L 7 R 503/22

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 22 R 151/19 ZV zuvor S 33 R 151/19 ZV
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 503/22 ZV
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Beschäftigten der Staatlichen Qualitätsinspektionen des Amtes für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung zählten nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates und konnten diesem Zusatzversorgungssystem (zu DDR-Zeiten) auch nicht beitreten.

 

2. Bei den Staatlichen Qualitätsinspektionen handelte es sich zum einen um dem Amt für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung unterstellte Einrichtungen und zum anderen um Institutionen, die gerade keine originären, ausschließlich staatlichen (hoheitlichen) Tätigkeiten ausübten.

 

3. Entscheidend ist nach den abstrakt-generellen Kriterien der konkreten Versorgungsordnung der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates nicht ausschließlich, wer konkreter Arbeitgeber des Beschäftigten im juristischen Sinne war, weil Beschäftigte in nachgeordneten oder unterstellten Instituten und Einrichtungen von Staatsorganen generell aus dem Kreis der Versorgungsberechtigten ausgenommen waren, unabhängig davon, ob es sich bei den nachgeordneten oder unterstellten Instituten und Einrichtungen von Staatsorganen um rechtsfähige oder nichtrechtsfähige Institutionen handelte.

Bemerkung

Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates - Inspektor und Hauptinspektor der Staatlichen Qualitätsinspektion in einem VEB beim Amt für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung - unterstellte Einrichtung - hoheitliche Aufgabenwahrnehmung

      1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 6. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.
      2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
      3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 15. Oktober 1983 bis 30. April 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates festzustellen.

 

Der 1953 geborene Kläger absolvierte in der Zeit von September 1971 bis August 1976 ein Hochschulstudium als Auslandsdirektstudium in der Fachrichtung Mathematik an der Staatlichen Universität Y....  (Armenien), welches er mit einem sowjetischen Diplom als "Diplom-Mathematiker" abschloss. Er war vom 23. August 1976 bis 31. Dezember 1981 als Programmierer im volkseigenen Betrieb (VEB) Bau- und Montagekombinat (BMK) Kohle und Energie X.... , vom 1. Januar 1982 bis 15. Oktober 1983 als Angestellter im Ministerium des Inneren, vom 15. Oktober 1983 bis 30. April 1990 als Inspektor und (seit 1. Januar 1987) Hauptinspektor der Staatlichen Qualitätsinspektion im VEB Kombinat W....  B.... beim Amt für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung (ASMW) und vom 1. Mai 1990 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Arbeitsgebietsleiter im Fachgebiet Zertifizierung im ASMW beschäftigt. Er war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzsystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

 

Mit Überführungsbescheid vom 28. Januar 2003 stellte das Bundesverwaltungsamt als Träger der Sonderversorgung die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Januar 1982 bis 15. Oktober 1983 sowie die in diesen Zeitraum erzielten Entgelte als Zeiten der Sonderversorgung im Sonderversorgungssystem der Angehörigen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (= Sonderversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 2 zum AAÜG) fest.

 

Am 9. April 2018 (Eingang bei der Beklagten am 13. April 2018) beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften und legte im Verlaufe des Verfahrens unter anderem folgende Unterlagen vor:

  • Arbeits- und Änderungsverträge,
  • einen Funktionsplan vom 6. Mai 1988,
  • betrieblichen Schriftverkehr,
  • seinen Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung,
  • Mitgliedsbücher zum Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) sowie FDGB-Kontrollkarten.

 

Mit Bescheid vom 1. August 2018 lehnte die Beklagte den Überführungsantrag ab. Zur Begründung führte sie aus: Der Beschäftigungszeitraum vom 23. August 1976 bis 31. Dezember 1981 im VEB BMK Kohle und Energie X....  könne nicht als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG anerkannt werden, da hierfür die persönliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung nicht vorliege. Der Kläger verfüge nicht über die Befugnis, den Titel eines Ingenieurs oder Diplomingenieurs zu führen. Der Beschäftigungszeitraum vom 16. Oktober 1983 bis 30. Juni 1990 könne nicht als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG zugeordnet werden, da der Kläger keine Beitrittserklärung abgegeben bzw. nachgewiesen habe. Sämtliche Beschäftigungszeiten seien auch keinem anderen Zusatzversorgungssystem zuordenbar.

 

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 13. August 2018 (Eingang bei der Beklagten am 16. August 2018) Widerspruch, mit dem Begehren der Feststellung der Beschäftigungszeiten vom 1. Januar 1981 bis 30. Juni 1990 im Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG. Zur Begründung führte er aus: Er habe eine ununterbrochene Tätigkeit als Mitarbeiter im Staatsapparat ab 1. Januar 1981 nachgewiesen. Zur Begründung verwies er auf die – im Widerspruchsverfahren vorgelegte – "Nachweis[karte] über die ununterbrochene Tätigkeit im Staatsapparat für die Auszeichnung mit jährlichen Prämien für langjährige Tätigkeit", in der als "Beginn der ununterbrochenen Tätigkeit im Staatsapparat lt. Nachweiskarte AVS" der 1. Mai 1990 vermerkt ist.

