L 7 AS 629/20

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 9 AS 2769/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 629/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Zahlung von Einkommensteuer für einen zurückliegenden Zeitraum ist nicht als betriebsbedingte Ausgabe im Sinne von § 3 Abs. 2 Alg II-VO mindernd zu berücksichtigen. Vielmehr handelt es sich bei Einkommensteuernachzahlungen im Ergebnis um von § 11b SGB II nicht erfasste Steuerschulden, die nicht vom Einkommen im Bewilligungszeitraum mindernd abzusetzen sind.

 

2. Beiträge für eine private Altersvorsorge in Form von Prämien für eine private Rentenversicherung sind als Absetzbeträge vom Einkommen nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 1 SGB II auch bei selbständig Erwerbstätigen mindernd zu berücksichtigen, die in der gesetzlichen Rentenversicherung bereits dem Grunde nach nicht versicherungspflichtig sind.

Bemerkung

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung und -berechnung - selbständige Arbeit - Gewinnermittlung - Nachzahlung von Einkommensteuer - keine Betriebsausgabe im aktuellen Bewilligungszeitraum - Steuerschulden - private Rentenversicherung als Absetzbetrag auch bei in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht versicherungspflichtigen Selbständigen

      1. Auf die Berufung des Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17.06.2020 aufgehoben und die Klagen abgewiesen.

 

      1. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

      1. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten über die (vom Beklagten abschließend festgesetzte) Höhe von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 30.09.2012 sowie der daraus resultierenden Erstattung vorläufig bewilligter Leistungen.

 

Die 1978 geborene Klägerin zu 1. ist deutsche Staatsangehörige, mit Wohnsitz in A...., erwerbsfähig, beschäftigungslos, Mutter des 1999 geborenen Klägers zu 2. sowie der 1995 geborenen Klägerin zu 3. und lebt mit dem 1968 geborenen Kläger zu 4. in einem gemeinsamen Haushalt in Partnerschaft. Für ihre beiden Kinder bezog sie jeweils 184,00 Euro monatlich Kindergeld. Beide Kinder besuchten die Schule. Für die gemeinsame Wohnung zahlten sie monatlich 467,00 Euro Miete (davon monatlich: 260,00 Euro Grundmiete, 118,00 Euro Betriebskosten und 89,00 Euro Heizkosten). Im April 2012 erhielten die Kläger vom Vermieter eine Betriebskostengutschrift in Höhe von 842,00 Euro überwiesen.

 

Der Kläger zu 4. ist seit dem 01.11.2007 selbständig im Bereich IT-Service tätig, hat wechselnde Auftraggeber, ist in der gesetzlichen Rentenversicherung seit Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit versicherungsfrei (Bescheid vom 03.04.2017 der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See), erzielt unregelmäßige Einkünfte, zahlte im Jahr 2012 monatlich 67,20 Euro Beiträge für eine freiwillige Arbeitslosenversicherung aufgrund Pflichtversicherung aufgrund Antrages an die Bundesagentur für Arbeit, entrichtete Haftpflichtbeiträge für eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung in Höhe von vierteljährlich 60,18 Euro am 01.04.2012 sowie am 01.07.2012 und hatte mit Beginn ab 01.07.2008 einen Altersvorsorgevertrag bei der W....  AG abgeschlossen, bei dem es sich um eine fondsgebundene Rentenversicherung der Basisversorgung mit Prämienrückgewährsrente an berechtigte Hinterbliebene handelte. Die monatlich vom Kläger zu 4. für diese private Rentenversicherung zu leistende Prämie betrug (im Jahr 2012) 100,00 Euro. Die letzte Prämie wird am 01.06.2035 fällig. Als Altersrentenbeginn wurde der 01.07.2035 festgehalten. Aufgrund des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2010 des Finanzamtes V....  vom 24.04.2012 entrichtete er für das Jahr 2010 am 16.04.2012 einen Betrag in Höhe von 3.687,62 Euro (für Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag) nach. Aufgrund des Vorauszahlungsbescheides über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag des Finanzamtes V....  vom 10.04.2012 hatte er vierteljährlich 422,00 Euro Einkommensteuer- und Solidaritätszuschlags- vorauszahlungen für das Jahr 2012 zu entrichten, die er am 05.06.2012 und am 03.09.2012 in Höhe von jeweils 422,00 Euro an das Finanzamt V....  zahlte.

 

Die Kläger stehen seit Längerem beim Beklagten im laufenden, aufstockenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

 

Auf den Fortzahlungsantrag vom 21.03.2012 und auf der Grundlage einer vorläufigen Erklärung des Klägers zu 4. zu seinem Einkommen aus selbständiger Tätigkeit (in Höhe eines geschätzten durchschnittlichen monatlichen Gewinns von voraussichtlich 780,88 Euro) bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 25.04.2012 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 30.09.2012 (in Höhe von monatlich 866,30 Euro für April bis Juli und September 2012 sowie in Höhe von 936,30 Euro für August 2012). Nach Eingang der Betriebskostengutschrift im April 2012 in Höhe von 842,00 Euro sowie Nachweis der Zahlung der Beiträge zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung in Höhe von monatlich 67,20 Euro und einer vierteljährlichen Einkommensteuervorauszahlung in Höhe von 422,00 Euro bewilligte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 24.05.2012 weiterhin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.06.2012 bis 30.09.2012 (in Höhe von 867,30 Euro für Juni 2012, in Höhe von 866,30 Euro für Juli 2012, in Höhe von 936,30 Euro für August 2012 sowie in Höhe von 1.288,30 Euro für September 2012). Nach weiterer Berichtigung der Absetzbeträge bewilligte der Beklagte mit weiterem Änderungsbescheid vom 12.09.2012 weiterhin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.06.2012 bis 30.09.2012 (in Höhe von 890,00 Euro für Juni 2012, in Höhe von 933,50 Euro für Juli 2012, in Höhe von 1.073,50 Euro für August 2012 sowie in Höhe von 1.311,00 Euro für September 2012).

 

Nach Eingang der abschließenden Angaben zum Einkommen des Klägers zu 4. aus seiner selbständigen Tätigkeit (in Höhe eines Gewinns von durchschnittlich monatlich 1.853,20 Euro) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12.08.2015 die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 31.08.2012 endgültig ab, bewilligte mit weiterem Bescheid vom 12.08.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.09.2012 bis 30.09.2012 (in Höhe von 376,99 Euro) und forderte mit weiterem Bescheid vom 12.08.2015 – unter monatlicher individueller Aufstellung – die vorläufig gewährten Leistungen für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 31.08.2012 nach abschließender Festsetzung zurück. Der Erstattungsbetrag umfasst insgesamt einen Betrag in Höhe von 5.423,61 Euro.

 

Gegen sämtliche drei Bescheide vom 12.08.2015 legten die Kläger am 10.09.2015 Widersprüche ein. Diese wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2016 als unbegründet zurück.

