Angesichts der Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die bisherige langjährige höchstrichterliche Rechtsprechung zur sozialrechtlichen Statusbeurteilung bei Lehrkräften ist deren vom BSG mit Urteil vom 28. Juni 2022 - B 12 R 3/20 R - intendierte Neuausrichtung für zurückliegende Zeiträume noch nicht zu berücksichtigen.
n dem Rechtsstreit
B.,
vertreten durch den Geschäftsführer,
C.
– Klägerin und Berufungsbeklagte –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte D.,
E.
gegen
Deutsche Rentenversicherung Bund,
vertreten durch das Direktorium,
Ruhrstraße 2, 10709 Berlin
– Beklagte und Berufungsklägerin –
beigeladen:
F.,
G.
hat der 2. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 20.12.2022 in Celle durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht H., die Richterin am Landessozialgericht I. und den Richter am Landessozialgericht J. sowie die ehrenamtliche Richterin K. und den ehrenamtlichen Richter L. für Recht erkannt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen Kosten des Beigeladenen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungspflichtigen Status des beigeladenen Lehrers, der bei der klagenden Volkshochschule als Dozent für Politik und Wirtschaft eingesetzt worden ist. Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen die vom Sozialgericht mit dem angefochtenen Urteil vorgenommene Aufhebung ihres Bescheides, mit dem sie ein abhängiges und der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung unterliegendes Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen festgestellt hat.
Die in der Rechtsform einer gGmbH geführte Klägerin nimmt die Aufgaben einer Volkshochschule wahr. Gesellschafter sind Stadt und Landkreis M. (vgl. auch https://vhs-goettingen.de/ueber-uns/leitbild).
Für die Wahrnehmung der vielfältigen Unterrichtsaufgaben setzt die Klägerin neben sechs festangestellten Lehrern und Lehrerinnen ganz überwiegend Honorarkräfte ein, welche nach ihrem Verständnis im Rahmen einer rechtlichen selbständigen Tätigkeit im Namen und Auftrag der Klägerin Kurse durchführen.
U.a. bietet die Klägerin Kurse (sog. „Realschule – MAKS Kurse“ – MAKS steht für „Motivation, Aktion, Kompetenzen, Stabilisierung“, vgl. auch die Erläuterungen der Klägerin, Bl. 42 VV) zur Vorbereitung auf die Erlangung eines Realschulabschlusses auf dem zweiten Bildungsweg an.
Im Wintersemester 2017/18 studierte der Beigeladene, welcher von 2003 bis 2010 bereits Sozialwissenschaften studiert hatte, im 16. Fachsemester Rechtswissenschaft und im 3. Fachsemester Politikwissenschaft (vgl. die Immatrikulationsbescheinigung der Georg-August-Universität M. vom 8. Januar 2018, Bl. 13 VV).
Am 15. September 2017 vereinbarte die Klägerin mit dem Beigeladenen in Bestätigung vorher bereits mündlich getroffener Absprachen schriftlich (vgl. wegen der weiteren Einzelheiten Bl. 6 ff. VV), dass dieser im Zeitraum 7. August 2017 bis 22. Juni 2018 im Rahmen des sog. MAKS-Kurses 104 Stunden im Fach Wirtschaft und 110 Stunden im Fach Politik zu einem Stundenhonorar von jeweils 22,50 € unterrichten sollte. Eine gesonderte weitere Vereinbarung betraf die Lehre in einem Kurs „Fachkraft InsA“ (d.h. Fachkraft für interkulturelle und soziale Arbeit, vgl. dazu auch die Erläuterungen im Schreiben des Beigeladenen, Bl. 62 VV) im September 2017 mit einem Zeitaufwand von 12 jeweils mit 25 € zu honorierenden Unterrichtsstunden (Bl. 9 VV).
Die entsprechenden Unterrichtsverträge verwiesen jeweils auf die vorformulierten Allgemeinen Vertragsbedingungen der Klägerin (vgl. Bl. 27 VV). Diese enthielten insbesondere folgende Regelungen:
Die Inhalte und die methodisch-didaktische Durchführung des Lehrauftrages sowie Unterrichtszeiten und Unterrichtsort haben der individuellen Vereinbarung zwischen der Dozentin/dem Dozenten und der Fachbereichsleitung/Geschäftsstellenleitung zu entsprechen. Innerhalb dieser Absprache liegen die methodisch-didaktische Durchführung und der Inhalt im Einzelnen bei der Dozentin/dem Dozenten. Die Unterrichtszeiten und der Unterrichtsort unterliegen, soweit organisatorisch möglich, der freien Vereinbarung. Ein Weisungsrecht der VHS gegenüber der Dozentin/dem Dozenten besteht nicht. Die Dozentin/der Dozent ist im Übrigen frei, die Unterrichtsinhalte und den Unterrichtsverlauf selbst zu gestalten, soweit dies dem vorher mit der Dozentin/dem Dozenten vereinbarten Unterrichtsinhalt und der Ausschreibung der VHS entspricht…
Die Dozentin/der Dozent wird die Unterrichtsinhalte und den Unterrichtsverlauf in Stichworten in der Kursliste vermerken, welche Gegenstand der Abrechnung mit der Dozentin/dem Dozenten ist. Der Lehrauftrag beinhaltet die Aufgabe der Dozentin/des Dozenten, eine Evaluation ihres Unterrichts während bzw. am Ende der Veranstaltung vorzunehmen. Evaluationsformulare werden zur Verfügung gestellt…
Die erbrachten Unterrichtsleistungen stellte der Beigeladene der Klägerin jeweils monatlich in Rechnung (vgl. etwa Abrechnung vom 26. September 2017, Bl. 30 VV, über 24 Unterrichtsstunden zu jeweils 22,50 €, entsprechend 540 €, zuzüglich einer zweistündigen Teilnahme an einer Fachkonferenz des Bereichs Politik und Wirtschaft, welche mit 10,30 € je Stunden abgerechnet und honoriert worden ist. Die Teilnahme an Kurskonferenzen (vgl. etwa die Abrechnung für Oktober 2017, Bl. 32 VV) vergütete die Klägerin mit 22,50 € je Stunde. Für die folgenden Jahre wurden entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen.
Im Januar 2018 beantragte der Beigeladene die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens. Auf Nachfrage der Beklagten erläuterte er (vgl. Bl. 68 ff. VV), dass es den Dozenten freigestellt sei, ob diese an Konferenzen teilnehmen würden. Bei Interesse an einem fachlichen Austausch könnten die Dozenten auf freiwilliger Basis Fachkonferenzen organisieren. Seinen Unterricht gestalte er selbständig. Er habe keinen Rahmenlehrplan zu beachten; Evaluationen führe er nicht durch. Bei den sog. MAKS-Kursen würden die Dozenten, soweit möglich, eine Leistungseinschätzung für die einzelnen Schüler an die Fachbereichsleitung übermitteln. Dieses Zwischenzeugnis habe aber nur einen informellen Charakter. Es diene lediglich zur Vorlage bei in Betracht kommenden Bewerbungsbemühungen der Schüler.