 

Mit Bescheid vom 21. September 2018 stellte die Beklagte die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Mai 1990 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (= Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte fest. Den Bescheid vom 1. August 2018 hob sie (richtigerweise: teilweise) auf.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2019 wies die Beklagte den Widerspruch, soweit ihm nicht bereits durch Bescheid vom 21. September 2018 abgeholfen wurde, zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die vom Kläger begehrten weiteren Beschäftigungszeiten vom 1. Januar 1983 bis 30. April 1990 seien nicht dem Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG zuzuordnen, da die in diesem Zeitraum ausgeübte Beschäftigung des Klägers ihrer Art nach nicht abstrakt-generell von dem Versorgungssystem erfasst gewesen sei. Als Inspektor bzw. Hauptinspektor der Staatlichen Qualitätsinspektion des ASMW habe der Kläger nicht zum beitrittsberechtigten Personenkreis der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates gehört, da von diesem Zusatzversorgungssystem nur Leiter in den Organen der staatlichen Leitung, Planung, Kontrolle und Sicherheit erfasst gewesen seien. Die Staatliche Qualitätsinspektion sei kein Staatsorgan, sondern ein Kontrollorgan des Leiters einer Wirtschaftseinheit (Betrieb/Kombinat) zur Einflussnahme auf die Sicherung und Entwicklung der Qualität der Erzeugnisse sowie zur Kontrolle der damit im Zusammenhang stehenden betrieblichen Maßnahmen und der Erfüllung der betrieblichen Qualitätsaufgaben gewesen. Der Inspektor und Hauptinspektor der Staatlichen Qualitätsinspektion werde als Leiter einer betrieblichen Kontrollorganisation nicht von dieser Versorgungsordnung erfasst. Erst mit der Aufnahme der Tätigkeit als Arbeitsgruppenleiter habe eine tatsächliche Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem erfolgen können. Dies sei auch auf dem "Nachweis der ununterbrochenen Tätigkeit im Staatsapparat für die Auszeichnung mit der jährlichen Prämie für langjährige Tätigkeit" bestätigt worden. Im Zeitraum vom 1. Januar 1981 bis 31. Dezember 1981 sei der Kläger gemäß den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis in einem VEB beschäftigt gewesen und im Zeitraum vom 1. Januar 1982 bis 15. Oktober 1983 habe er der Sonderversorgung der Angehörigen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit angehört. Es bestehe daher kein Anspruch auf die Feststellung von weiteren Pflichtbeitragszeiten nach § 5 AAÜG.

 

Hiergegen erhob der Kläger am 8. Februar 2019 Klage zum Sozialgericht Dresden und begehrte die Feststellung weiterer Pflichtbeitragszeiten für den Beschäftigungszeitraum vom 15. Oktober 1983 bis 30. April 1990. Zur Begründung führte er aus: Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte den Zeitraum vom 15. Oktober 1983 bis 30. April 1990 nicht in das Zusatzversorgungssystem einbezogen habe, obwohl er – wie im Zeitraum vom 1. Mai 1990 bis 30. Juni 1990 – ebenfalls im ASMW angestellt gewesen sei. Im Laufe des Klageverfahrens legte der Kläger unter anderem folgende weitere Unterlagen vor:

  • ein Arbeitszeugnis vom 1. Oktober 1990,
  • das sowjetisches Diplom vom 1. Juli 1976,
  • Weiterbildungsbescheinigungen,
  • eine Leistungseinschätzung vom 25. März 1985,
  • die Berufung zum Hauptinspektor mit Wirkung ab 1. Januar 1987 und
  • eine Arbeitsbeurteilung vom 7. April 1986.

 

Das Sozialgericht Dresden hat die Klage – nach Anhörung der Beteiligten mit gerichtlichen Schreiben vom 21. Juni 2022 – mit Gerichtsbescheid vom 6. Oktober 2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Beklagten verwiesen und ergänzend ausgeführt: Hinsichtlich des Zusatzversorgungssystems der technischen Intelligenz habe der Kläger den nach den Grundsätzen der objektiven Darlegungslast obliegenden Nachweis des Abschlusses einer ingenieurtechnischen Ausbildung nicht geführt. Bezüglich des Zusatzversorgungssystems der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung der Mitarbeiter des Staatsapparates sei altrechtlich eine – ebenfalls nicht nachgewiesene – Beitrittserklärung erforderlich.

 

Gegen den am 11. Oktober 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 9. November 2022 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren nach Feststellung der Beschäftigungszeiten im Zeitraum vom 15. Oktober 1983 bis 30. April 1990 als Zeiten der Zusatzversorgung im Zusatzversorgungssystem der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates weiterverfolgt. Zur Begründung führt er aus: Der Beschäftigungszeitraum vom 15. Oktober 1983 bis 30. April 1990 sei mit dem Beschäftigungszeitraum vom 1. Mai 1990 bis 30. Juni 1990 gleich zu behandeln. Er sei als Hauptinspektor im ASMW beschäftigt gewesen. Beim VEB Kombinat W....  habe es sich nicht um seinen Arbeitgeber gehandelt. Das ASMW habe koordinierend allen Ministerien überstanden, wie sich aus dem Statut des ASMW ergebe. Der Kläger sei daher als hauptamtlicher Mitarbeiter im Staatsdienst durchgängig tätig gewesen.

