L 5 KR 76/22 B ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 5 KR 143/22 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 76/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Ein Verlangen der Krankenkasse nach § 240 Abs. 4a Satz 4 SGB V, die tatsächlichen Einnahmen nachzuweisen, setzt voraus, dass diese den Nachweis mit Hinweis auf die Dreijahresfrist ernsthaft fordert. Einer Rechtsfolgenbelehrung bedarf es nicht.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 8. Juli 2022 aufgehoben. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.

 

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

 

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über Beiträge in der freiwilligen Versicherung.

Der Antragsteller war seit 2011 Mitglied bei der Antragsgegnerin. Im Jahr 2018 war er als hauptberuflich Selbständiger freiwillig versichert. Die Antragsgegnerin berechnete die Beiträge mit Bescheid vom 22. Dezember 2017 zunächst vorläufig in Höhe von monatlich 398,52 EUR (inkl. Zusatzbeitrag und Pflegeversicherung). Durch weitere Bescheide im Jahr 2018 wurde die Beitragsforderung deutlich abgesenkt, insbesondere für den Zeitraum April bis Dezember 2018 auf monatlich 177,12 EUR (Bescheid vom 7. Dezember 2018). Unter dem fettgedruckten Hinweis „Wichtig:“ wies die Antragsgegnerin den Antragsteller auch in diesem Bescheid auf die Vorläufigkeit der Festsetzung sowie die rückwirkend endgültige Festsetzung nach Eingang des Einkommensteuerbescheids hin und bat den Antragsteller darum, ihr den Einkommensteuerbescheid zuzusenden, sobald dieser ihm vorliege.

Mit Schreiben vom 11. November 2021 und 13. Dezember 2021 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller dazu auf, seinen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 zwecks endgültiger Berechnung einzureichen. Das Aufforderungsschreiben vom 13. Dezember 2021 enthielt folgenden Hinweis:

„Bitte schicken Sie uns eine Kopie aller Seiten Ihres Einkommensteuer-Bescheids für 2018. Wir brauchen Ihre vollständigen Unterlagen bis zum 31. Dezember 2021. Ansonsten müssen wir Ihre monatlichen Beiträge anhand der geltenden Beitrags-Bemessungsgrenze 2018 in Höhe von 4.425 EUR endgültig festsetzen. Ist Ihr Einkommen tatsächlich geringer, können wir das nicht rückwirkend berücksichtigen.“

Der Aufforderung kam der Antragsteller bis zum Jahresende 2021 nicht nach.

Mit Bescheid vom 29. Januar 2022 setzte die Antragsgegnerin den Beitrag in Höhe von insgesamt monatlich 772,17 EUR fest und verlangte die Nachzahlung von insgesamt 7.698,21 EUR. Weil der Antragsteller den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 nicht eingereicht habe, sei sie gesetzlich verpflichtet, die Beiträge auf Basis der geltenden Beitragsbemessungsgrenze zu berechnen und endgültig festzusetzen.

Erstmals mit E-Mail vom 2. Februar 2022 reichte der Antragsteller den Einkommensteuerbescheid für 2018 vom 23. September 2020 ein, der für den Antragsteller einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 1.742,00 EUR der Besteuerung zugrunde gelegt hatte.

Mit E-Mail vom 21. Februar 2022 legte der Antragsteller gegen den Bescheid vom 29. Januar 2022 Widerspruch ein. Zur Begründung machte er geltend, dass die Beitragsberechnung nicht der Realität entspreche. Mehrfach habe er telefonisch mitgeteilt, dass sein Jahresgewinn deutlich unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liege.

Am 9. Juni 2022 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Lübeck um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht, um von Vollstreckungsmaßnahmen der Antragsgegnerin verschont zu bleiben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass die Rechtslage nicht eindeutig geklärt und es ihm angesichts seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unzumutbar sei, eine Geldsumme in dieser Höhe als Einmalzahlung zu leisten. Zu Ratenzahlungen sei er bereit.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie hat ihr bisheriges Vorbringen vertieft.

