seine eigene Ausrüstung; dem seitens „der I GmbH“ zur Verfügung gestellten Laptop bzw. entsprechender Software komme somit nicht Bedeutung von Arbeitsmaterial zu, sondern diene vielmehr als Zugangsmittel zu den dort bestehenden Systemen,

– der Beigeladene präsentiere die Fortschritte der von ihm betreuten Projekte nur dann, wenn hierfür ein besonderes Bedürfnis bestehe oder er dazu aufgefordert werde; regelmäßige follow-up Meetings fänden nicht statt,

– monatliche Treffen, in deren Rahmen technische Veränderungen an der Software weitergegeben wurden, bestünden nicht als feste Institution, sondern würden lediglich entsprechend dem Projektfortschritt angesetzt,

– dass der Beigeladene auch unternehmerische Risiken zu tragen habe, ergebe sich aus der fehlenden Vereinbarung einer festen Stundenzahl und somit eines Mindesteinkommens, aus den vertraglichen Regelungen zur Gewährleistung, zur Vorhaltung einer Berufshaftpflichtversicherung sowie zu seiner Pflicht, die Klägerin von allen Verlusten freizustellen, die ihr aufgrund fahrlässiger, widerrechtlicher oder betrügerischer Handlungen oder Unterlassungen des Lieferanten und/oder des Beraters, auch im Zusammenhang mit steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Anforderungen, entstünden,

– weil der DLV konsequent zwischen Lieferant und Berater unterscheide, sei dem Beigeladenen explizit die Möglichkeit eingeräumt, die Leistung gerade nicht höchstpersönlich zu erbringen,

– einer selbständigen Tätigkeit stehe nicht entgegen, dass IM den Vertragsgegenstand bestimme bzw. seine diesbezüglichen Wünsche und Vorstellungen mitteile,

– das Vertragsverhältnis zwischen „der I GmbH“ und der Klägerin habe keinen unmittelbaren Einfluss auf die Tätigkeit des Beigeladenen; soweit die Regelungen des RDV nicht im Rahmen des DLV gespiegelt würden, hätten sie keine Auswirkung auf die Stellung des freien Mitarbeiters im Einsatzunternehmen,

– die in der LB beschriebene Veranschlagung von Zeiträumen für die Erbringung von Dienstleistungen diene insbesondere der Strukturierung der Beratungsleistungen und der Sicherstellung einer entsprechenden Service-Leistung gegenüber dem Kunden, belasse dem freien Mitarbeiter jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) die freie Einteilung seiner Arbeitszeit,

– die Abrechnung eines monatlichen Stundenvolumens von 168 schließe Abweichungen nicht von vornherein aus,

– die Stundenaufzeichnungen bzw. Ablaufpläne gemäß Ziffer 2.1.2 DLV dienten als Grundlage für die Abrechnung der erbrachten Stunden und könnten nicht als Verpflichtung zur Berichterstattung gewertet werden,

– der Beigeladene sei der deutschen Sprache nicht mächtig, sodass bei seiner Vorsprache am 20. Juli 2012 bei der Beklagten eine doppelte Unschärfe eingetreten und infolgedessen nicht mehr nachvollziehbar sei, welche Fragen an den Beigeladenen gerichtet worden seien und welche Angaben er hierzu tatsächlich gemacht habe.

 

Mit Bescheid vom 27. Februar 2013, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2013, stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen bei der Klägerin seit dem 1. März 2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.

 

Im Klageverfahren hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und zusätzlich vorgetragen:

Der Beigeladene habe den ihm hinsichtlich des Arbeitsortes eingeräumten Freiraum genutzt und einen Teil der von ihm geschuldeten Leistungen von zu Hause aus erbracht. Soweit er im Rahmen der Gesprächsnotiz vom 20. Juli 2012 angegeben habe, er bekomme von ihr – der Klägerin – den Kunden genannt, bei dem er dann arbeiten solle, liege hier ein Missverständnis des Beigeladenen oder ein Übersetzungsfehler vor. Seine Angaben bezögen sich offensichtlich auf die Auftragsvergabe durch sie – die Klägerin –, die den Kunden benenne, für den er künftig werden solle. Ihre Betriebsstruktur schließe die Eingliederung eines IT-Dienstleisters von Software-Programmen aus, weil sich ihr Geschäft auf die Vermittlung von Subunternehmen beschränke. Es sei nicht ersichtlich, in welche Arbeitsorganisation der Beigeladene eingegliedert worden sein solle. Er unterliege auch keinen Weisungen im Hinblick auf die Auswahl der Einsatzunternehmen. Er stehe in keinerlei Kontakt mit den Kunden „der I GmbH“. Diese gewähre ihm auch keinerlei Sozialleistungen.

 

Der Beigeladene hat (in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht) angegeben:

Er habe in den zwei Jahren, um die es in diesem Verfahren gehe, als Freiberufler arbeiten wollen. Seine bis April 2014 für die Klägerin ausgeübte Tätigkeit habe – auch hinsichtlich der Vertragslage – den früheren Zeiträumen entsprochen. Es habe keine zeitliche Festlegung gegeben, wieviel er arbeite. Er habe ca. zwei bis drei Stunden täglich, manchmal auch drei oder vier Tage nur von zu Hause aus gearbeitet. Ihm sei eine Aufgabe gegeben worden, an der er allein habe arbeiten müssen. Im Gegensatz zur festangestellten Mitarbeitern habe er Fachwissen über Mobiltelefone und Netzwerke und verstehe deren Interaktion besser. Er habe nicht zu den anderen Mitarbeitern gehen, in der Küche des Unternehmens keinen Kaffee trinken und kein dort zur Verfügung gestelltes Obst essen dürfen. Seinen Arbeitsplatz an einem abgegrenzten Bereich des Gebäudes habe er nur für die Toilette verlassen dürfen. Von den insgesamt ca. 30 Arbeitsplätzen solcher Art im Gebäude habe er sich einen aussuchen dürfen. Wenn er krank gewesen sei, habe er niemanden informieren müssen. Manchmal habe er die Kundin über seine Krankheit informiert, aber nicht, wenn er nur einen Tag krank gewesen sei. Er habe den Kunden über seine Abwesenheit informiert, wenn er an einem Modul gearbeitet und der Kunde dies oder Antworten auf Fragen gebraucht habe. Wenn „sein I-Manager“ einem Kunden habe Bericht erstatten müssen, habe er ihn informiert gehalten. Hierum gebeten habe ihn niemand. Wenn er einen Auftrag für ein Modul erhalten habe, habe er eine Schätzung abgeben müssen, wann er den Auftrag fertigstellen könne. Zum Intranet der Kundin habe er keinen Zugang gehabt. Die zum Programmieren genutzten Programme seien auf dem Laptop installiert gewesen. Der „I-Manager“ sei seine „Kontaktperson der Kundin“ gewesen. Überwiegend er – in seinem Urlaub auch eine andere Person – habe ihm die Arbeit gegeben. Die Arbeit habe er nicht weitergegeben, da man sie nur im Netzwerk von IC und nur mit dem zur Verfügung gestellten Laptop habe erledigen können.

 

Mit Urteil vom 2. November 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Für eine selbständige Beschäftigung spreche die fehlende Vereinbarung einer festen Stundenzahl, die Freiheit des Beigeladenen hinsichtlich der Einteilung der Arbeitszeit und der Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Für eine abhängige Beschäftigung spreche dagegen die Einbindung des Beigeladenen in die betriebliche Organisation der Klägerin. Unternehmerische Freiheiten des Beigeladenen sei nicht ersichtlich. Er sei auch zur höchstpersönlichen Leistungserbringung verpflichtet gewesen.

 

Gegen dieses ihr am 11. November 2016 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 12. Dezember 2016 (Montag), zu deren Begründung ihre Bevollmächtigten den früheren Vortrag wiederholen und ergänzend vorbringen:

Der Beigeladene habe der Klägerin nicht mitgeteilt, wann er nicht arbeite. Das Sozialgericht habe verkannt, dass Beschäftigte, denen ermöglicht werde, die Arbeitsleistung zu einem Teil von zu Hause aus zu erbringen, dies in der Praxis stets mit dem jeweiligen Vorgesetzten abstimmten oder entsprechende Vereinbarungen abschlössen. Die Klägerin habe dem Beigeladenen keine Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt und ihm keine Weisungen erteilt. Die ihm als Arbeitsmittel zur Verfügung gestellte Software sei auf dem freien Markt nicht erhältlich. Der Beigeladene habe mit seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht bestätigt, dass die Regelungen des DLV auch tatsächlich umgesetzt worden seien. Das Sozialgericht habe der Tatsache, dass der Beigeladene kein eigenes Personal beschäftige, ein zu hohes Gewicht beigemessen und nicht berücksichtigt, dass die Auftragslage des Beigeladenen eine derartige Investition wirtschaftlich nicht erlaubt habe. Er habe als Betriebsausgaben seine Kosten für die Fahrten zum Kunden sowie – vom o.g. Laptop abgesehen – für sämtliche anderen Arbeitsmittel tragen müssen. Kapital- und Vergütungsrisiko dürften entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht gleichgesetzt werden, denn zahlreiche freiberufliche Tätigkeiten seien nicht vom Einsatz von Geldkapital, sondern von Wissen, Fertigkeiten oder geistigem Können geprägt, wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden habe. Zu Unrecht habe das Sozialgericht angenommen, der Beigeladene sei zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet gewesen. Im – soweit ersichtlich – einzig vergleichbaren Fall habe das Sozialgericht München eine abhängige Beschäftigung des IT-Projektdienstleisters verneint.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liege ein unternehmerisches Risiko darin, dass ein Auftragnehmer im Falle einer Erkrankung oder Urlaubsabwesenheit keine Aufträge ausführen und keine Einnahmen erzielen könne. Nach der neuesten Rechtsprechung des BSG sei ein hohes Honorar ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit.

Die Regelungen in Ziffer 3 DLV seien in der Recruitment-Branche üblich; ihre Funktion besteht darin, für die Kunden der Klägerin eine Grundlage zu schaffen, aufgrund derer sie die von der Klägerin gestellten Rechnungen inhaltlich überprüfen könnten. Solange die Kunden der Klägerin insoweit keine hohen Anforderungen stellten, etwa ihnen die eingereichten oder von ihnen abgezeichneten Time Sheets schon genügten, müssten auch in den Rechnungen der Lieferanten der Klägerin keine weitergehenden Ausführungen zu erbrachten Dienstleistungen enthalten sein.

