1. Die Feststellung des Eintritts einer Sanktion nach § 31 SGB II (in der bis zum 31. Dezember 2022 geltenden Fassung) entfaltet keine Sperrwirkung gegenüber dem Ersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhaltens nach § 34 SGB II (Anschluss an BSG, Urteil vom 3. September 2020 B 14 AS 43/19 R).
2. Bei dem Ersatzanspruch nach § 34 SGB II handelt es sich um einen engen und deliktsähnlichen Ausnahmetatbestand (Anschluss an BSG, Urteil vom 3. September 2020 B 14 AS 43/19 R).
3. Der Nichtantritt einer außerhalb des Tagespendelbereichs gelegenen Arbeitsstelle stellt kein sozialwidriges Verhalten i.S.d. § 34 SGB II dar, wenn der Arbeitsuchende am zukünftigen Beschäftigungsort keine Wohnung anmieten kann, weil ihm selbst die erforderlichen Mittel zur Finanzierung der für eine neue Wohnung anfallenden Mietkaution fehlen und die als örtlich zuständig in Betracht kommenden Jobcenter die Übernahme der Mietkaution abgelehnt haben.
In dem Rechtsstreit
B.
– Kläger und Berufungsbeklagter –
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt C.
gegen
Jobcenter Osnabrück,
vertreten durch den Geschäftsführer,
Johannistorwall 56, 49080 Osnabrück
– Beklagter und Berufungskläger –
hat der 11. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2023 in Celle durch den Richter D. - Vorsitzender -, den Richter E. und die Richterin Dr. F. sowie den ehrenamtlichen Richter G. und den ehrenamtlichen Richter H. für Recht erkannt:
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte erstattet dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) Osnabrück vom 17. Juni 2021 – S 23 AS 231/20, mit dem das SG der Klage des Klägers gegen einen vom Beklagten für die Monate Juni bis Dezember 2019 geltend gemachten Ersatzanspruch i.H.v. zuletzt 5.896,04 Euro stattgegeben hat.
Der 1962 geborene Kläger, der damals bereits langjährig im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) stand, erhielt im Jahr 2019 vom Beklagten SGB II-Leistungen i.H.v. 798,72 Euro pro Monat (vgl. im Einzelnen: Bewilligungsbescheid vom 6. Dezember 2018, Aufhebungsbescheid vom 9. Mai 2019 sowie Bewilligungsbescheid vom 29. Mai 2019 - im Juni 2019 betrugen die SGB II-Leistungen wegen der Anrechnung eines Betriebskostenguthabens lediglich 634,47 Euro).
Die Erwerbsbiographie des Klägers, der einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist (§ 2 Abs 3 SGB IX), stellt sich ausweislich des in der Verwaltungsakte befindlichen Lebenslaufs wie folgt dar: Im Jahr 1979 verließ der Kläger die Hauptschule/Werkrealschule ohne Abschluss. Von 1981 bis 1983 absolvierte er erfolgreich eine Berufsausbildung zum Industriekaufmann und arbeitete anschließend – unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit – bei verschiedenen Arbeitgebern als Buchhalter, zuletzt bis zum 17. Januar 2003. Für die Zeit ab 18. Januar 2003 sind im Lebenslauf des Klägers Zeiten der Arbeitslosigkeit, der Arbeitsunfähigkeit, Weiterbildungs- und Maßnahmezeiten sowie verschiedene abhängige Beschäftigungen verzeichnet (u.a. als Helfer im Verkauf/Supermarkt, Helfer Lagerwirtschaft/Transport, Helfer Reinigung/Raumpfleger, Helfer Büro/Verwaltung, Gebäudereiniger sowie Auslieferungsfahrer, vgl. im Einzelnen: Bl. 126 bis 131 Bd. VI der Verwaltungsakte - VA -).
Im Mai 2017 besprachen die Beteiligten erneut das weitere Bewerbungsverhalten. Hierzu hielt der Beklagte in einem Gesprächsvermerk Folgendes fest: Der Kläger sei sich bewusst, auf Bewerbungen im Öffentlichen Dienst aufgrund seiner Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen eingeladen werden zu müssen. Er habe geäußert, dass die Arbeitgeber ihn ansonsten aufgrund seiner Entfernung zum Beruf „Buchhalter“ vermutlich nicht einladen würden. Ihm sei vom Beklagten mitgeteilt worden, dass Bewerbungen in diesem Bereich nicht weiter erfolgversprechend seien und der Beklagte daher Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen als Buchhalter nicht mehr erstatten werde. Es gehe vielmehr um die Suche nach beruflichen Alternativen (Gesprächsvermerk vom 9. Mai 2017, Bl. 69 Bd. VI VA). Auch in der durch Verwaltungsakt vom 9. Mai 2017 ersetzten Eingliederungsvereinbarung hielt der Beklagte daran fest, dass für Bewerbungen als Buchhalter keine Fahrkosten mehr übernommen würden. Dieser Eingliederungsverwaltungsakt wurde vom Beklagten später wieder aufgehoben (Anerkenntnis des Beklagten im Klageverfahren S 23 AS 360/17).