Mit Beschluss vom 8. Juli 2022 hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 29. Januar 2022 angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids beständen und der Widerspruch daher voraussichtlich Erfolg habe. Die Antragsgegnerin sei der ihr in § 240 Abs. 4a Satz 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gestellten Aufgabe, den Antragsteller auf die drohende Rechtsfolge der Festsetzung von Höchstbeiträgen deutlich hinzuweisen, nicht ausreichend nachgekommen. Das in der Vorschrift bezeichnete Verlangen der Krankenkasse, das eine Warnfunktion habe, müsse sehr deutlich ausfallen. Hierfür sei mindestens erforderlich, dass die bei Nichteinreichung des Steuerbescheids bis zum Jahresende zwingend und nicht mehr rückgängig zu machende Rechtsfolge der ansonsten drohenden Festsetzung von Höchstbeiträgen für das betreffende Kalenderjahr klar benannt werde. Noch besser sei es, wenn die Auswirkung dieser Rechtsfolge durch eine auf den Einzelfall bezogene Bezifferung der beabsichtigten Beitragsfestsetzung verdeutlicht werde. Bereits die Mindestvoraussetzungen würden durch das Schreiben der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2021 allerdings nicht gewahrt, weil die Antragsgegnerin lediglich auf die Festsetzung der Beiträge auf Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze hingewiesen habe, über die ein allgemein verbreitetes Wissen nicht vorausgesetzt werden könne. Weil der Hinweis im Ergebnis nicht deutlich genug ausgefallen sei, könne auch dahinstehen, ob die Antragsgegnerin ihr Verlangen rechtzeitig genug geäußert habe.

Gegen den ihr am 11. Juli 2022 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 3. August 2022 Beschwerde beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht erhoben.

Zur Begründung macht sie geltend, dass sie mit ihren Aufforderungsschreiben vom 11. November und 13. Dezember 2021 ihrer gesetzlichen Verpflichtung vollumfänglich nachgekommen sei, indem sie den Antragsteller jeweils zur Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 2018 aufgefordert habe. Dem sei der Antragsteller nicht nachgekommen. Mit dem Schreiben vom 13. Dezember 2021 habe sie überdies hinreichend deutlich auch auf die Rechtsfolgen hingewiesen und sei damit der Warnfunktion des Vorlageverlangens gerecht geworden. Sie habe die zugrunde zu legende Beitragsbemessungsgrenze beziffert. Eines zusätzlichen Hinweises darauf, dass es sich um Höchstbeträge handele, bedürfe es darüber hinaus nicht.

Sie beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 8. Juli 2022 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

            die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angegriffenen Beschluss. Die Rechtsfolge derart erheblicher Beitragsforderungen habe er angesichts der Schreiben vom 11. November und 13. Dezember 2021 nicht absehen können. Den maßgeblichen Absatz des Schreibens vom 13. Dezember 2021 habe er nicht verstanden. Verstanden habe er allerdings, dass die Antragsgegnerin seinen Einkommensteuerbescheid für 2018 benötigt habe. Deshalb habe er am 31. Dezember 2021 noch den Versand per E-Mail an die Antragsgegnerin veranlasst; die E-Mail habe aber seinen Rechner oder den Server nicht verlassen. Im Übrigen sei die Regelung des § 240 Abs. 4a Satz 4 SGB V ungerecht, sanktioniere sie doch Bezieher niedriger Einkommen in sehr viel größerem Umfang für die Nichtvorlage von Einkommensteuerbescheiden als diejenigen hauptberuflich Selbständigen, die bereits Beiträge nahe an der Beitragsbemessungsgrenze leisteten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2022 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat dagegen Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben.

Dem Senat haben die Leistungsakten der Antragstellerin vorgelegen. Auf diese Akten und auf die Gerichtsakte wird wegen des der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.

 

II.

Die Beschwerde hat Erfolg.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht erhoben worden (§ 173 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]. Sie ist statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstands für die Antragsgegnerin die Grenze von 750,00 EUR überschreitet und deshalb die Berufung in der Hauptsache nicht der Zulassung bedürfte (§§ 172 Abs. 3 Nr. 1, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

Die Beschwerde ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht dem Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 29. Januar 2022 stattgegeben.

Der Senat geht zugunsten des Antragstellers von der Zulässigkeit des nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG i.V.m. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG statthaften Antrags aus, der inzwischen auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2022 erhobenen Klage gerichtet ist. Zwar wurde der Widerspruch am 21. Februar 2022 per E-Mail erhoben und hat damit weder die Schriftform (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) noch die elektronische Form (§ 36a Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch [SGB I]) gewahrt. Es entspricht jedoch der herrschenden Meinung, dass die Behörde einen nicht formwirksam erhobenen Widerspruch mit heilender Wirkung sachlich bescheiden kann (B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 84 Rn. 7).