 

Hiergegen erhoben die Kläger am 29.09.2016 Klage zum Sozialgericht Leipzig und rügten, dass

  • bei den Betriebsausgaben die Steuernachzahlung in Höhe von 3.687,62 Euro im April 2012 für das Jahr 2010 hätte einbezogen werden müssen,
  • im Rahmen der Bescheide vom 12.08.2015 die private Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 20,06 Euro monatlich rechtswidrig nicht berücksichtigt worden wäre,
  • die private Altersvorsorge des Klägers zu 4. bei der W....  AG in Höhe von 100,00 Euro fehlerhaft nicht abgezogen worden sei,
  • die Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer in Höhe von 422,00 Euro jeweils im Juni und September 2012 nicht berücksichtigt worden seien und
  • fraglich sei, ob hier zu Recht § 41a SGB II angewendet worden sei.

 

Das Sozialgericht Leipzig hat mit Urteil (nach mündlicher Verhandlung) vom 17.06.2020 den Beklagten verurteilt, den Klägern unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 12.08.2015 und unter teilweiser Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 12.08.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2016 für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 30.09.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II wie folgt zu bewilligen: für April, Juli und September 2012 in Höhe von jeweils monatlich 604,19 Euro, für Mai und Juni 2012 in Höhe von jeweils monatlich 183,19 Euro und für August 2012 in Höhe von 744,19 Euro. Zudem hat es den Erstattungsbescheid vom 12.08.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2016 insoweit aufgehoben als er eine Gesamterstattung der Kläger von 2.877,46 Euro überschreitet. Zur Begründung hat es ausgeführt: Soweit die Kläger einwendeten, dass fraglich sei, ob § 41a SGB II als formell rechtmäßige Grundlage herangezogen worden sei, sei dies vorliegend unerheblich. Die Kläger stünden nicht schlechter als bei einer Anwendung des § 328 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). Vielmehr seien die Regelungen des § 328 SGB III umgesetzt worden. Mit Blick auf den Kläger zu 4. sei – wie es bereits § 3 Abs. 4 Alg II-VO vorgesehen habe – ein Durchschnittseinkommen gebildet worden. Von diesem seien die Beträge nach § 11b SGB II abgesetzt worden. Eine Benachteiligung der Kläger auf Grund der fehlerhaft zu Grunde gelegten Rechtsnorm sei jedenfalls nicht ersichtlich. Im vorliegenden Fall sei von einem durchschnittlichen Einkommen des Klägers zu 4. aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 1.238,60 Euro monatlich auszugehen, welches die Grundlage der Freibetragsberechnung nach § 11b SGB II bilde. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass in die Betriebsausgaben des Klägers zu 4. während des streitgegenständlichen Bewilligungszeitraums auch die Nachzahlung der Einkommensteuer für das Kalenderjahr 2010 einzustellen sei. Durch den Abzug der Einkommensteuernachzahlung verringere sich der Gewinn auf 7.431,62 Euro, was einem monatlichen Einkommen von 1.238,60 Euro entspreche. Vom Einkommen des Klägers zu 4. seien auch die monatlichen Beiträge zur privaten Altersversorgung bei der W....  AG in Höhe von 100,00 Euro nach § 11b Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b SGB II abzusetzen. Darüber hinaus sei die private Kfz-Haftpflichtversicherung des Klägers zu 4. in Höhe von 20,06 Euro monatlich absetzbar. Des Weiteren seien auch die Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer vom Einkommen nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II abzuziehen. Diese würden zwar quartalsweise gezahlt, seien aber auf sämtliche Monate aufzuteilen, also in Höhe von 140,67 Euro. Unter Berücksichtigung der absetzfähigen privaten Arbeitslosenversicherung und der Erwerbstätigenfreibeträge verbliebe damit ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 706,81 Euro.

 

Gegen das – ihm am 14.07.2020 zugestellte – Urteil hat der Beklagte am 12.08.2020 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt, mit der er sein Begehren nach Klageabweisung weiterverfolgt. Zur Begründung führt er aus:

  • Im angefochtenen Urteil sei rechtsbeugend das Einkommen des Klägers zu 4. um die nachgewiesenen monatlichen 100,00 Euro private Altersvorsorge bereinigt worden. Nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b) SGB II seien private Altersvorsorgebeiträge in angemessenem Umfang vom Einkommen nur für in der gesetzlichen Rentenversicherung von der Versicherungspflicht befreite Personen abzusetzen. Der Kläger zu 4. sei aber ausweislich der vorgelegten Bescheinigung der Knappschaft nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung, sodass er damit von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nicht befreit gewesen sei. Die Norm habe daher auf ihn keine Anwendung finden können. Mit dem angefochtenen Urteil würden den Klägern damit über das Gesetz hinaus Rechte eingeräumt, die ihnen nicht zustünden.
  • Zudem seien unrechtmäßig 140,67 Euro Vorsteuer als Einkommensabsetzung berücksichtigt worden. Soweit es sich jedoch bei der Vorsteuer um mit der Erzielung der Betriebseinnahmen verbundene Betriebsausgaben handele, seien diese bereits bei der Gewinnermittlung des Klägers zu 4. berücksichtigt worden. Soweit es sich bei den mit monatlich in Höhe von 140,67 Euro berücksichtigten Beträgen um Steuervorauszahlungen des Klägers als Privatperson und nicht um Umsatzsteuervorauszahlungen handele, werde eine Absetzbarkeit dem Grunde nach zwar eingeräumt. Allerdings habe der Kläger zu 4. nachzuweisen, in welcher Höhe Steuervorauszahlungen im hier entscheidungserheblichen Zeitraum April bis September 2012 tatsächlich geleistet worden seien.
  • Fraglich sei zudem die gewinnmindernde Steueranrechnung in Höhe von 3.687,62 Euro aus dem Einkommensteuerbescheid an den Kläger zu 4. als Steuerpflichtigen sowohl dem Grunde wie auch der Höhe nach. Bei der Einkommensteuernachforderung für 2010 handele es sich nicht um im Rahmen der Vorsteuerabrechnung zu zahlende Betriebsausgaben, sondern um Schuldverpflichtungen des Klägers zu 4. als Privatperson. Zudem bleibe fraglich, ob trotz Fälligkeit der Steuernachzahlung im April 2012 die für ein ganzes Kalenderjahr nachträglich zu entrichtenden Steuern auf einen Sechsmonatszeitraum umgelegt werden könnten.

 

Der Beklagte beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

 

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17.06.2020 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

 

Die Kläger beantragen,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Zur Begründung beziehen sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Leipzig.

 

Die Kläger haben im Berufungsverfahren weitere Unterlagen, insbesondere die Überweisungen zu den vom Kläger zu 4. am 05.06.2012 und am 09.09.2012 an das Finanzamt V....  gezahlten Einkommensteuer- und Solidaritätszuschlagsvorauszahlungen in Höhe von jeweils 422,00 Euro vorgelegt.

 

Der (ehemals zuständige) Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 24.06.2021 einen Erörterungstermin (in den vormals anhängigen neun Rechtsstreitigkeiten zwischen den Beteiligten) durchgeführt. In diesem haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

II.

Die statthafte (§ 143 SGG), weil den zulassungsbedürftigen Beschwerdewert von 750,00 Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) übersteigende (Wert des Beschwerdegegenstandes im konkreten Verfahren: 2.546,15 Euro [= vom Sozialgericht reduzierter Erstattungsbetrag]), und auch im Übrigen zulässige (§ 151 SGG), insbesondere fristgerechte, Berufung des Beklagten ist begründet, weil die von den Klägern angefochtenen endgültigen Festsetzungs-, Bewilligungs- und Erstattungsbescheide vom 12.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2016 (§ 95 SGG) im Ergebnis rechtmäßig sind und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzen. Deshalb ist das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17.06.2020 aufzuheben und sind die Klagen abzuweisen.