Im Anschluss an den entsprechenden Vorbereitungskurs könnten die Schüler an der vorgesehenen Schulabschlussprüfung teilnehmen. An der Abnahme der dabei zu absolvierenden mündlichen und schriftlichen Prüfungen würden sich auch die Dozenten/innen beteiligen. Dafür erhielten sie ein gesondertes Honorar.
Im gleichen Sinne äußerte sich auch die Klägerin (vgl. wegen der Einzelheiten Bl. 43 ff. VV). Es würden ausschließlich tatsächlich erbrachte Unterrichtsstunden honoriert. Soweit möglich, könne ein Dozent ausgefallene Unterrichtsstunden nachholen oder selbständig einen Vertretungsunterricht organisieren.
Mit Bescheid vom 26. Juli 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2019 stellte die Beklagte das Vorliegen eines abhängigen und der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung unterliegenden Beschäftigungsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen in seiner Tätigkeit als „Honorardozent (Politik/Wirtschaft)“ beginnend ab dem 7. August 2017 fest. Von der Feststellung einer Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung sah die Beklagte unter Heranziehung des sog. Werkstudentenprivilegs (§§ 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI, 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III) ab. Zur Begründung hob die Beklagte insbesondere hervor, dass der Beigeladene in die betriebliche Organisation des entsprechenden Fachbereichs der Volkshochschule funktionsgerecht dienend eingegliedert sei. In der Gestaltung seines Unterrichts sei er zwar frei, diese Gestaltungsfreiheit gehe aber nicht über eine herkömmliche pädagogische Freiheit hinaus. Er habe kein nennenswertes Unternehmerrisiko zu tragen. Er laufe keine Gefahr, eigene Investitionen zu gefährden.
Mit der am 14. März 2019 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass unklar bleibe, woraus sich die von der Beklagten angenommene dienende Eingliederung des Beigeladenen in die betriebliche Organisation des Fachbereiches im Einzelnen ergeben solle. Jedenfalls sei der Beigeladene in der inhaltlichen Ausgestaltung seines Unterrichts frei. Es gebe keine vom Beigeladenen zu beachtende Lehrpläne. Unterrichtstermine könne er im Einvernehmen mit der Klägerin bei Bedarf auch ändern. Auch sei es typisch für Dozenten, dass diese kein umfangreiches Finanzkapital einsetzen würden.
In der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung erläuterte die Klägerin, dass der Beigeladene für sie weiterhin als Dozent arbeite. Der Beigeladene legte dar, dass er die benötigten Unterrichtsmaterialien und insbesondere Unterrichtsskripte selbst ausarbeite.
Mit Urteil vom 31. August 2020, der Beklagten zugestellt am 7. September 2020, hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid vom 26. Juli 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2019 aufgehoben. Nach der Rechtsprechung des BSG stelle sich eine Dozententätigkeit nicht schon aus dem Grunde als abhängige Beschäftigung dar, weil der Bildungsträger den äußeren Ablauf der Lehrtätigkeit insbesondere durch die Raumvergabe und zeitliche Vorgaben für die einzelnen Unterrichtseinheiten regele. Auch der Umstand, dass Dozenten ihren Unterricht an Prüfungserfordernissen auszurichten hätten, begründe nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. U.v. 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R –) keine Weisungsgebundenheit als Merkmal für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Fachkonferenzen hätten die betroffenen Dozenten selbst geplant, die Teilnahme sei freiwillig gewesen. Der Beigeladene sei auch nicht zur Übernahme von Vertretungsunterricht verpflichtet gewesen. Ein unternehmerisches Risiko ergebe sich auf Seiten des Beigeladenen auch aus dem Umstand, dass die Klägerin Lehrveranstaltungen aus organisatorischen Gründen habe absagen können. Von diesem Recht habe sie im Rahmen der Pandemie auch Gebrauch gemacht.
Mit der am 2. Oktober 2020 eingelegten Berufung verteidigt die Beklagte den angefochtenen Bescheid. Der Beigeladene sei an das „Kern-Curriculum“ gebunden und müsse den Unterrichtsstoff an Prüfungserfordernissen ausrichten. Angesichts des auf Seiten der Kursteilnehmer verfolgten Ziels des Erwerbes des Realschulabschlusses sei von „damit verbundenen Vorgaben und Regularien“ auszugehen. Die so „bedingte weisungsgebundene Eingliederung des Dozenten in eine fremde Betriebsorganisation“ überwiege im Rahmen der Gesamtbewertung.
Im Berufungsverfahren endete die Honorardozententätigkeit des Beigeladenen zum 31. Juli 2021 (im August 2021 gab es ferienbedingt keine Unterrichtsaufträge). Von den sechs Stellen der Klägerin für angestellte Lehrer und Lehrerinnen war eine bedingt durch eine Elternzeit vakant geworden. Der Beigeladene hat sich auf diese Stelle mit Erfolg beworben. Er erhielt mit Wirkung ab September 2021 einen (bis August 2023) befristeten Arbeitsvertrag mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden. Seitdem ist der Beigeladene auch nach der Rechtsauffassung der Klägerin als abhängig beschäftigter und damit versicherungspflichtiger Lehrer im Rahmen der von ihr geführten Volkshochschule tätig; seit September 2021 führt die Klägerin entsprechende Sozialversicherungsbeiträge für die Tätigkeit des Beigeladenen an die Einzugsstelle ab. „Hauptberuflich“ widmet sich der Beigeladene nach eigenen Angaben weiterhin seinem Studium (vgl. Schriftsatz vom 17. Februar 2022).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 31. August 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihren Vortrag zur Ausgestaltung der Dozententätigkeit des Beigeladenen.
Als gemeinnützige Einrichtung verfolge sie das Ziel, günstige Integrationskurse insbesondere auch mit dem Ziel des Erwerbes von Schulabschlüssen anzubieten. Eine Bestätigung der in den angefochtenen Bescheiden festgestellten Versicherungspflicht würde im Ergebnis eine Vielzahl der von ihr eingesetzten Lehrkräfte erfassen und damit ihren finanziellen Ruin zur Folge haben.
Nach Auffassung des Beigeladenen ist das sozialgerichtliche Urteil als positiv zu bewerten, soweit es einen Beitrag dazu leiste, dass eine freiberufliche Tätigkeit bei Institutionen wie der der Klägerin weiterhin möglich bleibe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Auch nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens teilt der Senat die Einschätzung des Sozialgerichts, wonach – entgegen der in dem zur Überprüfung gestellten Statusfeststellungsbescheid von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung – bis Juli 2021 von einer rechtlich selbständigen lehrenden Tätigkeit des Beigeladenen auszugehen ist.