Erneut schrieb der Beklagte die Regelung zur Nichtübernahme von Fahrkosten für Bewerbungen als Buchhalter (oder vergleichbare Stellen) in dem Eingliederungsverwaltungsakt vom 17. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2019 fest. Eine vom Kläger beim SG Osnabrück hiergegen erhobene Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 17. Juni 2021 – S 23 AS 351/19 abgewiesen, wobei dem SG nicht bekannt war, dass der mit der Klage angefochtene Eingliederungsverwaltungsakt vom Beklagten zwischenzeitlich bereits wieder gemäß § 46 SGB X widerrufen worden war (nämlich mit Bescheid vom 10. März 2020; vgl. zur Zurückweisung der vom Kläger gegen diesen Gerichtsbescheid geführten Nichtzulassungsbeschwerde: Beschluss des erkennenden Senats vom 27. Januar 2022 – L 11 AS 383/21).
Seit (mindestens) 2017 kam es zwischen den Beteiligten immer wieder zu Streitigkeiten um die Übernahme von Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen für Stellen als Buchhalter, z.B. für die Vorstellungsgespräche am 7. September 2017, 14. November 2018, 10. Dezember 2018, 10. Januar 2019, 13. September 2019 und 2. Juni 2020. Der Beklagte lehnte die Übernahme von Fahrkosten jeweils ab. Die vom Kläger hiergegen vor dem SG geführten Klagen blieben erfolglos, ebenso seine gegen die Entscheidungen des SG eingelegten Nichtzulassungsbeschwerden (vgl. Gerichtsakten S 23 AS 300/19 / L 11 AS 381/21 NZB, S 23 AS 203/19 / L 11 AS 376/21 NZB, S 23 AS 204/19 / L 11 AS 380/21 NZB, S 23 AS 205/19 / L 11 AS 379/21 NZB, S 23 AS 50/20 / L 11 AS 384/21 NZB sowie S 23 AS 449/20 / L 11 AS 378/21 NZB).
Mit einer E-Mail vom 21. Januar 2019 übersandte der Kläger dem Beklagten ein Schreiben des Polizeipräsidiums I. vom 14. Januar 2019, wonach seine Einstellung als „Regierungsbeschäftigter in Haushalts- und Rechnungsangelegenheiten“ zum nächstmöglichen Zeitpunkt beabsichtigt sei (vorbehaltlich der gesundheitlichen Eignung, der Unbedenklichkeit des Führungszeugnisses sowie der Zustimmung des Personalrates). Die E-Mail des Klägers lautete wörtlich:
„Ich beantrage folgende Leistungen aus dem Vermittlungsbudget zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung:
1. Kaution, 2. Umzugskosten, 3. Fahrt zur Besichtigung einer Wohnung
Mit freundlichen Grüßen, (…)“
Der Beklagte sagte daraufhin zu, die Kosten einer Fahrt nach I. zwecks Wohnungssuche zu übernehmen. Auf Nachweis könnten auch die Umzugskosten „für Selbstfahrer“ übernommen werden. Bei Beauftragung einer Spedition müssten zwei Kostenvoranschläge eingereicht werden. Die abschließende Prüfung erfolge bei Vorliegen aller nötigen Unterlagen. Die Mietkaution könne seitens des Beklagten dagegen „nicht gefördert werden“ (E-Mail des Beklagten vom 22. Januar 2019).
Auf eine vom Kläger hiergegen bei der Geschäftsführung des Beklagten eingelegte, in den Verwaltungsakten allerdings nicht enthaltene „Beschwerde“ teilte der Beklagte dem Kläger am 28. Januar 2019 mit, dass an der Ablehnung der Mietkautionsübernahme festgehalten werden müsse. Der Kläger werde insoweit an das Jobcenter I. verwiesen. Sollte der Kläger dort einen Alg II-Antrag stellen und aufstockend einen Leistungsanspruch haben, so gebe es von dort Möglichkeiten, für die Mietkaution ein Darlehen zu gewähren. Ergänzend wurden dem Kläger dem Grunde nach ein Einstiegsgeld für sechs Monate sowie für den Fall, dass er zunächst täglich zur Arbeitsstelle pendele, Fahrkosten aus dem Vermittlungsbudget angeboten (E-Mail vom 28. Januar 2019).
