Eine Urlaubsabgeltung führt in voller Höhe zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, auch wenn der höhere Urlaubsanspruch nicht nur an die Beschäftigungsdauer anknüpft, sondern der Erholungsbedarf auch besondere Erschwernisse erfasst, die mit der Erbringung der Arbeitsleistung unmittelbar verbunden sind.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichtes Leipzig vom 11. Oktober 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht das Ruhen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 14. November 2016 bis zum 11. Januar 2017 nach einer Tätigkeit auf einem Kreuzfahrtschiff und gezahlter Urlaubsabgeltung.
Der 1985 geborene Kläger ist seit Oktober 2012 regelmäßig auf Kreuzfahrtschiffen für die „Y.... GmbH – X.... “ als Barkeeper tätig. Nach den Fahrten kehrt der Kläger zu seinem Wohnort nach Deutschland zurück und bezieht in Deutschland Arbeitslosengeld.
Die Y.... GmbH hat ihren Sitz in Italien. Die Arbeitsverträge unterliegen dem italienischem Recht. Es werden Beiträge zur italienischen Sozialversicherung entrichtet. Die Y.... GmbH schloss am 26. Juni 2013 einen Tarifvertrag über „Beschäftigungsbedingungen für EU-Arbeitnehmer Guest Service (Gästeservice) auf AIDA-Schiffen“ ab, welcher unter § 12 regelt, dass der Urlaub in Kalendertagen je vollen Monat Seedienst ermittelt wird und der hinsichtlich des Urlaubsanspruchs auf die Gehaltsordnung des Arbeitgebers verweist.
Entsprechend war der Kläger zuletzt vom 28. Mai 2016 bis zum 12. November 2016 auf einem Kreuzfahrtschiff befristet versicherungspflichtig beschäftigt.
Der für die Zeit vom 28. Mai 2016 bis zum 12. November 2016 befristete Arbeits- beziehungsweise Heuervertrag des Klägers weist einen monatlichen Grundlohn in Höhe von 1.711,00 EUR, eine monatliche Abfindung in Höhe von 127,00 EUR, eine monatliche Navigationsentschädigung in Höhe von 862,00 EUR, einen garantierten Mindestlohn in Höhe von 2.700,00 EUR und unter „PAID LEAVE DAYS Holidayentitlementdays 10.0“ aus. Zudem ist geregelt, dass der Monatslohn alle geleisteten Überstunden sowie die Arbeit an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen und alle geldwerten Leistungen, wie sie in dem zwischen dem Reeder/Arbeitgeber und den italienischen Gewerkschaften unterzeichneten Tarifvertrag festgelegt sind, wie zum Beispiel Schifffahrtsentschädigung, Abfindung, Weihnachts- und Osterbonus und alle Verpflegungszulagen umfasst.
Zum Urlaubsanspruch weist der befristete Arbeitsvertrag unter „LEAVE ENTITLEMENT“ aus: "Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahlten Urlaub. Die Anzahl der Urlaubstage ist im Tarifvertrag festgelegt. Bei unbefristeten Arbeitsverträgen werden die Urlaubstage gemäß dem Rotationsplan gewährt und wenn sie bis zum Ende der Beschäftigung nicht vollständig verbraucht werden können, werden sie ausbezahlt. Bei befristeten Verträgen werden die Urlaubstage bei Vertragsende in jedem Fall ausgezahlt."
Der Kläger meldete sich, nachdem eine Meldung als arbeitssuchend bereits am 28. Mai 2016 erfolgt war, am 14. November 2016 mit Wirkung zum 13. November 2016 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. Die vorgelegten Gehaltsabrechnungen sowie die Bescheinigung PD U1 weisen aus, dass er – über den Vertragszeitraum hinaus – auch am 13. November 2016 beschäftigt war, entlohnt wurde und für diesen Tag weitere Urlaubsabgeltung in Höhe von 0,4 Tagen erhalten hat.