Streitbetroffenen ist im vorliegenden Fall der Zeitraum vom 7. August 2017 bis 31. Juli 2021. Zum 7. August 2017 hat der Beigeladene die streitbetroffene Dozententätigkeit aufgenommen, dementsprechend beziehen sich die Feststellungen in dem angefochtenen Bescheid ausdrücklich auf die Zeit ab dem 7. August 2017. Mit der Aufgabe der streitbetroffenen Dozententätigkeit zum 31. Juli 2021 hat sich der angefochtene Bescheid im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X erledigt. Die nachfolgend zum 1. September 2021 von dem Beigeladene angetretene Stelle eines angestellten Lehrers bei der Klägerin beruhte auf einer neuen eigenständigen vertraglichen – ohnehin die Versicherungspflicht klar anerkennenden – Grundlage, und wird daher von dem Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheides nicht mehr erfasst.
Für den damit maßgeblichen vergangenen Zeitraum vom 7. August 2017 bis 31. Juli 2021 teilt der Senat die Auffassung des Sozialgerichts, wonach der Beigeladene als Honorardozent im Auftrag der Klägerin eine selbständige Tätigkeit im Rechtssinne ausgeübt hat.
1. Im rechtlichen Ausgangspunkt zeigen sich hinsichtlich der statusrechtlichen Beurteilung von lehrenden Tätigkeiten in der höchstrichterlichen sozialgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedliche Ansätze:
a) Der hergebrachte Bewertungsansatz knüpft an der Einschätzung an § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI an. Mit dieser Regelung werde im Ergebnis bereits vom Gesetzgeber „anerkannt“, dass der Beruf eines Lehrers bzw. einer Lehrerin sowohl in Form einer abhängigen Beschäftigung als auch in Form einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt werden könne. § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI ordne für selbständig tätige Lehrkräfte, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung an (BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R –, Rn. 16, juris mwN). Ausgehend von einem solchen gesetzgeberischen „Anerkenntnis“ der Möglichkeit auch zur selbständigen Ausübung der lehrenden Berufe (welches in vergleichbarer Form allerdings für andere von dieser Norm erfasste Tatbestände aus § 2 SGB VI nicht abgeleitet wird), werden relativ strenge Anforderungen an die Annahme einer abhängigen Beschäftigung aufgestellt, sofern sich Auftraggeber und Lehrkraft über eine selbständige lehrende Tätigkeit verständigt haben.
Insbesondere soll im Rahmen der Gesamtwürdigung der Vereinbarung einer rechtlich selbständigen Tätigkeit „jedenfalls dann“ (und damit insbesondere: schon dann) indizielle Bedeutung zukommen, wenn sie dem festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnis „nicht offensichtlich widerspricht“ und sie durch weitere Aspekte gestützt wird (BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R –, Rn. 23, juris mwN). Dies solle „umso mehr gelten“, als Lehrer, wie das Gesetz selbst anerkenne, (abhängig Beschäftigte oder) Selbständige sein können (BSG, aaO).
Hieran anknüpfend wird im Ergebnis lediglich abgeklärt, ob sich im jeweiligen Einzelfall tatsächliche Umstände feststellen lassen, welche im Rahmen der gebotenen Gesamtschau „zwingend“ zu einer Beurteilung des Vertragsverhältnisses als abhängige Beschäftigung und insbesondere als Arbeitsverhältnis führen müssten, (BSG, U.v. 14. März 2018 – B 12 R 3/17 R –, BSGE 125, 177, Rn. 14). Solange im Einzelfall keine „zwingenden Gesichtspunkte“ für eine abhängige Beschäftigung festzustellen seien, komme im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände dem gemeinsam geäußerten und auch "gelebten" Vertragswillen zur selbständigen lehrenden Tätigkeit „beachtliches Gewicht“ zu (BSG, aaO, Rn. 3; unter Rn. 13 wird in dieser Entscheidung allerdings auch der Grundsatz referiert, wonach dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, nur eine indizielle Bedeutung zukomme, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen; die Konkretisierung unter Rn. 14 der Entscheidung, ob die tatsächlichen Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtschau „zwingend“ zu einer Beurteilung des Vertragsverhältnisses als abhängige Beschäftigung führen müssten, löst sich im Ergebnis aber von diesem dort unter Rn. 13 zuvor erläuterten Ansatz).
Damit wird tendenziell in Bezug auf lehrende Tätigkeiten ein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne zugrunde gelegt, dass die Vereinbarung einer selbständigen Tätigkeit maßgeblich ist, solange nicht die Umstände des Einzelfalls „zwingend“ für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung sprechen.
Bei dieser Ausgangslage lässt sich die hergebrachte Rechtsprechung von der Einschätzung leiten, dass bei lehrenden Tätigkeiten die Vorgabe gewisser "Eckpunkte" des jeweiligen "Einsatzauftrags" wie Beginn und Ende des Einsatzes und "grober" Inhalt der Tätigkeit weder die Annahme von Weisungsunterworfenheit noch die Eingliederung in eine fremde Betriebsordnung im Sinne auch nur einer "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" begründen können (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 R 3/17 R –, BSGE 125, 177-182, SozR 4-2400 § 7 Nr 36, Rn. 21 mit der – in den weiteren Urteilsgründen nicht näher vertieften - Einschränkung: vor allem, wenn noch Handlungsspielräume verbleiben, die arbeitnehmeruntypisch sind). Dieser Ansatz ist solange maßgebend, wie die zu beurteilende Lehrkraft „keinem strikten einseitigen Weisungsrecht“ der Auftraggeberin hinsichtlich Art, Zeit und Ort der Tätigkeit unterworfen ist (BSG, aaO, Rn. 23). Damit seien den angesprochenen „Eckpunkten“ regelmäßig keine „zwingenden“ Rückschlüsse auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu entnehmen.
In diesem Rahmen soll bei der erforderlichen Gesamtwürdigung „entscheidend“ auch darauf abzustellen sein, ob die Lehrkraft „ein erhebliches Risiko für den Erfolg ihrer beruflichen Tätigkeit“ in dem Sinne zu tragen habe, dass ihr nach den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen bei Ausfall von Lehrveranstaltungen weder ein Anspruch auf anderweitige Verwendung noch Anspruch auf ein (ins Gewicht fallendes) Ausfallhonorar zustehe (BSG, Urteil vom 19. Dezember 1979 – 12 RK 52/78 –, SozR 2200 § 166 Nr. 5, Rn. 14).
Als Indiz für selbständige Tätigkeit und gegen das Vorliegen abhängiger Beschäftigung soll nach dieser Rechtsprechung insbesondere zu berücksichtigen sein, dass eine Lehrkraft nur für die tatsächlich geleisteten Unterrichtsstunden bezahlt wird, sie ausgefallene Unterrichtsstunden nachholen muss und sie ein zusätzliches Honorar für die Teilnahme an Konferenzen erhält (BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R –, Rn. 24, juris). Entsprechendes soll gelten, soweit die Lehrkraft von dem Schulträger keinen bezahlten Urlaub, sondern lediglich eine Urlaubsabgeltung erhält (BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R –, Rn. 25, juris) bzw. – wie auch im vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt – nicht einmal eine irgendwie ausgestaltete Urlaubsabgeltung in Anspruch nehmen kann.