 

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 6. Oktober 2022 aufzuheben und die Beklagte, unter Abänderung des Ablehnungsbescheides vom 1. August 2018 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 21. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2019, zu verurteilen, seine Beschäftigungszeiten vom 15. Oktober 1983 bis 30. April 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates und die in diesem Zeitraum erzielen Arbeitsentgelte festzustellen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend aus: Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die von ihm geltend gemachten Beschäftigungszeiten vom 15. Oktober 1983 bis 30. April 1990 als weitere Zeiten der Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates feststellt, weil er in diesem Zeitraum diesem Zusatzversorgungssystem weder tatsächlich noch fiktiv zugehörig gewesen sei. Mit Wirkung vom 1. Mai 1990 sei für den Kläger die Überleitung von der Staatlichen Qualitätsinspektion des ASMW in das ASMW erfolgt. Der Kläger habe im ASMW die Arbeitsaufgabe als Leiter des Arbeitsgebietes Qualitätssicherung und Zertifizierung übernommen. Im Zeitraum vom 1. Mai 1990 bis 30. Juni 1990 sei der Kläger Beschäftigter eines Staatsorganes gewesen. Deshalb sei dieser Zeitraum von der Beklagten anerkannt worden, weil der Kläger hier der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates fiktiv zugehörig gewesen sei. Die Staatlichen Qualitätsinspektion des ASMW hätten jedoch nicht zum Geltungsbereich der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates gezählt und auch die Beschäftigten der Staatlichen Qualitätsinspektionen des ASMW hätten nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehört.

 

Der Senat hat Unterlagen von den Beteiligten beigezogen.

 

Mit Schriftsätzen vom 7. Dezember 2022 (Beklagte) und vom 31. März 2023 (Kläger) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch den Einzelrichter erklärt.

 

Mit Schriftsätzen vom 31. März 2023 (Kläger) und vom 3. April 2023 (Beklagte) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung sowie durch den Vorsitzenden (als berichterstattenden [konsentierten] Einzelrichter) durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit jeweils einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 sowie § 155 Abs. 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

II.

Die statthafte und zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage im Ergebnis zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 6. Oktober 2022 abgewiesen hat. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 1. August 2018 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 21. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Denn er hat für den von ihm geltend gemachten Beschäftigungszeitraum vom 15. Oktober 1983 bis 30. April 1990 keinen Anspruch auf Feststellung seiner Beschäftigungszeiten als Zeiten der fiktiven bzw. fingierten Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG) und auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte.

 

Als Anspruchsgrundlage für das Recht, vom beklagten Versorgungsträger die begehrten Feststellungen zu verlangen, kommt nur § 8 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 1 AAÜG in Betracht. Danach hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 27 zum AAÜG dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach § 8 Abs. 2 AAÜG durch Bescheid bekannt zu geben, also die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen sowie nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG die sich daraus ergebenden tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer besonderen Beitragsbemessungsgrenze.

 

§ 8 AAÜG ist im vorliegenden Fall anwendbar, weil der Anwendungsbereich des AAÜG eröffnet ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch [SGB IV]) erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden. Die Beklagte hat vorliegend – im Widerspruchsverfahren als Teilabhilfebescheid (§ 85 Abs. 1 SGG) – am 21. September 2018 einen Bescheid erlassen, der dies zu Gunsten des Klägers, mit "Tatbestands(Drittbindungs-)wirkung" (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 13; BSG, Urteil vom 14. März 2019 - B 5 RS 1/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 32), mit einem gesonderten Entscheidungssatz ("… die Voraussetzungen des § 1 AAÜG sind erfüllt.") feststellt und (im Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2019 ergänzend) darauf verwiesen, dass für den Kläger bereits Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Sonderversorgungssystem nach Anlage 2 zum AAÜG festgestellt worden sind. Zudem hat das Bundesverwaltungsamt als zuständiger Sonderversorgungsträger mit Überführungsbescheid vom 28. Januar 2003, ebenfalls mit "Tatbestands(Drittbindungs-)wirkung" (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 13; BSG, Urteil vom 14. März 2019 - B 5 RS 1/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 32), ausdrücklich festgestellt, dass "gemäß § 1 AAÜG die Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschriften des AAÜG erfüllt" sind.

 

Maßstabsnorm für die begehrte Feststellung ist im konkreten vorliegenden Fall daher § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Danach gelten als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine – entgeltliche – Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist. Ob – über die Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hinaus – eine "Zeit der Zugehörigkeit" zum Versorgungssystem im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch im jeweils konkret in Frage stehenden Zeitraum vorgelegen hat, kann sich zunächst aus einer diesen Zeitraum (mit) umfassenden Versorgungszusage ergeben, die nach Art. 19 des Einigungsvertrages auch nach dem Beitritt der DDR nach Maßgabe des Einigungsvertrages wirksam geblieben ist. Ein derartiger Verwaltungsakt begründet ein ab dem Zeitpunkt der Wiedervereinigung weiterbestehendes Versorgungsverhältnis, aus dem sich in der Folge die Rechte der Betroffenen nunmehr grundsätzlich an Stelle von Vorschriften der DDR nach den allein maßgeblichen Vorgaben für Renten nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ergeben.

