Auch bei der Entscheidung über die Weitergewährung des Gründungszuschusses nach § 94 Abs. 2 SGB III ist zu prüfen, ob die Grundvoraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses - weiterhin - gegeben sind. Die Entscheidung über die Leistungsgewährung des Gründungszuschusses für die Dauer von 6 Monaten entfaltet keine Bindungswirkung für die nachgehende Entscheidung über eine Weitergewährung. Es besteht keine Verpflichtung, eine erneute Stellungnahe einer fachkundigen Stelle einzuholen.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13. August 2021 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Gründungszuschusses für den 7. Bis 15. Monat der Existenzgründung.
Der Kläger (die Bezeichnung der Beteiligten aus der 1. Instanz wird beibehalten) beantragte am 27.08.2019 die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt. Er werde am 30.08.2019 seine selbständige Tätigkeit aufnehmen und hierfür ca. 30 bis 32 Wochenstunden aufwenden. Daneben übe er eine weitere Beschäftigung als Unternehmensjurist mit ca. 24 Wochenstunden aus. Der Kläger gab an, dass der Gründungszuschuss zur Sicherung seines Lebensunterhalts zwingend erforderlich sei. Die Honorareinnahmen beruhten lediglich auf einer Annahme. Die Schätzung sei zwar zurückhaltend erfolgt, es lasse sich jedoch nicht mit Gewissheit ausschließen, dass die Anfangsphase mit sehr geringen Honorareinnahmen länger als erwartet andauere. Der Kläger legte einen Businessplan zur Kanzleigründung vor. Nach der Finanzplanung erwartete der Kläger regelmäßige monatliche Kosten für die Kanzlei in Höhe von 1.668,75 Euro. Die Honorareinnahmen prognostizierte er für den 1. und 2. Monat mit 0.- Euro, für den 3. Monat mit 3.000.- Euro für den 4. bis 6. Monat mit 4.000.- Euro sowie ab dem 7. Monat mit je 5.000.- Euro je netto pro Monat. Die Rechtsanwaltskammer A als fachkundige Stelle bescheinigte die Tragfähigkeit des Existenzgründungsvorhabens des Klägers.
Mit Bescheid vom 24.10.2019 wurde ein Gründungszuschuss für die Zeit vom 30.08.2019 bis 29.02.2020 in Höhe von monatlich 2.116,20 Euro bewilligt.
Am 20.01.2020 beantragte der Kläger die Gewährung des Gründungszuschusses für weitere 9 Monate ab dem 01.03.2020. Der Aufbau der Rechtsanwaltskanzlei sei bereits sehr weit vorangeschritten, daneben übe er lediglich einen Minijob aus. Da die festen Kosten für Miete, Versicherungen, soziale Absicherung und Anderes sehr hoch seien und die Einnahmen hinter den Erwartungen lägen, sei die Unterstützung durch die weitere Gewährung des Gründungszuschusses erforderlich. Im Übrigen sei der Kläger zuversichtlich, dass sich die Entwicklung der Kanzlei nachhaltig positiv fortsetzen werde. Er übe für die selbstständige Tätigkeit ca. 55 Wochenstunden auf, für die weitere Beschäftigung ca. 4 Wochenstunden. Der Kläger gab im vorgelegten Zwischenbericht an, dass er im Zeitraum vom 01.09.2019 bis 15.12.2019 eine Nebentätigkeit im Umfang von 20 Stunden pro Woche in der Rechtsabteilung eines Lebensversicherungsunternehmens ausgeführt habe. Weiter gab er an, im Dezember 2019 erstmalig Honorareinnahmen in Höhe von 1.437.- Euro, im Januar 2020 Honorareinnahmen in Höhe von 1314.- Euro sowie im Februar 2020 (Stand 25.02.2020) Honorareinnahmen in Höhe von 503.- Euro (damit insgesamt 3.254.- Euro) erzielt zu haben. Diesen Einnahmen standen Ausgaben für die Kanzlei im Zeitraum August 2019 bis Februar 2020 i. H. v. insgesamt 10.475 Euro gegenüber, die sich relativ gleichmäßig (zwischen 2.110.- Euro und 1.258.- Euro) über die Monate verteilten.