Die letzte Entgeltabrechnung für November 2016 weist unter 3573 eine Urlaubsabgeltung für 58,66 Tage aus. Die Bescheinigung PD U1 vom 12. Dezember 2016 bestätigt eine Abgeltung in Höhe von 4.936,00 EUR für 58,66 Urlaubstage.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheiden vom 30. Januar 2017 vorläufig Arbeitslosengeld ab dem 12. Januar 2017 in Höhe von 34,96 EUR täglich auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgelts in Höhe von 90,00 EUR (Lohnsteuerklasse I, 60 Prozent). Für den Zeitraum vom 14. November 2016 bis zum 11. Januar 2017 setzte sie den Leistungsbetrag wegen „Urlaubsgeltung § 157 Abs. 2 SGB III“ auf täglich 0,00 EUR fest.
Mit Bescheid vom 21. Februar 2017 bewilligte die Beklagte dem Kläger endgültig Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen ab dem 14. November 2016 und wies den täglichen Leistungsbetrag bis zum 11. Januar 2017 auf Grund der gezahlten Urlaubsabgeltung mit 0,00 EUR und sodann mit 34,96 EUR aus. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2017 zurück.
Auf die Klage des Klägers vom 15. März 2017 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 11. Oktober 2018 die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 30. Januar 2017 und 21. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2017 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 14. November 2016 bis zum 11. Januar 2017 zu zahlen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ruhe der Anspruch nicht. Nach dem Wortlaut des § 157 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Urlaubsabgeltung erforderlich. Dieser liege hinsichtlich der in der PD U1 bescheinigten Tage nicht vor, da es dem Kläger ausweislich des Arbeitsvertrages während der Vertragslaufzeit nicht möglich gewesen sei, Urlaub zu nehmen. Zumindest könne nur der tatsächliche Erholungsurlaub und nicht der anteilige Freizeitausgleich zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 7. November 2018 zugestellte Urteil am 22. November 2018 Berufung eingelegt. Die Urlaubstage seien für das maßgebende Arbeitsverhältnis zutreffend bescheinigt worden. Dass der Urlaub während der Vertragsdauer nicht habe genommen werden können, führe entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes nicht dazu, dass es sich nicht um eine Urlaubsabgeltung handele. Der Inhalt der Bescheinigung PD U1 sei vorbehaltlich einer Korrektur durch die ausstellende Behörde verbindlich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Leipzig vom 11. Oktober 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Urlaub müsse nach deutschem Recht grundsätzlich im bestehenden Arbeitsverhältnis genommen werden. Dies sei objektiv nicht möglich gewesen. Der Urlaub sei daher nicht wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern wegen der Besonderheit des Vertrages abgegolten worden. Im Arbeitszeit- und Urlaubsrecht sei der klassische Fall einer 5-Tage-Woche mit 40 Stunden pro Woche geregelt. Bei Seeleuten seien die Verhältnisse jedoch gänzlich anders, da diese auch am Wochenende arbeiten würden. Die Urlaubsabgeltung enthalte daher zumindest auch einen Anteil für den Freizeitausgleich.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die statthafte und im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger hat für die Zeit vom 14. November 2016 bis zum 11. Januar 2017 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
1. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind das Urteil des Sozialgerichts vom 11. Oktober 2018 sowie der Bescheid der Beklagten mit der endgültigen Bewilligungsentscheidung vom 21. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2017. Der zunächst ergangene vorläufige Bewilligungsbescheid vom 30. Januar 2017, der Auslöser für das Widerspruchsverfahren war, hat sich nach § 39 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahrens und Sozialdatenschutz (SGB X) durch die endgültige Leistungsentscheidung erledigt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2017 – B 14 AS 22/16 R – NJW 2017, 2493 ff. = juris Rdnr. 9 m. w. N.).
2. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2017 ist rechtmäßig. Sein Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht aufgrund gezahlter Urlaubsabgeltung nach § 157 Abs. 2 SGB III.
a) Der Kläger erfüllte am 14. November 2016 die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 1, §§ 137 ff. SGB III).