Die in den Verträgen zwischen der Klägerin und I auf Seiten der Klägerin als Leiter oder Kundenbetreuer bezeichneten Personen hätten sich um kaufmännische Angelegenheiten gekümmert, wie etwa die Abrechnungen des freien Mitarbeiters oder wenn Probleme entstanden seien.

Es sei heute niemand mehr bei der Klägerin tätig, der Auskunft über die damaligen Verhältnisse geben könne.

 

Mit Bescheid vom 13. Juli 2021 hat die Beklagte ihren Bescheid vom 27. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2013 dahin geändert, dass (nur) in der vom Beigeladenen vom 1. März 2012 bis 30. April 2014 ausgeübten Tätigkeit bei der Klägerin Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. November 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2013, beide in der Fassung des Bescheids vom 13. Juli 2021, aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1 in seiner für sie ausgeübten Tätigkeit in der Zeit vom 1. März 2012 bis 30. April 2014 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und bringt vor:

Eine abhängige Beschäftigung liege schon deshalb vor, weil der vereinbarte Vertragsgegenstand (hier: Software Consultant) derart unbestimmt sei, dass er durch weitere Weisungen oder die Eingliederung in eine Betriebsorganisation näher bestimmt werde. Sie räume – so ihr Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – ein, dass der Beigeladene im Jahre 2013 die maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) überschritten habe, sehe sich aber durch die Neufassung von § 7a SGB IV an einem entsprechenden Teilanerkenntnis gehindert: Nach ihrem Verständnis dürfe sie seit In-Kraft-Treten der Neuregelung auch für davor liegende Zeiträume keine Feststellungen zur Versicherungspflicht mehr treffen.

 

Der Beigeladene stellt keinen Antrag an und behauptet:

Er habe bereits bei Abschluss des Vertrages mit der Klägerin gewusst, dass er danach bei IC eingesetzt werden solle und was seine Aufgaben dort seien. Er habe im Laufe der Zeit viele Aufgaben (tasks) von I bekommen, jedoch keine zeitlichen Vorgaben, bis wann die einzelnen Aufträge erledigt sein sollten. Teilweise habe er Aufträge von I auch abgelehnt, wenn er noch andere Aufgaben zu erledigen gehabt habe. Für seine Tätigkeit als Software-Entwickler hat ihm I Aufgaben gestellt und einen Zeitraum für die Bearbeitung vorgegeben. Es seien überwiegend kleinere Module gewesen, für die ihm ein Zeitraum von drei bis vier Wochen vorgegeben worden sei. Insgesamt habe es sich um einen kontinuierlichen Prozess gehandelt, sodass immer wieder neue Module erforderlich gewesen seien. Es habe auch einige wenige Module gegeben, die zwei bis drei Monate in Anspruch genommen hätten.

Soweit er im Verwaltungsverfahren angegeben habe, fünf Tage pro Woche jeweils acht Stunden täglich gearbeitet zu haben, habe sich dies noch auf seine Tätigkeit als Arbeitnehmer bezogen, die er bis zur Aufnahme seiner Freelancer-Tätigkeit bei der Klägerin im März 2012 ausgeübt habe. Während der im hiesigen Rechtsstreit maßgeblichen Tätigkeit habe er in der Regel einige Stunden täglich bei IC in deren Unternehmensgebäude gearbeitet, sei jedoch stets um 16:00 Uhr zu Hause gewesen, um seinen Sohn betreuen zu können. An ca. drei Tagen im Monat habe er nur von zu Hause aus gearbeitet. Auch dort habe er stets den von IC zur Verfügung gestellten Computer eingesetzt. Es habe bei IC niemanden gegeben, der ihm gesagt habe, wie viele Stunden täglich er arbeiten müsse oder der dies kontrolliert habe. Man habe dort seine Angaben zur täglichen Stundenzahl in den Time Sheets mit seinen Arbeitsergebnissen auf Plausibilität hin abgeglichen. IC hätte also beanstanden können, dass er, verglichen mit den jeweiligen Arbeitsergebnissen im abgerechneten Zeitraum, zu viele Stunden aufgeschrieben hätte. Tatsächlich habe es aber eine solche Beanstandung von IC nie gegeben. Einmal wöchentlich habe es bei IC ein Meeting gegeben, bei dem die Arbeitsfortschritte diskutiert worden seien und offene Punkte und Fragen hätten angesprochen werden können.

Nach dem hier streitigen Zeitraum sei er bis 2016 Mitarbeiter von I gewesen. Der Vertrag sei von vornherein auf zwei Jahre befristet gewesen und er sei direkt von I bezahlt worden.

 

Die weiteren Beigeladenen stellen keine Anträge an und äußern sich in der Sache nicht.

 

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nur teilweise begründet. Das Sozialgericht hätte die Klage nicht insgesamt abweisen dürfen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, soweit sie die Versicherungspflicht des Beigeladenen in der Kranken- und Pflegeversicherung für das Jahr 2013 feststellen. Im Übrigen sind die Bescheide der Beklagten und das Urteil des Sozialgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden.

 

A. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind neben dem Urteil des Sozialgerichts vom 2. November der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2013 und – gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) – der Bescheid vom 13. Juli 2021, weil er die beiden o.g. Bescheide ändert, indem er sie hinsichtlich ihres Geltungszeitraums begrenzt. Streitgegenstand ist ferner ein Anspruch der Klägerin auf Feststellung, dass der Beigeladene in seiner für sie ausgeübten Tätigkeit im streitigen Zeitraum vom 1. März 2012 bis 30. April 2014 nicht der Versicherungspflicht in Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Ihr Begehren verfolgt die Klägerin in zulässiger Weise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1, § 55 SGG).

 

B. Für den vorliegenden Rechtsstreit ist es unerheblich, dass der DLV von den Vertragsparteien englischem Recht unterworfen wurde. Maßgeblich ist das am Ort der Tätigkeit, d.h. in Deutschland, geltende Recht. Dies ergibt sich sowohl aus unionsrechtlichen Vorgaben (hierzu I.) als auch aus § 3 SGB IV (hierzu II.).

 

I. Einschlägig ist unionsrechtlich die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO 1408/71).

 

1. Nicht maßgeblich ist die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO 883/2004), obwohl sie nach ihrem Art. 91 Satz 2 i.V.m Art. 97 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ab dem 1. Mai 2010 gilt und zugleich die ihr vorangehende VO 1408/71 aufgehoben wurde (Art. 90 Abs. 1 VO 883/2004).

 

Die Anwendung der VO 883/2004 kann im vorliegenden Fall indes nicht über Art. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1231/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Ausdehnung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Verordnungen fallen (VO 1231/2010)

auf den Beigeladenen, der im streitigen Zeitraum nicht Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaats war, erstreckt werden. Denn das Vereinigte Königreich beteiligt sich nach Erwägungsgrund 18 zur VO 1231/2010 nicht an der Annahme dieser Verordnung, sodass sie in Verfahren unter Beteiligung von Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich – wie der Klägerin – nicht herangezogen werden kann.

 

2. Stattdessen bleibt gemäß Art. 90 Abs. 1 Satz 2 lit. a VO 883/2004 im Verhältnis zum Vereinigten Königreich die VO 1408/71 i.V.m. Verordnung (EG) Nr. 859/2003 des Rates vom 14. Mai 2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen, (VO 859/2003) – der Vorgängerregelung zur VO 1231/2010 – in Kraft und behält für deren Zwecke ihre Wirkung (vgl. Otting, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, Art. 91 VO (EG) 883/2004, Rn. 17).

 

Gemäß Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. b VO 1408/71 unterliegt vorbehaltlich der – im vorliegenden Fall nicht einschlägigen – Art. 14 bis 17 VO 1408/71 ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaats beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften nur dieses Staates, und auch dann, wenn er im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder sein Arbeitgeber oder das Unternehmen, das ihn beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat. Da der Beigeladene seine hier streitgegenständliche Tätigkeit in Deutschland ausübte, unterlag er insoweit deutschem Recht. Die Voraussetzungen zur Anwendung der VO 1408/71 lagen vor.

 

a. Der sachliche Geltungsbereich der VO 1408/71 war nach deren Art. 4 Abs. 1 lit. a, b, c und g eröffnet, weil der Beigeladene aufgrund der streitgegenständlichen Versicherungspflicht(en) Leistungen bei Krankheit, Invalidität, Alter und Arbeitslosigkeit erhalten kann.

 

b. Auch der persönliche Geltungsbereich der VO 1408/71 ist nach deren Art. 2 Abs. 1 eröffnet. Danach gilt diese Verordnung u.a. für Arbeitnehmer, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind. Der geforderte grenzüberschreitende Sachverhalt (Leopold, SRa, 2022, 165 (167)); vgl. zur Nachfolgeregelung: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht/Leopold, Stand: 01.12.2022, Art. 2 VO 883/2004, Rn. 23; jeweils m.w.N.) liegt vor, weil der Beigeladene den – englischem Recht unterstellten – DLV mit der im Vereinigten Königreich ansässigen Klägerin schloss und dieses in den Jahren 2012 bis 2014 (noch) Mitglied der Europäischen Union war.

 

c. Nach Art. 1 VO 859/2003 gilt die VO 1408/71 für Drittstaatsangehörige – wie den Beigeladenen –, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter die genannten Verordnungen fallen.

 

II. Selbst wenn man letzteres anders sähe und demzufolge (oder aus einem sonstigen Grund) die Anwendbarkeit von Unionsrecht verneinte, wäre im vorliegenden Fall deutsches Recht anzuwenden. Denn nach § 3 Nr. 1 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die – wie der Beigeladene – im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder selbständig tätig sind.

 

III. Eine Einstrahlung i.S.v. § 5 SGB IV – wie von der Klägerin behauptet ­– liegt hingegen schon deshalb nicht vor, weil der Beigeladene nicht in den Geltungsbereich des SGB IV, d.h. nach Deutschland, entsandt wurde (vgl. § 5 Abs. 1 SGB IV), sondern schon vor dem streitigen Zeitraum in Deutschland lebte.

 

C. In den Jahren 2012 bis 2014 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der KV, RV, PV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V –, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI –, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – SGB XI – sowie § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III).