Auf eine vom Beklagten verfügte vorläufige Zahlungseinstellung (Schreiben vom 28. Januar 2019; Rücknahme durch Schreiben vom 19. Februar 2019) teilte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten u.a. mit, dass ein Umzug für ihn „ohne die vorherige Zusage einer Übernahme der Mietkaution (…) nur schwer möglich“ sei. Der Beklagte antwortete darauf, dass der Kläger sich wegen der Mietkaution an das Jobcenter I. wenden müsse (Schreiben vom 28. Februar 2019).
Der Arbeitsvertrag wurde vom Kläger am 7. März 2019 unterschrieben (Beschäftigungsbeginn beim Polizeipräsidium I.: 1. Mai 2019). Aus vom Beklagten für die Verwaltungsakte gefertigten Aktenvermerken ergibt sich, dass sich auch das Polizeipräsidium I. telefonisch nach den Gründen für die Ablehnung der Mietkaution erkundigte.
Am 17. Mai 2019 zeigte der Kläger beim Beklagten an, dass sein Arbeitsverhältnis nicht zustande gekommen sei. Das Polizeipräsidium I. teilte hierzu auf Nachfrage des Beklagten mit, dass dem Kläger noch während der Probezeit zum 31. Mai 2019 gekündigt worden sei. Man habe am 2. Mai 2019 auf den Kläger gewartet, bis zum 20. Mai 2019 jedoch keine Nachricht von ihm bekommen. Aufgrund des unentschuldigten Fehlens sei die Kündigung ausgesprochen worden. Das dem Kläger vertragsgemäß am 30. Mai 2019 überwiesene Gehalt (1.711,32 Euro netto) habe dieser am 23. Juli 2019 zurückgezahlt.
Wegen des Nichtantritts der Arbeitsstelle beim Polizeipräsidium I. erließ der Beklagte den Sanktionsbescheid vom 3. Juni 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2019 (Minderung des Alg II für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2019 um 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs = 127,20 Euro pro Monat). Die hiergegen eingelegte Klage bleib erfolglos (Urteil des SG Osnabrück vom 17. Juni 2021 – S 23 AS 350/19 sowie Beschluss des erkennenden Senats vom 3. Dezember 2021 – L 11 AS 382/21 NZB).
Im Rahmen des den o.g. Sanktionsbescheid betreffenden Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens machte der Kläger u.a. geltend, über keine ausreichenden Mittel zur Finanzierung der Mietkaution einer in I. anzumietenden Wohnung verfügt zu haben. Das dortige Jobcenter habe ihn an den Beklagten verwiesen (Gesprächsvermerk vom 17. Mai 2019). Die Arbeitsaufnahme sei für ihn wirtschaftlich nicht tragbar gewesen (vgl. hierzu die Kostenaufstellung des Klägers, übersandt als Anlage zu seinem Antwortschreiben vom 22. Mai 2019). Finanzielle Unterstützung sei verweigert worden. Pendeln sei nicht zumutbar.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2020 hörte der Beklagte den Kläger zur Geltendmachung eines Ersatzanspruchs nach § 34 SGB II für die Monate Mai bis Dezember 2019 i.H.v. 6.816,31 Euro an. Nachdem der Kläger sich hierzu inhaltlich nicht geäußert hatte, erließ der Beklagte den im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Bescheid vom 24. März 2020, wonach der Kläger durch vorsätzliches Handeln (Nichterscheinen zum Einstellungstermin) das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses verhindert habe. Durch den Nichtantritt der Arbeitsstelle habe er seine Hilfebedürftigkeit aufrechterhalten, da er aus dem Arbeitsverhältnis einen laufenden Nettoverdienst von 1.760,18 Euro pro Monat hätte erzielen können. Ein wichtiger Grund für sein Verhalten habe ihm nicht zur Seite gestanden. Es hätte ihm unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ein anderes Verhalten zugemutet werden können. Aufgrund seines sozialwidrigen Verhaltens seien SGB II-Leistungen i.H.v. insgesamt 6.816,31 Euro für den Zeitraum Mai bis Dezember 2019 gewährt worden (vgl. zur Aufteilung dieses Gesamtbetrags auf Regelbedarfsleistungen, Unterkunftskosten und Beiträge zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung sowie auf die einzelnen Monate des streitbefangenen Zeitraums: Seite 2 und 3 des Bescheides vom 24. März 2020). Dieser Betrag sei zu erstatten.