 

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist – aufgrund (lediglich) der Berufung des Beklagten – die vorinstanzliche Entscheidung (Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17.06.2020), soweit sie die klagegegenständlichen endgültigen Festsetzungs-, Bewilligungs- und Erstattungsbescheide vom 12.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2016 abänderte und den Klägern für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.04.2012 bis 30.09.2012 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zusprach sowie den für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.04.2012 bis 30.09.2012 vom Beklagten festgesetzten Erstattungsbetrag (in Höhe von 5.423,61 Euro) um 2.546,15 Euro auf 2.877,46 Euro reduzierte.

 

Rechtsgrundlage der vom Beklagten verfügten abschließenden Leistungsfestsetzung (in Form der vollständigen Leistungsablehnung für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 31.08.2012 und der teilweisen Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01.09.2012 bis 30.09.2012) und Leistungserstattung (in Form der vollständigen Leistungserstattung der vorläufig bewilligten Leistungen für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 31.08.2012 und der teilweisen Leistungserstattung der vorläufig bewilligen Leistungen für den Zeitraum vom 01.09.2012 bis 30.09.2012) sind § 40 Abs. 2 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) sowie § 50 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Diese Rechtsgrundlagen hat der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden ausdrücklich benannt und auch zutreffend angewandt, sodass die Einwände der Kläger im Klageverfahren sowie die entsprechenden Ausführungen des Sozialgerichts Leipzig im Urteil vom 17.06.2020 im Hinblick auf die angebliche Heranziehung von § 41a SGB II als Rechtsgrundlage unzutreffend sind. § 41a SGB II galt erst ab 01.08.2016; aus § 80 Abs. 2 SGB II ergeben sich für den konkreten Sachverhalt auch keine Übergangsmaßgaben.

 

Die angefochtenen Bescheide verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, weil ihnen keine (höheren) Leistungen zustehen und die zu erstattenden Beträge auch nicht niedriger festzusetzen sind. Zutreffend hat der Beklagte – im Rahmen der allein streitgegenständlichen abschließenden Festsetzung – die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach den SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 31.08.2012 mangels Bedürftigkeit der Kläger abgelehnt und für den Zeitraum vom 01.09.2012 bis 30.09.2012 wegen lediglich teilweiser Bedürftigkeit nur teilweise bewilligt. Anspruchsgrundlage sind insoweit §§ 19 Abs. 1, 7 Abs. 1 SGB II.

 

Die Kläger sind lediglich für den Zeitraum vom 01.09.2012 bis 30.09.2012 leistungsberechtigt im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach ist leistungsberechtigt, wer das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hat, erwerbsfähig ist, hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Hilfebedürftig ist gem. § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

 

Diese Voraussetzungen liegen für die Kläger lediglich im Zeitraum vom 01.09.2012 bis 30.09.2012 vor. Im Zeitraum vom 01.04.2012 bis 31.08.2012 waren sie nicht hilfebedürftig, weil durch das Einkommen der Kläger, insbesondere des Klägers zu 4. aus selbständiger Tätigkeit, die Bedarfsgemeinschaft ihren Lebensunterhalt ausreichend sichern konnte.

 

Der Beklagte hatte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes – aufgrund einer Einkommensprognose – rechtmäßig zunächst nur vorläufig bewilligt (vorläufiger Bewilligungsbescheid vom 25.04.2012 in der Fassung der vorläufigen Änderungsbescheide vom 24.05.2012 und vom 12.09.2012). Über die Erbringung von Geldleistungen kann gem. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III vorläufig entschieden werden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat. Dies war hier der Fall, weil das Einkommen des Klägers zu 4. aus selbständiger Tätigkeit monatlich in unterschiedlicher Höhe zugeflossen ist und die Höhe zum Zeitpunkt der Bewilligung noch nicht bekannt war, ohne dass die Bedarfsgemeinschaft bzw. der Kläger zu 4. dies zu vertreten gehabt hatten.

 

Nach dem Bekanntwerden des tatsächlich zugeflossenen Einkommens des Klägers zu 4. und Eingang der abschließenden Einkommensangaben für den vorläufigen Bewilligungszeitraum konnten die Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum endgültig festgesetzt werden.

  • Für die Monate April, Juli und September 2012 ergab sich jeweils ein monatlicher Gesamtbedarf in Höhe von 1.679,00 Euro (Regelbedarfe in Höhe von 337,00 Euro jeweils für die Klägerin zu 1. und den Kläger zu 4., Regelbedarf in Höhe von 287,00 Euro für die Klägerin zu 3., Sozialgeldanspruch in Höhe von 251,00 Euro für den Kläger zu 2. sowie Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 467,00 Euro).
  • Unter Berücksichtigung des im April 2012 in Höhe von 842,00 Euro zugeflossenen Betriebskostenguthabens, welches nach § 22 Abs. 3 SGB II auf die Monate Mai und Juni 2012 zu verteilen war – allerdings weder, wie es der Beklagte verfügt hat, in gleicher Höhe (421,00 Euro) auf die zwei Folgemonate, noch unter Anwendung von § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II als Einmalzahlung gleichmäßig auf sechs Monate (BSG, Urteil vom 24.06.2020 - B 4 AS 8/20 R - juris, RdNr. 28), sondern bis zum (jeweils) vollständigen "Verbrauch" auf die Monate nach dem Zuflussmonat (BSG, Urteil vom 24.06.2020 - B 4 AS 7/20 R - juris, RdNr. 45), also in voller Höhe (467,00 Euro) im Monat Mai 2012 und in der Resthöhe (375,00 Euro) im Monat Juni 2012 –, ergibt sich für den Monat Mai 2012 ein Gesamtbedarf in Höhe von 1.212,00 Euro und für den Monat Juni 2012 ein Gesamtbedarf in Höhe von 1.304,00 Euro.
  • Für den Monat August 2012 ergab sich ein Gesamtbedarf in Höhe von 1.819,00 Euro (unter Berücksichtigung des Schulbedarfs in Höhe von 70,00 Euro für das zweite Schulhalbjahr jeweils für den Kläger zu 2. und die Klägerin zu 3., die jeweils die Schule besuchten).

 

Von den ermittelten Gesamtbedarfen ist nach § 11 Abs. 1 und 2 SGB II das anzurechnende Einkommen der Kläger in Abzug zu bringen.

 

Bei den zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden, minderjährigen Klägern zu 2. und 3. ist das Kindergeld in Höhe von jeweils 184,00 Euro monatlich nach § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II bedarfsmindernd, ohne Abzug eines Versicherungspauschbetrages (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II), zu berücksichtigen.