 

Fehlt es – wie vorliegend – an einer Versorgungszusage mit deklaratorischer oder konstitutiver Wirkung, die bundesrechtlich nach Art. 19 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) vom 31. August 1990 (BGBl. II 1990, S. 889, berichtigt S. 1239) auch nach dem Beitritt der DDR wirksam geblieben ist, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG allein entscheidend, ob eine konkret in Frage stehende entgeltliche Beschäftigung oder Tätigkeit nach den Texten der in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgelisteten Versorgungsordnungen, an die § 5 Abs. 1 AAÜG als relevante Fakten anknüpft, zu denjenigen gehört, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war (BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 40/02 R - SozR 4-8570 § 5 Nr. 1, RdNr. 42; BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16). Hiernach bestimmt sich beim Fehlen einer Versorgungszusage ohne das Erfordernis einer getrennten Prüfung einheitlich und gleichzeitig, ob bundesrechtlich von einer Zeit der Zugehörigkeit zum jeweiligen Versorgungssystem auszugehen und eine in dieser Zeit ausgeübte Erwerbstätigkeit diesem System zuzuordnen ist. Dies ist ausschließlich nach objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts zu ermitteln (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 17). Für die hiernach vorzunehmende Zuordnung von Beschäftigungszeiten zu einem bestimmten Versorgungssystem kommt es daher weder auf die frühere Auslegung der Versorgungsordnungen durch die Staatsorgane der DDR oder auf deren Verwaltungspraxis an, noch haben die Beklagte und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit die früheren "Ansprüche und Anwartschaften" unter Anwendung des DDR-Rechts (hier Versorgungsrechts) zu prüfen. Zugehörigkeitszeiten im Sinne des § 5 AAÜG liegen immer – nur – dann vor, wenn konkret eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden ist, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen war, das in der Anlage 1 und 2 des AAÜG aufgelistet worden ist. Insofern ist allein die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit maßgebend, die ihrer Art nach in den sachlichen Geltungsbereich bestimmter Systeme fällt. Für das Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG gelten – wie das BSG ausgeführt hat – insofern keine Besonderheiten (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 17).

 

Vorliegend ist damit die Frage zu klären, ob der Kläger mit seiner im streitgegenständlichen Zeitraum vom 15. Oktober 1983 bis 30. April 1990 tatsächlich ausgeübten Tätigkeit als Inspektor und (ab 1. Januar 1987) Hauptinspektor der Staatlichen Qualitätsinspektion (im VEB Kombinat W....  B....) beim ASMW nach objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts von der Versorgungsordnung nach Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG erfasst war. Dies hat die Beklagte mit dem (vom Kläger angefochtenen) Ablehnungsbescheid vom 1. August 2018 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 21. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2019 zutreffend verneint, weil der Kläger im geltend gemachten Zeitraum keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte. In diesem Zeitraum war er nicht (hauptamtlich) im Staatsapparat beschäftigt. Die "betriebliche" Voraussetzung eines fingierten Anspruchs im Bereich des Zusatzversorgungssystems der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates gemäß des "Beschlusses [des Ministerrates der DDR] zur Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates" vom 29. Januar 1971 (= Beschluss des Ministerrates 01 – 65a / 2 / 71, vertrauliche Ministerratssache Nr. 95 / 71, nicht veröffentlicht) ist nicht erfüllt. Er hat daher keine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung im Zusatzversorgungsystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG vorgesehen war.

 

Die "Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staats-apparates" (entsprechend Anlage 1 Nr. 19 zum AAÜG) wurde mit Beschluss des Ministerrates der DDR vom 29. Januar 1971 erlassen und trat zum 1. März 1971 in Kraft. Aus den Texten der Versorgungsordnung im Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG, an die § 5 Abs. 1 AAÜG als relevanten Fakten – nicht normativ – anknüpft (vgl. dazu ausdrücklich: BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16; Berchtold, SGb 2018, 7, 11) ergibt sich dabei Folgendes:

 

Der "Beschluss [des Ministerrates der DDR] zur Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates" vom 29. Januar 1971 (= Beschluss des Ministerrates 01 – 65a / 2 / 71, vertrauliche Ministerratssache Nr. 95 / 71, nicht veröffentlicht) legte unter anderem fest:

  1. Für Mitarbeiter des Staatsapparates wird eine freiwillige zusätzliche Altersversorgung eingeführt. Die Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates (Anlage 1) wird bestätigt.
  2. Die Ordnung gemäß Ziffer 1 gilt für die in der Anlage 2 genannten Staatsorgane. …
  3. Die in den Staatsorganen gemäß Anlage 2 im Arbeitsrechtsverhältnis stehenden Leiter und politischen Mitarbeiter können der Versorgung beitreten.