 

I. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (ständige Rspr.; vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, Rn. 13, m.w.N.; Senat, Urteil vom 23. Juni 2022 – L 4 BA 52/18 –; jeweils juris), wobei die Freiheit bei Ort und Zeit der Tätigkeit in der modernen Arbeitswelt nicht zwingend für Selbständigkeit spricht. Es kommt nicht darauf an, ob ein Arbeitgeber das ihm zustehende Weisungsrecht faktisch ausübt. Ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten der Beteiligten ist nicht maßgeblich. Eine "Schönwetter-Selbständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, juris, Rn. 15; Senat a.a.O.).

Die Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden.

 

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (ständige Rspr.; vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, juris, Rn. 13, m.w.N.; Senat a.a.O.). Diese wertende Zuordnung kann nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden, indem sie z.B. vereinbaren, eine selbständige Tätigkeit zu wollen. Denn der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Person – als selbständig oder beschäftigt – allein die Vertragsschließenden entscheiden. Über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden (vgl. § 32 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I).

 

Die sich an diesen Maßstäben orientierende Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbständigkeit ist nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder vorzunehmen. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf – je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen – entweder in Form der Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit ausgeübt wird. Dem nachvollziehbaren Bedürfnis der Betroffenen nach der Verwaltungsvereinfachung und erhöhter Rechtssicherheit dienenden abstrakteren, einzelfallüberschreitenden Aussagen im Hinblick auf bestimmte Berufs- oder Tätigkeitsbilder kann die Rechtsprechung daher nicht – auch nicht im Sinne einer "Regel-Ausnahme-Aussage" – nachkommen. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts (BSG, Urteil vom 27. April 2021, a.a.O., m.w.N.). Bei der gebotenen Gesamtabwägung sind sämtliche, auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften oder eine öffentliche-rechtliche Aufgabenwahrnehmung bedingt sind oder auf sonstige Weise "in der Natur der Sache" liegen. Ihnen ist zwar nicht zwingend eine entscheidende Indizwirkung für eine Beschäftigung beizumessen; umgekehrt ist eine Beschäftigung aber auch nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil sich bestimmte Weisungsrechte oder Vorgaben aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben oder ihr innewohnen (BSG a.a.O., m.w.N.; Senat a.a.O.).

Verbleibt bei der Verrichtung der Tätigkeit eine Weisungsfreiheit, die sie insgesamt als eine unternehmerische kennzeichnet, liegt darin ein Indiz gegen eine Beschäftigung und für eine selbständige Tätigkeit. Denn ob und inwieweit einzelne Umstände einer Tätigkeit "ihrer Natur nach" immanent sind, hängt wesentlich mit der zu beurteilenden Tätigkeit und ihrer konkreten Ausgestaltung zusammen. Je enger der übertragene Tätigkeitsbereich abgesteckt ist, weil die Auftrag- oder Arbeitgeberin nicht auf eigene Gestaltungsmöglichkeiten verzichtet, desto weniger Spielraum kann der übertragenen Tätigkeit noch immanent sein. So ist in der Regel auch die strikte Weisungsunterworfenheit klassischer "Fabrikarbeiter" der Eigenart ihrer Tätigkeit geschuldet. Gerade dies begründet ihre Sozialversicherungspflicht und stellt sie nicht infrage. Aus welchen Gründen eine Tätigkeit nach Weisungen und unter Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation statt weisungsfrei ausgeübt wird, spielt insoweit keine Rolle. Unerheblich ist auch, ob die Ausübung der Tätigkeit mit einer größeren Gestaltungsfreiheit (rechtlich oder tatsächlich) überhaupt möglich wäre (BSG a.a.O., Rn. 16, m.w.N.; Senat a.a.O.).

 

II. Hieran gemessen ist die Beklagte zu Recht von einer Beschäftigung des Beigeladenen bei der Klägerin ausgegangen.

 

1. Ausgangspunkt sind die vertraglichen Vereinbarungen sowohl zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen als auch zwischen der Klägerin und IC.

 

a. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass allein aus dem DLV noch keine Pflicht des Beigeladenen zum Tätigwerden für die Klägerin, insbesondere aber keine konkret von ihm zu erbringende Leistung, kein Kunde der Klägerin, bei der er tätig werden soll, und kein zeitlich bestimmter Leistungsumfang resultiert. Denn die konkret geschuldete (Dienst-‍)‌‌‌‌‌‌Leistung, insbesondere das Einsatzunternehmen als Kunde der Klägerin, wurde erst in den gesondert von den Vertragsparteien zu vereinbarenden Aufstellungen festgelegt, wie sich aus der Definition der Begriffe „Kunde“, „Berater“, „Dienstleistung“ und „Lieferant“ und Ziff. 3.1 DLV ergibt. Auch war die Klägerin nach Nr. 4.1.11 DLV nicht verpflichtet, den Beigeladenen als Lieferanten mit Arbeitsaufträgen zu versorgen. Insofern stellt der RDV – entsprechend seiner Bezeichnung durch die Vertragsparteien – lediglich eine Rahmenvereinbarung dar.

 

Für die weitere Prüfung der Statusfrage ist daher zu beachten, dass diese Rahmen-vereinbarung nicht allein Anknüpfungspunkt für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sein kann (BSG, Urteile vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – und vom 11. März 2009 – B 12 R 11/07 R –, m.w.N.; Senat, Urteil vom 23. Juni 2022 – L 4 BA 4/18 –, Rn. 140; jeweils juris). Abzustellen ist vielmehr auf die Aufstellungen, weil erst durch diese die Rechtsbeziehungen hinreichend konkretisiert wurden. In diesem Zusammenhang kommen dann auch die Regelungen des RDV zum Tragen, soweit sie die einzelnen Rechtsverhältnisse rechtlich beeinflussen. Daraus ergibt sich, dass bei Rahmenverträgen Gegenstand der Prüfung grundsätzlich nicht ein einheitliches Rechtsverhältnis ist, welches sich auf den gesamten streitigen Zeitraum erstreckt, sondern eine Mehrzahl von Vereinbarungen über zeitlich befristete Einsätze, im vorliegenden Fall für die Zeiträume 1. März bis 28. September 2012, 1. Oktober 2012 bis 30. September 2013, 1. Oktober 2013 bis 31. März 2014 und 1. bis 30. April 2014. Maßgebend für die Beurteilung der Versicherungspflicht sind dann aber auch nur die einzelnen Rechtsverhältnisse, ggf. unter Berücksichtigung der Rahmenvereinbarung, was wiederum zur Folge hat, dass auf die Verhältnisse abzustellen ist, die nach Annahme des jeweiligen "Auftrags" – bzw. hier: nach Vereinbarung der Aufstellungen – im Hinblick (allein) hierauf bestanden (BSG, Urteile vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – und vom 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R –; Senat a.a.O.; jeweils juris). Die Frage, ob der Beigeladene berechtigt war, die Vereinbarung einzelner Aufstellungen abzulehnen, ist demnach für die Statusbeurteilung ebenso wenig von Bedeutung wie alle anderen der Vereinbarung der Aufstellungen vorgelagerten Umstände, wie z.B. die Preisgestaltung.

Insoweit unterscheidet sich seine Situation nicht von der eines Arbeitnehmers, der in kurzer Abfolge eine Mehrzahl von auf kurze Zeiträume befristeten Arbeitsverträgen mit demselben oder mit unterschiedlichen Arbeitgebern abschließt: Auch diesem Arbeitnehmer steht es frei, über das Eingehen oder die Ablehnung eines neuen Arbeitsverhältnisses zu entscheiden, ohne dass hierdurch die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung dieses oder der anderen Arbeitsverhältnisse beeinflusst würde (Senat, a.a.O.).

 

b. Entgegen der klägerischen Rechtsauffassung sind der Statusbeurteilung nicht nur die vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 zugrunde zu legen, sondern auch die zwischen der Klägerin und IM bzw. IC getroffenen Vereinbarungen.

 

aa. Wird die zu prüfende Tätigkeit im Rahmen weiterer Vertragsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und Dritten erbracht, sind im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens auch diese weiteren Vertragsbeziehungen zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 12/17 R –, Rn. 33; Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R –, Rn. 14; jeweils juris). Diese Rechtsansicht hat das BSG für die Rechtsbeziehungen in einem Dreiecksverhältnis zwischen einem (IT-) Dienstleistungsunternehmen als Arbeitgeber/Auftraggeber, einem Arbeitnehmer/Auftragnehmer sowie einem Kunden des Unternehmens, für den der Arbeitnehmer/Auftragnehmer tätig war, bestätigt. Danach sind unter Berücksichtigung der für die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit generell geltenden Prüfungsmaßstäbe nicht nur die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber/Auftraggeber und einem Arbeitnehmer/Auftragnehmer, sondern sämtliche Rechtsbeziehungen zu betrachten, die den im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens konkret zu beurteilenden "projektbezogenen Einsatz" eines IT-Dienstleisters prägen (BSG, Beschluss vom 28. November 2018 – B 12 R 34/18 B –, Rn. 6, juris; ebenso Plagemann in: Keck/Michaelis, Die Rentenversicherung im SGB, 5. Arbeit für Dritte, Rn. 13).

 

bb. Für den vorliegenden Rechtsstreit sind daher auch die Vereinbarungen zwischen der Klägerin und IC bzw. IM, mithin der RDV und die LB, von Bedeutung. Denn Basis für die Dienstleistung des Beigeladenen sind die im RDV bzw. den LB von der Klägerin gegenüber IC übernommenen Verpflichtungen. Dass die Klägerin den RDV nicht mit IC, sondern mit IM schloss, ist unerheblich, weil er auch für mit IM verbundene Unternehmen – wie IC – Geltung beansprucht (Nr. 2.1 i.V.m. 1.1 RDV).

 

c. Den genannten Vereinbarungen (RDV und LB, DLV und Aufstellung) entnimmt der Senat in der Gesamtschau folgende, der weiteren Beurteilung der Statusfrage zugrundzulegenden rechtlichen Beziehungen im Verhältnis der Klägerin zum Beigeladenen:

 

Die Klägerin hatte sich gegenüber IC zur „Entwicklung bestimmter Softwarelösungen, einschließlich Komplettlösungen, Beratungsleistungen oder Design-Aktivitäten […], die von [IC] zur eigenen Nutzung oder zur Integration in die an Dritte zu verkaufenden Produkte angefordert werden“, verpflichtet (Präambel RDV). Da sich aus dem RDV unmittelbar noch keine bestimmten Leistungsverpflichtungen ergaben (Nr. 2.2 Abs. 3 RDV), bedurfte es zu ihrer Konkretisierung schriftlicher LB, die „Bestimmungen über Lastenhefte bzw. Aufgabenstellungen, Implementierung, Einweisungen und ggf. Schulungen, Anlagen, Geräte, Datenverarbeitung, Ort und Zeit der Leistungserbringung sowie Zeitpläne, Meilensteine, Lieferort und Teillieferungen enthalten“ mussten (Nr. 2.1 RDV).