Auf den vom Kläger ohne inhaltliche Begründung am 26. März 2020 eingelegten Widerspruch hob der Beklagte den für den Monat Mai 2019 geltend gemachten Ersatzanspruch auf und reduzierte den Erstattungsbetrag auf 5.896,04 Euro. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte ergänzend aus, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Nichtantritts der Arbeitsstelle weder Aussicht auf eine andere sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gehabt noch davon habe ausgehen können, kurzfristig einen anderen Arbeitsplatz zu erhalten. Dies habe auf der Hand gelegen und sei dem Kläger auch bewusst gewesen. Die Arbeitsstelle sei ohne Angaben von Gründen nicht angetreten worden (Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2020).
Das SG hat der am 5. Juni 2020 erhobenen und inhaltlich unbegründet gebliebenen Klage mit Urteil vom 17. Juni 2021 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass für einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II bereits dann kein Anwendungsbereich mehr eröffnet sei, wenn das beanstandete Verhalten schon nach §§ 31ff. SGB II sanktioniert worden sei. Andernfalls ergebe sich eine „Verdopplung der Sanktionen“, die dem allgemeinen Rechtsgrundsatz „ne bis in idem“ zuwiderlaufe. Hierbei verkenne die Kammer nicht, dass das Bundessozialgericht (BSG) den Ersatzanspruch nach § 34 SGB II offenbar durchaus neben dem Sanktionsregime (§§ 31ff. SGB II) für anwendbar halte. Auch sei einzuräumen, dass der Kläger den Bereich des „normalen sanktionswidrigen Verhaltens“ hier „ohne Weiteres“ überschritten habe. Dies räume jedoch nicht die grundsätzlichen systematischen Bedenken des SG gegen eine gleichzeitige Anwendung von § 34 SGB II einerseits und einer Sanktion andererseits aus. Dies gelte umso mehr, weil der zu ersetzende Betrag ein Vielfaches des Sanktionsbetrages ausmache und dieser Betrag letztlich nicht zu realisieren sei.
Gegen das dem Beklagten am 22. Juni 2021 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 5. Juli 2021 eingelegte Berufung. Die erstinstanzliche Entscheidung stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG. Der Erlass eines Sanktionsbescheids schließe die zusätzliche Geltendmachung eines Ersatzanspruchs nach § 34 SGB II nicht aus. Es handele sich vorliegend um einen Ausnahmefall, in dem der Kläger nach lang andauernder Arbeitslosigkeit und nach langjährigem Bezug von SGB II-Leistungen einen Arbeitsvertrag unterschrieben habe. Der Kläger habe gewusst, dass er bei einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. 1.700,00 Euro „bei Weitem nicht mehr hilfebedürftig nach dem SGB II“ gewesen wäre. Das Verhalten des Klägers stehe unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles einer vorsätzlichen Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit wertungsmäßig gleich und sei deshalb als sozialwidrig zu qualifizieren. Aus einem vom Kläger erstmals Ende Mai 2019 auszugsweise vorgelegten Mietvertrag ergebe sich, dass diesem ein Mietangebot für eine Wohnung der J. GmbH vorgelegen habe. Diese Vermieterin weise auf ihrer Internetseite auf die Möglichkeit einer sog. Mietkautionsbürgschaft hin, die der Kläger für ca. 4,00 Euro im Monat hätte abschließen können. Entsprechend den Darlegungen im angefochtenen Urteil des SG sei für die Gewährung einer Mietkaution das Jobcenter Düsseldorf und nicht der Beklagte zuständig gewesen. Eine Übernahme der Mietkaution als Eingliederungsleistung sei – wie das SG ebenfalls zutreffend entschieden habe – gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB II ausgeschlossen gewesen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 17. Juni 2021 – S 23 AS 231/20 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass das SG „im Ergebnis zu Recht entschieden“ habe. Es habe nicht an einem Verschulden oder in der Sphäre des Klägers gelegen, dass die Arbeitsstelle beim Polizeipräsidium in I. nicht habe angetreten werden können. Den eine Wohnung in K. betreffenden Mietvertrag habe er nicht unterschrieben, weil er kein Geld für die Mietkaution gehabt habe. Er sei noch nicht einmal aus seinem alten Mietvertrag entlassen gewesen, so dass er bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eventuell sogar doppelte Miete