Er hatte sich bereits am 28. Mai 2016 bei der Beklagten persönlich arbeitssuchend und am 14. November 2016 mit Wirkung zum 13. November 2016 arbeitslos gemeldet sowie die Zahlung von Arbeitslosengeld beantragt. Er stand in keinem Beschäftigungsverhältnis, bemühte sich, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und stand den Vermittlungsbemühungen der Beklagten objektiv und subjektiv zur Verfügung. Der Kläger hat zudem als Grenzgänger unter Berücksichtigung der nach italienischen Rechtsvorschriften zurückgelegten Beitragszeiten die Anwartschaftszeit (vgl. § 142 SGB III) erfüllt.
Die Rechtsgrundlagen für die Anerkennung der Versicherungs- und Beschäftigungszeiten finden sich in der zur sozialen Absicherung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer erlassenen Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, der Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und zur Festlegung des Inhalts ihrer Anhänge sowie der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit.
Aus Artikel 61 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VO (EG) Nr. 883/2004 ergibt sich, dass grundsätzlich ausländische Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten (die keine Versicherungszeiten waren) und Zeiten selbständiger Erwerbstätigkeit (die keine Versicherungszeiten waren) zur Erfüllung der Anwartschaftszeiten im Sinne von § 142 SGB III und der Festsetzung der Anspruchsdauer nach § 147 SGB III für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu berücksichtigen sind.
Hinsichtlich der Leistungszuständigkeit geht die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 im Grundsatz vom Recht des Staates der letzten Beschäftigung aus (vgl. Artikel 61 Abs. 2 VO [EG] Nr. 883/2004 und Artikel 11 Abs. 2 Buchst. a VO [EG] Nr. 883/2004). Ausländische Versicherungs- und Beschäftigungszeiten können für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder zur Erhöhung der Anspruchsdauer somit grundsätzlich nur dann berücksichtigt werden, wenn zwischen der Auslandsbeschäftigung und dem Eintritt der Arbeitslosigkeit und Antragstellung in Deutschland eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland ausgeübt wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 9. Juli 1975 – 20/75 [d'Amico] – Slg. 1975, 891 = SozR 6050 Artikel. 45 Nr. 1 = juris; EuGH, Urteil vom 23. November 1976 – 40/76 [Kermaschek] – Slg. 1991, 2543 = SozR 3-6050 Artikel 67 Nr. 1 = juris).
Ausnahmen von der Notwendigkeit einer "Vorbeschäftigung" sieht die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nur für sogenannte "echte" Grenzgänger, "unechte" Grenzgänger und Personen mit "Kurzarbeit oder sonstigem vorübergehenden Arbeitsausfall" vor. Gemäß Artikel 65 Abs. 5 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 erhält der in Artikel 65 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 883/2004 bezeichnete Arbeitslose Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, als ob diese Rechtsvorschriften für ihn während seiner letzten Beschäftigung gegolten hätten.
Der Begriff des "unechten" Grenzgängers ist nicht legal definiert. Artikel 65 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 5 Buchst. b der VO (EG) Nr. 883/2004 setzt jedoch die Figur des "unechten" Grenzgängers nach seiner Systematik voraus. Danach gehört zu den "unechten" Grenzgängern eine vollarbeitslose Person, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit ihren Wohnort in einem Mitgliedstaat hatte und nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates beschäftigt oder selbstständig erwerbstätig war, ohne echter Grenzgänger gewesen zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 1977 – 76/76 [Di Paolo] – Slg 1977, 315 ff. = juris; BSG, Urteil vom 12. Dezember 1990 – 11 RAr 141/90 – BSGE 68, 75 ff. = SozR 3-6050 Art 71 Nr. 2). Den Begriff des "Wohnorts" definiert Artikel 1 Buchst. j VO (EG) Nr. 883/2004 als den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person, in dem sich der gewöhnliche Mittelpunkt seiner Interessen befindet.