Die konkrete von der Klägerin zu erbringende Dienstleistung umfasste z.B. für den Zeitraum 1. Oktober 2012 bis 30. September 2013 nach Nr. 1.1 LB die Plattform- und Kundenprojektpflege des von IC entwickelten 3GPP-konformen Protokollstapels (einschließlich der für die UMTS Radio-Ressource-Control-Teilschicht geltenden Instandhaltungsleistungen). Diese Dienstleistung wurde näher spezifiziert auf drei IC-Projekte – XMM6260 (3GPP Rel-7)-Plattform und abgeleitete Kundenprojekte, XMM6360 und XMM7160 (3GPP Rel-8/9)-Plattform und abgeleitete Kundenprojekte, XMM7260 (3GPP Rel-10)-Plattform und abgeleitete Kundenprojekte – und betraf in der Instandhaltungsphase hauptsächlich Fehlermeldungen oder Weiterentwicklungsanfragen von IC selbst oder von IC-Kunden im IC-Issue-Tracking-System (Problem- und Aufgabenverfolgung). Die Klägerin hatte alle ihr von IC zugewiesenen eingehenden Meldungen und Anfragen unverzüglich zu analysieren und durfte ein solches sog. Arbeitspaket – mit ausführlicher Erklärung unter Angabe der Gründe – nur ablehnen, wenn es aufgrund von Personalmangel oder aus technischen Gründen nicht realisiert werden konnte. Sie musste alle gemeldeten und zugewiesenen offenen Punkte unter Einhaltung der festgelegten Reaktionszeiten prüfen, je nach Priorität ein Status-Update zur Problemlösung übermitteln – und zwar tägliche Updates aller im weiteren Text näher definierter „Showstopper“ (kritischer Fehler, der die Weiterentwicklung verhindert) und ebenfalls näher ausgewählter „hochrangiger“ Fehler sowie wöchentliche Updates aller übrigen offenen Punkte –, und sie musste die Pflege der Status- und obligatorischen Informationsfelder in das Issue-Tracking-System von IC übernehmen. Ferner hatte sie nach Nr. 1.1 LB bei Fehlern jede Änderung in diesem System zu dokumentieren; hierzu gehörten u.a. Ursachenbeschreibung, Häufigkeit des Problems, Lösungsbeschreibung, mit der Änderung verbundenes Risiko, von der jeweiligen Änderung betroffene Dateien.

 

Für diese Aufgaben hatte die Klägerin innerhalb sog. Servicezeiten von 8:00 Uhr bis 20:00 Uhr MEZ durchgängig zur Verfügung zu stehen, wobei diese auf die Zeit außerhalb der Geschäftszeiten ausgedehnt werden konnte, um kurze Reaktionszeiten bei Tests in Anbieterlaboren, bei Testsessions im Ausland, Endkundentests oder Produktanläufen bei Endkunden bzw. die sofortige Bereitstellung von Ergebnissen, Berichten oder Informationen zu gewährleisten. Die Klägerin hatte sich insoweit zum Bemühen verpflichtet, die maximalen Problemlösungszeiten von unter fünf Tagen (bei „Show­stoppern“) und unter sieben bzw. zehn Tagen (bei Problemen mit dem Schweregrad „Hoch“ bzw. „Mittel“) deutlich zu unterschreiten. Anforderungen für längere Servicezeiten (z. B. Bereitschaftsdienst) wurden zwischen IC und ihr abgestimmt und vereinbart (Nr. 14.1 RDV, Nr. 1.1 LB).

Die o.g. Dienstleistungen, für deren Erfüllung die Klägerin die volle Verantwortung trug (Nr. 2.8, 2.11 RDV) und für die durchschnittlich 168 Stunden monatlich veranschlagt wurden (Nr. 5.1 LB), wurden von den „Mitarbeitern oder Unterauftragnehmern“ der Klägerin erbracht. Dieses – an anderer Stelle so bezeichnete – Techniker-Team war im Einzelnen aufzuführen, durfte hinsichtlich seiner Zusammensetzung nicht ohne die vorherige schriftliche Zustimmung von IC geändert werden und stand „unter der uneingeschränkten Kontrolle“ und ausschließlichen Überwachung der Klägerin. Das Techniker-Team bestand ausweislich der Preisgestaltung (Nr. 5 LB) nur aus einem technischen Mitarbeiter der Klägerin, dem Beigeladenen (Nr. 2.6 RDV), der seine der Klägerin geschuldete Dienstleistung als Software-Berater („Software Consultant“) für deren in der Aufstellung benannten Kundin, d.h. für IC erbrachte (vgl. Abschn. C LDV, Aufstellung). Wie die Klägerin die Differenz zwischen der monatlich durchschnittlich veranschlagten Zeitmenge von 168 Stunden und den o.g. Servicezeiten, deren monatlicher Umfang sich – eine Beschränkung auf die Wochentage von Montag bis Freitag unterstellt – auf ((12 x 5) x 13 : 3 =) 260 belief, personell besetzte, kann an dieser Stelle offen bleiben, da die Verpflichtungen der Klägerin gegenüber IC nur insoweit von Bedeutung sind, als sie sich auf die Tätigkeit des Beigeladenen auswirkten, nicht aber soweit sie Gegenstand sonstigen Personals der Klägerin waren. Die Klägerin musste ferner – neben einem Kundenbetreuer – einen vor Ort befindlichen bzw. beauftragten Vorgesetzten/Leiter benennen, der das Projekt leitet, dem ihre Mitarbeiter und Unterauftragnehmer unterstehen und der diesen alle Anweisungen und Auskünfte – ohne Einbindung von IC – erteilt, der vor Ort sowohl für ihr eigenes Techniker-Team als auch für IC als alleiniger Ansprechpartner fungiert und über den ausschließlich alle Interaktionen mit Mitarbeitern von IC erfolgen (Nr. 2.9, 7.1 RDV, Nr. 3.2 LB).

Die Klägerin hatte durch ihren o.g. Leiter/Kundenbetreuer zugleich die Arbeitsbelastung des Support-Teams zu überwachen, die Erbringung der Dienst-/Arbeitsleistungen anhand der Service-Levels und die von den Parteien jeweils identifizierten gravierenden Probleme zu überprüfen und sich hinsichtlich der zu bearbeitenden offenen Punkte mit dem Projektmanager von IC abzustimmen (Nr. 1.1, 3.2 LB).

Im Rahmen der Projekte mussten sich die angegebenen oder im Laufe des Projekts zusätzlich benannten Ansprechpartner mindestens wöchentlich zu einem vereinbarten Termin treffen, um technische und organisatorische Probleme, Fehlermanagement in CCB-Sitzungen sowie das Risikomanagement (insbesondere Risiken in Verbindung mit technischen Problemen, Abhängigkeiten, Zeitplanung und Qualität) zu behandeln. Die Ergebnisse musste die Klägerin in einem Sitzungsprotokoll festhalten.

Darüber hinaus war die Klägerin verpflichtet, hinsichtlich der Planung des genauen Release-Datums und des Inhalts einer jeden Änderung fortlaufend mit den Techniker-Teams von IC zusammenarbeiten, wobei Priorität die pünktliche Lieferung von Funktionalität und Ausgereiftheit hatte (Nr. 1.1 LB). Während der Leistungserbringung musste die Klägerin IC „in angemessenem Umfang“ über den aktuellen Stand der Dienstleistungen, Ergebnisse und Liefergegenstände schriftlich informieren, über die Überwachung des Techniker-Teams Bericht erstatten, für jedes Software-Release die diversen Informationen (wöchentlicher Fortschrittsbericht über die gegenseitig vereinbarten Liefergegenstände; vollständige Transparenz in Bezug auf Entwicklungszeitplan, Meilensteine und kritische Punkte; Ergebnisse der vollständigen Regressionstests der Host-Testsuite) bereitstellen und IC Einsicht in alle Aufzeichnungen über bereits erbrachte Dienstleistungen und in bereits erarbeitete Ergebnisse und Liefergegenstände gewähren (Nr. 2.7, 5.2 lit. a und c RDV, Nr. 1.1 LB). Der Beigeladene seinerseits musste der Klägerin und IC mit angemessener Frist Mitteilung über alle Zeiträume machen, in denen er seine Dienstleistung nicht erbringen wird (Nr. 2.1.8 LDV). Ferner hatte die Klägerin fortlaufend für die Weiterbildung der entsandten Mitarbeiter oder Unterauftragnehmer entsprechende Schulungen anzubieten und ggf. zu finanzieren (Nr. 5.6 RDV), ihre bei IC eingesetzten Mitarbeiter oder Unterauftragnehmer mit den Richtlinien und Anforderungen im Hinblick auf Gesundheit, Sicherheit und Verhalten am Arbeitsplatz vertraut zu machen und an von IC angebotenen und finanziell getragenen Sicherheitsschulungen teilnehmen zu lassen (Nr. 5.10 RDV).

Unterauftragnehmer durfte die Klägerin nicht ohne die vorherige schriftliche Zustimmung von IC mit der Erfüllung ihrer Vertragspflichten aus den LB und dem RDV beauftragen (Nr. 3 RDV).

Alle diese Dienstleistungen hatte die Klägerin bzw. ihr Techniker-Team unter Aufsicht des Leiters vor Ort und in Absprache mit dem IC-Projektverantwortlichen auf dem Firmengelände der IC in N zu erbringen; Ausnahmen hiervon bedurften der schriftlichen Zustimmung von IC (Nr. 2, 3.2 LB)

In Nr. 3 LB waren ferner die maßgeblichen Personen auf Seiten der Klägerin (Kundenbetreuer, Ansprechpartnerin für Vertragsfragen, Leiter) und auf Seiten von IC (Projektverantwortung, Vertretung des IC-Unternehmensbereichs, Einkaufsabteilung) namentlich benannt (einschließlich der Kontaktdaten).