Ebenfalls beitreten können Mitarbeiter, deren Tätigkeit unmittelbar mit der Durchführung staatlicher Aufgaben im Zusammenhang steht (Sekretärinnen, Stenotypistinnen, Kraftfahrer, Fernschreiber, Boten, Telefonisten). …

Nicht beitreten können Beschäftigte, die ausschließlich Dienstleistungsaufgaben ausüben (z.B. Betriebshandwerker, Reinigungs- und Küchenkräfte).

  1. Die Argumentation zur Einführung der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für die Mitarbeiter des Staatsapparates (Anlage 5) wird bestätigt.

 

Damit ist festzustellen, dass sich aus dem reinen Wortlaut der Versorgungsordnung selbst der berechtigte Personenkreis nicht ergibt und daher für die individuelle Prüfung der allein ausschlaggebenden Anspruchsvoraussetzungen für eine "Zugehörigkeit" im Sinne des § 5 Abs. 1 AAÜG auf die die Versorgungsordnung ausfüllenden "Richtlinien", "Materialien" und "Grundsätze" als generelle Anknüpfungstatsachen abzustellen ist. So gibt beispielsweise die als "Anlage 5" zur "Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates" vom 29. Januar 1971 erlassene "Argumentation zur Einführung der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates", die nach Auffassung des BSG als generelle Anknüpfungstatsache von Bedeutung ist (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19; BSG, Urteil vom 4. August 1999 - B 4 RA 1/99 R - JURIS-Dokument, RdNr. 24), weiterführende, abstrakt-generelle Hinweise sowohl auf die in die Versorgung einbezogenen Staatsorgane als auch auf die zum Beitritt berechtigten Mitarbeiter (BSG, Urteil vom 4. August 1999 - B 4 RA 1/99 R - JURIS-Dokument, RdNr. 24). Danach wurde die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates in den Organen eingeführt, die ausschließlich staatliche (hoheitliche) Tätigkeiten ausüben. Einbezogen waren danach die Ministerien, andere zentrale staatliche Organe, die Räte der Bezirke, Kreise, Städte, Stadtbezirke und Gemeinenden sowie die Gerichte und Staatsanwaltschaften. Ausdrücklich nicht erfasst waren die den staatlichen Organen unterstehenden Institutionen und Einrichtungen. Insoweit wird dort ausdrücklich ausgeführt: "Die freiwillige zusätzliche Altersversorgung wird in den Organen eingeführt, die ausschließlich staatliche Tätigkeit ausüben, und erfasst nicht die diesen Organen unterstehenden Institute und Einrichtungen."

 

Dies zu Grunde gelegt, ist zwar festzustellen, dass das ASMW als Organ des zentralen Staatsapparates sowohl in der "Anlage 2" des "Beschlusses [des Ministerrates der DDR] zur Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates" vom 29. Januar 1971 (= Beschluss des Ministerrates 01 – 65a / 2 / 71, vertrauliche Ministerratssache Nr. 95 / 71, nicht veröffentlicht) – dort noch unter den Bezeichnungen "Deutsches Amt für Me[ss]wesen und Warenprüfung" sowie "Amt für Standardisierung" – als auch in den "Hinweise[n] [des Sekretariats des Ministerrates – Rechtsabteilung – Sektor Tariffragen –] zum Geltungsbereich der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates" vom 29. Dezember 1975 – dort bereits unter der Bezeichnung "Amt für Standardisierung, Me[ss]wesen und Warenprüfung" – ausdrücklich als zum Geltungsbereich diese Zusatzversorgungssystems gehörend benannt wird.

 

Die Beschäftigten der Staatlichen Qualitätsinspektionen des ASMW zählten hingegen nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates und konnten diesem Zusatzversorgungssystem (zu DDR-Zeiten) daher auch nicht beitreten. Denn bei den Staatlichen Qualitätsinspektionen handelte es sich zum einen um dem ASMW unterstellte Einrichtungen und zum anderen um Institutionen, die gerade keine originären, ausschließlich staatlichen (hoheitlichen) Tätigkeiten ausübten:

 

Dies ergibt sich für die Beschäftigten der dem ASMW unterstellten Staatlichen Qualitätsinspektionen, gerade in Bezug auf die Beitrittsberechtigung zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates, bereits ausdrücklich aus dem DDR-Binnenrecht. Denn gemäß Ziffer 4.2 des "Beschuss[es] über Maßnahmen zur Umsetzung der Grundsätze zur durchgängigen Erhöhung und Sicherung der Qualität aller Erzeugnisse sowie zur Organisation einer wirkungsvollen Qualitätskontrolle in den Kombinaten und Betrieben" des Ministerrates der DDR vom 26. Mai 1983 (vertrauliche Verschlusssache Nr. D2-433/85, Beschluss des Präsidiums des Ministerrates 92/7b)/03, VVS3341/83 und VVSD2-403/83) wurden die Mitarbeiter der Staatlichen Qualitätsinspektionen des ASMW "nicht in das System der Altersversorgung für Mitarbeiter im Staatsapparat einbezogen". Daraus folgt explizit, dass die dem ASMW unterstellten Staatlichen Qualitätsinspektionen nicht zu den Staatsorganen gehörten und deren Beschäftigte keinen Zutritt zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates hatten.