 

Bei der Berechnung des Einkommens des Klägers zu 4. aus selbständiger Tätigkeit ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Alg II-VO von den Betriebseinnahmen auszugehen, von denen gem. § 3 Abs. 2 Alg II-VO die notwendigen Betriebsausgaben ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzuziehen sind. Aus dem so für die einzelnen Monate ermittelten Gewinn ist gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 Alg II-VO ein durchschnittliches Einkommen für den Bewilligungszeitraum zu bilden. Davon ausgehend ergibt sich im vorliegenden Fall ein durchschnittliches monatliches Einkommen des Klägers zu 4. in Höhe von 1.853,20 Euro, entsprechend seiner abschließenden Einkommensangaben, ohne Berücksichtigung der im April 2012 in Höhe von 3.687,62 Euro geleisteten Einkommensteuernachzahlung für das Jahr 2010 (dazu nachfolgend unter 1.). Dieses Erwerbseinkommen bildet dann die Grundlage der Freibetragsberechnung nach § 11b SGB II (§ 3 Abs. 4 Satz 3 Alg II-VO), wobei im Fall des Klägers zu 4. einkommensmindernd sowohl die Altersvorsorgebeiträge in Höhe von monatlich 100,00 Euro (dazu nachfolgend unter 2.), die freiwillige Arbeitslosenweiterversicherung in Höhe von monatlich 67,20 Euro sowie die Kraftfahrzeughaftpflichtbeiträge in Höhe von vierteljährlich 60,18 Euro als auch die Einkommen- und Solidaritätszuschlagsvorauszahlungen in Höhe von vierteljährlich 422,00 Euro (dazu nachfolgend unter 3.) abzusetzen sind.

 

Hinsichtlich der Freibetragsberechnung ist dabei zu beachten:

Nach § 11b Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung) sind vom Einkommen abzusetzen

  1. auf das Einkommen entrichtete Steuern,
  2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung,
  3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge

a) zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind,

b) zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind,

soweit die Beiträge nicht nach § 26 SGB II bezuschusst werden,

  1. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten,
  2. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben,
  3. für Erwerbstätige ferner ein Betrag nach Absatz 3,
  4. Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag,
  5. bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, deren Einkommen nach dem Vierten Abschnitt des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder nach § 67 oder § 126 des Dritten Buches bei der Berechnung der Leistungen der Ausbildungsförderung für mindestens ein Kind berücksichtigt wird, der nach den Vorschriften der Ausbildungsförderung berücksichtigte Betrag.

Nach § 11b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, anstelle der Beträge nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II ein Betrag von insgesamt 100,00 Euro monatlich abzusetzen. Beträgt das monatliche Einkommen mehr als 400,00 Euro, gilt dies nicht, wenn die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachweist, dass die Summe der Beträge nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II den Betrag von 100,00 Euro übersteigt. Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO ist von dem Einkommen volljähriger Leistungsberechtigter ein Betrag in Höhe von 30,00 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II, die nach Grund und Höhe angemessen sind, abzusetzen. Dabei ist zu beachten, dass bei dem Erwerbseinkommen von erwerbsfähigen Hilfeberechtigten die Versicherungspauschale im sog. Grundfreibetrag nach § 11b Abs. 2 SGB II aufgeht (Schmidt in: Eicher/Luik/Harich, SGB II – Grundsicherung für Arbeitssuchende, 5. Aufl. 2021, § 11b, RdNr. 15). Die Versicherungspauschale fällt somit nicht zusätzlich an.

 

Hiervon ausgehend ist unter Berücksichtigung der von den Klägern im Klageverfahren und der vom Beklagten im Berufungsverfahren vorgetragenen Einwände Folgendes auszuführen:

 

1.

Die im Jahr 2012 (am 24.04.2012) gezahlte Einkommensteuernachzahlung in Höhe von 3.687,62 Euro für das Jahr 2010 ist – entgegen der Ansicht des Sozialgerichts Leipzig im angefochtenen Urteil vom 17.06.2020 – weder als betriebsbedingte Ausgabe im Jahr 2012 bei der Gewinnermittlung zu berücksichtigen (dazu nachfolgend unter a]), noch als auf das Einkommen entrichtete Steuer als Absetzbetrag mindernd zu berücksichtigen (dazu nachfolgend unter b]).

 

a)

Bei der vom Kläger tatsächlich im Bewilligungszeitraum entrichteten Einkommensteuernachforderung handelt es sich nicht um eine das Gewinneinkommen mindernde Betriebsausgabe nach § 3 Abs. 2 Alg II-VO.

 

Betriebsausgaben sind – steuerrechtlich betrachtet – lediglich Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Als solche kommen die vom Kläger zu 4. geltend gemachten Tilgungszahlungen auf seine Einkommensteuerschulden aus dem Jahr 2010 jedoch nicht in Betracht. Bei der Einkommensteuer und deren Nachzahlung handelt es sich um eine individuell-personalisierte Steuer, die abhängig von in der Person liegenden Umständen an die Person des Steuerpflichtigen anknüpft und von daher keine betriebsbedingte Ausgabe bezogen auf den Gewerbebetrieb der Person darstellt (Sächsisches LSG, Urteil vom 10.11.2020 - L 8 AS 701/16 - juris, RdNr. 25; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2020 - L 9 AS 785/20 - juris, RdNr. 36). Nach § 1 Abs. 1 EStG und § 2 Abs. 1 EStG besteht die Einkommensteuerpflicht für natürliche Personen unabhängig davon, ob das Einkommen aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit oder aus nichtselbständiger Arbeit herrührt. Die Einkommensteuer ist folglich eine Besitzsteuer, die auf das Einkommen und Vermögen natürlicher und juristischer Personen erhoben wird und sich konkret nach den persönlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen richtet. Schließlich nimmt auch § 4 EStG eine Trennung der Steuerarten in Betriebssteuern, private Steuern und steuerliche Nebenleistungen vor. Bei den Einkommensteuernachzahlungen im Sinne von Schulden gegenüber dem Finanzamt handelt es sich damit nicht um betriebsbezogene, sondern um personenbezogene Ausgaben, welche nicht gemäß § 3 Abs. 2 Alg II-VO vom Einkommen Hilfsbedürftiger abgesetzt werden können (Sächsisches LSG, Urteil vom 10.11.2020 - L 8 AS 701/16 - juris, RdNr. 25).

 

Die Möglichkeit der Absetzung von Einkommensteuer ergibt sich allein aus § 11b SGB II und nicht als notwendige Betriebsausgabe aus § 3 Abs. 2 Alg II-VO (Sächsisches LSG, Urteil vom 10.11.2020 - L 8 AS 701/16 - juris, RdNr. 26; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2020 - L 9 AS 785/20 - juris, RdNr. 35). Denn nach § 3 Abs. 2 Alg II-VO sind zur Berechnung des Einkommens von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen. Hieraus folgt, dass für die in § 11b SGB II genannten Beträge – und hierzu zählt die Einkommensteuer nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – ein Sonderregime gilt und diese Posten nach dem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers (erst) auf der gesetzlichen Stufe der Absetzungen vom Einkommen – und nicht bereits bei der Einkommensberechnung nach § 3 Alg II-V in Ansatz zu bringen sind (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2020 – L 9 AS 785/20 - juris, RdNr. 35). Nach der Rechtsprechung des BSG zu § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist mit der auf das Einkommen entfallenden Steuer die Lohn- und Einkommensteuer sowie die Kapitalertragsteuer gemeint (BSG, Urteil vom 05.06.2014 – B 4 AS 31/13 R - juris, RdNr. 17). Bei der Einkommensteuer handelt es sich um eine "auf das Einkommen entrichtete Steuer" im Sinne des § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II, die nach § 3 Abs. 4 Satz 3 Alg II-VO nur in dem Monat abgesetzt werden kann, in dem sie zu entrichten war, und die also der Höhe nach auf die dem jeweiligen Monat zugewiesenen Einnahmen begrenzt ist. Insoweit unterfällt die Einkommensteuer der Rückausnahme in § 3 Abs. 2 Alg II-VO. Mit den Regelungen in § 3 Abs. 2 Alg II-VO in Verbindung mit § 3 Abs. 4 Satz 2 Alg II-VO soll eine Gleichstellung mit Nichtselbständigen erreicht werden, womit nur solche Steuern von der Rückausnahme in § 3 Abs. 2 Alg II-VO und der Regelung in § 3 Abs. 4 Satz 3 Alg II-VO erfasst sind, die von den zu versteuernden Einkünften (also dem Gewinn) des Selbständigen bzw. Gewerbetreibenden zu entrichten sind (Sächsisches LSG, Urteil vom 10.11.2020 - L 8 AS 701/16 - juris, RdNr. 26).