IC musste im Gegenzug der Klägerin die zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlichen Informationen, Gegenstände und Geräte wie Laptops sowie die Rechte auf Zugang zu ihrer Infrastruktur zur Verfügung stellen (Nr. 5.9, 7.1 RDV, Nr. 1.4 LB). Alle sonstigen Gegenstände waren von der Klägerin bereitzustellen (Nr. 7.2 RDV). Mit dem vereinbarten Stundensatz hatte IC nur die Arbeitsstunden zu vergüten, die in den Tätigkeitsnachweisen der Klägerin oder in anderen im jeweiligen Auftrag festgelegten Unterlagen – Nr. 2.1.2 DLV spricht insoweit von Ablaufplänen – dokumentiert und von ICs Projektleiter oder seinem Vertreter gegengezeichnet waren, nicht aber Zeiten einer Arbeitsverhinderung, z.B. wegen Krankheit. Überstunden (definiert als Arbeitsstunden, die über acht Stunden pro Wochentag hinausgehen) bedurften der vorherigen schriftlichen Genehmigung durch IC (Nr. 5.12, 10.2 RDV).

Im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen stellte dieser nach Abschluss der einzelnen Projektphasen oder entsprechend anderen Vereinbarungen und Festlegungen in der Aufstellung regelmäßig auf der Grundlage der vereinbarten Stundensätze Rechnungen samt detaillierter Aufschlüsselung der in der jeweiligen Periode ausgeführten und erbrachten Dienstleistungen aus (Nr. 3.1 LDV)

DV und LB sollten deutschem Recht unterliegen (Nr. 13.2 RDV). Änderungen und Ergänzungen von RDV und LB bedurften zu ihrer Wirksamkeit ebenso der Schriftform wie diese Schriftformklausel. Mündlich getroffene Nebenabreden waren unwirksam (Nr. 14.1 RDV).

 

Diesem Ergebnis bezüglich der vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin, dem Beigeladenen und IM lässt sich nicht entgegenhalten, aus DLV und Aufstellung ergebe sich gerade nicht, dass die Klägerin dem Beigeladenen Vorgaben zu dessen Tätigkeit machen dürfe. Denn DLV und Aufstellung sehen zwar nicht ausdrücklich vor, dass die Klägerin dem Beigeladenen Weisungen irgendwelcher Art erteilen dürfe. Sie schließen dies aber auch nicht ausdrücklich aus, sondern sind vielmehr so offen gefasst, dass sie nicht im Widerspruch zu den – nach dem o.g. zwingend zu berücksichtigenden – Vereinbarungen zwischen der Klägerin und IC stehen.

 

d. Diese schriftlichen Vereinbarungen verlieren entgegen der klägerischen Auffassung nicht deshalb an Bedeutung, weil die Beteiligten etwas anderes „gelebt“ haben.

 

aa. Nach den Angaben der Klägerin und des Beigeladenen wich die tatsächliche Handhabung von den o.g. Vereinbarungen ab. So sei der Beigeladene frei gewesen, wann und wo er seiner Tätigkeit nachgehe. Fachliche Weisungen und Kontrollen ihm gegenüber habe es nicht gegeben. Zu einer persönlichen Leistungserbringung sei er nicht verpflichtet gewesen. Meetings seien nur selten durchgeführt worden.

 

bb. Dieses Vorbringen ist unerheblich. Zum einen gilt für Änderungen und Ergänzungen des RDV und der LB eine doppelte Schriftformklausel (Nr. 14.1 RDV); für schriftliche Änderungen und Ergänzungen ist aber weder klägerseitig etwas vorgetragen noch ist dies anderweitig ersichtlich. Zum anderen ist ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten der Beteiligten im Rahmen der Statusabgrenzung nicht maßgeblich (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, Rn. 15; Urteil vom 19. September 2019 – B 12 R 25/18 R –, Rn. 15; Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R –, Rn. 29 f; Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R –, Rn. 32; Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R –, Rn. 20; jeweils juris und m.w.N.; zur Irrelevanz der Frage, wie rechtliche Beziehungen faktisch „gelebt“ werden, jetzt auch BSG, Urteil vom 15. Dezember 2022 – B 12 KR 16/20 R –, Pressebericht, abrufbar unter www.bsg.bund.de).

 

(1) Im Rahmen der Statusprüfung auf eine von schriftlichen Vereinbarungen abweichende „gelebte“ Vertragspraxis abzustellen, wäre mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren. Es liegt im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R –, Rn. 32; Urteil vom 27. Juli 2011 – B 12 R 15/09 R –, Rn. 16; Urteil vom 4. Juni 1981 – 3 RK 5/80 –, Rn. 24; Urteil vom 23. April 1974 – 4 RJ 335/72 –, Rn. 11; Urteil vom 27. September 1961 – 3 RK 12/57 –, Rn. 43; jeweils juris und m.w.N.). Das Erfordernis einer Prognose (oder ggf. einer vorausschauenden Schätzung des zeitlichen Umfangs einer Tätigkeit bzw. des Arbeitsentgelts) hat das BSG allgemein zu Statusentscheidungen im Sozialversicherungsrecht wiederholt betont, etwa im Zusammenhang mit der Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB, der Geringfügigkeitsgrenze nach § 8 SGB IV oder im Zusammenhang mit dem regelmäßigen monatlichen Gesamteinkommen i.S.v. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Eine rückwirkende Betrachtung ist demnach mit dem Wesen der Sozialversicherung nicht vereinbar (BSG, Urteil vom 27. Juli 2011 – B 12 R 15/09 R –, juris, Rn. 16 m.w.N.).

 

Dementsprechend ist eine "Schönwetter-Selbständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten, während im Fall eines Zerwürfnisses die rechtlich bestehende Weisungsgebundenheit zum Tragen käme, nicht anzuerkennen (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, Rn. 15; Urteil vom 19. September 2019 – B 12 R 25/18 R –, Rn. 15; Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R –, Rn. 29 f; Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R –, Rn. 32; Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R –, Rn. 20; jeweils juris und m.w.N.). Denn ihr stünde das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände entgegen (Schlegel, NZA 2021, 310).

 

(2) Zugleich verringert das Anknüpfen an die den Beteiligten von Gesetzes oder Vertrags wegen zukommende Rechtsmacht Möglichkeiten, Sozialversicherungspflicht manipulativ zu generieren oder zu negieren. Andernfalls stünde es in zahlreichen, häufig anzutreffenden Konstellationen, z.B. bei kleinen (Familien-)Unternehmen, im freien Belieben der Beteiligten, durch zweckgerichtete Angaben zur tatsächlichen Stellung des Betroffenen im Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R –, juris, Rn. 30). Eine in solchen Konstellationen bestehende faktische Steuerungsmöglichkeit hinsichtlich der Klärung der Versicherungspflicht durch eine erst Jahre oder Jahrzehnte später erfolgende "Offenlegung" der wahren tatsächlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit entspricht weder der Systematik des Eintritts von Versicherungspflicht in der Sozialversicherung noch ist sie verfassungsrechtlich schützenswert (BSG, Urteil vom 5. März 2014 – B 12 R 1/12 R –, juris, Rn. 32).

Vergleichbare Steuerungs- oder auch Manipulationsmöglichkeiten bestehen, soweit Sozialversicherungsträgern und Gerichte die Kenntnis der zur Statusbeurteilung maßgeblichen Tatsachen nahezu ausschließlich durch die Vertragsparteien vermittelt werden kann. Auch hier lassen sich deren Angaben durch Sozialversicherungsträger und Gerichte entweder überhaupt nicht oder nur unter erheblichem Ermittlungsaufwand objektivieren. Das Abstellen auf die den Beteiligten von Gesetzes oder Vertrags wegen zukommende Rechtsmacht ermöglicht den Sozialversicherungsträgern hingegen schon zu Beginn der Tätigkeit als dem maßgeblichen Zeitpunkt (s.o.) eine zeitnahe und zuverlässige Statusbeurteilung ohne aufwändige und zeitraubende Ermittlungen zu einer von schriftlichen Vereinbarungen ggf. abweichenden Handhabung.

 

(3) Unabhängig hiervon müssen sich Vertragsparteien, die ihre wechselseitigen Rechte und Pflichte in – wie hier – umfangreichen Vertragswerken fixiert haben, in einem Statusfeststellungsverfahren indes betonen, der Vertrag sei abweichend hiervon „gehandhabt“ worden, fragen lassen, aus welchen Gründen sie dann überhaupt eine schriftliche Fixierung vorgenommen haben. Divergierende Darstellungen der Tätigkeit gegenüber Finanzbehörden einerseits und Sozialversicherungsträgern andererseits sind zu missbilligen und können strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Es steht nicht zur Disposition der Vertragsparteien, die Wirkungen eines aus steuer- oder haftungsrechtlichen Gründen abgeschlossenen wirksamen Vertrages nach Maßgabe der Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (BSG, Urteil vom 19. September 2019 – B 12 R 25/18 R –, juris, Rn. 24 m.w.N.)

 

(4) Es ist daher nicht nur unbeachtlich, ob ein nach den Vereinbarungen zu Weisungen befugter Vertragspartner hiervon Gebrauch macht, sondern auch, ob eine Vertragspartei sich pflichtwidrig verhält und gegen vertragliche Vereinbarungen verstößt. Aus der nur faktischen Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechts kann schon nicht auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R –, Rn. 25; Urteil vom 29. August 2012 – B 12 R 14/10 R –, Rn. 23; jeweils juris und m.w.N.). Auch der Charakter eines Arbeitsverhältnisses wird nicht dadurch beeinflusst, dass z.B. der Arbeitnehmer seiner Arbeitspflicht nicht in vollem Umfang nachkommt oder der Arbeitgeber durch unregelmäßige und/oder unvollständige Lohnzahlungen gegen seine Vergütungspflicht verstößt.

 

2. Nach dem unter 1. festgestellten Vertragsinhalt liegt im Verhältnis zwischen der Klägerin, IC und dem Beigeladenen keine Arbeitnehmerüberlassung vor. Die Frage, ob im Falle einer unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung wegen § 10 Abs. 1 Satz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Beigeladenen und IC fingiert würde und letzterer als Arbeitgeberin nach § 28e Abs. 1 SGB IV die Zahlungspflicht hinsichtlich des Gesamtsozialversicherungsbeitrags obläge (vgl. (BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, juris, Rn. 12), stellt sich daher nicht.