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist jedoch nicht begründet. Über den Antrag nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGG entscheidet das Gericht auf Grundlage einer Interessenabwägung, bei der die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsschutzes ebenso eine Rolle spielen wie Härtefallgesichtspunkte (vgl. § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG). Grundsätzlich überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig erweist; am Vollzug eines solchen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollziehungsinteresse bestehen. Umgekehrt überwiegt regelmäßig das Vollziehungsinteresse, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist. Daran gemessen ist die aufschiebende Wirkung nicht anzuordnen.

Der Bescheid vom 29. Januar 2022 inzwischen in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juli 2022 hält voraussichtlich einer rechtlichen Überprüfung stand. Er findet in § 240 Abs. 4a Satz 4 SGB V eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage. Weist danach das Mitglied seine tatsächlichen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres nach, gilt für die endgültige Beitragsfestsetzung nach Satz 3 als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Der Antragsteller hat seine tatsächlichen Einnahmen für das Kalenderjahr 2018 nicht bis zum Ablauf des 31. Dezember 2021 durch Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 2018 nachgewiesen. Die Übersendung des Einkommensteuerbescheids erfolgte vielmehr erst am 2. Februar 2022 und damit nach Ablauf der Dreijahresfrist. Dafür, dass es dem Antragsteller nicht möglich gewesen wäre, den Einkommensteuerbescheid in Kopie vorzulegen, ist nichts ersichtlich. Insbesondere war ihm der Einkommensteuerbescheid 2018 bereits im September 2020 und damit mehr als 15 Monate vor Ablauf der hier maßgeblichen Frist erteilt worden. Dementsprechend behauptet der Antragsteller auch selbst nicht, zur rechtzeitigen Abgabe des Einkommensteuerbescheids außerstande gewesen zu sein. Er behauptet vielmehr, am 31. Dezember 2021 einen elektronischen Übermittlungsversuch unternommen zu haben, ohne dies allerdings ausreichend zu substantiieren und glaubhaft zu machen.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hatte die Antragsgegnerin die Vorlage des Einkommensteuerbescheids zuvor auch in ausreichender Weise vom Antragsteller verlangt. Welche Anforderungen an das Vorlageverlangen der Krankenkasse zu stellen sind, definiert das Gesetz nicht näher. Die Gesetzesbegründung zur durch das Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung vom 4. April 2017 (BGBl. I S. 778) zum 1. Januar 2018 eingefügten Vorschrift des § 240 Abs. 4a SGB V misst dem Verlangen der Krankenkasse keine eigenständige Bedeutung bei (BT-Drucks. 18/11205, S. 73). Semantisch wird der Begriff Verlangen mit einem ausdrücklichen Wunsch, einer nachdrücklich geäußerten Bitte oder einer Forderung umschrieben; er weist damit auf Handlungspflichten beim Adressaten des Verlangens und nicht auf Sorgfaltspflichten beim Verlangenden hin. Soweit Sozialleistungsträgern im Hinblick auf weitreichende, für den Leistungsempfänger negative Rechtsfolgen gesteigerte Hinweis- und Aufklärungspflichten auferlegt werden, ist dafür das Rechtsinstitut der Rechtsfolgenbelehrung gebräuchlich (vgl. z.B. § 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 3 Künstlersozialversicherungsgesetz [KSVG]), das in § 240 Abs. 4a SGB V gerade nicht eingesetzt wird.

Wenn demgegenüber in der Literatur im Hinblick auf die weitreichenden Rechtsfolgen der fiktiv endgültigen Beitragsfestsetzung nach § 240 Abs. 4a Satz 4 SGB V dem Verlangen z.T. eine Warnfunktion zugeschrieben wird (Padé in: jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 240 Rn. 72; vgl. auch Ulmer in: BeckOK, 68. Edition, Stand: 1. März 2023, § 240 Rn. 33) – andere Standardkommentierungen verhalten sich zu dieser Frage nicht (vgl. Mecke in: Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl. 2022, § 240 Rn. 26; Beck in: BeckOGK-SGB V, Stand: 1. März 2022, § 240 Rn. 70; Buhr in: Hänlein/Schuler, SGB V, 6. Aufl. 2022, § 240 Rn. 16) –, spricht vieles dafür, dass dieser Funktion bereits durch das ernsthaft geäußerte Verlangen mit Hinweis auf die ablaufende Dreijahresfrist entsprochen wird. Allein aus dem Begriff des Verlangens ohne Hinweis auf eine entsprechende gesetzgeberische Zielsetzung weitergehende, strenge Aufklärungs- und Hinweispflichten herzuleiten, ist auch im Hinblick auf den Adressatenkreis, dem ein höheres Maß an Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten abzuverlangen ist – die Vorschrift gilt nur für hauptberuflich Selbständige –, nicht geboten.

Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wurde der Antragsteller durch das Schreiben vom 13. Dezember 2021 ausreichend gewarnt. Das Schreiben verwies – im Anschluss an das Schreiben vom 11. November 2022 – auf die Vorlagepflicht bis zum Jahresende, auf die Rechtsfolge der Festsetzung von Beiträgen auf Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze und darauf, dass eine solche Festsetzungsentscheidung bei verspäteter Einreichung auch rückwirkend nicht mehr geändert werden könne. Der vom Sozialgericht verlangte Hinweis auf Höchstbeiträge würde demgegenüber nach Ansicht des Senats keinen weiteren Mehrwert bringen. Bereits aus dem von der Antragsgegnerin bezeichneten Wert der Beitragsbemessungsgrenze war es für den Antragsteller angesichts seines äußerst geringfügigen Jahreseinkommens 2018 ohne Weiteres erkennbar, dass es im Falle der fiktiv endgültigen Festsetzung von Beiträgen zu erheblichen Nachforderungen kommen würde.

Der Senat hält die verbleibende Frist von gut zwei Wochen zwischen dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2021 und dem Fristende am 31. Dezember 2021 nach Lage des Einzelfalls auch nicht für zu knapp bemessen. Der Antragsteller war bereits mit Schreiben vom 11. November 2021 fruchtlos zur Vorlage des Einkommensteuerbescheids aufgefordert worden und war bereits mit dem vorläufigen Beitragsbescheid vom 22. Dezember 2017 und den entsprechenden Änderungsbescheiden darüber informiert worden, dass er den Einkommensteuerbescheid einzureichen habe, sobald er ihm vorliege. Gleichwohl war der Antragsteller seit Erteilung des Bescheids im September 2020 nicht tätig geworden. Eine längere Fristsetzung war vor diesem Hintergrund angesichts der auferlegten Handlungspflicht, deren Erfüllung dem Antragsteller jederzeit ohne Weiteres möglich war, nicht geboten.

Richtig ist schließlich zweifellos die Feststellung des Antragstellers, dass die Rechtsfolgen des § 240 Abs. 4a Satz 4 SGB V Personen mit sehr niedrigem Einkommen deutlich stärker treffen als Personen, deren Einkommen sich ohnehin schon nahe der Beitragsbemessungsgrenze bewegt. Zweifel am verfassungsrechtlichen Bestand des § 240 Abs. 4a Satz 4 SGB V erwachsen daraus jedoch nicht.

Die aufschiebende Wirkung ist auch nicht deshalb anzuordnen, weil die Vollziehung des Beitragsbescheids für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Eine solche Härte wird nicht dadurch begründet, dass der Antragsteller den Vollzug des Beitragsbescheids noch während des laufenden Klageverfahrens befürchten muss oder dass er Beitragsforderungen ausgesetzt ist, die zu dem im Jahr 2018 tatsächlich erzielten Einkommen außer Verhältnis stehen. Denn dies sind typische, bei der gesetzgeberischen Abwägungsentscheidung bereits berücksichtigte Folgen der hier einschlägigen Bestimmungen des Verfahrens- und des materiellen Rechts. Dass die (vorläufige) Vollziehung der Beitragsforderung den Antragsteller in erhebliche finanzielle Bedrängnis bringen würde, hat er dagegen im Rahmen des Eilverfahrens weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Da in den Einkommensteuerbescheiden die Angaben zum Einkommen seiner Ehefrau geschwärzt worden sind, sind die finanziellen Verhältnisse des Haushalts insgesamt nicht erkennbar. Da sich der Antragsteller anfänglich zu einer Ratenzahlung in Höhe von monatlich 200,00 EUR bereit erklärt hatte, ist von einer prekären Einkommens- und Vermögenssituation insgesamt nicht auszugehen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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