 

Seine Rechtfertigung findet dieser explizite Ausschluss der Mitarbeiter der Staatlichen Qualitätsinspektionen des ASMW nach dem DDR-Binnenrecht darin, dass es sich bei den von den Staatlichen Qualitätsinspektionen des ASMW verrichteten Aufgaben, um nicht primär hoheitliche handelte. Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 der "Verordnung über die Entwicklung und Sicherung der Qualität der Erzeugnisse" vom 1. Dezember 1983 (DDR-GBl. I 1983, Nr. 37, S. 405) bestand die Aufgabe der Staatlichen Qualitätsinspektionen des ASMW darin, die staatlichen Qualitätsforderungen bei der Leitung, Planung und Durchführung der wissenschaftlich-technischen Arbeit und der Produktion bis zum Absatz durchzusetzen und die Generaldirektoren der Kombinate bei der Entwicklung und Sicherung eines hohen qualitativen Niveaus der Produktion zu unterstützen. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 der vorbezeichneten Verordnung ergaben sich für die Staatlichen Qualitätsinspektionen daraus folgende Aufgaben:

  • Analyse der Qualitätsentwicklung im Kombinat anhand der monatlichen Planerfüllung und Erarbeitung von Schlussfolgerungen,
  • Vermittlung der Erfahrungen der Besten bei der Entwicklung und Durchsetzung eines modernen Qualitätssicherungssystems, leistungsfähiger technischer Kontrollorganisationen und der Nutzung rationeller Prüf- und Messtechnik mit dem Ziel, eine fehlerfreie Produktion an allen Arbeitsplätzen zu erreichen,
  • Durchsetzung der Qualitätsforderungen mit den Pflichtenheften für die Entwicklung neuer Erzeugnisse und Sicherung von Leistungszielen und Ergebnissen, die den Erfordernissen des Außenmarkes, der Volkswirtschaft und der Bevölkerung entsprechen,
  • Kontrolle des wissenschaftlich-technischen Niveaus der Standards und Durchsetzung der volkswirtschaftlichen Qualitätsforderungen bei der Aus- und Überarbeitung von Standards,
  • Kontrolle der Wirksamkeit der wissenschaftlich-technischen Ergebnisse, der Einhaltung der technologischen Disziplin und der Standards zur Sicherung einer mustergetreuen und qualitätsgerechten Fertigung sowie des Niveaus der Qualitätssicherung zur Verwirklichung fehlerfreier Arbeit und der Durchsetzung der 100%igen End- und Versandkontrolle, insbesondere bei Exporterzeugnissen.

Nach § 6 Abs. 2 des "Statut[s] des Amtes für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung – Beschluss des Ministerrates" vom 1. Dezember 1983 (DDR-GBl. I 1983, Nr. 37, S. 417) unterstützten die Staatlichen Qualitätsinspektionen die Generaldirektoren der Kombinate bei der Entwicklung und Sicherung eines hohen Niveaus der Produktion, insbesondere durch

  • die Ausübung einer wirksamen Kontrolle zur Sicherung von Leistungszielen in den Pflichtenheften sowie zu deren Realisierung in neuen Erzeugnissen und Technologien, die den Marktforderungen und dem internationalen Spitzenniveau entsprachen,
  • Inspektionen zur Sicherung einer mustergetreuen Fertigung und einer fehlerfreien Arbeit sowie die Vermittlung von Erfahrungen bei der Entwicklung und Durchsetzung moderner Qualitätssicherungssysteme,
  • die Kontrolle der Einhaltung der Standards sowie Bewertung ihres wissenschaftlich-technischen Niveaus.

 

Als Kontrollorgane eines Leiters einer Wirtschaftseinheit (Kombinat) zur Einflussnahme auf die Sicherung und die Entwicklung der Qualität der Erzeugnisse sowie zur Kontrolle der damit im Zusammenhang stehenden betrieblichen Maßnahmen und der Erfüllung der betrieblichen Qualitätsaufgaben waren die Staatlichen Qualitätsinspektionen keine mit hoheitlichen Tätigkeiten befassten Staatsorgane. Sie bestanden – wie sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 der "Verordnung über die Entwicklung und Sicherung der Qualität der Erzeugnisse" vom 1. Dezember 1983 (DDR-GBl. I 1983, Nr. 37, Seite 405) sowie aus § 6 Abs. 1 Satz 1 des "Statut[s] des Amtes für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung – Beschluss des Ministerrates" vom 1. Dezember 1983 (DDR-GBl. I 1983, Nr. 37, S. 417) ergibt – in den zentral geleiteten Kombinaten der Industrie als dem ASMW unterstellte Einrichtungen zur Kontrolle der Durchsetzung der Qualitätspolitik.