 

a. Arbeitnehmer- bzw. Personalüberlassung ist – als eine Erscheinungsform drittbezogenen Personaleinsatzes – durch ein dreipoliges Rechtsverhältnis gekennzeichnet, in dem ein Verleiher Arbeitnehmer oder sonstiges Personal vertraglich mit dem Ziel an sich bindet, dass sie für Dritte (Entleiher) tätig werden. Auf der Grundlage eines Leih- oder Überlassungsvertrages überlässt der Verleiher dem Entleiher dieses Personal. Während der Verleiher im Verhältnis zu seinem Personal zur Zahlung der mit ihm vereinbarten Vergütung verpflichtet bleibt, beschränkt sich seine Verpflichtung gegenüber dem Entleiher darauf, geeignetes Personal zur Verfügung zu stellen. Dieser ist zwar kraft entsprechender Delegation durch den Verleiher zur Erteilung von Weisungen gegenüber dem überlassenen Personal berechtigt, mit diesem aber in keiner Weise vertraglich verbunden. Keine Arbeitnehmer- oder Personalüberlassung liegt hingegen vor, wenn Arbeitnehmer oder sonstiges Personal sich zwar gegenüber ihrem Arbeit-/‌Auftraggeber verpflichten, für ihn bei Dritten tätig zu werden, zwischen letzteren hingegen nicht die Überlassung von Arbeitnehmern oder sonstigem Personal, sondern eine Dienstleistung vereinbart wird, die ggf. unter Zuhilfenahme eigenen Personals als Erfüllungsgehilfen i.S.v. § 278 BGB erbracht werden kann (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 17/19 R –, Rn. 15; Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 12/17 R –, Rn. 33 ff.; jeweils juris).

 

b. Nach diesen Kriterien wurde der Beigeladene für die Klägerin nicht im Rahmen einer Arbeitnehmer- oder sonstigen Personalüberlassung, sondern als deren Erfüllungsgehilfe im Rahmen einer von ihr gegenüber IC übernommenen Dienstleistungspflicht tätig. Dies ergibt sich insbesondere aus dem RDV, dessen Regelungen mehrfach zum Ausdruck bringen, dass sein Inhalt nicht in der Überlassung von Personal an IC durch die Klägerin besteht, sondern in einer von der Klägerin geschuldeten Dienstleistung aus dem IT-Bereich, die sie mithilfe eigenen Personals (Mitarbeiter oder Unterauftragnehmer bzw. das Technik-Team) erbringt. Dies verdeutlicht bereits Satz 3 der Präambel („Die Parteien möchten die grundlegenden Bestimmungen für diese Dienstleistungen festlegen, um die Durchführung einzelner Projekte für solche zukünftigen Dienstleistungen zu vereinfachen und zu beschleunigen.“) und setzt sich fort in Bestimmungen zur Verantwortung der Klägerin „für die Erfüllung der Leistungsbeschreibung“ (Nr. 2.8 RDV), zur Benennung eines „vor Ort beauftragten Vorgesetzten/Leiter[s], der […] das Projekt leitet und den Mitarbeitern des Auftragnehmers und dem Unterauftragnehmer Anweisungen und Auskünfte erteilt“ (Nr. 2.9 RDV), zur Verpflichtung der Klägerin, „Unterstützungs-, Betreuungs- und Beratungsleistungen [zu] erbringen oder die Liefergegenstände [zu] liefern“ (Nr. 2.10 RDV) bzw. „die Dienstleistung mit voller Funktionalität [zu] entwickeln und bereit[zu]stellen“ (Nr. 2.11 RDV). Hiermit in Übereinstimmung haben die Klägerin und der Beigeladene einen ausdrücklich als solchen bezeichneten Dienstleistungsvertrag geschlossen und konsequent den Vertragsgegenstand als Dienstleistung qualifiziert (vgl. die Definitionen zu „Kunde“ und „Dienstleistung“ in Nr. 1.1 DLV und die Regelungen in Nr. 2.1.3, 2.1.8, 2.1.9, 3.1, 3.6 und 4.1.7). Demgegenüber fällt im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände nur gering ins Gewicht, dass die Klägerin nach Abschnitt A DLV „sich darauf spezialisiert [hat, ihren] Kunden für spezielle projektbasierte Anforderungen die Dienstleistungen freiberuflicher Mitarbeiter zu vermitteln“. Denn hierbei handelt es sich nur um eine für die Auslegung der DLV nebensächliche Selbstbeschreibung der Klägerin.

 

3. Gemessen an dem unter I. dargestellten Maßstab ist die Tätigkeit des Beigeladenen für die Klägerin auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtschau und Abwägung aller maßgeblichen Umstände dem Typus der Beschäftigung zuzuordnen.

 

a. Der Beigeladene unterlag umfassenden Vorgaben in Bezug auf Ort, Zeit und Inhalt seiner Tätigkeit.

 

Im Hinblick auf den Ort der zu verrichtenden Tätigkeit war der Beigeladene an das Betriebsgelände von IC in N gebunden. Dass ihm dort kein konkreter Arbeitsplatz, etwa in Gestalt eines bestimmten Schreibtisches in einem bestimmten Raum, zugewiesen war, ist insofern ohne Belang. Denn sein Arbeitsort war mit dem Betriebsgelände von IC in N hinreichend konkretisiert. Außerdem unterlag der Beigeladene weitergehenden Vorgaben, weil er sich nur in bestimmten Bereichen des Betriebsgebäudes von IC aufhalten durfte.

 

In zeitlicher Hinsicht war der Beigeladene an die o.g. Servicezeiten zwischen 8 und 20 Uhr gebunden. Selbst wenn er insoweit gewisse Freiheiten gehabt haben sollte, was die Verteilung der insgesamt durchschnittlich 168 Stunden je Monat auf einzelne Tage und Tageszeiten anbelangt, entkräftet dies die grundsätzliche Bindung an von der Klägerin bzw. IC vorgegebene, einseitig an deren Bedürfnissen und Interessenlage ausgerichtete (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, juris, Rn. 29) Arbeitszeiten nicht. Denn diese Freiheit besteht auch bei arbeitsvertraglich vorgesehener oder erlaubter Gleitzeit, ohne dass dies als Indiz für eine selbständige Tätigkeit zu werten wäre.

 

Der Beigeladene unterlag in für Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisse charakteristischer Weise einer umfassenden Überwachung und Kontrolle durch die Klägerin. Beides kann diese nur auf der Grundlage umfassender Weisungsrechte wirksam aus­üben. Selbst wenn die Klägerin im Hinblick auf die seitens IC an den Beigeladenen gerichteten Arbeitsaufgaben diesem aufgrund seiner besonderen fachlichen Kompetenzen im Bereich von Mobiltelefonen und Netzwerken sowie deren Interaktion keine konkreten fachlichen Weisungen erteilen konnte, waren diese inhaltlichen Freiheiten zum einen Folge einer Übertragung größerer Eigenverantwortung (BSG a.a.O.) und zum anderen der Tätigkeit jeder Art hochspezialisierten Personals immanent (vgl. Schlegel, NZA-Beilage 2016, 13 ff.), sodass allein hieraus nichts für die Statusfrage abgeleitet werden kann.

 

b. Ein (ggf. auch erheblich) eingeschränktes Weisungsrecht schließt indes die Zuordnung zum Typus der Beschäftigung dann nicht aus, wenn es zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert ist (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, Rn. 15 ff.; Urteil vom 27. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, Rn. 13 ff.; Senat, Urteile vom 23. Juni 2022 – L 4 BA 4/18 und L 4 BA 52/18; jeweils juris). Auch solche Dienste werden als Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben und in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (BSG, Urteil vom 19. Juni 2001 – B 12 KR 44/00 R –, juris). Solange jemand in einen für ihn fremden, d.h. den Interessen eines anderen dienenden und von seinem Willen beherrschten Betrieb eingegliedert ist und damit der objektiven Ordnung dieses Betriebes unterliegt, ist er beschäftigt (BSG, Urteil vom 18. November 1980 – 12 RK 76/79 –, juris).

 

Ein solcher Fall einer Integration in von anderer Seite vorgegebene Betriebsabläufe liegt hier vor. Der Beigeladene war bei der Bearbeitung der ihm von der IC erteilten Einzelaufgaben für die Beigeladene in deren Betrieb und nicht in seinem eigenen tätig. Für den hier vorliegenden drittbezogenen Personaleinsatz ist insoweit nicht nur die Möglichkeit zur Delegation der Weisungsbefugnis an den Vertragspartner des Arbeit-/‌Auftraggebers charakteristisch (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 12/17 R –‍, Rn. 33 ff.), sondern auch, dass sich die Eingliederung in den auf Personalüberlassung ausgerichteten Betrieb des Arbeit-/Auftraggebers in der Integration des Erwerbstätigen in die betriebliche Organisation dieses Vertragspartners verkörpert (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R –, juris, Rn. 19).

Der Beigeladene übte nicht nur seine Tätigkeit stets in den Räumen von IC aus, sondern ihm wurden von dieser auch die für die Erledigung seiner Arbeitsaufgaben benötigten Informationen, Gegenstände und Geräte (wie Laptops) sowie die Rechte auf Zugang zu ihrer Infrastruktur Hard- und Software zur Verfügung gestellt. Er hätte die geschuldete Leistung in der tatsächlich durchgeführten Art und Weise nicht ohne die von IC zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel erbringen können. Ob dies – wie die Klägerin meint – nur als „Zugangsmittel zu den dort bestehenden Systemen“ zu qualifizieren war, ist unerheblich. Aus welchen Gründen eine Tätigkeit nach Weisungen und unter Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation statt weisungsfrei ausgeübt wird, spielt – wie bereits unter I. dargelegt – keine Rolle. Daher überzeugt auch der klägerseitige Einwand nicht, die dem Beigeladenen als Arbeitsmittel zur Verfügung gestellte Software sei auf dem freien Markt nicht erhältlich.

 

c. Für eine Beschäftigung spricht ferner, dass sich die Vergütung ausschließlich nach dem zeitlichen Umfang des geleisteten Arbeitsaufwandes richtete (hierzu BSG, Urteile vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – und vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R –; Senat, Urteil vom 18. November 2022 – L 4 BA 33/18 –; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Dezember 2015 – L 9 KR 82/13 –; jeweils juris, m.w.N.). Es ist arbeitnehmertypisch und spricht für eine Beschäftigung, wenn – wie hier – Erwerbstätigen die Vergütung unabhängig vom Ergebnis ihrer Tätigkeit und unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg des Auftraggebers zusteht und sie keine Vergütungsabzüge wegen Schlechtleistung zu befürchten haben (BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 – B 12 KR 17/00 R –; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Mai 2014 – L 9 KR 449/12 –; jeweils juris; Mette, NZS 2015, 721).