Nach dem Beschluss Nr. U2 der Verwaltungskommission vom 12. Juni 2009 (zum Geltungsbereich des Artikels 65 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bei anderen Vollarbeitslosen als Grenzgängern, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit im Gebiet eines anderen als des zuständigen Mitgliedstaats gewohnt haben) gilt Artikel 65 Abs. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 insbesondere für: Seeleute (vgl. Artikel 11 Abs. 4 VO [EG] Nr. 883/2004), Personen, die ihre Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausüben (vgl. Artikel 13 VO [EG] Nr. 883/2004) und Personen, für die eine Vereinbarung nach Artikel 16 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 gilt.
Zwar hat der Kläger vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit und Beantragung von Arbeitslosengeld keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland ausgeübt. Auch war er kein echter Grenzgänger im Sinne der Verordnung. Er fällt jedoch als bei einem italienischen Arbeitgeber Beschäftigter auf einem Kreuzfahrtschiff mit Wohnsitz in Deutschland unter den Beschluss Nr. U2 der Verwaltungskommission.
b) Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ruhte nach § 157 Abs. 2 SGB III ab dem 14. November 2016, wie mit der endgültigen Bewilligung festgestellt, bis 11. Januar 2017.
(1) Zum Anspruch auf Arbeitslosengeld bestimmt § 157 Abs. 2 SGB III, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs ruht, wenn die oder der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen hat. Der Zeitraum des Ruhens beginnt mit dem Ende des die Urlaubsabgeltung begründenden Arbeitsverhältnisses.
Es ist im Interesse der Versichertengemeinschaft nicht gerechtfertigt, wenn Arbeitnehmer im Anschluss an das Arbeitsverhältnis Arbeitsentgelt in Form der Urlaubsabgeltung erhalten und abweichend von § 157 Abs. 1 SGB III daneben die Lohnersatzleistung beziehen würden (vgl. BT-Drucks. 9/846 S. 44 zu Nr. 35a). Es tritt für die Dauer des abgegoltenen Urlaubs ein Ruhen des Anspruchs ein, weil mit der Arbeitgeberleistung dem Arbeitnehmer ermöglicht wird, den früher entgangenen Urlaub nachzuholen.
Die Urlaubsabgeltung ist ein reiner Geldanspruch und entsteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei noch bestehendem und noch nicht erfülltem Urlaubsanspruch unabhängig von der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs in einem gedachten fortbestehenden Arbeitsverhältnis. Das Bundesarbeitsgericht hat die früher vertretene Surrogattheorie aufgegeben (vgl. BAG, Urteil vom 4. Mai 2010 – 9 AZR 183/09 – BAGE 134, 196 ff. = juris Rdnr. 21), was ohne Auswirkung auf den Ruhenstatbestand des § 157 Abs. 2 SGB III bleibt (vgl. Bay. LSG, Beschluss vom 4. Mai 2017 – L 9 AL 8/17 NZB – juris Rdnr. 22 f.). Der Urlaubsanspruch richtet sich in Deutschland nach dem Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz – BUrlG) oder nach den einschlägigen Tarifverträgen. Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage in der Woche, erhöht sich oder vermindert sich die Urlaubsdauer entsprechend (vgl. BAG, Urteil vom 20. Juni 2000 –9 AZR 309/99 – BAGE 95, 117 ff. = juris Rdnr. 36). Der Urlaub ist in natura im laufenden Kalenderjahr, bei dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen bis spätestens 31. März des folgenden Kalenderjahres zu nehmen (vgl. § 7 Abs. 3 BUrlG).
Selbst wenn ein Rechtsanspruch auf die tatsächlich ausgezahlte Urlaubsabgeltung nicht bestanden hätte, würde die Zahlung zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 1993 – 11 RAr 17/92 – juris Rdnr. 16; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB III [1/2021] § 157 Rdnr. 58).