 

b)

Bei der vom Kläger tatsächlich im Bewilligungszeitraum entrichteten Einkommensteuernachforderung handelt es sich auch nicht um einen einkommensmindernd zu berücksichtigenden Absetzbetrag nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II.

 

Zwar ist – wie auch bereits das Sozialgericht Leipzig im angefochtenen Urteil vom 17.06.2020 argumentiert hat – nicht von der Hand zu weisen, dass es einer gewissen Zufälligkeit unterliegt, ob ein selbständig Erwerbstätiger Einkommensteuern, die nachweislich ausschließlich auf Einnahmen erhoben werden, die aus demselben Gewerbebetrieb resultieren, als Vorauszahlungen (mit der Folge deren Absetzungsfähigkeit vom Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) oder als Nachzahlungen nach abschließender Steuerfestsetzung (mit der Folge deren Nichtabsetzungsfähigkeit vom Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) tatsächlich entrichtet, sodass die Absetzbarkeit einerseits und die Nichtabsetzbarkeit andererseits als wertungswidersprüchlich erscheint. Diese Wertungswidersprüchlichkeit wird prima vista noch verstärkt, wenn man in die Überlegungen einbezieht, dass im Rahmen des Einkommensanrechnungsregimes der §§ 11 ff. SGB II Einkommensteuernachforderungen aus einem vorangegangenen Steuerveranlagungszeitraum einerseits keinerlei Berücksichtigung finden sollen, andererseits Einkommensteuererstattungen aus einem vorangegangenen Steuerveranlagungszeitraum zur Einkommensanrechnung führen (vgl. dazu bspw.: BSG, Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R - juris, RdNr. 18; BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - juris, RdNr. 12 f.; BSG, Urteil vom 13.05.2009 - B 4 AS 49/08 R - juris, RdNr. 11 f.). Der selbständig Erwerbstätige hat auch keinerlei Einfluss darauf, wie (und vor allem wann) das Finanzamt die Steuerzahlung festsetzt, also zum Beispiel welche Höhe zur Vorauszahlung bestimmt wird.

 

Trotz dieser nachvollziehbaren Bedenken vermag sich der Senat allerdings nicht davon zu überzeugen, erstmalig im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum (vom Finanzamt) festgesetzte, fällig gewordene und vom selbständig Erwerbstätigen auch tatsächlich entrichtete Einkommensteuernachzahlungen für vorangegangene Steuerzeiträume bei den, im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum erzielten, selbständigen Erwerbseinkünften mindernd zu berücksichtigen (zur "Klärungsbedürftigkeit" dieser Fragestellung vgl. die Andeutung bei: LSG Berlin / Brandenburg, Beschluss vom 06.12.2018 - L 31 AS 402/18 NZB - juris, RdNr. 19).

 

Eine Absetzung nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II scheidet mit Blick auf die Steuernachzahlung deshalb aus, weil diese Norm nur die Steuerzahlungen einbezieht, die sich auf das im jeweiligen Bewilligungszeitraum erzielte Einkommen beziehen. Es unterfallen, bereits nach dem Wortlaut der Norm, nur solche Steuern der Absetzung, die dem im Bewilligungs- bzw. Bedarfszeitraum bezogenen Einkommen (zeitlich kongruent) zuzuordnen sind. Bei Steuernachforderungen handelt es sich im Ergebnis zudem um von §§ 3 Abs. 2 Alg II-VO, 11b SGB II nicht erfasste Steuerschulden, die nicht als auf das Erwerbseinkommen entrichtete Steuern vom Einkommen im Bewilligungszeitraum abgesetzt werden können (Sächsisches LSG, Urteil vom 10.11.2020 - L 8 AS 701/16 - juris, RdNr. 26; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2020 - L 9 AS 785/20 - juris, RdNr. 35). Steuernachforderungen, also solche Steuern, die nicht dem im Bedarfszeitraum bezogenen Einkommen zuzuordnen und dort fällig sind, können daher nicht nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II abgesetzt werden (Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, § 11b, RdNr. 110 [Stand: September 2021]; Mues in: Estelmann, Kommentar zum SGB II, § 11b, RdNr. 32 [Stand: Oktober 2022]; Schwabe in: Gagel, beckOGK-SGB II, § 11b, RdNr. 5 [Stand: August 2021]; Schmidt in: Eicher/Luik/Harich, SGB II – Grundsicherung für Arbeitssuchende, 5. Aufl. 2021, § 11b, RdNr. 12; Söhngen in: jurisPK-SGB II, 5. Auf. 2020, § 11b, RdNr. 19 und 19.1 [Aktualisierungsstand: 07.03.2023]; G. Becker in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 7. Aufl. 2021, § 11b SGB II, RdNr. 5; vgl. auch, zu Umsatzsteuerrückstellungen: BSG, Urteil vom 22.08.2013 - B 14 AS 1/13 R - juris, RdNr. 29 f.).

 

Folglich ist ein höherer Gewinn, als vom Sozialgericht Leipzig im angefochtenen Urteil vom 17.06.2020 berechnet, den Leistungs- bzw. Erstattungsansprüchen zugrunde zu legen. Der Gewinn in Höhe von 7.431,62 Euro, wie vom Sozialgericht Leipzig zugrunde gelegt, erhöht sich um die abgesetzte Einkommensteuernachzahlung in Höhe von 3.687,62 Euro, so dass sich ein Gesamtgewinn in Höhe von 11.119,24 Euro ergibt. Geteilt durch sechs Monate des streitgegenständlichen Bewilligungszeitraumes (§ 3 Abs. 4 Satz 1 Alg II-VO) ergibt dies einen durchschnittlichen monatlichen Gewinn aus selbständiger Tätigkeit des Klägers zu 4. in Höhe von 1.853,20 Euro. Dieser Betrag bildet die Grundlage der Freibetragsberechnung nach § 11b SGB II (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 3 Alg II-VO).

 

2.

Die zwischen den Beteiligten streitige Absetzung der Beiträge des Klägers zu 4. an die W....  für die private Altersvorsorge in Höhe von 100,00 Euro monatlich hat das Sozialgericht Leipzig im angefochtenen Urteil vom 17.06.2020 zu Recht einkommensmindernd nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II berücksichtigt.