 

Diese Einordnung der nicht hoheitlichen, staatlichen Aufgabenwahrnehmung für den Aufgabenbereich der betrieblichen Qualitätssicherung und Gütekontrolle spiegelt sich im Übrigen auch in den die Aufgabe der Produktionssicherung regelnden Vorschriften der DDR wider, an die faktisch anzuknüpfen ist. Nach dem Sprachgebrauch der DDR am 2. Oktober 1990, auf den es nach der Rechtsprechung des BSG maßgeblich ankommt (BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 S. 13; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 6/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 37; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 9/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 32; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 10/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 32; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 17/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 32), handelte es sich bei den Tätigkeiten in den produktionssichernden Bereichen in den Betrieben und Kombinaten um die Wahrnehmung betrieblicher, und gerade nicht staatlicher (hoheitlicher) Aufgabenzuweisungen. Dies spiegelt sich beispielsweise in der "Anordnung über die Einführung der Rahmenrichtlinie für die neue Gliederung der Beschäftigten der Industrie und des Bauwesens" (nachfolgend: Rahmenrichtlinie) vom 10. Dezember 1974 (DDR-GBl. 1975 I, Nr. 1, S. 1) wider, die nach der "Anordnung Nr. 2 über die Einführung der Rahmenrichtlinie für die neue Gliederung der Beschäftigten der Industrie und des Bauwesens" vom 13. Oktober 1982 (DDR-GBl. 1982 I, Nr. 37, S. 616) auch über den Jahreswirtschaftsplan 1983 hinaus weiterhin anzuwenden war. Nach der in der als Anlage zu dieser Anordnung veröffentlichten Rahmenrichtlinie unter Ziffer 1. vorgenommenen Gliederung der Beschäftigten der Industrie und des Bauwesens nach Arbeitsbereichen waren den Produktionshilfsbereichen unter anderem die Gütekontrolle (Bereich 24) sowie den sonstigen produktionsvorbereitenden Bereichen die Standardisierung (Bereich 37 Spiegelstrich 1) zugeordnet.

 

Bestätigung findet diese zwischen den direkten Mitarbeitern des ASMW einerseits (= hoheitliche Aufgabenwahrnehmung) und den Mitarbeitern der Staatlichen Qualitätsinspektionen des ASMW andererseits (= nicht hoheitliche Aufgabenwahrnehmung) differenzierende Betrachtungsweise auch in dem "Beschluss zur Ordnung über die Planung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds in den Staatsorganen" des Ministerrates der DDR vom 17. Januar 1985 (Beschluss des Präsidiums des Ministerrates 163/6/85), mit dem die "Ordnung über die Planung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds in den Staatsorganen" bestätigt wurde, die am 1. Mai 1985 (für die örtlichen Staatsorgane) bzw. am 1. September 1985 (für die zentralen Staatsorgane) in Kraft trat. Mit dieser Ordnung wurden insbesondere jährliche Prämien als Auszeichnung für langjährige Tätigkeit in den Staatsorganen geregelt. Die Ordnung galt gemäß § 1 Abs. 2 der Anlage 1 des "Beschluss[es] zur Ordnung über die Planung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds in den Staatsorganen" des Ministerrates der DDR vom 17. Januar 1985 (Beschluss des Präsidiums des Ministerrates 163/6/85) für die Leiter und Mitarbeiter, die in einem Arbeitsrechtsverhältnis zu einem Staatsorgan gemäß Anlage 1 der Ordnung standen. In dieser Anlage 1 war das ASMW als zentrales Staatsorgan (gleichfalls) zwar ausdrücklich aufgeführt. Explizit wird zum ASMW in der Fußnote 2 allerdings auch ausgeführt, dass die Einbeziehung in die neue Prämienregelung für die Staatlichen Qualitätsinspektionen entfiel (da diese [bereits] Jahresendprämien erhielten). Auch daraus ergibt sich eindeutig eine differenzierende Bewertung und Behandlung der direkten Mitarbeiter des ASMW einerseits und der Mitarbeiter der Staatlichen Qualitätsinspektionen des ASMW andererseits.

 

Bestätigung findet diese vorgenommene Einordnung im Übrigen auch konkret in Bezug auf den Kläger; und dies noch dazu in mehrfacher Hinsicht:

  1. Zwar wurde, worauf der Kläger permanent hinweist, sowohl im Arbeitsvertrag vom 5. Oktober 1983 als auch in den Funktionsplänen vom 1. Januar 1984 und vom 1. Mai 1988 hinsichtlich seiner Vergütung für seine Tätigkeiten als Inspektor und Hauptinspektor der Staatlichen Qualitätsinspektion (im VEB Kombinat W....  B....) beim ASMW die Anwendbarkeit des Rahmenkollektivvertrages für die Mitarbeiter der örtlichen Staatsorgane festgelegt. Zugleich ergibt sich aus den Funktionsplänen vom 1. Januar 1984 und vom 1. Mai 1988 explizit aber auch die Anspruchsberechtigung des Klägers auf Gewährung von Jahresendprämien und damit den Ausschluss des Klägers von Prämien als Auszeichnung für langjährige Tätigkeit in den Staatsorganen. Dieser Aspekt spricht – wie ausgeführt – eindeutig gegen die Zutrittsberechtigung des Klägers zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates.
  2. In der vom Kläger – sowohl im Widerspruchsverfahren, als auch im Klageverfahren – vorgelegten "Nachweis[karte] über die ununterbrochene Tätigkeit im Staatsapparat für die Auszeichnung mit jährlichen Prämien für langjährige Tätigkeit" ist (unter Ziffer 1.1.) als "Beginn der ununterbrochenen Tätigkeit im Staatsapparat lt. Nachweiskarte AVS" ausdrücklich der 1. Mai 1990 (und gerade nicht der 15. Oktober 1983) vermerkt. Der (unter Ziffer 1.5.) vermerkte, fiktive "Tag, der als Beginn der Tätigkeit im Staatsapparat gilt" (1. Januar 1981), ergab sich lediglich unter Anrechnung von "Zeiten" (nämlich neun Jahre und vier Monate), "die gem. Ziff. 2.2./3.3. der Anlage 2 zur Ordnung über Prämienfonds hinzuzurechnen sind". In diesem individuellen Dokument des Klägers wird damit explizit Bezug auf Ziffer 3.3. der Anlage 2 ("Zur Berechnung der jährlichen Prämie als Auszeichnung für langjährige Tätigkeit im Staatsapparat") zur "Ordnung über die Planung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds in den Staatsorganen" vom 17. Januar 1985 genommen, wonach Mitarbeitern, die auf Grund von Entscheidungen der zuständigen Organe vorübergehend eine Tätigkeit außerhalb des Staatsapparates ausübten, frühere Zeiten der Tätigkeit in Staatsorganen angerechnet werden konnten, wenn sie wieder eine Tätigkeit im Staatsapparat aufnahmen. Damit wurden im Falle des Klägers, aufgrund der am 1. Mai 1990 aufgenommenen Tätigkeit in einem zentralen Staatsorgan (ASMW), die außerhalb des Staatsapparates vorübergehend verrichtete Tätigkeit (in der Staatlichen Qualitätsinspektion) sowie die frühere Tätigkeit in einem zentralen Staatsorgan (Ministerium des Innern) anwartschaftssteigernd angerechnet.

 

Damit wird endgültig deutlich, dass der Kläger erst mit Aufnahme seiner Tätigkeit als Arbeitsgebietsleiter für Zertifizierung im ASMW am 1. Mai 1990 eine hoheitliche (hauptamtliche), unmittelbar in einem zentralen Staatsorgan ausgeübte Tätigkeit aufnahm, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung im Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG, abstrakt-generell und gemessen ausschließlich an objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts – unter Zugrundelegung des maßgeblichen DDR-Rechts als objektive Anknüpfungstatsachen –, vorgesehen war. Denn diese Auffassung entsprach auch den tatsächlichen Verhältnissen in der DDR, wie sie beispielsweise in deren Begriffsverständnis vom "Staatsapparat" zum Ausdruck gekommen sind. Danach waren als Organe des Staatsapparates unter anderem der Staatsrat der DDR und sein Apparat, die Ministerien, andere zentrale staatliche Organe, die Räte der Bezirke, Kreise, Städte, Stadtbezirke und Gemeinden, die Gerichte und Staatsanwaltschaften angesehen worden, nicht aber die diesen Organen unterstehenden Institute und Einrichtungen (BSG, Urteil vom 4. August 1999 - B 4 RA 1/99 R - JURIS-Dokument, RdNr. 25 mit Verweis auf: Autorenkollektiv, Staatsrecht der DDR, Lehrbuch, 2. Auflage 1984, S. 264 ff und 266 sowie auf: Autorenkollektiv, Verwaltungsrecht, Lehrbuch, 1988, S. 20 und S. 21). Dass dem Zusatzversorgungssystem nach Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG nur solche Beschäftigten beitreten konnten, die unmittelbar und originär staatliche Aufgaben erfüllten, lässt sich zudem hinreichend auch der Ziffer 3. des "Beschluss[es] [des Ministerrates der DDR] zur Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates“ vom 29. Januar 1971 (= Beschluss des Ministerrates 01 – 65a / 2 / 71, vertrauliche Ministerratssache Nr. 95 / 71, nicht veröffentlicht) entnehmen.

 

Darauf, dass der Kläger auch im streitgegenständlichen Beschäftigungszeitraum vom 15. Oktober 1983 bis 30. April 1990 aufgrund Arbeitsvertrages vom 5. Oktober 1983 in einem Arbeitsrechtsverhältnis zum ASMW stand und nach den Regelungen des Rahmenkollektivvertrages für die Mitarbeiter der örtlichen Staatsorgane vergütet wurde, kommt es im vorliegenden konkreten Fall nicht ausschlaggebend an. Denn entscheidend ist nach den abstrakt-generellen Kriterien der konkreten Versorgungsordnung der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates nicht ausschließlich, wer konkreter Arbeitgeber des Beschäftigten im juristischen Sinne war sowie nach welchen konkreten Regelungen sich dessen Vergütung richtete, weil Beschäftigte in nachgeordneten oder unterstellten Instituten und Einrichtungen von Staatsorganen generell aus dem Kreis der Versorgungsberechtigten ausgenommen waren, unabhängig davon, ob es sich bei den nachgeordneten oder unterstellten Instituten und Einrichtungen von Staatsorganen um rechtsfähige oder nichtrechtsfähige Institutionen handelte.

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Sie berücksichtigt Anlass, Verlauf und Ergebnis des Rechtsstreits.

 

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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