(2) Nach dieser nationalen Regelung ruht der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ab dem 14. November 2016 bis zum 11. Januar 2017, da er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 13. November 2016 ausweislich der Entgeltabrechnung und der Bescheinigung PD U1 für 58,66 Tage Urlaubsabgeltung zu beanspruchen hatte und diese auch tatsächlich erhalten hat.
(2.1) Die Bescheinigung PD U1 hat für die anderen Mitgliedstaaten Bindungswirkung (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 2018 – C-356/15 [Kommission/Königreich Belgien] – ZESAR 2019, 225 ff. = juris Rdnr. 82 ff.; vgl. auch BSG, Urteil vom 17. März 2016 – B 11 AL 4/15 R – SozR 4-4300 § 143 Nr. 2 = juris Rdnr. 19). Zweifel über die Richtigkeit können von den Leistungsträgern und auch von den nationalen Gerichten der Mitgliedstaaten nur im Wege des in der Verordnung (EG) 883/2004 und der Verordnung (EG) 987/2009 vorgesehenen Verfahrens korrigiert werden. Insofern bestimmt Artikel 5 Abs. 1 VO (EG) 987/2009, dass die vom Träger eines Mitgliedstaats ausgestellten Dokumente, in denen der Status einer Person für die Zwecke der Anwendung der Grundverordnung und der Durchführungsverordnung bescheinigt wird, sowie Belege, auf deren Grundlage die Dokumente ausgestellt wurden, für die Träger der anderen Mitgliedstaaten so lange verbindlich sind, wie sie nicht von dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgestellt wurden, widerrufen oder für ungültig erklärt werden. Falls die Gültigkeit des Dokuments oder die Richtigkeit des bescheinigten Sachverhalts zweifelhaft ist, wird in Konkretisierung der Verpflichtung das Verfahren des Dialogs und der Vermittlung zwischen den betroffenen Trägern beschrieben (vgl. BSG, Urteil vom 23. Oktober 2018 – B 11 AL 20/17 R – SozR 4-6065 Art. 61 Nr. 1 = juris Rdnr. 26 m. w. N.).
(2.2) Zweifel, dass die Bescheinigung PD U1 vom 12. Dezember 2016 den Anspruch auf Urlaubsabgeltung zutreffend ausweist, hat der Senat nicht. Weitere Ermittlungen sind nicht veranlasst.
Dem Kläger stand ausweislich des Arbeitsvertrages ein Urlaubsanspruch im Umfang von 10 Tagen im Monat zu. Dass sich die ausgewiesenen Urlaubstage auf den vollen Monat Seedienst beziehen, folgt aus § 12 des Tarifvertrages über Beschäftigungsbedingungen für EU-Arbeitnehmer Guest Service, dem sich der Arbeitgeber des Klägers unterworfen hat, und aus der tatsächlichen arbeitsvertraglichen Übung, die sich aus den vorliegenden Entgeltabrechnungen ergibt. Dieser hohe Urlaubsanspruch wurde monatlich bescheinigt und führt rechnerisch nachvollziehbar zu der für die Zeit vom 28. Mai 2016 bis 13. November 2016 gewährten Urlaubsabgeltung im Umfang von 58,66 Tagen.
Der Arbeitgeber erbrachte die Urlaubsabgeltung auch „wegen der Beendigung“ des Arbeitsverhältnisses. Denn der Abgeltungsanspruch bestand ausdrücklich nicht bereits während oder bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Er entstand erst mit und aufgrund der Beendigung des befristeten Vertrages. Auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Regelung war bei befristeten Verträgen keine Urlaubsgewährung entsprechend des Rotationsplans und keine Abgeltung während des bestehenden Arbeitsvertrages, wenn die Urlaubstage nicht vollständig bis zum Ende des Jahres verraucht werden konnten, vereinbart, sondern vielmehr ausdrücklich die Auszahlung der Urlaubstage bei Vertragsende. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung war damit an die Beendigung des befristeten Arbeitsvertrages geknüpft.