 

d. Der Beigeladene war, wie für Arbeitnehmer nach § 613 Satz 1 BGB typisch (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R –, m.w.N.; Senat, Urteil vom 18. November 2022, a.a.O.; jeweils juris), persönlich zur Leistung verpflichtet und durfte diese nicht nach eigenem Gutdünken an Dritte delegieren. Unabhängig hiervon käme einer Delegationsbefugnis des Auftragnehmers nur dann Bedeutung zu, wenn Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbständige Tätigkeit angesehen werden kann (BSG a.a.O.). Dies ist hier nicht der Fall.

 

e. Der Beigeladene trug kein unternehmerisches Risiko.

 

aa. Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen. Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (BSG, Urteile vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, und vom 31. März 2015 – B 12 KR 17/13 R –, jeweils juris und m.w.N.).

 

bb. Der Beigeladene setzte seine Arbeitskraft nicht mit dem Risiko ein, keine Vergütung zu erhalten. Dem stand grundsätzlich schon die Vergütung nach Zeiteinheiten (s.o.) entgegen. Dass der Beigeladene ggf. durch eine die Klägerin bzw. IC in besonderem Maße zufriedenstellende Leistung die Aussicht auf weitere Verträge/Aufträge steigerte und damit für sich weitere Verdienstchancen schuf, unterscheidet sich nicht von der Situation Beschäftigter, die durch besonders gute Leistungen ihre Chancen auf eine Gehaltserhöhung steigern. Im Übrigen schuldete der Beigeladene nur den Einsatz seiner Arbeitskraft. Abzüge für eine etwaige Schlechtleistung hatte er nicht hinzunehmen. Die Überbürdung des Risikos, bei krankheits- oder urlaubsbedingten Ausfällen kein Honorar zu erhalten, wie es hier vereinbart worden ist, spricht nur dann für Selbständigkeit, wenn dem auch eine größere Unabhängigkeit oder höhere Verdienstchancen gegenüberstehen. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbständigkeit. Eine Möglichkeit, durch Mehrarbeit über durchschnittlich 168 Stunden monatlich hinaus einen höheren Verdienst zu erzielen, bestand nicht. Die Befristung der mit der Klägerin geschlossenen Verträge vermag ein Unternehmerrisiko während der Arbeit für sie nicht zu begründen (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 – B 12 KR 17/00 R –, Rn. 24, juris).

 

cc. Ob der Beigeladene darüber hinaus auch keinem Kapitalrisiko unterlag oder dieses Kriterium angesichts seiner rein dienstleistenden Tätigkeit als IT-Berater von vornherein nicht zum Tragen kommt (so für Bühnenkünstler: BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 3/17 R –, Rn. 18; anders möglicherweise für Fahrkartenkontrolleure: BSG, Urteil vom 21. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, Rn. 22; jeweils juris), kann angesichts des eindeutig fehlenden Vergütungsrisikos dahinstehen.

 

f. Dass der Beigeladene auch für andere Auftraggeberinnen tätig werden wollte, ist für die Beurteilung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin grundsätzlich unerheblich. Wie § 8 Abs. 2 und 3 SGB IV belegen, geht der Gesetzgeber davon aus, dass mehrere Beschäftigungen und/oder selbständige Tätigkeiten parallel ausgeübt werden können. Zwar kann eine Tätigkeit für andere Auftraggeber ein Indiz für eine ganz erhebliche Dispositionsfreiheit in Bezug auf die zu beurteilende Tätigkeit sein, wenn sie in relevantem Umfang oder sogar schwerpunktmäßig stattfindet, weil sie dann die zeitliche Verfügbarkeit Erwerbstätiger erheblich einschränkt. Das gilt hier aber nicht, weil der Beigeladene tatsächlich nicht für andere Auftraggeberinnen tätig war und eine solche weitere Tätigkeit in relevantem zeitlichen Umfang neben der monatlich im Durchschnitt 168 Stunden umfassenden Tätigkeit für die Klägerin nicht möglich war (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 – B 12 KR 17/00 R –, juris, Rn. 22).

 

g. Weitere klägerseitig hervorgehobene Umstände sprechen nur scheinbar für eine selbständige Tätigkeit.

 

aa. Hierzu zählen vertragliche Vereinbarungen, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw. Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw. zu vermeiden (z.B. Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bei Urlaub bzw. von Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu werden oder für eine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen). Solche Abreden lassen ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zu (vgl. auch § 32 SGB I). Darüber hinaus kommt solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des § 7 Abs. 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu (BSG, Urteil vom 18. November 2015, a.a.O.; Senat, Urteil vom 18. November 2022, a.a.O.; jeweils m.w.N.). Werden die entsprechenden Rechte dem Erwerbstätigen hingegen ausdrücklich vertraglich eingeräumt, spricht dies entscheidend für den Willen der Vertragsparteien, ein Arbeits- und somit auch ein Beschäftigungsverhältnis zu begründen (Senat a.a.O., m.w.N.).

 

bb. Auf die Höhe der Vergütung kommt es nur dann an, wenn die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Dies ist hier nicht der Fall. Im Übrigen steht den Beteiligten nicht die Dispositionsfreiheit zu, sich von der Sozialversicherungspflicht "freizukaufen" (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 1/21 R –, juris, Rn. 29)

 

cc. Die Verpflichtung zum Abschluss einer Vermögenshaftpflichtversicherung ist kein speziell für eine selbständige Tätigkeit sprechendes Merkmal. Sie beeinflusst weder die Eingliederung in den Betrieb noch die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien (BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 – B 12 KR 17/00 R –, Rn. 24, juris).

 

dd. Ein schwaches Indiz für eine selbständige Tätigkeit könnte darin liegen, dass der Beigeladene seine Leistung nebst Umsatzsteuer in Rechnung stellte. Formalen Kriterien dieser Art kommt indes eine sehr geringe Bedeutung (LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 14. Dezember 2016 – L 9 KR 344/13 – und 15. Dezember 2015 – L 9 KR 82/13 –‍, juris) oder gar keinerlei Indizwert (BSG, Urteil vom 21. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, juris, Rn. 24) zu, weil sie sich nur als die Konsequenz aus der – nach dem o.G. hier irrelevanten – Absicht der Vertragsparteien darstellt, kein zur Versicherungspflicht führendes Beschäftigungsverhältnis begründen zu wollen.

 

h. Dem vom Senat gefundenen Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Beigeladene zu 4 den Beigeladenen auf Antrag gemäß § 28a SGB III pflichtversichert und hierbei eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zugrunde gelegt hat. Zum einen nimmt die Prämisse der Beigeladenen zu 4, der Beigeladene übe seine versicherte Tätigkeit selbständig aus, als Begründungselement nicht an der Bestandskraft (§ 77 SGG) ihrer (nur) Versicherungspflicht feststellenden Bescheide teil. Zum anderen können diese Feststellungen die anderen Beteiligten des hiesigen Rechtsstreits, die an dem bei der Beigeladenen zu 4 geführten Verwaltungsverfahren nicht beteiligt waren, nicht binden.

 

4. Ginge man mit der Klägerin davon aus, der Beigeladene habe seine Tätigkeit hinsichtlich Zeit und Ort der Dienstleistung weitgehend frei ausgeübt, würde dies keine andere Beurteilung rechtfertigen.

 

a. Fehlende feste Arbeits- oder Bürozeiten in Kombination mit einer in der eigenen Wohnung vollzogenen Aufgabenerledigung bei gleichzeitiger Einbindung in eine nicht selbstgeschaffene betriebliche Organisation standen schon in der Vergangenheit einer Qualifizierung als Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn nicht entgegen (BSG, Urteil vom 18. November 1980 – 12 RK 76/79 –, juris). Aufgabe von Rechtsprechung ist es aber auch, die herkömmlichen Kriterien entsprechend der Entwicklungen der Arbeitswelt teleologisch weiterzuentwickeln. In diesem Zusammenhang lässt sich feststellen, dass Freiheiten bei Ort und Zeit der Tätigkeit in der modernen Arbeitswelt nicht zwingend für Selbständigkeit sprechen (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, Rn. 15; Urteil vom 18. November 2015 ­– B 12 KR 16/13 R –‍‍, Rn. 36; jeweils juris und m.w.N.). Dies gilt insbesondere in den zunehmend entmaterialisierten Betrieben der IT-Branche. Hier spielen Weisungsrechte des Arbeitgebers bzgl. Zeit, Ort und Art der Tätigkeit eine zunehmend geringere Rolle. An die Stelle von Weisungsrechten kann hier z.B. die Einbindung in das Informations- und Datennetz des Auftraggebers, die Abhängigkeit von dessen Datenorganisation und die Überwachung mittels Datenschatten treten. Ebenso vertretbar ist es, das Schwergewicht für die Statusabgrenzung auf andere Kriterien wie das Vergütungsrisiko bei erfolglosen Bemühungen oder in Zeiten der Krankheit oder bei Urlaub zu legen (Schlegel a.a.O.).

 

b. Freiheiten bei Ort und Zeit der zu erbringenden Dienstleistung stehen daher einer Zuordnung zum Typus der Beschäftigung nicht entgegen, wenn – wie hier – zugleich eine Eingliederung in eine nicht selbst bestimmte betriebliche Organisation besteht und es an jeglichem Vergütungsrisiko mangelt.

 

c. Unabhängig hiervon würde eine im Wesentlichen frei bestimmte Tätigkeit und Arbeitszeit jedenfalls bei beratenden Tätigkeiten – wie im vorliegenden Fall – eine so weitreichende freie Gestaltung der zu erbringenden Dienstleistungen voraussetzen, dass daneben eine weitere Tätigkeit in nicht unerheblichem Umfang möglich ist (BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 – B 12 KR 17/00 R –, juris, Rn. 22). Dies ist bei einer Arbeitsverpflichtung von durchschnittlich 160 Stunden monatlich (und – wie hier – mehr) nicht der Fall (BSG a.a.O.).

 

5. Selbst wenn man mit der Klägerin der Auffassung wäre, der Beigeladene habe weitreichende Freiheiten im Hinblick auf Zeit, Ort und inhaltlicher Gestaltung seiner Tätigkeit für die Klägerin genossen und sei auch nicht in deren Betriebsorganisation eingegliedert gewesen, sodass keine Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV vorgelegen habe, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn dann würde der Beigeladene als Heimarbeiter gemäß § 12 Abs. 1, Hs. 2 SGB IV als Beschäftigter gelten.