hätte zahlen müssen. Mit der J. GmbH sei vorab auch über die Kaution gesprochen worden, wobei die Vermieterin nicht ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Mietkautionsbürgschaft hingewiesen habe. Ihm sei aber damals schon diese Möglichkeit bekannt gewesen. Er habe im Internet versucht, eine solche Mietkautionsbürgschaft abzuschließen, die Anbieter seien jedoch nicht zur Übernahme einer Mietkautionsbürgschaft bereit gewesen. Der Kontakt zum Jobcenter I. sei ausschließlich telefonisch über die Service-Hotline erfolgt. Ihm sei gesagt worden, dass bis zum 30. April das Jobcenter L. zuständig sei. Das Jobcenter I. wäre frühestens ab 1. Mai zuständig. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Arbeit jedoch schon angetreten worden sein müssen. Hierauf habe das Jobcenter I. gesagt, dass er (der Kläger) Anträge stellen könnte, gleichzeitig aber auch auf die erforderlichen Bearbeitungszeiten hingewiesen. Die Anträge würden – so das Jobcenter I. - voraussichtlich abgelehnt werden. Kurzfristig – also für den Zeitpunkt der Fälligkeit der Mietkaution – sei dem Kläger keine Leistung des Jobcenters I. in Aussicht gestellt worden.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die Gerichtsakten S 23 AS 255/20 ER, S 23 AS 360/17, S 23 AS 350/19 / L 11 AS 382/21 NZB sowie die erst- und zweitinstanzliche Gerichtsakte verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat den streitbefangenen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II im Ergebnis zutreffend verneint.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II hat die ihm nach dem SGB II erbrachten Geld- und Sachleistungen zu ersetzen, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von SGB II-Leistungen an sich ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat. Von der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde (§ 34 Abs. 1 Satz 6 SGB II).
Der Ersatzanspruch nach § 34 SGB II knüpft ausweislich der amtlichen Überschrift dieser Norm an ein sozialwidriges Verhalten des Leistungsempfängers an (BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 43/19 R, Rn. 10, 12). Somit ist für einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II erforderlich, dass der Betreffende – im Sinne eines objektiven Unwerturteils – in zu missbilligender Weise sich selbst oder seine unterhaltsberechtigten Angehörigen in die Lage gebracht hat, existenzsichernde Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2020, a.a.O., Rn. 13). Als Herbeiführung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II gilt auch, wenn durch das sozialwidrige Verhalten die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB II).
Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, handelt es sich bei der Ersatzpflicht nach § 34 SGB II um einen engen und deliktsähnlichen Ausnahmetatbestand (BSG, Urteil vom 3. September 2020, a.a.O., Rn. 12 mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – sowie des BSG). Wegen des Ausnahmecharakters des § 34 SGB II besteht kein Automatismus dahingehend, dass jeder Sanktionstatbestand nach § 31 SGB II zugleich einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II begründet (BSG, Urteil vom 3. September 2020, a.a.O., Rn. 14). Vielmehr stehen diese Vorschriften in einem Stufenverhältnis, wonach auf die Verwirklichung eines der in § 31 SGB II genannten Tatbestände regelhaft mit einer sanktionsbedingten Minderung nach den §§ 31a, 31b SGB II zu reagieren ist und (nur) in einem besonderen Ausnahmefall zusätzlich ein Ersatzanspruch nach § 34 SGB II geltend zu machen ist. Kennzeichen dessen ist, dass – deliktsähnlich – die in den Tatbeständen des § 31 SGB II ausgedrückten Verhaltenserwartungen in besonders hohem Maße verletzt worden sind (BSG, a.a.O.). Zusammengefasst setzt § 34 SGB II somit ein Verhalten des Betroffenen voraus, das (1) in seiner Handlungstendenz auf die Einschränkung bzw. den Wegfall der Erwerbsfähigkeit oder der Erwerbsmöglichkeit oder (2) die Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit bzw. der Leistungserbringung gerichtet war bzw. hiermit in „innerem“ Zusammenhang stand oder (3) einen spezifischen Bezug zu anderen nach den Wertungen des SGB II zu missbilligenden Verhaltensweisen aufweist (BSG, a.a.O, Rn. 16).