Mit E-Mail vom 23.03.2020 gab der Kläger an, dass die aktuelle Situation wegen der Corona-Pandemie auch bei seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt spürbar sei. So würden Gerichtstermine verschoben, die weitere Geschäftsentwicklung lasse sich nicht zuverlässig prognostizieren. Er versuche, sein Angebot zur Rechtsberatung auf die Rechtsprobleme infolge der Pandemie zu erweitern. Gleichwohl benötige er zur sozialen Absicherung mehr denn je die Weitergewährung der Pauschale von 300.- Euro.
Mit Bescheid vom 15.04.2020 wurde der Antrag auf Weitergewährung eines Gründungszuschusses abgelehnt. Der Gewinn am Ende der ersten Förderphase betrage mindestens 1.668.- Euro monatlich. Damit sei der Lebensunterhalt und die soziale Absicherung alleine durch die Einnahmen aus der Selbstständigkeit gesichert. Der Gründungszuschuss sei zudem nicht das angemessene Förderinstrument, um Einbrüche wegen der Corona-Krise aufzufangen.
Hiergegen legte der Kläger am 28.04.2020 Widerspruch ein. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte auf einen Gewinn am Ende der ersten Förderphase von mindestens 1.668.- Euro komme. Im Februar habe er lediglich Einnahmen in Höhe von 503.- Euro gehabt. Zwar habe er im März Honorareinnahmen in Höhe von 1.737.- Euro erzielt, hiervon seien jedoch die monatlichen Ausgaben abzuziehen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2020 als unbegründet zurückgewiesen. Der Widerspruch sei zulässig, jedoch nicht begründet. Der Gründungszuschuss könne für weitere 9 Monate in Höhe von monatlich 300.- Euro geleistet werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlege. Auf die Weitergewährung des Gründungszuschusses bestehe kein Rechtsanspruch. Es liege vielmehr im Ermessen der Agentur für Arbeit, ob der Gründungszuschuss weitergewährt werde. Dabei habe die Agentur für Arbeit ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und dabei die Interessen der Versichertengemeinschaft gegenüber den Interessen des Widerspruchsführers abzuwägen. Das Interesse des Widerspruchsführers bestehe darin, dass ihm die zweckgebundene Leistung zur sozialen Sicherung weiterhin gewährt werde. Das Interesse der Versichertengemeinschaft bestehe darin, dass möglichst viele Antragsteller gefördert werden könnten und die begrenzt zur Verfügung stehenden Mittel nur dann ausgezahlt würden, wenn zu erwarten sei, dass der Lebensunterhalt aus den Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit bestritten werden könne und die zweckgebundenen Mittel lediglich zur sozialen Absicherung eingesetzt würden. Die Agentur für Arbeit habe sich entschlossen, den Gründungszuschuss für weitere 9 Monate nur dann zu gewähren, wenn aufgrund der bisherigen Geschäftstätigkeit und der beschriebenen zukünftigen Aktivitäten zu erwarten sei, dass der Lebensunterhalt aus den Einkünften der selbständigen Tätigkeit nach der 6-monatigen Anlaufphase bestritten werden könne und der weitere Gründungszuschuss ausschließlich für die nachhaltige Stärkung der Gründung sowie die soziale Absicherung erforderlich sei. Aufgrund der Einlassungen des Klägers habe dieser jedoch bislang stets einen Verlust erzielt. Eine Tragfähigkeit der Tätigkeit, auch gemessen an der bisherigen Förderdauer, sei damit nicht erkennbar.