 

a. Heimarbeiter sind sonstige Personen, die in eigener Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Gewerbetreibenden, gemeinnützigen Unternehmen oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften erwerbsmäßig arbeiten, auch wenn sie Roh- oder Hilfsstoffe selbst beschaffen; sie gelten als Beschäftigte (§ 12 Abs. 1 SGB IV). Der sozialversicherungsrechtliche Begriff der Heimarbeit stimmt im Wesentlichen mit dem arbeitsrechtlichen Begriff überein. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Heimarbeitsgesetz (HAG) ist Heimarbeiter, wer in selbstgewählter Arbeitsstätte (eigene Wohnung oder Betriebsstätte) allein oder mit seinen Familienangehörigen im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern erwerbsmäßig arbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überlässt.

 

Der sozialversicherungsrechtliche Begriff der Heimarbeit ist somit nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 SGB IV zwar etwas anders gefasst als der arbeitsrechtliche nach § 2 Abs. 1 HAG. Die Abweichung beschränkt sich allerdings darauf, dass sozialversicherungsrechtlich die Mitarbeit von dritten Personen (Familienangehörigen) nicht umfasst, die Festlegung der möglichen Auftraggeber hingegen weiter gefasst ist (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 18. Juni 2020 – L 8 BA 36/19 –, juris, Rn. 21 ff.; Grimmke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, Stand: 1. August 2021, § 12 SGB IV, Rn. 42 ff.; Stäbler, NZS 2020, 775). Auf diese Differenzierung kommt es im vorliegenden Fall jedoch nicht an, so dass im Hinblick auf die Qualifizierung der Tätigkeit des Beigeladenen für die Klägerin als Heimarbeit die maßgebliche Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 14. Juni 2016 – 9 AZR 305/15 –, juris, Rn. 43 ff., m.w.N.) zugrunde gelegt werden kann (vgl. Grimmke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, Stand: 1. August 2021, § 12 SGB IV, Rn. 42 ff.; Segebrecht, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, § 7 Abs. 1 (Stand: 6. September 2021), Rn. 226; Stäbler, NZS 2020, 775).

 

b. Der Beigeladene war im Auftrag der Klägerin, die ein Gewerbe betreibt, in selbstgewählter Arbeitsstätte, der eigenen Wohnung, erwerbsmäßig tätig.

 

aa. Der Beigeladene arbeitete erwerbsmäßig, weil seine Tätigkeit für die Klägerin auf eine gewisse Dauer angelegt war und zum Lebensunterhalt beitragen sollte (vgl. BAG a.a.O., m.w.N.).

 

bb. Der Einordnung des Vertragsverhältnisses der Parteien als Heimarbeitsverhältnis steht nicht entgegen, dass es sich bei den vom Beigeladenen verrichteten Arbeiten um Tätigkeiten handelt, die eine höherwertige Qualifikation erfordern. Auf eine Verkehrsanschauung dahingehend, ob es sich um gewerbliche Tätigkeiten handelt, kommt es seit der Einführung des Tatbestandsmerkmals „erwerbsmäßig“ unter gleichzeitiger Streichung des Merkmals „gewerblich“ nicht mehr an. Ebenso wenig ist eine nach der Verkehrsanschauung bestehende besondere Schutzbedürftigkeit erforderlich (BAG a.a.O. m.w.N.).

 

cc. Unerheblich ist auch der zeitliche Umfang der Tätigkeit, die Höhe des Verdiensts und ob der Lebensunterhalt überwiegend mit Heimarbeit verdient wird (BAG a.a.O. m.w.N.).

 

dd. Der Beigeladene war auch auf Rechnung der Klägerin tätig. Dieses Tatbestandsmerkmal des § 12 Abs. 2 Satz 1 SGB IV entspricht der in § 2 Abs. 1 Satz 1 HAG vorgesehenen, dem Gewerbetreibenden überlassenen Verwertung der Arbeitsergebnisse. Es ist erfüllt, weil der Beigeladene nicht nur verpflichtet war, der Klägerin oder deren Kunden oder anderen von der Klägerin hierzu ermächtigten Personen sämtliche Arbeitsergebnisse sowie die hierauf bezogenen Informationen und Daten, Erläuterungen und Anweisungen zu überlassen (Nr. 6.1 LDV), sondern auch zur Abtretung aller mit den Arbeitsergebnissen verbundenen geistigen Eigentums-, Urheber- und Patentrechte durch den Beigeladenen an die Klägerin (Nr. 6.2 bis 6.4 LDV).

 

ee. Sollte der Beigeladene die Möglichkeit gehabt haben, eigene Mitarbeiter als Erfüllungsgehilfen einzusetzen, stünde dies der Annahme eines Heimarbeitsverhältnisses nicht entgegen (BAG a.a.O. m.w.N.).

 

c. Diesem Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beigeladene nach seinen und der Klägerin Angaben nicht nur von zu Hause aus für IC tätig war. Denn zum einen konnte nach diesen Angaben der Beigeladene frei entscheiden, ob er im Gebäude der IC oder von zu Hause aus seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllen wollte, er daher seine Arbeitsstätte (täglich neu) wählen konnte. Zum anderen zwingt ein argumentum a maiore ad minus zu diesem Ergebnis: Wenn schon der ausschließlich zu Hause Tätige über die Fiktion einer Beschäftigung gemäß § 12 Abs. 2, Hs. 2 SGB IV in die Sozialversicherungspflicht einbezogen ist, muss dies erst recht für Personen gelten, die – wie der Beigeladene nach eigenen Angaben – nur zeitweise zu Hause arbeitet, in der Wahl des Arbeitsortes hingegen grundsätzlich frei ist.

 

d. Unerheblich ist ferner, dass die Beklagte in den streitigen Bescheiden von einer Beschäftigung des Beigeladenen ausgegangen ist. Hierbei handelt es sich nach dem Wortlaut der Bescheide nur um ein Begründungselement. Der Senat ist bei – wie hier – gebundenen Entscheidungen der Verwaltung jedoch frei, deren im Verfügungssatz zum Ausdruck kommendes Ergebnis durch eine andere tragfähige Begründung, auch eine andere Rechtsgrundlage, zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 2020 – B 4 AS 46/20 R –, juris, Rn. 21; Hessisches LSG a.a.O.).

 

III. Für den Zweck der Statusfeststellung ist ausreichend, wenn zum Anknüpfungssachverhalt der Versicherungspflicht hinreichend erkennbar wird, dass die Beschäftigung lediglich bei Ausführung der konkreten Einzelaufträge vorliegt. Eine kalendermäßige Bestimmung der einzelnen Einsätze ist für die Feststellung der Versicherungspflicht im Statusfeststellungsverfahren grundsätzlich nicht erforderlich. Dies gilt auch bei einem Antrag für zurückliegende Tätigkeiten (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 KR 29/19 R –; Beschluss vom 1. Februar 2022 – B 12 R 41/20 B –, Rn. 14, m.w.N.; Senat, Urteil vom 23. Juni 2022 – L 4 BA 4/18 –, Rn. 126; jeweils juris). Es ist daher unschädlich, dass die Beklagte für den gesamten streitigen Zeitraum ab dem 1. März 2012 Versicherungspflicht festgestellt hat, obwohl es für den 29. und 30. September 2012 an einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen fehlt.

 

IV. Rechtswidrig sind die Bescheide der Beklagten indes, soweit darin für das Jahr 2013 Versicherungspflicht des Beigeladenen in der KV und PV festgestellt wird.

 

In der KV sind Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) übersteigt versicherungsfrei (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Absätze 6 und 7 SGB V); für diesen Personenkreis besteht auch in der PV keine Versicherungspflicht (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI) . Da der Beigeladene zwischen März und Dezember 2012 in der Beschäftigung bei der Klägerin Arbeitsentgelt in Höhe von 86.695 € (monatlich durchschnittlich 9.632,78 €) erzielte und sein Jahresarbeitsentgelt somit die für das Jahr 2012 geltende JAEG i.H.v. 50.850 € (§ 4 Abs. 1 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung – SVRechGrV – 2012 vom 2. Dezember 2011, BGBl. I S. 2421) übertraf, endete seine Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V mit Ablauf des Jahres 2012. § 6 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht nicht entgegen, da im Rahmen der insoweit maßgeblichen prognostischen Beurteilung (grundlegend: BSG, Urteil vom 27. Juli 2011 – B 12 R 15/09 R –, juris, Rn. 16; beck-online Großkommentar/Peters, § 6 SGB V, Rn. 22; jeweils m.w.N.) am 31. Dezember 2012 keine Anhaltspunkte dafür erkennbar waren, dass sich das durchschnittliche monatliche Arbeitsentgelt des Beigeladenen in der Zeit bis zum Ende des bis zum 30. September 2013 befristeten Vertrags wesentlich ändern würde und der o.g. durchschnittliche monatliche Betrag somit als voraussichtliches durchschnittliches monatliches Arbeitsentgelt für die Monate Januar bis September 2013 zugrunde zu legen war. Das auf die Monate Januar bis September 2013 hochgerechnete voraussichtliche Jahresarbeitsentgelt des Beigeladenen belief sich (ebenfalls) auf 86.695 € und übertraf daher die JAEG für das Jahr 2013 i.H.v. 52.200 € (§ 6 Abs. 6 SGB V i.V.m. § 4 Abs. 1 SVRechGrV 2013 vom 26. November 2012 (BGBl. I S. 2361).

Wegen § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V bestand für 2012 hingegen Versicherungspflicht. Für das 2014 bestand Versicherungspflicht, weil eine Prognose am 31. Dezember 2013 nur die Zeit bis zum vertraglich vereinbarten Vertragsende am 31. März 2014 in den Blick nehmen konnte und der Beigeladene auf der Grundlage des durchschnittlich monatlich erzielten Arbeitsentgelts des Jahres 2013 (8.016,63 €) nicht die 2014 geltende JAEG in Höhe von 53.550 € (SVRechGrV 2014 vom 2. Dezember 2013, BGBl. I S. 4038) überschreiten würde.

 

V. Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin die von ihr ggf. für die Beschäftigung des Beigeladenen zu zahlenden Beiträge endgültig trägt. Soweit zwischen diesen beiden Beteiligten etwas anderes vereinbart sein sollte (etwa gem. Ziff. 4.1.10 DLV) verstieße dies gegen § 28g Satz 3 SGB IV und wäre gemäß § 32 SGB I nichtig.

 

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen diese aus Gründen der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO) selbst, weil sie keine Anträge gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen haben (BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 37/06 R –, juris). Eine Ausnahme gilt für die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1, soweit sie auf der Anordnung seines persönlichen Erscheinens beruhen (§ 197a Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 191 SGG).

 

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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