Eine typische Fallkonstellation, in der neben einer Sanktion nach § 31 SGB II zusätzlich auch ein Ersatzanspruch nach § 34 SGB II in Betracht kommt, ist arbeitsvertragswidriges Verhalten, das Anlass für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses und damit für den Eintritt oder die Erhöhung der Hilfebedürftigkeit gegeben hat (vgl. hierzu etwa: BSG, a.a.O., Rn. 15). Einem solchen arbeitsvertragswidrigen Verhalten (als Anlass für die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses) steht aufgrund der in § 31 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB II sowie in § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 SGB III zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertentscheidung die Vereitelung des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses gleich.
Aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls stellt das dem Kläger vorgeworfene Verhalten (Nichtantritt der Arbeitsstelle beim Polizeipräsidium I.) entgegen der Auffassung des Beklagten kein sozialwidriges Verhalten i.S.d. § 34 SGB II dar.
Die Aufnahme der Erwerbstätigkeit beim Polizeipräsidium I. setzte angesichts des damaligen Wohnortes des Klägers in der M. 79 a in L. einen Umzug voraus. Schließlich beträgt die Entfernung zwischen dem Wohnsitz des Klägers und dem Polizeipräsidium I. je nach Fahrstrecke 188 bis 196 km (laut Google Maps; ungefähre Fahrtdauer mit dem Pkw: 2 Stunden 12 Minuten bis 2 Stunden 20 Minuten). Die Fahrtdauer pro Strecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln beträgt – je nach Tageszeit – zwischen 2 Stunden 45 Minuten und 3 Stunden 23 Minuten (bei zwei bis fünf Umstiegen). Dass ein Umzug an den neuen Beschäftigungsort angesichts der Entfernung zum damaligen Wohnort sinnvoll bzw. geboten war, ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Der Beklagte hat dem Kläger dementsprechend ausdrücklich die Übernahme von Umzugskosten sowie der Fahrkosten für eine Wohnungsbesichtigung in I. zugesichert.
Für die Anmietung einer für den Arbeitsantritt in I. erforderlichen Wohnung war der Kläger auf die Klärung der Finanzierung einer Mietkaution angewiesen. Schließlich liegt es außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass der Kläger (als bisheriger SGB II-Leistungsbezieher bzw. als Arbeitnehmer innerhalb der Probezeit) die Möglichkeit gehabt haben könnte, in der Nähe seines zukünftigen Beschäftigungsorts eine Wohnung anmieten zu können, ohne hierfür - wie marktüblich - eine Mietkaution zahlen zu müssen. Dass der Kläger nach jahrelangem SGB II-Leistungsbezug und vielfältigen sanktionsbedingten Minderungen über Rücklagen zur eigenständigen Finanzierung der in I. anfallenden Mietkaution verfügen könnte, ist weder ersichtlich noch vom Beklagten vorgetragen und/oder nachgewiesen worden.
Soweit der Beklagte im Berufungsverfahren erstmals – also fast vier Jahre nach Antragstellung und ca. 2 ¾ Jahre nach Erlass des streitbefangenen Bescheids – auf die Möglichkeit einer Mietkautionsbürgschaft hingewiesen hat (Schriftsatz vom 6. Dezember 2022), ergibt sich hieraus nichts Anderes. Zunächst stellt sich die Frage, weshalb der Beklagte diesen Hinweis trotz der ihm gesetzlich obliegenden Beratungspflicht (§ 14 SGB I) nicht bereits im Verwaltungsverfahren gegeben hat (sondern sich dort auf seine angeblich fehlende Zuständigkeit berufen hat). Unabhängig davon hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass er trotz entsprechender Bemühungen eine solche Mietkautionsbürgschaft nicht hat erhalten können. Somit konnte der Kläger schon rein tatsächlich seine Verpflichtung zur Zahlung einer Mietkaution nicht durch Vorlage einer Mietkautionsbürgschaft ersetzen.
Das somit für die Anmietung einer neuen Wohnung erforderliche Mietkautionsdarlehen hat der Beklagte ausdrücklich und mehrfach abgelehnt. Eine vom Kläger bei der Behördenleitung des Beklagten hiergegen eingelegte „Beschwerde“ blieb ebenso wie die vom künftigen Arbeitgeber (Polizeipräsidium I.) diesbezüglich beim Beklagten gehaltene Nachfrage erfolglos.