Hiergegen legte der Kläger am 08.06.2020 Klage zum Sozialgericht München (SG) ein. Die Beklagte habe sich zunächst darauf gestützt, dass der Lebensunterhalt durch die selbständige Tätigkeit gesichert sei und deshalb der Gründungszuschuss Phase II nicht mehr notwendig sei. Im Widerspruch dazu habe sie den Widerspruchsbescheid darauf gestützt, dass der Lebensunterhalt durch die selbstständige Tätigkeit schon gesichert sein müsse und dies vorliegend nicht der Fall sei. Damit werde deutlich, dass die Beklagte den Antrag auf jeden Fall ablehnen habe wollen, sei die Lebensgrundlage durch die Geschäftstätigkeit gesichert oder nicht. Nach der Gesetzesbegründung solle die Förderung erfolgen, wenn eine intensive Geschäftstätigkeit und hauptberuflich unternehmerische Aktivität nachweisbar sei. Dies könne der Kläger belegen. Es fehlten auch Ausführungen bezüglich der konkreten Art des vom Kläger gegründeten Unternehmens, einer Rechtsanwaltskanzlei, der eine Anlaufphase zuzubilligen sei, in der zunächst keine oder nur geringe Gewinne erwirtschaftet würden. Die Beklagte habe fehlerhaft angenommen, dass die Kanzlei deshalb nicht tragfähig sei, da sie bislang nur Verluste erzielt habe. Dies sei jedoch das typische Merkmal einer Gründung, speziell bei einer Rechtsanwaltskanzlei. Die Bearbeitung von Mandaten dauere oftmals über mehrere Monate oder gar Jahre und eine Abrechnung erfolge erst zum Schluss. Die angemessene Anlaufphase für eine Rechtsanwaltskanzlei betrage damit mindestens ein Jahr, da zunächst viel Akquisitionstätigkeit erforderlich sei. Auch würden sich seit den Lockerungen der Corona-Pandemie wieder mehr Möglichkeiten der Terminsvertretung in Untervollmacht ergeben. Es sei eine längere Anlaufphase von bis zu drei Jahren einzubeziehen, innerhalb derer sich die Anfangsinvestitionen und laufenden Kosten amortisieren würden. Das Ermessen sei auf Null reduziert, eine Ablehnung des Antrags sei im konkreten Fall stets rechtswidrig.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung.
Ein vorgeschlagener Vergleich, wonach die Beklagte 4,5 Monate Gründungszuschuss zahlt, wurde von der Beklagten als technisch nicht umsetzbar abgelehnt. Der Kläger stimmte dem Vergleich zu.
Im Folgenden erklärte der Kläger, dass die Tragfähigkeit der Existenzgründung durch die Rechtsanwaltskammer bestätigt worden sei. Dementsprechend sei der Gründungszuschuss für die ersten 6 Monate bewilligt worden. Die Tragfähigkeit sei für den Gründungszuschuss in der Phase II nicht erneut nachzuweisen. Die Prognoseentscheidung vor Gewährung des Gründungszuschusses umfasse einen Zeitraum von 3 Jahren, weil eine nachhaltig erfolgreiche Gründung zugrunde gelegt werde. Der Gesetzgeber habe für die Weitergewährung des Gründungszuschusses bewusst davon abgesehen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des Gründungszuschusses erneut vollumfänglich geprüft werden sollten. Vielmehr eröffne das Gesetz der Beklagten nur die Möglichkeit, bei begründeten Zweifeln der Geschäftstätigkeit die erneute Stellungnahme einer fachkundigen Stelle anzufordern. Die Geschäftstätigkeit des Klägers habe jedoch niemals infrage gestanden.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.08.2021 wies das SG die Klage ab. Die Beklagte habe den Antrag des Klägers auf Weitergewährung des Gründungszuschusses zu Recht abgelehnt. Rechtsgrundlage für die Weitergewährung des Gründungszuschusses in der sogenannten zweiten Förderphase sei § 94 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Verbindung mit § 93 SGB III. Sei der Gründungszuschuss der ersten Förderphase nach § 94 Abs. 1 SGB III bewilligt worden, könne der Gründungszuschuss nach § 94 Abs. 2 SGB III für weitere 9 Monate in Höhe von monatlich 300.