Hieran anknüpfend hat das BSG insbesondere festgehalten, dass die Tätigkeit eines Dozenten nicht allein deshalb als abhängige Beschäftigung anzusehen sei, weil der Bildungsträger den äußeren Ablauf der Lehrtätigkeit bestimme. Der Lehrbetrieb könne sowohl in allgemeinbildenden Schulen, Hoch- und Fachschulen als auch in Volkshochschulen regelmäßig nur dann sinnvoll vonstattengehen, wenn die vielfältigen Lehrveranstaltungen in einem Gesamtplan räumlich und zeitlich aufeinander abgestimmt würden. Allein aus einer damit einhergehenden geminderten "Autonomie" der Dozenten oder allein aus der Tatsache, dass Dozenten an Prüfungen mitwirken und sich bei der Gestaltung ihres Unterrichts an Prüfungserfordernissen ausrichten müssen, dürfe jedoch nicht auf ihre Weisungsgebundenheit geschlossen werden. Im Rechtssinne weisungsfrei seien insbesondere auch solche lehrenden Tätigkeiten, bei denen dem Lehrer zwar die Ziele seiner Tätigkeit vorgegeben seien, jedoch die Art und Weise, wie er diese erreicht, seiner eigenen Entscheidung überlassen bleibe. Auch Selbständige könnten in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt sein, allerdings nicht durch Einzelanordnungen, sondern durch Regeln oder Normen, die die Grenzen ihrer Handlungsfreiheit mehr in generell-abstrakter Weise umschrieben (BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R –, Rn. 29, juris, mwN).
b) Außerhalb von lehrenden Tätigkeiten kommt hingegen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung einer vertraglichen Verständigung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bei der Abgrenzung zwischen abhängigen Beschäftigungen und selbständigen Tätigkeiten des Auftragnehmers ein deutlich geringeres Gewicht zu. Ein entsprechender Willen der Vertragsparteien weist eine auch nur „potentielle Bedeutung“ nur dann auf, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die maßgebliche Gesamtabwägung einzustellen, welche im Ergebnis unter Einbeziehung weiterer Indien durchaus gleichwohl zu der Annahme einer abhängigen Beschäftigung führen kann. Dabei wird die Relevanz einer solchen Indizwirkung umso geringer eingestuft, je uneindeutiger die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zudem schwächt es die indizielle Wirkung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bezüglich der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, BSGE 120, 99, Rn. 26; BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R –, BSGE 128, 191, Rn. 36).
Damit wird im Ergebnis ein anderes Regel-Ausnahme-Verhältnis postuliert: Solange nicht die Annahme einer selbständigen Tätigkeit „durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen“ (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019, aaO, Rn. 36), kommt einer vertraglichen Vereinbarung der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nicht einmal eine indizielle Bedeutung zu. Dabei bringen natürlich schon die Unschärfen in der Formulierung (wie nicht zuletzt der Gebrauch der sprachlich nur weniger konkret fassbaren Konjunktion „bzw.“) auch in diesem Zusammenhang zunächst nur Tendenzen zum Ausdruck, diese beinhalten im Ergebnis aber vielfach richtungweisende Vorgaben für die jeweils vorzunehmende Einzelfallwürdigung.
In Bezug auf nichtlehrende Tätigkeiten gilt zudem nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Grundsatz, dass die Fremdbestimmtheit der Arbeit schon über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittelt werden kann (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R –, BSGE 128, 191-205, SozR 4-2400 § 7 Nr. 42, SozR 4-2500 § 109 Nr. 73, Rn. 31). Das Weisungsrecht könne - insbesondere bei sog Diensten höherer Art – „aufs Stärkste eingeschränkt“ sein, ohne dass dies der Annahme einer abhängigen Beschäftigung entgegenstehe (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R –, BSGE 128, 191-205, SozR 4-2400 § 7 Nr. 42, SozR 4-2500 § 109 Nr. 73, Rn. 29). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis kann damit auch etwa auch dann in Betracht kommen, wenn der Beauftragte im Rahmen des Geschäftszwecks "im täglichen Dienstbetrieb" "im Wesentlichen frei walten und schalten" und, was Ort, Zeit und Dauer seiner Arbeitsleistung betrifft, weitgehend weisungsfrei agieren kann (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 – B 12 KR 10/01 R –, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20 bezogen auf den Geschäftsführer einer GmbH).
Im Kontext der vorstehend erläuterten Rechtsprechung gilt zudem der Grundsatz, wonach allein der Umstand, dass ein Auftraggeber dem Auftragnehmer keinen für Beschäftigte typischen sozialen Schutz wie namentlich eine Entgeltzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall zur Verfügung stelle, nicht zur Annahme eines unternehmerisches Risikos auf Seiten des Auftragnehmers führe. Einem solchen Risiko müssten vielmehr – um sozialversicherungsrechtliche Folgen auslösen zu können – auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft und/oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen (BSG, Beschluss vom 27. April 2016 – B 12 KR 17/14 R –, Rn. 34, juris).
c) In seiner die statusrechtliche Beurteilung einer Lehrerin an einer städtischen Musikschule betreffenden Entscheidung vom 28. Juni 2022 (– B 12 R 3/20 R –, SozR 4 (vorgesehen), NZS 2022, 860) hat das BSG hingegen im Ergebnis nicht die vorstehend unter a) aufgeführte Sonderrechtsprechung für lehrende Tätigkeiten herangezogen, vielmehr seine Entscheidung maßgeblich an den unter b) erläuterten allgemeinen Abgrenzungskriterien ausgerichtet.
Nunmehr interpretiert das BSG die Regelung in § 2 I 1 Nr. 1 SGB VI dahingehend, dass durch die Systematik der Regelungen in §§ 1 und 2 SGB VI „deutlich“ werde, dass Lehrkräfte „grundsätzlich abhängig beschäftigt sind“, aber auch einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen können (BSG, Urteil vom 28. Juni 2022, aaO, Rn. 15). Das beschäftigungstypische Gepräge der in der BSG-Entscheidung zu prüfenden Lehrtätigkeit werde insbesondere durch die Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung sowie die Festlegung auf bestimmte Unterrichtszeiten und Räume der Musikschule verdeutlicht (aaO, Rn. 19). Pädagogische Freiheiten bei der Ausgestaltung des Unterrichts würden nur dann Raum für die Annahme einer rechtlich selbständigen Tätigkeit eröffnen, wenn die bestehende Weisungsfreiheit die Tätigkeit insgesamt als eine unternehmerische kennzeichne (aaO, Rn. 20).