Stattdessen wurde der Kläger vom Beklagten pauschal an das für den neuen Beschäftigungsort zuständige Jobcenter I. verwiesen („ … wir verweisen Sie diesbezüglich an das Jobcenter I.. Sollten Sie dort einen Alg II-Antrag stellen und Sie aufstockend einen Leistungsanspruch haben, so gäbe es von dort Möglichkeiten, Ihnen ein Darlehen für eine Mietkaution zu gewähren“, vgl. E-Mail des Beklagten vom 28. Januar 2019). Die unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Beklagten gemäß § 16 Abs. 2 SGB II gebotene Weiterleitung des Mietkautionsantrags an das Jobcenter Düsseldorf veranlasste der Beklagte dagegen nicht. Seitens des Jobcenters Düsseldorf wurde dem Kläger nach seinen nachvollziehbaren und auch ansonsten glaubwürdigen Angaben (vgl. Sitzungsniederschrift vom 26. Januar 2023) keine Unterstützung hinsichtlich des begehrten Mietkautionsdarlehens angeboten oder zugesichert, sondern lediglich für den Fall einer formalen Antragstellung eine zu gegebener Zeit erfolgende Ablehnung in Aussicht gestellt.
Es bleibt somit festzuhalten, dass der Kläger zur Anmietung einer in der Nähe des neuen Beschäftigungsorts gelegenen Wohnung auf eine Übernahme der Mietkaution angewiesen war, die hierfür als zuständig in Betracht kommenden Jobcenter die Gewährung eines entsprechenden Mietkautionsdarlehens dagegen entweder ablehnten (Beklagter) oder die Ablehnung eines entsprechenden Antrags in Aussicht stellten (Jobcenter I.). Der Kläger wurde nicht weitergehend unterstützt. Ebenso wenig wurden ihm in der damaligen Situation andere eventuell in Betracht kommende Möglichkeiten zur Finanzierung der Mietkaution aufgezeigt.
Der erkennende Senat kann im Ergebnis offenlassen, ob der Kläger im Fall der Anmietung einer in der Nähe seines neuen Beschäftigungsorts gelegenen Wohnung einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zur Finanzierung der hierfür anfallenden Mietkaution gehabt hätte (möglicherweise auch nur der ersten von drei Raten, vgl. hierzu: § 551 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -).
Sollte der Kläger – wie vom Beklagten und offensichtlich auch vom Jobcenter I. angenommen – tatsächlich keinen entsprechenden (Darlehens-)Anspruch gehabt haben, wäre ihm ein Umzug an den neuen Wohnort aus finanziellen Gründen unmöglich gewesen. Von ihm konnte auch nicht verlangt werden, einen Mietvertrag abzuschließen, obwohl er – wie ihm bekannt war – eine nach dem Mietvertrag zu zahlende Mietkaution überhaupt nicht fristgerecht zahlen konnte. Schließlich hätte es sich hierbei um einen sog. Eingehungsbetrug, also ein nach § 263 Strafgesetzbuch (StGB) strafbares Verhalten gehandelt. Es bedarf somit keiner weitergehenden Begründung, dass bei objektiv fehlender Möglichkeit, die bei Anmietung einer neuen Wohnung anfallende Mietkaution fristgerecht zahlen zu können, der Nichtabschluss eines Mietvertrags und hieraus resultierend der Nichtantritt der neuen Arbeitsstelle kein sozialwidriges Verhalten i.S.d. § 34 SGB II darstellt.
Sollte der Kläger– entgegen der Auffassung des Beklagten und des Jobcenters I. –doch einen Anspruch auf SGB II-Leistungen zur Finanzierung der Mietkaution gehabt haben, läge im vorliegenden Fall ebenfalls kein sozialwidriges Verhalten i.S.d. § 34 SGB II vor. Insoweit weist der Senat zunächst darauf hin, dass ein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Mietkaution nicht vollständig ausgeschlossen erscheint (sei es als Darlehen oder als Zuschuss, möglicherweise auch nur hinsichtlich der ersten von drei Raten gemäß § 551 Abs. 2 BGB). Als Anspruchsgrundlage wären insoweit § 22 Abs. 6 SGB II (ggf. i.V.m. § 24 Abs. 4 SGB II) sowie § 16 SGB II zu prüfen (vgl. zur Übernahme einer Mietkaution als Leistung aus dem Vermittlungsbudget: Herbst in: JurisPK-SGB III, § 44 Rn. 259).