- Euro geleistet werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlege. Bestünden begründete Zweifel an der Geschäftstätigkeit, könne die Agentur für Arbeit verlangen, dass ihr erneut eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorgelegt werde. Aus der in § 94 Abs. 2 Satz 2 SGB III normierten Möglichkeit der Beklagten, auch für die zweite Phase des Gründungszuschusses erneut eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle einzuholen, ergebe sich die klare Absicht des Gesetzgebers, dass auch für diese Förderphase erneut zu prüfen sei, ob weiterhin von einer Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit ausgegangen werden könne. Weiter ergebe sich aufgrund des in der zweiten Förderphase erheblich abgesenkten Leistungssatzes, dass der Gesetzgeber davon ausgehe, dass nach Abschluss der ersten Förderphase die selbständige Tätigkeit bereits derart gefestigt sei, dass der Lebensunterhalt aus den Einnahmen aus der Tätigkeit bestritten werden könne und allenfalls noch ein Bedürfnis für die Gewährung von Leistungen zur sozialen Absicherung bestehe. Eine Weitergewährung des Gründungszuschusses sei daher abzulehnen, wenn der Lebensunterhalt bei prognostischer Entscheidung während der zweiten Gründungsphase noch nicht aus der selbständigen Tätigkeit gedeckt werden könne. Die Tragfähigkeit einer Existenzgründung sei auch für die zweite Phase der Gewährung von Gründungszuschuss Tatbestandsvoraussetzung und nicht Ermessensgesichtspunkt. Es handele sich um eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, die das Gericht voll zu prüfen habe. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids sei beim Kläger die Tragfähigkeit der Existenzgründung für die zweite Phase bei prognostische Betrachtung nicht gegeben gewesen. Nach eigenen Angaben habe der Kläger im gesamten Zeitraum 01.09.2019 bis 29.02.2020 lediglich Einnahmen als Rechtsanwalt in Höhe von 3.254.- Euro gehabt. Die Betriebsausgaben in diesem Zeitraum hätten insgesamt 10.475.- Euro betragen und seien damit deutlich höher gewesen als die Einnahmen. Der Kläger habe daher in der ersten Förderphase seinen Lebensunterhalt nur aus der Nebenbeschäftigung als Unternehmensjurist und aus der Bewilligung des Gründungszuschusses bestreiten können. Soweit der Kläger ausführe, dass bei der Gründung und Führung einer Rechtsanwaltskanzlei branchenspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden müssten, so eine angemessene Anlaufphase von mindestens einem Jahr, sei darauf hinzuweisen, dass das Gesetz dies nicht vorsehe. Mit der Regelung, ab dem 6. Monat der Gründung lediglich einen Zuschuss zur sozialen Sicherung zu gewähren, habe der Gesetzgeber Gründungen, die ab dem 7. Monat nicht im Wesentlichen tragfähig seien, von einer Weiterförderung ausgeschlossen. Im Übrigen widerspräche der Vortrag des Klägers zur besonders langen Anlaufphase einer Kanzlei seiner eigenen Prognose im Antrag auf Gründungszuschuss. Dort habe er bereits ab dem dritten Monat Honorareinnahmen von monatlich 3.000.- Euro und ab dem 4. Monat von monatlich 4.000.- Euro prognostiziert. Der Kläger habe also selbst zeitnah nach der Gründung mit deutlichen Einnahmen gerechnet. Da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Weiterzahlung des Gründungszuschusses ab dem 01.03.2020 nicht vorlägen, habe die Beklagte auch keine neue Ermessensentscheidung über die Bewilligung zu treffen.
Gegen den am 18.08.2021 zugestellten Gerichtsbescheid des SG legte der Kläger am 18.09.2021 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) ein.
Die Entscheidung des SG sei rechtswidrig, sie beruhe auf einer fehlerhaften Gesetzesanwendung. Weder das SG noch die Beklagte hätten die entsprechende Sach- und Fachkenntnis zur Beurteilung der Tragfähigkeit der Rechtsanwaltskanzlei des Klägers. Wenn die Beklagte der Auffassung sei, dass die Tragfähigkeit neu beurteilt werden müsse, hätte sie den Kläger auffordern müssen, eine erneute Stellungnahme vorzulegen. Dies sehe das Verfahren aber grundsätzlich gar nicht vor. Wie bereits vorgetragene sei die Beklagte an ihre Feststellungen aus der Entscheidung über die erste Förderphase grundsätzlich gebunden und seien diese Feststellungen auch für die zweite Förderphase maßgeblich.
Mit Beschluss des Senats vom 19.10.2022 wurde die Berufung auf die Berichterstatterin übertragen.
