Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.04.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Bescheidung eines Antrags nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).
Die 1969 geborene Klägerin bezieht laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Beklagten.
Mit Schreiben vom 16.10.2017, bei der Beklagten eingegangen am 18.10.2017, wandte die Klägerin sich an den Fachdienstleiter für Leistungs- und Rechtsangelegenheiten. Er wisse selbst, dass Abzüge über 30% nicht zulässig seien. Das werde von der Leistungsabteilung nicht eingehalten und müsse daher von ihm abgeändert werden. Nach § 44 SGB X bestehe ein Anspruch auf Rücknahme, soweit 10% überschritten würden. Das sei bereits durch die Wohnkostenkürzung von 50,00 Euro der Fall. Zudem werde ein Darlehen aus dem Bereich Wohnen/Energie/Wohninstandhaltung seit August 2017 zusätzlich mit 40,90 Euro einbehalten und müsse ausgesetzt bzw. aufgrund von Stromkosten in Höhe von 33,00 Euro, die den Bereich bereits ausschöpften, erlassen werden. Die Rücknahme der Sanktion sei keine Ermessensentscheidung. Bereits einbehaltene Beträge von weiteren 40,90 Euro seien seit September 2017 zurückzuerstatten. Des Weiteren liege der Beklagten ein Widerspruch vom 24.08.2017 vor zu einer rechtswidrig bearbeiteten Vorschussleistung von 100,00 Euro, die im September 2017 noch zusätzlich abgezogen worden sei. Dieser Vorgang sei mit sofortiger Wirkung zurückzunehmen und auszuzahlen. Sie habe bereits mehrfach Mittellosigkeitsbeantragungen eingereicht, die ebenfalls nicht bearbeitet worden seien. Die Aushändigung von Lebensmittelgutscheinen sei per Gericht untersagt. Aufgrund der vorliegenden Mittellosigkeit sei die sofortige Bearbeitung und Auszahlung angebracht.
Mit Schreiben vom 27.10.2017 teilte der Fachdienstleiter Leistungs- und Rechtsangelegenheiten SGB II der Klägerin unter Bezugnahme auf ein weiteres Schreiben der Klägerin vom 20.10.2017 mit, ihrem Antrag vom 14.09.2017 auf Auszahlung des im September einbehaltenen Vorschusses in Höhe von 100,00 Euro sei mit Bescheid vom 23.10.2017 stattgegeben worden. Der Widerspruch gegen die Sanktion sei mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2017 zurückgewiesen worden, gegen den die Klage möglich sei. Soweit weiterhin Mittellosigkeit bestehe, werde wie bisher auf die Möglichkeit der Beantragung von Sachleistungen hingewiesen.
Mit Schreiben vom 07.11.2017 erinnerte die Klägerin an die Beantwortung ihres Schreibens vom 16.10.2017.
Am 21.05.2018 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben. Sie beantrage, „die Beklagte zu verurteilen, über die beantragte Abänderung der Sachbearbeitung auf Rechtmäßigkeit vom 16.10.2017 zu antworten bzw. zu bearbeiten“. Die Frist von einem halben Jahr sei bereits überschritten. Im vorliegenden Verfahren gehe es um die Abzüge, die rechtswidrigerweise weit über 30% lägen und über den Zeitraum September 2017 bis Mai 2018 betrieben worden seien. Der Klage sei stattzugeben und die zu hohen Abzüge über den Zeitraum August 2017 bis Mai 2018, so kurzfristig wie möglich, zu erstatten. Es bestehe ein Rechtsanspruch auf die einbehaltenen Darlehensrückzahlungsbeträge, sobald 10% an Abzügen überschritten seien.
Mit Schreiben vom 14.10.2020 hat das SG die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 16.10.2017 die Einbehaltung von Abzügen über 30% gerügt und diesbezüglich einen Antrag auf Überprüfung gemäß § 44 SGB X gestellt habe. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte über diesen Antrag rechtsmittelfähig entschieden habe. Vielmehr sei der Klägerin mit Schreiben vom 27.10.2017 lediglich mitgeteilt worden, dass der Antrag auf Auszahlung des einbehaltenen Vorschusses geprüft und der Widerspruch gegen die Sanktion zurückgewiesen worden sei.
Mit Bescheid vom 26.10.2020 hat die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 16.10.2017 auf Überprüfung wegen fehlender Bestimmtheit zurückgewiesen. Ein konkreter Bescheid, der zur Überprüfung herangezogen werden solle, sei nicht benannt worden. Der Antrag sei damit abzulehnen gewesen.