Auch in dieser Sachverhaltsvariante (Unterstellung eines Anspruchs auf SGB II-Leistungen zur Finanzierung der Mietkaution, hieraus resultierend die Möglichkeit, eine Wohnung am neuen Beschäftigungsort anzumieten und die neue Arbeitsstellt anzutreten) lässt sich jedoch kein sozialwidriges Verhalten des Klägers begründen. Schließlich hätte sich in dieser Sachverhaltskonstellation entweder der Beklagte oder aber das Jobcenter I. rechtswidrig geweigert, dem Kläger die für die Mietkaution erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Die sozialadäquate Reaktion eines SGB II-Leistungsempfängers auf ein solches rechtswidriges Behördenhandeln (hier: Unterlassen der Anmietung einer Wohnung nach rechtswidriger Ablehnung des Antrags auf Übernahme einer Mietkaution) stellt kein sozialwidriges Verhalten i.S.d. § 34 SGB II dar, zumal der Kläger hinsichtlich der für den Umzug erforderlichen Mietkaution sowohl vom Beklagten als auch vom Jobcenter I. vollkommen „allein gelassen“ worden ist. Der Beklagte, der sich für örtlich unzuständig gehalten hat, hat den Mietkautionsantrag des Klägers schlichtweg abgelehnt, anstatt ihn gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I an den aus seiner Sicht zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Angesichts der Obliegenheit des Beklagten, für eine möglichst weitgehende Verwirklichung der sozialen Rechte zu sorgen (vgl. hierzu: § 2 Abs. 2 SGB I), hätte es zudem nahegelegen, dass sich der Beklagte mit dem aus seiner Sicht zuständigen Jobcenter I. ins Benehmen setzt, um möglichst rasch die Zuständigkeitsfrage sowie das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines entsprechenden Leistungsanspruchs zu klären. Dies gilt auch deshalb, weil im vorliegenden Fall bereits seit Antragstellung im Januar 2019 klar erkennbar war, dass für einen Eingliederungserfolg ein rasches und verbindliches Handeln auf Seiten aller Beteiligten erforderlich war. Der Kläger war auf entsprechend klare und zeitnahe Antworten angewiesen, um die notwendigen Vorbereitungen für einen Umzug an den mehr als 200 km entfernten zukünftigen Arbeitsort treffen zu können.
Ebenso wenig kann dem Kläger vorgeworfen werden, sich nicht hinreichend oder nicht rechtzeitig um die Klärung der Finanzierung der Mietkaution bemüht zu haben. So hat der Kläger beim Beklagten die Übernahme der Mietkaution frühzeitig und ausdrücklich beantragt (E-Mail vom 21. Januar 2019 bei einem voraussichtlichen Beginn des Beschäftigungsverhältnisses am 1. Mai 2019). Auch im Schreiben vom 19. Februar 2019 hat der Kläger nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ohne vorherige Zusage der Mietkaution ein Umzug nur sehr schwer möglich sein werde. Gegen die wiederholten Leistungsablehnungen des Beklagten hat der Kläger sogar eine (in der Verwaltungsakte des Beklagten nicht enthaltene) „Beschwerde“ bei der Behördenleitung eingelegt, die erfolglos geblieben ist. Entsprechend dem Hinweis des Beklagten hat sich der Kläger an das Jobcenter I. gewandt, von dort jedoch ebenfalls keine Unterstützung erhalten. Die vom Polizeipräsidium I. beim Beklagten erfolgte Nachfrage nach den Gründen für die Ablehnung der Kostenübernahme für die Mietkaution (vgl. hierzu: Aktenvermerk des Beklagten vom 3. Mai 2019) belegt, dass der Kläger sogar über seinen künftigen Arbeitgeber versucht hat, mittels Übernahme der Mietkaution durch (irgendein) Jobcenter seinen Umzug an den neuen Beschäftigungsort zu bewerkstelligen.
Zusammengefasst kann dem Kläger, der in einer rasches und klares Behördenhandeln erfordernden Situation von beiden in Betracht kommenden SGB II-Leistungsträgern vollkommen „allein gelassen“ wurde, kein sozialwidriges Verhalten i.S.d. § 34 SGB II vorgeworfen werden.
Nach alledem ist das erstinstanzliche Urteil im Ergebnis zu bestätigen, auch wenn der erkennende Senat der Begründung des SG nicht folgt. Insoweit hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die vom SG gegenüber einem Ersatzanspruch nach § 34 SGB II angenommene Sperrwirkung einer vorab erfolgten diesbezüglichen Sanktion (§ 31 SGB II) der Rechtsprechung des BSG widerspricht (vgl. hierzu erneut: BSG, Urteil vom 3. September 2020, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.