In der mündlichen Verhandlung am 05.12.2022 beantragte der Kläger,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.08.2021 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2020 zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.700.- EUR zu zahlen,
hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2020 zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Weitergewährung des Gründungszuschusses gem. § 94 Abs. 2 SGB III neu zu bescheiden.
Der Vertreter der Beklagten beantragte
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Vervollständigung des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 15.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2020. In der Sache streitig ist die Gewährung eines Gründungszuschusses für 9 Monate ab März 2020 i. H. v. 300.- Euro monatlich.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht am 18.09.2021 gegen den am 18.08.2021 zugestellten Gerichtsbescheid des SG beim LSG eingelegt. Die Berufung ist auch ohne Zulassung durch das SG gem. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, da streitig ein Betrag von insgesamt 2.700.- Euro ist und damit der Wert des Beschwerdegegenstandes 750.- Euro übersteigt.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zutreffend hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Weitergewährung des Gründungszuschusses ab dem 7. Monat der Existenzgründung. Diesbezüglich wird gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die ausführliche und zutreffende Begründung des SG im Gerichtsbescheid vom 13.08.2021 verwiesen.
Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
Nach § 94 Abs. 2 SGB III kann der Gründungszuschuss für weitere 9 Monate i. H. v. monatlich 300.- Euro geleistet werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. Es handelt sich damit um eine Ermessensentscheidung. Ein Anspruch auf Leistung kann folglich nur dann bestehen, wenn das Ermessen auf Null reduziert wäre, als alleinige rechtmäßige Ermessensentscheidung eine Leistungsgewährung zulässig wäre. Vorliegend waren jedoch bereits nicht alle Leistungsvoraussetzungen für die Weitergewährung des Gründungszuschusses gegeben, so dass eine Ermessensabwägung bereits nicht durchzuführen war. Denn die Tragfähigkeit der Existenzgründung war bei prognostischer Betrachtung im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, dem Widerspruchsbescheid vom 07.05.2020 nicht gegeben. Eine positive Prognose bzgl. der Tragfähigkeit ist eine Leistungsvoraussetzung für die Bewilligung des Gründungszuschusses und nicht nur als Aspekt in der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen (BayLSG, Urteil vom 07.07.2016, L 9 AL 207/14, RdNr. 31).
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers war auch bei der Entscheidung über die Weitergewährung des Gründungszuschusses von der Beklagten zu prüfen, ob die Grundvoraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses - weiterhin - gegeben sind (Jüttner in Heinz/Schmidt-De Caluwe/Schulz, SGB III Großkommentar, 7. Aufl., § 94 RdNr. 11). Es widerspräche grundlegend dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung, wenn eine Leistungsentscheidung ohne Prüfung der Leistungsvoraussetzungen erfolgen würde. Es findet sich in den maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen §§ 93 und 94 SGB III auch keinerlei Stütze für die Auffassung des Klägers, dass eine erneute Prüfung des Vorliegens der Leistungsvoraussetzungen nicht zulässig wäre und die zu Beginn des Förderzeitraums getroffene Einschätzung nicht abänderbar wäre. Vielmehr hat der Gesetzgeber der Beklagten in § 94 Abs. 2 S. 2 SGB III die Möglichkeit eingeräumt, eine erneute Stellungnahme einer fachkundigen Stelle anzufordern (vgl. auch Beschluss des Senats vom 25.08.2020, L 9 AL 90/20 B ER). Die Entscheidung über die Leistungsgewährung des Gründungszuschusses für die Dauer von sechs Monaten entfaltet damit keine Bindungswirkung für die nachgehende Entscheidung über eine Weitergewährung.
Vorliegend konnte im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, mithin bei Erlass des Widerspruchsbescheides am 07.05.2020, die Tragfähigkeit der Existenzgründung des Klägers nicht bejaht werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass nach Beendigung des Zeitraums des ersten Gründungszuschusses die Gründung so weit gefestigt und am Markt bewährt ist, dass der Lebensunterhalt aus der selbständigen Tätigkeit bestritten werden kann (Bt.Drs. 16, 1696, S. 31). Anzustellen war eine Prognose, ob der Kläger ab dem 7. Monat der Existenzgründung in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus dem Gewinn der selbständigen Tätigkeit zu bestreiten und lediglich zur sozialen Absicherung den deutlich geringeren Zuschuss von 300.- Euro monatlich benötigt (Urteil des Senats a. a. O., RdNr. 33).