Mit Schreiben vom 06.11.2020 hat die Klägerin mitgeteilt, nur mit der Entscheidung über den Antrag sei das Verfahren nicht beendet. Es sei gar nichts geklärt.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, über die beantragte Abänderung der Sachbearbeitung auf Rechtmäßigkeit vom 16.10.2017 zu antworten bzw. zu bearbeiten.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Für sie sei nicht ersichtlich, was das konkrete Klagebegehren sei. Der einbehaltene Vorschuss sei ausgezahlt und die Beantragung von Lebensmittelgutscheinen angeboten worden. Soweit die Klägerin generell höhere Leistungsauszahlungen begehre, werde auf die mannigfaltig anhängigen Verfahren vor dem SG Gelsenkirchen und dem Landessozialgericht verwiesen. Den dortigen Ergebnissen können nicht durch rechtsgrundlose provisorische Gewährung vorgegriffen werden. Eine Aufrechnung aus dem Darlehensbescheid vom 27.11.2015 sei bei dem Sozialgericht unter dem Aktenzeichen S 36 AS 1039/17 anhängig. Dieses Darlehen sei jedoch in dem Zeitraum September 2017 bis Mai 2018, auf den die Klägerin sich bezieht, nicht aufgerechnet worden. Vielmehr sei die Aufrechnung zu diesem Zeitpunkt schon beendet gewesen. Es habe in dem Zeitraum auch keine Einbehaltung von mehr als 30% stattgefunden. Auf den Hinweis des Gerichts sei nunmehr der Überprüfungsbescheid vom 26.10.2020 ergangen. Die außergerichtlichen Kosten würden dem Grunde nach übernommen.
Nach Anhörung der Beteiligten mit Schreiben vom 12.11.2020 hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.04.2021 abgewiesen. Das Begehren der Klägerin sei darauf gerichtet, eine Bescheidung ihres Antrags im Wege der Untätigkeitsklage gemäß § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durchzusetzen. Die zulässige Klage sei unbegründet, da die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 26.10.2020 beschieden habe. Hierdurch sei die Untätigkeitsklage erledigt. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung bestehe nicht. Ein Klageänderungsantrag sei nicht erfolgt. Soweit die Klägerin die Auszahlung höherer Leistungen begehre, sei dies im Wege der Anfechtung der entsprechenden Bescheide durchzusetzen.
Gegen den am 23.04.2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27.04.2021 Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, Fehler in der Verwaltung zur unterlassenen Hilfeleistung seien vertuscht worden, ein mit Fehlern durchspicktes Strafverfahren sei daraus hervorgegangen. Die zu hohen Abzüge seien abzuändern und auszuzahlen, das Strafverfahren aufzuheben, der Berufung stattzugeben. Der Bescheid vom 26.10.2020 greife zudem nicht die ganze Untätigkeit auf.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.04.2021 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die zu hohen Abzüge abzuändern und auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Klägerin vermenge offenbar diverse Verfahren. Zudem verkenne sie, dass Ziel der Untätigkeitsklage lediglich die begehrte Bescheidung sei, nicht jedoch eine bestimmte materiell-rechtliche Entscheidung erwirkt werden könne. Die vorgetragenen Begehren könnten in diesem Verfahren nicht erreicht werden.
Mit Schreiben vom 25.02.2022, bei Gericht eingegangen am 28.02.2022, teilt die Klägerin mit, es sei Hartz 4-Empfängern nicht möglich, Ende des Monats für eine Zugfahrt 12,40 Euro zu bezahlen, um eine Berufung, bei der es um Mittellosigkeit gehe, zu besprechen. Freiwilliges Erscheinen ohne Erstattung der Kosten zeuge von fehlender sozialer Kompetenz.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Streitsache entscheiden, obwohl für die Klägerin niemand zum Termin erschienen ist, denn die Klägerin ist mit Postzustellungsurkunde, die am 08.02.2022 in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt wurde, geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Über den mit Schreiben vom 25.02.2022 sinngemäß gestellten Antrag auf Bewilligung der Fahrtkosten zur mündlichen Verhandlung bzw. Gewährung eines Reisekostenzuschusses konnte der Senat nicht mehr entscheiden, da das vom Terminstag stammende und per Post übersandte Schreiben erst am 28.02.2022 und damit erst nach der mündliche Verhandlung vom 25.02.2022 eingegangen ist. Das Gericht ist auch grundsätzlich nicht verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, etwa durch Anordnung der Übernahme der Fahrtkosten, dass jeder Beteiligte auch persönlich vor Gericht auftreten kann (BSG, Beschluss vom 13.11.2017 – B 13 R 152/17 B -, juris Rn. 11). Die Anordnung des persönlichen Erscheinens kann aber im Ausnahmefall geboten sein, etwa wenn der schriftliche Vortrag eines Beteiligten wegen Unbeholfenheit oder Sprachunkenntnis keine Sachverhaltsaufklärung gewährleistet und ein Erscheinen auf eigene Kosten undurchführbar ist (vgl. BSG, aaO). Die Klägerin war zu umfangreichem schriftlichen Vortrag in der Lage und hat von dieser Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen, auch Gebrauch gemacht.
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2 SGG).
II. Die Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug genommen. Diese macht sich der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen zu Eigen.
Mit der Berufung sind keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht worden. Sie ist mithin nicht geeignet, eine der Klägerin günstigere Entscheidung zu rechtfertigen. Eine „Abänderung der zu hohen Abzüge“, wie von der Klägerin begehrt, ist in dem vorliegenden Verfahren nicht möglich, da die entsprechenden Bescheide nicht streitgegenständlich sind.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
IV. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).