Die Vorgabe von "Eckpunkten" des jeweiligen "Einsatzauftrags" wie Beginn und Ende des Einsatzes (sowie der Unterrichtsort) und "grober" Inhalt der Tätigkeit war nach dem bereits angesprochenen BSG-Urteil vom 14. März 2018 noch nicht geeignet, die Eingliederung in eine fremde Betriebsordnung im Sinne einer "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" begründen können. Nach der nunmehrigen Entscheidung vom 28. Juni 2022 bringt hingegen bereits eine Festlegung auf bestimmte Unterrichtszeiten und Räume ein „beschäftigungstypisches Gepräge“ der Lehrtätigkeit zum Ausdruck (aaO, Rn. 19). Nunmehr stellt das BSG maßgeblich darauf ab, dass die Lehrperson keine eigene betriebliche Organisation unterhalte, keine unternehmerischen Chancen nutzen könne und keinem Unternehmerrisiko ausgesetzt sei (aaO, Rn. 21; vgl. demgegenüber etwa BSG, Urteil vom 19. Dezember 1979 – 12 RK 52/78 –, SozR 2200 § 166 Nr. 5, wonach die selbständige Tätigkeit eines Lehrers gerade nicht voraussetzen soll, dass dieser einen eigenen Betrieb hat). Diese nach der Entscheidung vom 28. Juni 2022 für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände lagen allerdings ebenso bei dem Musikschullehrer vor, bezogen auf den das BSG in seinem o.g. Urteil vom 14. März 2018 noch die Annahme einer selbständigen Tätigkeit bestätigt hatte.
d) In der Literatur wird zutreffend angemerkt, dass eine „stärkere Distanzierung“ in der unter c) erläuterten aktuellen Entscheidung des BSG vom 28. Juni 2022 von der vorausgegangenen (unter a] erläuterten) zuletzt im Jahr 2018 mit Urteil vom 14. März 2018 (– B 12 R 3/17 R –, BSGE 125, 177) fortgeschriebenen BSG-Rechtsprechung wünschenswert gewesen wäre (vgl. Zieglmeier, NZS 2022, 860). Auch dem erkennenden Senat wird bislang nicht hinreichend deutlich, ob und ggfs. inwieweit sich das BSG mit seinem aktuellen Urteil vom 28. Juni 2022 von der vorausgegangenen Rechtsprechung endgültig und vollumfänglich distanzieren will. Aus revisionsrichterlicher Sicht kennt das BSG jedenfalls im Ausgangspunkt auch richterliche Wertungsakte, bei denen es keine logisch ableitbare einzig richtige Entscheidung, sondern einen Bereich an Entscheidungs- bzw. Beurteilungsmöglichkeiten gibt, welcher sich letztlich der logischen Nachprüfbarkeit entzieht (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R –, SozR 4-2600 § 43 Nr. 18, Rn. 29).
e) Der vorliegende Rechtsstreit betrifft allein zurückliegende Zeiträume vor Erlass des erläuterten aktuellen BSG-Urteils vom 28. Juni 2022. Dementsprechend hängt die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit von der Frage ab, ob dem erläuterten BSG-Urteil von Juni 2022 ausschlaggebende Relevanz für die statusrechtliche Beurteilung lehrender Tätigkeiten auch in Bezug auf vorausgegangene Zeiträume beizumessen ist. Davon geht der Senat im Rahmen der gebotenen Gesamtbewertung nicht aus. Dem steht entgegen, dass die unter a) erläuterte in Jahrzehnten herausgebildete höchstrichterliche Rechtsprechung bei den Rechtsbetroffenen ein schutzwürdiges Vertrauen in ihren Fortbestand bewirkt hat.
(a) Den verfassungsrechtlichen Vorgaben lassen sich keine entscheidenden Kriterien für eine Abgrenzung der selbständigen lehrenden Tätigkeiten von abhängigen lehrenden Tätigkeiten im Sinne der unter a) oder aber unter c) erläuterten höchstrichterlichen Rechtsprechung entnehmen.
Dem Gesetzgeber steht eine (weite) Gestaltungsfreiheit bei der Entscheidung darüber zu, auf welche Weise er die ihm aufgetragene Ausgestaltung des Sozialstaates verwirklichen will (BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 2002 – 1 BvL 16/95 –, BVerfGE 106, 166-181, Rn. 48; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 KG 2/07 R –, SozR 4-5870 § 1 Nr 2, Rn. 25). Dies betrifft insbesondere auch die Frage der Abgrenzung der Reichweite einer Sozialversicherungspflicht (vgl. etwa BVerfG, B.v. 25. April 2016 – 1 BvR 1147/12 –, Rn. 9, juris).
Betroffen von der angesprochenen Rechtsfrage ist eine zahlenmäßig recht große Gruppe von Lehrkräften. So berichtet allein der Verband deutscher Musikschulen, dass in seinem Bereich 2020 knapp 18.000 freie Mitarbeiter/Honorarkräfte in der Lehre eingesetzt worden seien (vgl. https://www.musikschulen.de/musikschulen/fakten/beschaeftigungsverhaeltnisse/index.html). Im Bereich der Volkshochschulen sollen knapp 155.000 nebenberufliche und freiberufliche KursleiterInnen zum Einsatz kommen (vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/
30243/umfrage/nebenberufliche-und-freiberufliche-kursleiter-in-volkshochschulen/). Viele weitere Honorarkräfte sind beispielsweise in den Bereichen Nachhilfe- und Sportunterricht anzutreffen.
Im vorliegenden Zusammenhang stellt sich (jedenfalls bezogen auf den Regelfall) nicht als solche die Frage nach dem Bestehen einer Rentenversicherungspflicht. Mehr als nur geringfügig (im Sinne von § 8 SGB IV) tätige Lehrkräfte unterliegen (solange sie nicht als selbständige Lehrer ihrerseits einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI beschäftigen) regelmäßig der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Bei abhängig beschäftigten Lehrkräften folgt diese Versicherungspflicht aus § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 7 SGB IV, bei selbständigen Lehrern und Lehrerinnen aus § 2 Nr. 1 SGB VI. Die vorstehend erläuterten unterschiedlichen Einschätzungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung betreffen damit im Regelfall nicht die Versicherungspflicht als solche, sondern primär lediglich die Frage, von welcher Seite die geschuldeten Beiträge zur Rentenversicherung aufzubringen sind. Selbständige Lehrer haben die Beiträge zur Rentenversicherung selbst in voller Höhe aufzubringen (§ 169 Nr. 1 SGB VI). Bei abhängig beschäftigten Lehrern sind die damit verbundenen Beitragszahlungen hingegen im Ausgangspunkt vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer jeweils zur Hälfte aufzubringen (§ 168 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI; vgl. auch § 28g SGB IV zu Grenzen der allein im Wege des Lohnabzuges in Betracht kommenden hälftigen Heranziehung des Arbeitnehmers zu den Sozialversicherungsbeiträgen).
Ähnliches gilt in Fallgestaltungen, in denen unter Annahme einer abhängigen Beschäftigung eine anknüpfende Krankenversicherungspflicht resultiert (welche im vorliegenden Fall allerdings angesichts des von der Beklagten berücksichtigten Werkstudentenprivilegs nicht maßgeblich ist). Auch selbständige Lehrer sind jedoch verpflichtet, (im Bereich der gesetzlichen oder privaten Versicherung) eine Krankenversicherung (und damit auch eine Pflegeversicherung, §§ 20, 23 SGB XI) zu unterhalten (§ 193 Abs. 3 VVG), wobei sie die damit verbundenen Beitragslasten selbst tragen müssen. Eine (Pflicht-)Versicherung in der Arbeitslosenversicherung kommt hingegen nur für abhängig und mehr als nur geringfügig beschäftigte (nicht vom Werkstudentenprivileg nach § 27 Abs. 4 SGB III erfasste) Lehrer in Betracht.