 

Zutreffend ist zwar, worauf die Beklagte mit ihrer Berufung zu Recht hinweist, dass die Absetzung der privaten Altersvorsorgebeiträge des Klägers nicht nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 2 Buchst. b) SGB II in Betracht kommt, weil der Kläger nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung "befreit" war (also nach §§ 6, 213, 231 a SGB VI), sondern in der gesetzlichen Rentenversicherung bereits dem Grunde nach (als Selbständiger) nicht versicherungspflichtig war (also nach § 2 SGB VI). Denn insoweit ist der Wortlaut des § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 2 Buchst. b) SGB II eindeutig und nicht erweiterbar, weil er insoweit mit § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II in engem Zusammenhang steht (dazu: Mues in: Estelmann, Kommentar zum SGB II, § 11b, RdNr. 55 [Stand: Oktober 2022]; Schwabe in: Gagel, beckOGK-SGB II, § 11b, RdNr. 29 [Stand: August 2021]; zu § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II insoweit eindeutig: BSG, Urteil vom 07.05.2009 - B 14 AS 35/08 R - juris, RdNr. 18).

 

In § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 2 Buchst. a) und b) SGB II werden aber lediglich beispielhaft (also in Form von Regelbeispielen, so ausdrücklich: Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, § 11b, RdNr. 131 [Stand: September 2021]; Schwabe in: Gagel, beckOGK-SGB II, § 11b, RdNr. 14 und 26 [Stand: August 2021]; Mues in: Estelmann, Kommentar zum SGB II, § 11b, RdNr. 55 [Stand: Oktober 2022]) und damit nicht abschließend als dem Grunde nach angemessene Vorsorgebeiträge genannt. Für den Grundtatbestand der Absetzbarkeit von angemessenen privaten Versicherungen im Sinne des § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 1 SGB II hat das BSG darauf abgestellt, ob solche Vorsorgeaufwendungen üblicherweise von Beziehern von Einkommen knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze getätigt werden oder die individuellen Lebensverhältnisse den Abschluss einer derartigen Versicherung bedingen (BSG, Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 139/10 R - juris, RdNr. 21; BSG, Urteil vom 16.02.2012 - B 4 AS 89/11 R - juris, RdNr. 27; BSG, Urteil vom 16.10.2012 - B 14 AS 11/12 R - juris, RdNr. 47). Für einen Selbständigen, der nicht pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung ist, stellt eine private Altersvorsorge in Form einer privaten Rentenversicherung dem Grunde nach eine angemessene Versicherung im Sinne des § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II dar, weil es sich um Vorsorgeaufwendungen für den Versicherungsfall des Alters handelt. Bei dieser Bewertung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass ab dem 01.01.2011 die gesetzliche Rentenversicherungspflicht für Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II komplett und ersatzlos weggefallen ist, sodass es im Anwendungsbereich von § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 1 SGB II für eine Differenzierung danach, ob die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung infolge eines (besonderen) Befreiungstatbestandes (§§ 6, 231, 231 a SGB VI) oder infolge der Versicherungsfreiheit der beruflichen Tätigkeit von vorherein – wie beim Kläger – eingetreten ist, keinen eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigenden Grund gibt. Völlig zutreffend wird deshalb in den fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu den §§ 11 bis 11b SGB II (Stand: 18.08.2021) unter RdNr. 11.133 Abs. 2 auf S. 46 auch ausgeführt: "Angemessene Beiträge zu einer privaten Altersvorsorge sind insbesondere auch vom Einkommen aus selbständiger Tätigkeit abzusetzen, wenn für die selbständig erwerbstätige Person keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht." Es ist deshalb angemessen, wenn sich Selbständige, die ohne jeglichen Anspruch auf Altersvorsorge in der gesetzlichen Rentenversicherung sind, privat für die Altersvorsorge versichern. Gerade für diesen Personenkreis ist zur Verhinderung von Altersarmut eine (zusätzliche) private Altersvorsorge umso dringlicher geworden (Schwabe in: Gagel, beckOGK-SGB II, § 11b, RdNr. 31 [Stand: August 2021]). Vergleichbar mit der Anerkennung von freiwilligen Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung (vgl. dazu beispielsweise: BSG, Urteil vom 01.06.2010 - B 4 AS 67/09 R - juris, RdNr. 25) und von freiwilligen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. dazu beispielswiese: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19.05.2017 - L 11 AS 638/13 - juris, RdNr. 35), ist im vorliegenden Fall des selbständig erwerbstätigen Klägers zu 4., der ohne gesetzliche Absicherung im Versorgungsfall des Alters seiner Tätigkeit nachgeht, auch die monatliche Beitragsleistung in eine private Rentenversicherung angemessen, zumal dessen individuelle Lebensverhältnisse den Abschluss einer derartigen Versicherung geradezu erfordern und nicht nur bedingen. Der Leistungsfall (Altersrentenbeginn) der fondsgebundenen Rentenversicherung des Klägers bei der W....  AG tritt auch erst nach Vollendung des 67. Lebensjahres (nämlich am 01.07.2035) des (am 11.01.1968 geborenen) Klägers zu 4. bzw. – bei vorzeitigem Tod – in Form einer Prämienrückgewährsrente an berechtigte Hinterbliebene ein, sodass die Umstände der konkreten Versicherung eindeutig auf den Altersvorsorgezweck gerichtet sind.

 

Auch der Höhe nach ist die Abführung von 100,00 Euro monatlich angemessen, da sie unter dem Beitrag liegt, den ein Arbeitnehmer von seinem Bruttolohn an die gesetzliche Rentenversicherung abzuführen hätte, zumal der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2012 insgesamt 19,6 Prozent des Bruttoarbeitslohns (für einen Arbeitnehmer in Höhe der Hälfte von 9,8 Prozent) betrug. Auch ausgehend von dem monatlichen Bruttoeinkommen des Klägers in seiner individuellen Situation (in Höhe von 1.853,20 Euro) erweist sich der Monatsbeitrag in Höhe von 100,00 Euro, also in Höhe eines Vorsorgeaufwands von knapp 5,4 Prozent, für die private Altersvorsorge als angemessen, weil er gerade einmal halb so hoch liegt wie für einen beitragspflichtigen Nichtselbständigen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung.

 

3.

Soweit sich der Beklagte des Weiteren gegen die vom Sozialgericht Leipzig im angefochtenen Urteil vom 17.06.2020 einkommensmindernd nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II berücksichtigten, vom Kläger zu 4. geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen wendet, weist der Senat darauf hin, dass

  • die Einkommensteuer- und Solidaritätszuschlagsvorauszahlungen zwar vom Einkommen des Klägers zu 4. als dessen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit mindernd abzusetzen sind,
  • diese quartalsweise tatsächlich geleisteten Vorauszahlungen allerdings nur in den tatsächlichen Abflussmonaten Juni und September 2012 absetzungsfähig sind.