Der Kläger hat ausweislich des vorgelegten vierseitigen Zwischenberichts erst im Dezember 2019 erste Umsätze erzielt, die jedoch weit hinter den prognostizierten Umsätzen lagen. So hatte der Kläger im im August 2019 vorgelegten Businessplan ab Dezember Honorareinnahmen netto i. H. v. 4.000.- Euro als Soll angegeben, tatsächlich erzielt wurden jedoch nur Einnahmen von 1.437.- Euro. Auch in den folgenden zwei Monaten waren Einnahmeprognosen von 4.000.- Euro erstellt worden, die Einnahmen betrugen jedoch nur 1.314.- Euro im Januar 2020 und 503.- Euro im Februar 2020. Dem standen jeweils höhere Kanzleiausgaben gegenüber, so dass im gesamten Zeitraum der Gewährung des Gründungszuschusses kein Gewinn erzielt werden konnte. Damit war es dem Kläger nicht im Ansatz möglich, seinen Lebensunterhalt durch seine selbständige Tätigkeit zu bestreiten. Dass eine Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit damit zu verneinen war, war ohne weitere Sachkenntnis sowohl der Beklagten als auch dem erkennenden Gericht möglich zu entscheiden. Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf es dafür keine vertieften (Eigen-)Kenntnisse einer Kanzleigründung. Die Einnahmen-/Ausgabenübersicht ist in diesem Fall, insbesondere da aus ihr keine aufsteigende Gewinndynamik erkennbar war, aufgrund der eindeutigen Datenlage ausreichend.
Soweit der Kläger vorträgt, dass bei Gründung einer Rechtsanwaltskanzlei eine längere Anlaufphase von bis zu drei Jahren zu berücksichtigen sei, findet dies keine Stütze im Gesetz. Auch wiederspricht dieser Vortrag dem bei erstmaliger Beantragung des Gründungszuschusses vorgelegten Businessplan, nach dem bereits nach zwei Monaten ein deutlicher Gewinn angenommen wurde, und der von der Rechtsanwaltskammer als fachkundiger Stelle bzgl. der voraussichtlichen Umsätze, des voraussichtlichen Betriebsergebnisses und des damit zu erwartenden Einkommens als realistisch eingeschätzt wurde. Es wurde auch nicht ansatzweise begründet, weshalb trotz der erheblichen Abweichung des tatsächlichen Betriebsergebnisses vom Businessplan dennoch eine zukünftige Tragfähigkeit der Existenzgründung zu bejahen sei. Weder ergeben sich große Anfangsinvestitionen (vielmehr sind die Kanzleiausgaben in den ersten 6 Monaten der Existenzgründung recht konstant), noch wurde vorgetragen oder konnte nachgewiesen werden, dass in naher Zukunft konkret eine erhebliche Einnahmensteigerung zu verzeichnen sei.
Da damit die Tragfähigkeit der Existenzgründung im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides nicht gegeben war, war entgegen der Auffassung des Klägers auch keine Verpflichtung der Beklagten zur Aufforderung der Vorlage einer erneuten Stellungnahme einer fachkundigen Stelle gegeben. Nach § 94 Abs. 2 S. 2 SGB III kann die Agentur für Arbeit bei bestehenden begründeten Zweifeln an der Geschäftstätigkeit die Vorlage einer erneuten Stellungnahme einer fachkundigen Stelle verlangen. Es liegt damit im Ermessen der Beklagten, bei Zweifeln eine weitere Stellungnahme anzufordern. Vorliegend bestanden jedoch keine Zweifel an der Geschäftstätigkeit des Klägers, sondern die Tragfähigkeit der Existenzgründung war zutreffend und ohne Zweifel verneint worden. Einer fachlichen Stellungnahme bedurfte es damit nicht.
Die Berufung des Klägers ist damit sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.