In Anbetracht des dem Gesetzgeber schon bei der Festlegung des Kreises der Pflichtversicherten zuzubilligenden Einschätzungs- und Beurteilungsspielraums ist ihm ein solcher erst recht hinsichtlich der nachgeordneten Frage einzuräumen, inwieweit geschuldete Beiträge allein von dem Versicherten oder in Anteilen auch von einem Arbeit- bzw. Auftraggeber aufzubringen sind.
(b) Den Gesetzesmaterialien lassen sich ebenso wenig konkrete gesetzgeberische Zielvorgaben entnehmen, aus denen sich richtungweisende Erkenntnisse für die angesprochene Auslegungsproblematik entnehmen ließen.
Eine Versicherungspflicht für Lehrer, und zwar anfänglich in Bezug auf sog. Privatlehrer, ist in der Rentenversicherung bereits vor mehr als 120 Jahren eingeführt worden; die entsprechenden Bestimmungen sind im Laufe der Jahrzehnte wiederholt modifiziert worden (vgl. wegen der Einzelheiten dieser Entwicklung insbesondere BSG, Urteil vom 19. Dezember 1979 – 12 RK 52/78 –, SozR 2200 § 166 Nr. 5, Rn. 17). Dabei hat der Gesetzgeber aber nicht konkret präzisiert, wie im Einzelnen eine rechtliche selbständige lehrende Tätigkeit von einer solchen in abhängiger Beschäftigung abzugrenzen sein soll.
Da bei selbständigen Lehrern ein den Arbeitnehmern vergleichbares Schutzbedürfnis anzunehmen ist, welches ihre Einbeziehung in die Rentenversicherung rechtfertigt (BSG, U.v. 12. Oktober 2000 – B 12 RA 2/99 R –, SozR 3-2600 § 2 Nr 5, Rn. 19), lassen sich auch unter diesen Gesichtspunkten keine klaren Abgrenzungskriterien entwickeln.
Der Gesetzgeber hat jedenfalls keinen Anlass gesehen, der ihm bekannten vorstehend unter a) erläuterten über Jahrzehnte hinweg fortgeführten höchstrichterliche Rechtsprechung im Sinne eines weiten Verständnisses rechtlich selbständiger lehrender Tätigkeiten korrigierend entgegenzuwirken.
(c) In Anbetracht des Fehlens hinreichend konkreter Auslegungsvorgaben durch den Verfassungs- und Gesetzgeber kommt der Normkonkretisierung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung besondere Bedeutung zu, vermittels derer die Norm einen in der Rechtsanwendung konkret fassbaren Bedeutungsgehalt gewinnt. Erst unter Einbeziehung der Vorgaben der insbesondere höchstrichterlichen Rechtsprechung können lehrende Betriebe und deren Berater eine hinreichend verlässliche Einschätzung der Versicherungspflichtigkeit insbesondere auch von lehrenden Tätigkeiten vornehmen.
(d) Damit kommt dem Gesichtspunkt der Beständigkeit und Verlässlichkeit der normkonkretisierenden Rechtsprechung ein großes Gewicht zu. Dies gilt im besonderen Maße angesichts der finanziellen Tragweite der statusrechtlichen Einordnung lehrender Tätigkeiten. Der ganz überwiegende Anteil der Ausgaben (vielfach – wie auch im vorliegenden Fall – von gemeinnützigen Organisationen geführter) lehrender Betriebe entfällt auf die Personalkosten. Dementsprechend ist es für diese von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung, ob zusätzlich zu den mit den Lehrkräften vereinbarten Entgelten noch Beiträge zur Sozialversicherung aufzubringen sind. Bei abhängigen Beschäftigungsverhältnissen belaufen sich diese größenordnungsmäßig auf etwa 40 % des Entgelts (wobei bei Nachentrichtungen die Arbeitgeber nach Maßgabe der Vorgaben des § 28g SGB IV vielfach auch die sog. Arbeitnehmeranteile im Ergebnis zu tragen haben). Handelt es sich um selbständige Lehrkräfte fallen hingegen für den Auftraggeber keine entsprechenden zusätzlichen finanziellen Lasten an.
Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde die Betroffenen in ihrer Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an ihr Verhalten oder an sie betreffende Umstände ohne Weiteres im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als sie zum Zeitpunkt ihres rechtserheblichen Verhaltens galten (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 5/08 –, BVerfGE 135, 1-48, Rn. 63), Dieser verfassungsrechtliche Ansatz verpflichtet auch die Rechtsprechung als Teil der staatlichen Gewalt, einem schutzwürdigen Vertrauen der Rechtsunterworfenen in den Fortbestand einer vormals gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung im angemessenen Umfang Rechnung zu tragen.
Der ohnehin rechtsstaatlich gebotene Schutz des Vertrauens in die Stabilität des Rechts (BVerfG, B.v. 17. Dezember 2013 – 1 BvL 5/08 –, BVerfGE 135, 1, Rn. 53) gewinnt angesichts der besonderen finanziellen Tragweite einer Neugewichtung der für die statusrechtliche Beurteilung lehrender Tätigkeiten maßgeblichen Kriterien eine gesteigerte Relevanz.
Die Befugnis zur verbindlichen Auslegung von Gesetzen ist nach dem Grundgesetz der rechtsprechenden Gewalt vorbehalten (BVerfG, B.v. 25. März 2021 – 2 BvL 1/11 –, BVerfGE 157, 177, Rn. 78). Es gehört zu den anerkannten Aufgaben der Rechtsprechung, im Rahmen der Gesetze von ihr als rechtsgrundsätzlich aufgestellte Rechtssätze zu überprüfen und sie, wenn erforderlich, weiterzuentwickeln. Im Einzelfall kann dies auch dazu führen, dass ein früher als richtig angesehenes Normverständnis aufgegeben und abweichend entschieden wird. Der Umstand, dass ein im Wege richterlicher Rechtsfindung gewonnener Rechtssatz über einen langen Zeitraum Beachtung fand, mag in die Entscheidung einfließen, ob es gerechtfertigt ist, einen abweichenden Rechtssatz aufzustellen, er verleiht indes dem bisherigen Rechtssatz keine höhere Wertigkeit oder gar eine verfassungsrechtlich erhebliche Bestandsgarantie. Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe, an denen Rechtsprechungsänderungen zu messen sind, unterscheiden sich, abgesehen von dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, nicht von denjenigen, die gegenüber dem erstmaligen Aufstellen eines Rechtssatzes durch ein Gericht angezeigt sind (BVerfG, B.v. 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 –, BVerfGE 122, 248).