Bei den Einkommensteuervorauszahlungen handelt es sich um auf das Einkommen entrichtete Steuern gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II, die vom Einkommen abzusetzen sind. Im Berufungsverfahren hat der Kläger durch Vorlage der Umsatzanzeigen seiner Konten auch nachgewiesen, dass er quartalsweise entrichtete Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von jeweils 422,00 Euro am 05.06.2012 sowie am 03.09.2012 an das Finanzamt V....  überwiesen hat. Es handelt sich auch nicht um Umsatzsteuervorauszahlungen, wie der Beklagte mutmaßte. Die Höhe der Einkommensteuervorauszahlungen im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum vom 01.04.2012 bis 30.09.2012 betrug damit insgesamt zwar 844,00 Euro. Für einen, wie vom Sozialgericht Leipzig im angefochtenen Urteil zu Grunde gelegten monatlichen Abzugsbetrag in Höhe von 140,67 Euro existiert allerdings keine Rechtsgrundlage. Die Steuervorauszahlungen sind (lediglich, dann aber in jeweils tatsächlich geleisteter Höhe) in den jeweiligen Abflussmonaten Juni und September 2012 zu berücksichtigen.

 

Selbiges gilt zudem auch für die vom Kläger zu 4. tatsächlich jeweils (nur) quartalsweise, nämlich in den Abflussmonaten April und Juli 2012 geleisteten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsbeiträge, die als gesetzlich vorgeschriebene Beiträge zu privaten Versicherungen (§ 1 Pflichtversicherungsgesetz) gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 1 SGB II absetzungsfähig sind und lediglich in den Abflussmonaten berücksichtigt werden können. Denn auch insoweit existierte, vor Statuierung von § 6 Abs. 1 Nr. 3 Alg II-VO, der erst für nach dem 31.07.2016 begonnene Bewilligungsabschnitte gilt (§ 9 Alg II-VO), keine Rechtsgrundlage, die eine monatliche (fingierte) Umlegung von nicht monatlich entrichteten Versicherungspflichtbeiträgen anordnete. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zur monatsweisen Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung (vgl. dazu beispielsweise: BSG, Urteil vom 08.05.2019 - B 14 AS 20/18 R - juris, RdNr. 10-16) ist, trotz einer denkbaren Verwaltungsvereinfachung, der Bedarf gerade dann zu berücksichtigen, wenn er fällig wird. Die Beiträge zur Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung belasten den Bedarf des Leistungsberechtigten aber erst zu dem Zeitpunkt, zu dem sie fällig werden. Sie wirken sich erst zu diesem Zeitpunkt auf das zur Verfügung stehende Einkommen aus, denn sie müssen (erst) bei Fälligkeit gezahlt werden. Es steht allein zu diesem Zeitpunkt daher ein geringeres Einkommen zur Verfügung (vgl. dazu bereits: LSG Berlin / Brandenburg, Urteil vom 30.08.2018 - L 32 AS 1423/15 - juris, RdNr. 169; Sächsisches LSG, Urteil vom 15.03.2019 - L 7 AS 81/16 - nicht veröffentlicht; vgl. auch zusammenfassend: Sächsisches LSG, Beschluss vom 16.06.2021 - L 7 AS 1186/17 NZB - juris, RdNr. 18-20).

 

4.

Das Erwerbseinkommen des Klägers zu 4. ist daher im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.04.2012 bis 30.09.2012 wie folgt zu bereinigen:

 

 

April

Mai

Juni

Juli

August

September

Gewinn:

1.853,20 €

1.853,20 €

1.853,20 €

1.853,20 €

1.853,20 €

1.853,20 €

abzüglich

 

 

 

 

 

 

Steuervorauszahlungen

---

---

422,00 €

---

---

422,00 €

Rentenversicherung

100,00 €

100,00 €

100,00 €

100,00 €

100,00 €

100,00 €

Alg-Versicherung

67,20 €

67,20 €

67,20 €

67,20 €

67,20 €

67,20 €

Kfz-Haftpflichtversicherung

60,18 €

---

---

60,18 €

---

---

Erwerbstätigenfreibetrag Nr. 1

180,00 €

180,00 €

180,00 €

180,00 €

180,00 €

180,00 €

Erwerbstätigenfreibetrag Nr. 2

20,00 €

20,00 €

20,00 €

20,00 €

20,00 €

20,00 €

ergibt insgesamt:

1.425,82 €

1.486,00 €

1.064,00 €

1.425,82 €

1.486,00 €

1.064,00 €

 

5.

Unter Berücksichtigung dieses Einkommens des Klägers zu 4., des Kindergeldes für die Kläger zu 2. und 3. sowie der im April 2012 zugeflossenen, auf die Kosten der Unterkunft und Heizung in den Monaten Mai und Juni 2012 anzurechnenden Betriebskostengutschrift (§ 22 Abs. 3 SGB II) ergeben sich daher folgende Bedarfsberechnungen:

 

a) für die Monate April und Juli 2012:

Name

gesamt

Z….

G….

X….
 

Y….
 

Geburtsdatum

 

1978

1968

1995

1999

           

Bedarfe

         

Regelbedarfe

961,00

337,00

337,00

287,00

 

Sozialgeld

251,00

 

 

 

251,00

Grundmiete

260,00

65,00

65,00

65,00

65,00

Heizung

89,00

22,25

22,25

22,25

22,25

Nebenkosten

118,00

29,50

29,50

29,50

29,50

Summe KdU

467,00

116,75

116,75

116,75

116,75

Gesamtbedarf der BG

1.679,00

453,75

453,75

403,75

367,75

           
           

zu berücksichtigendes Gesamteinkommen

1.793,80

 

1.425,80

184,00

184,00

           

 

Es ergibt sich damit in den Monaten April und Juli 2012 kein Leistungsanspruch. Die vorläufig erbrachten Leistungen sind wie folgt zu erstatten:

Monat April 2012:

Name

gesamt

Z….

G….

X….
 

Y….
 

Geburtsdatum

 

1978

1968

1995

1999

           

vorläufig erbracht

         

Regelbedarfe

394,63

183,09

183,08

28,46

 

Sozialgeld

4,67

 

 

 

4,67

Summe KdU

467,00

116,75

116,75

116,75

116,75

Erstattungsbetrag

866,30

299,84

299,83

145,21

121,42

 

 

 

Monat Juli 2012:

Name

gesamt

Z….

G….

X….
 

Y….
 

Geburtsdatum

 

1978

1968

1995

1999

           

vorläufig erbracht

         

Regelbedarfe

452,41

206,35

206,34

39,72

 

Sozialgeld

14,09

 

 

 

14,09

Summe KdU

467,00

116,75

116,75

116,75

116,75

Erstattungsbetrag

933,50

323,10

323,09

156,47

130,84

 

b) für den Monat Mai 2012:

Name

gesamt

Z….

G….

X….
 

Y….
 

Geburtsdatum

 

1978

1968

1995

1999

           

Bedarfe

         

Regelbedarfe

961,00

337,00

337,00

287,00

 

Sozialgeld

251,00

 

 

 

251,00

Grundmiete

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

Heizung

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

Nebenkosten

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

Summe KdU

0,00

0,00

00,00

0,00

0,00

Gesamtbedarf der BG

1.212,00

337,00

337,00

287,00

251,00

           
           

zu berücksichtigendes Gesamteinkommen

1.854,00

 

1.486,00

184,00

184,00

           

Es ergibt sich damit für den Monat Mai 2012 kein Leistungsanspruch. Die vorläufig erbrachten Leistungen sind wie folgt zu erstatten:

Name

gesamt

Z….

G….

X….
 

Y….
 