Entscheidungen oberster Gerichte, die vornehmlich zur grundsätzlichen Auslegung und Weiterentwicklung des Rechts berufen sind, wirken über den entschiedenen Einzelfall hinaus als richtungweisendes Präjudiz für künftige Fälle. Diese weitreichende Relevanz hat in der Rechtsanwendungspraxis ein außerordentlich großes Gewicht. Dies gilt unabhängig davon, dass im rechtlichen Ausgangspunkt eine höchstrichterliche Rechtsprechung keine dem Gesetzesrecht gleichkommende Rechtsbindung zu erzeugen vermag. Insbesondere sind weder die unteren Gerichte noch die Verwaltungsbehörden an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden, ebenso wenig sind es die obersten Gerichte selbst (vgl. BVerfG, B.v. 25. März 2021 – 2 BvL 1/11 –, BVerfGE 157, 223, Rn. 72).
Die über den Einzelfall hinausreichende Geltung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruht allein auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Es bedarf nicht des Nachweises wesentlicher Änderungen der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen, damit ein Gericht ohne Verstoß gegen Art. 20 III GG von seiner früheren Rechtsprechung abweichen kann. Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Bei Hinzutreten solcher weiteren Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung, kann hingegen ein schutzwürdiges Vertrauen durchaus entstehen (BVerfG, B.v. 15. Januar 2009, aaO, Rn. 85; B.v. 2. Mai 2012 – 2 BvL 5/10 –,
BVerfGE 131, 20-47, Rn. 81; B.v. 25. März 2021 – 2 BvL 1/11 –, BVerfGE 157, 223, Rn. 72 mwN). Die Schutzwürdigkeit eines Vertrauens in den Fortbestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung ist allerdings nicht schutzwürdig, wenn bei objektiver Betrachtung nicht mit ihrem Fortbestand gerechnet werden konnte (BVerfG, B.v. 25. März 2021 – 2 BvL 1/11 –, BVerfGE 157, 177, Rn. 81). Im vorliegenden Zusammenhang kam aber eine Weiterführung der bisherigen gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung durchaus in Betracht.
Ein unter den genannten Voraussetzungen schutzwürdiges Vertrauen kann nicht der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung als solcher, jedoch ihrer rückwirkenden Änderung entgegenstehen. (BVerfG, B.v. 25. März 2021, aaO, Rn. 72). Unter Berücksichtigung eines entsprechend schutzwürdigen Vertrauens können namentlich Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall heranzuziehen sein (vgl. BVerfG, B.v.
15. Januar 2009, aaO).
Soweit eine Berücksichtigung schutzwürdigen Vertrauens in die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung geboten ist, kommt der Rechtsprechung hinsichtlich der Ausgestaltung ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Eine sog. Ankündigungsrechtsprechung (BSG, Urteil vom 18. März 1987 – 9b RU 8/86 –, BSGE 61, 213, Rn. 10 mwN) stellt nur eine der in Betracht kommenden Möglichkeiten dar.
Auch wenn in der Ex-nunc-Perspektive die unter c) erläuterte aktuelle Rechtsprechung gute Argumente insbesondere auch im Sinne der damit geförderten berufsübergreifend anzustrebenden Einheitlichkeit der höchstrichterlichen Statusrechtsprechung für sich anführen kann, so bedeutet dies noch nicht, dass sie auch rückwirkend heranzuziehen ist. Auch das BVerfG stellt, wie dargelegt, darauf ab, dass einem schutzwürdigen Vertrauen in die Beständigkeit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung zu tragen ist.
Im Ergebnis haben damit die Gerichte in Fällen einer in Betracht kommenden Abweichung von einer vorausgegangenen langjährigen und gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung die wechselseitig betroffenen Interessen und insbesondere wechselseitigen Grundrechtsbetroffenheiten zu gewichten und angemessen zu berücksichtigen. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung stellt darauf ab, ob „hinreichend gewichtige“ Gründe, welche eine rückwirkende Aufgabe der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Abwägung mit dem dadurch enttäuschten Vertrauen zumutbar erscheinen lassen, festzustellen sind (BVerfG, Beschluss vom 25. März 2021 – 2 BvL 1/11 –, BVerfGE 157, 177, Rn. 85).
Im vorliegenden Zusammenhang erachtet der Senat eine rückwirkende Aufgabe der bisherigen unter a) erläuterten höchstrichterlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die Interessen der Schulträger und sonstigen Auftraggeber für lehrende Tätigkeiten nicht für zumutbar.
Auch in der Rechtsprechung des BSG ist jedenfalls im Ausgangspunkt anerkannt, dass eine geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach Arbeitgeber Beiträge abzuführen hätten, welche nach der bisherigen Rechtsprechung nicht zu erheben waren, aus Gründen des Vertrauensschutzes für den Arbeitgeber grundsätzlich nicht rückwirkend anzuwenden ist (BSG, U.v. 18. November 1980 – 12 RK 59/79 –, BSGE 51, 31; vgl. in diesem Sinne auch BSG, U.v. 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R –, BSGE 120, 209, Rn. 39).
Die Verlässlichkeit der Rechtsordnung beinhaltet eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen (BVerfG Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvL 11/06, BeckRS 2010, 52581, beck-online). Dies gilt im besonderem Maße, wenn ohnehin das maßgebliche materielle Recht und seine Auslegung an den Geboten der Rechtssicherheit und –beständigkeit auszurichten sind. Gerade im Statusrecht ist nach der Rechtsprechung des BSG der Grundsatz der Klarheit und Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände zu beachten. Im Interesse sowohl der Versicherten als auch der Versicherungsträger muss die Frage der (fehlenden) Versicherungspflicht wegen Selbstständigkeit oder abhängiger Beschäftigung schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären sein, weil es darauf nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten der Sozialversicherungsträger und die Leistungsansprüche des Betroffenen ankommt (BSG, Urteil vom 7. Juli 2020 – B 12 R 17/18 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 49, Rn. 24 mwN; U.v. 1. Februar 2022 – B 12 KR 37/19 R –, BSGE 133, 245 (vorgesehen), Rn. 14).
Eine rückwirkend wirksame Korrektur einer über Jahrzehnte fortgeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung würde aus der Sicht der Betroffenen die Klarheit und Vorhersehbarkeit der davon erfassten sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände jedoch nachhaltig beeinträchtigen.
Die unter a) erläuterte in Jahrzehnten entwickelte und gefestigte, zuletzt noch 2018 vom BSG fortgeschriebene höchstrichterliche Rechtsprechung hat bei den betroffenen Schulträgern die im Ausgangspunkt gut begründete Erwartung geweckt, dass bei lehrenden Tätigkeiten eine großzügige Einschätzung rechtlich selbständiger Tätigkeiten angezeigt ist, solange sich die Beteiligten über eine selbständige Lehrtätigkeit verständigt haben. Dieser Erwartung kommt in Bezug auf Zeiträume vor einer Korrektur dieser Rechtsprechung mit dem erläuterten aktuellen BSG-Urteil vom 28. Juni 2022 besondere Bedeutung vor dem Hintergrund zu, dass eine rückwirkende Änderung der Rechtsprechung mit besonderen, oft auch existenzbedrohenden finanziellen Belastungen für die betroffenen Schulträger verbunden wäre.