Geburtsdatum

 

1978

1968

1995

1999

           

vorläufig erbracht

         

Regelbedarfe

371,52

162,86

162,87

45,79

 

Sozialgeld

27,78

 

 

 

27,78

Summe KdU

467,00

116,75

116,75

116,75

116,75

Erstattungsbetrag

866,30

279,61

279,62

162,54

144,53

c) für den Monat Juni 2012:

Name

gesamt

Z….

G….

X….
 

Y…
 

Geburtsdatum

 

1978

1968

1995

1999

           

Bedarfe

         

Regelbedarfe

961,00

337,00

337,00

287,00

 

Sozialgeld

251,00

 

 

 

251,00

Grundmiete

3,00

0,75

0,75

0,75

0,75

Heizung

89,00

22,25

22,25

22,25

22,25

Nebenkosten

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

Summe KdU

92,00

23,00

23,00

23,00

23,00

Gesamtbedarf der BG

1.304,00

360,00

360,00

310,00

274,00

           
           

zu berücksichtigendes Gesamteinkommen

1.432,00

 

1.064,00

184,00

184,00

           

 

Es ergibt sich damit für den Monat Juni 2012 ebenfalls kein Leistungsanspruch. Die vorläufig erbrachten Leistungen sind wie folgt zu erstatten:

Name

gesamt

Z….

G….

X….
 

Y….
 

Geburtsdatum

 

1978

1968

1995

1999

           

vorläufig erbracht

         

Regelbedarfe

777,00

337,00

337,00

103,00

 

Sozialgeld

67,00

 

 

 

67,00

Summe KdU

46,00

11,50

11,50

11,50

11,50

Erstattungsbetrag

890,00

348,50

348,50

114,50

78,50

 

d) für den Monat August 2012:

Name

gesamt

Z….

G….

X….
 

Y….
 

Geburtsdatum

 

1978

1968

1995

1999

           

Bedarfe

         

Regelbedarfe

961,00

337,00

337,00

287,00

 

Sozialgeld

251,00

 

 

 

251,00

Schulbedarf

 

 

 

70,00

70,00

Grundmiete

260,00

65,00

65,00

65,00

65,00

Heizung

89,00

22,25

22,25

22,25

22,25

Nebenkosten

118,00

29,50

29,50

29,50

29,50

Summe KdU

467,00

116,75

116,75

116,75

116,75

Gesamtbedarf der BG

1.819,00

453,75

453,75

473,75

437,75

           
           

zu berücksichtigendes Gesamteinkommen

1.854,00

 

1.486,00

184,00

184,00

           

 

Es ergibt sich damit für den Monat August 2012 ebenfalls kein Leistungsanspruch. Die vorläufig erbrachten Leistungen sind wie folgt zu erstatten:

Name

Gesamt

Z….

G….

X….
 

Y….
 

Geburtsdatum

 

1978

1968

1995

1999

           

vorläufig erbracht

         

Regelbedarfe

452,41

206,35

206,34

39,72

 

Sozialgeld

14,09

 

 

 

14,09

Summe KdU

467,00

116,75

116,75

116,75

116,75

Erstattungsbetrag

933,50

323,10

323,09

156,47

130,84

 

e) für den Monat September 2012:

Name

gesamt

Z….

G….

X….
 

Y….
 

Geburtsdatum

 

1978

1968

1995

1999

           

Bedarfe

         

Regelbedarfe

961,00

337,00

337,00

287,00

 

Sozialgeld

251,00

 

 

 

251,00

Grundmiete

260,00

65,00

65,00

65,00

65,00

Heizung

89,00

22,25

22,25

22,25

22,25

Nebenkosten

118,00

29,50

29,50

29,50

29,50

Summe KdU

467,00

116,75

116,75

116,75

116,75

Gesamtbedarf der BG

1.679,00

453,75

453,75

403,75

367,75

           
           

zu berücksichtigendes Gesamteinkommen

1.432,00

 

1.064,00

184,00

184,00

           

Verteilung der Einkommensanteile unter Berücksichtigung der zuständigen Leistungsträger

           

Gesamtbedarf

1.679,00

453,75

453,75

403,75

367,75

Einkommen der Kinder

368,00

0,00

0,00

184,00

184,00

Gesamteinkommen
(ohne Kindeseinkommen)

1.064,00

368,26

368,26

178,35

149,13

Gesamteinkommen

1.432,00

368,26

368,26

362,35

333,13

           

Bedarfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes (ohne Bedarfe für Unterkunft und Heizung) nach Einkommensberücksichtigung

           

Sicherung des Lebensunterhalts – ohne KdU

1.212,00

337,00

337,00

287,00

251,00

abzgl. Gesamteinkommen

1.432,00

368,26

368,26

362,35

333,13

Bedarf nach Einkommensberücksichtigung

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

noch nicht verteiltes EK

220,00

31,26

31,26

75,35

82,13

           

Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach Einkommensberücksichtigung

           

Bedarfe KdU

467,00

116,75

116,75

116,75

116,75

abzgl. noch nicht verteiltes Einkommen

 

220,00

 

31,26

 

31,26

 

75,35

 

82,13

Bedarf nach EK-Berück.

247,00

85,49

85,49

41,40

34,62

Gesamtbedarf Sept. 2012

247,00

85,49

85,49

41,40

34,62

 

Da der Beklagte den Klägern für den Monat September 2012 mit dem streitgegenständlichen abschließenden Festsetzungs- und Bewilligungsbescheid vom 12.08.2015 jedoch höhere Leistungen gewährt hat und das Gericht zur Verböserung nicht berechtigt ist, verbleibt es bei den vom Beklagten bewilligten Leistungen in Höhe von 376,99 Euro (für die Klägerin zu 1. und den Kläger zu 4. jeweils in Höhe von 130,48 Euro, für die Klägerin zu 2. in Höhe von 63,19 Euro und für den Kläger zu 3. in Höhe von 52,84 Euro) sowie den bereits festgesetzten Erstattungsbeträgen wie folgt:

Name

Gesamt

Z….

G….

X….
 

Y….
 

Geburtsdatum

 

1978

1968

1995

1999

           

vorläufig erbracht

         

Regelbedarfe

749,54

323,27

323,27

103,00

 

Sozialgeld

67,00

 

 

 

67,00

Summe KdU

117,47

0,00

0,00

53,56

63,91

Erstattungsbetrag

934,01

323,27

323,27

156,56

130,91

 

Der Beklagte hat damit zu Recht die im Erstattungsbescheid vom 12.08.2015 festgesetzten Erstattungsbeträge von den Klägern zurückgefordert, die konkret den Rückforderungsbetrag in Höhe von 5.423,61 Euro ergeben (für die Klägerin zu 1. in Höhe von 1.897,42 Euro, für den Kläger zu 4. in Höhe von 1.897,40 Euro, für die Klägerin zu 3. in Höhe von 891,75 Euro und für den Kläger zu 2. in Höhe von 737,04 Euro).

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Sie berücksichtigt Anlass, Verlauf und Ergebnis des Rechtsstreits.

 

IV.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Die Rechtsfrage der Berücksichtigung von Einkommensteuernachzahlungen für zurückliegende Zeiträume bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit (§ 13 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Alg II-VO) bzw. bei der Absetzung vom Einkommen (§ 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) ist über den Einzelfall hinaus von Bedeutung und höchstrichterlich bislang nicht geklärt.

 

Rechtskraft
Aus
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