In den Grenzen der vierjährigen Regelverjährungsfrist könnten von den dann als Arbeitgeber anzusehenden Schulträgern bei einer rückwirkenden Aufgabe der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung auch für vergangene Zeiträume Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert werden (§ 25 Abs. 1 SGB IV).
Auf Grund der Regelung in § 28 g Satz 3 SGB IV müssten dabei die Schulträger in sehr vielen Fallgestaltungen überdies für den in Betracht kommenden mehrjährigen Nacherhebungszeitraum neben dem Arbeitgeber– auch den Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung tragen. Der Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf dessen Arbeitnehmeranteil kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden (Lohnabzugsverfahren). Ist der Lohnabzug unterblieben, weil insbesondere der Auftraggeber im Vertrauen auf die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung ausgehend von einer selbständigen Tätigkeit von einem Beitragsabzug abgesehen hat, darf der Abzug nur bei den drei nächsten Lohn- und Gehaltszahlungen nachgeholt werden; danach nur dann, wenn den Arbeitgeber kein Verschulden traf. Da es sich beim Lohnabzug rechtstechnisch um eine Aufrechnung gem. § 387 BGB handelt (Wehrhahn in Beck-Online-Großkommentar – Kasseler Kommentar – Stand: 01.06.2018, § 28g Rn. 7) müssen beim nachträglichen Beitragsabzug auch die Pfändungsfreigrenzen des § 394 Satz 1 BGB eingehalten werden (BSG, U.v. 25. Oktober 1990 – 12 RK 27/89 –, BSGE 67, 290, Rn. 21); BAG, Urteil vom 18. Dezember 2008 – 8 AZR 105/08 –, Rn. 56, juris; abweichend LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2022 – 25 Sa 1472/20 –, Rn. 38, juris). Wird das Beschäftigungsverhältnis nicht fortgesetzt oder ist dieses bereits beendet, ist ein entsprechender Abzug nicht mehr möglich.
Entsprechend bedeutsame Vorteile, welche auch die Inkaufnahme entsprechender schwerwiegender Nachteile durch eine rückwirkende Korrektur der höchstrichterlichen Rechtsprechung als angezeigt erscheinen lassen könnten, vermag der Senat nicht festzustellen. Die unter a) erläuterte bisherige Rechtsprechung ist vom BSG und ihm folgend von den Instanzgerichten über Jahrzehnte hinweg fortgesetzt worden, dies erfolgte natürlich auf der Basis der Einschätzung, dass mit ihr keine unzumutbaren Nachteile für die Betroffenen verbunden waren.
f) Ausgehend von der nach Auffassung des Senates für Zeiträume vor Juni 2022 weiterhin maßgeblichen bisherigen (vorstehend unter a] erläuterten) höchstrichterlichen Rechtsprechung hat der Beigeladene im streitbetroffenen Zeitraum eine selbständige lehrende Tätigkeit ausgeübt. In Ergänzung zu den zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil ist auch aus Sicht des Senates hervorzuheben, dass die Vorgaben der Schule für die maßgebliche Unterrichtstätigkeit des Beigeladenen nicht über die Festlegung gewisser "Eckpunkte" des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Sinne der erläuterten bisherigen Rechtsprechung hinausgegangen sind. Für den inhaltlichen Unterricht gab es keine konkreten Vorgaben, und zwar auch nicht in Form eines Curriculums. Eine eher vage inhaltliche Ausrichtung war letztlich nur insofern mittelbar vorgegeben, als natürlich der Unterricht in den vom Beigeladenen unterrichteten Fächern Wirtschaft und Politik im Ergebnis die Schüler zu einer erfolgreichen Teilnahme an den Prüfungen zum Realschulabschluss verhelfen sollte. Eine entsprechende Ausrichtung des Unterrichts an Prüfungserfordernissen steht der Annahme einer selbständigen lehrenden Tätigkeit jedoch ausgehend von der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entgegen (BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R –, Rn. 29, juris, mwN).
Soweit in den vorformulierten allgemeinen Vertragsbedingungen der Klägerin (welche sich auf ganz unterschiedlich ausgerichtete Kursangebote bezogen) festgehalten worden ist, dass die Inhalte und die methodisch-didaktische Durchführung des Lehrauftrages einer „individuellen Vereinbarung zwischen der Dozentin/dem Dozenten und der Fachbereichsleitung/Geschäftsstellenleitung“ zu entsprechen hätten, ist diese Klausel von den Beteiligten im Rahmen der lehrenden Tätigkeit des Beigeladenen nicht umgesetzt worden. Entsprechende Absprachen hat es nicht gegeben; sie wurden von Seiten der Klägerin und der von ihr eingesetzten Fachbereichsleitung auch gar nicht für erforderlich erachtet.
Die Klägerin hat sich ohnehin bemüht, den zeitlichen Wünschen der Dozenten Rechnung zu tragen. Natürlich musste sie auch den Belangen der Schüler und den jeweiligen Raumkapazitäten Rechnung tragen; im Ergebnis konnten aber einvernehmliche Lösungen gefunden werden (wie solche regelmäßig auch bei in Teilzeit eingesetzten abhängig Beschäftigten anzustreben sind, zumal wenn diese auch anderweitig zeitliche Verpflichtungen wie etwa bedingt durch ein Studium haben).
Eine „Evaluation des Unterrichts“ (womit wohl ohnehin nur die Aushändigung und Auswertung eines Fragebogens betreffend die Schülerzufriedenheit mit dem Unterrichtsangebot gemeint war) wurde bezüglich des vom Beigeladenen erteilten Unterrichts von Seiten der Klägerin gar nicht erwartet.
Eine Verpflichtung zur Übernahme von Vertretungsunterricht oder zur Teilnahme an Konferenzen bestand für den Beigeladenen nicht. Die Teilnahme an Konferenzen war freiwillig und wurde gesondert vergütet. Bei konkreten Verhinderungen eines Dozenten gab es mitunter einvernehmliche Absprachen auf freiwilliger Basis mit Kollegen über eine (für den Vertreter dann gesondert honorierte) Vertretung; ansonsten mussten die betroffenen Stunden ausfallen, soweit keine Möglichkeit zu ihrer Nachholung bestand. Außerhalb entsprechender Verhinderungen wurde ohnehin von dem Beigeladenen erwartet, dass er den Unterricht in eigener Person erbrachte.
Bei Ausfall von Lehrveranstaltungen hatte der Beigeladene gegenüber der Klägerin weder einen Anspruch auf anderweitige Verwendung noch einen Anspruch auf ein Ausfallhonorar. Eine Honorarfortzahlung für einen Erholungsurlaub oder im Krankheitsfall war nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen nicht vorgesehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.