(2.3) Dem Begehren des Klägers, die bescheinigten Tage rechnerisch in (echte) Urlaubstage und eine nachträgliche Zahlung für geleistete Dienste an Wochenenden und Feiertagen aufzuspalten, steht – unabhängig von der Bindungswirkung der PD U1-Bescheinigung und der fehlenden Verpflichtung der Beklagten, die vorliegend nach italienischem Arbeitsrecht zu beurteilende Rechtmäßigkeit arbeitsvertraglicher und tarifvertraglicher Regelung zu überprüfen – vorliegend die tatsächlich getroffene arbeitsvertragliche Regelung (unten 2.3.1) und die tatsächlich bestehende Unmöglichkeit, danach den „reinen Urlaub“ rechnerisch zwingend einheitlich für vergleichbare Arbeitsverhältnisse zu ermitteln (unten 2.3.2), entgegen.
(2.3.1) Die Höhe des vereinbarten Urlaubsanspruchs ist dem Umstand geschuldet, dass während der Heuer ohne Unterbrechung gearbeitet werden musste und sich daher ein größerer Erholungsbedarf ergab. Er entsprach den den Arbeitgeber des Klägers bindenden tarifvertraglichen Regelungen. Denn hinsichtlich der Anzahl der Urlaubstage verweist der Arbeitsvertrag auf den Tarifvertrag. Der Tarifvertrag verweist insoweit auf die Gehaltsordnung des Arbeitgebers. Der Arbeitsvertrag regelt ausdrücklich einen Urlaubsanspruch von 10 Tagen je Monat Seedienst. Sowohl der Arbeitsvertrag als auch der Tarifvertrag weisen ausdrücklich aus, dass das Monatsfestgehalt alle Überstunden sowie die Arbeit an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen (und weitere Leistungen entsprechend des Tarifvertrages) umfasst. Ein (herauszurechnender) Anspruch auf weitere Zahlungen wegen eines abzugeltenden Freizeitausgleichs bestand danach nicht und ergibt sich auch nicht aus sonstigen Regelungen des Arbeits- oder Tarifvertrages. Vereinbart war allein der höhere Urlaubsanspruch. Entsprechend hat auch das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 20. Oktober 2020 (Az. L 2 AL 29/19 – juris Rdnr. 32) entschieden, dass ohne vertragliche Grundlage der zum Ausgleich für die hohe Arbeitsleistung an jedem Wochentag gewährte Urlaubsanspruch von im konkreten Fall acht Tagen je Beschäftigungsmonat nicht teilweise in einen Freizeitausgleich umgedeutet werden kann.
Danach führt eine Urlaubsabgeltung in voller Höhe zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, auch wenn der höhere Urlaubsanspruch nicht nur an die Beschäftigungsdauer anknüpft, sondern der Erholungsbedarf auch besondere Erschwernisse erfasst, die mit der Erbringung der Arbeitsleistung unmittelbar verbunden sind (so LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. März 2019 – L 7 AL 171/17 – info also 2020, 32 ff. = juris Rdnr. 36).
(2.3.2) Soweit die tatsächlich auf den Monat entfallenden Wochenenden und Feiertage vom vereinbarten Urlaubsanspruch nach dem Willen des Klägers abgezogen werden sollen und nur die verbleibende Zeit als (echter) Urlaub gewertet werden soll, würde dies dazu führen, dass kein (echter) Urlaub verbliebe. Denn allein 8 bis 9 Tage entfallen monatlich auf die Wochenenden. Hinzu treten gelegentliche Feiertage. Im Ergebnis läge der Urlaubsanspruch näherungsweise bei null Tagen.
Die vom Kläger begehrte Auslegung würde daher zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer und zudem zum Unterschreiten des nach Artikel 7 der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung bestehende Anspruch auf Mindestjahresurlaub führen.
(3) Einer Berechnung des Ruhenszeitraum unter Heranziehung der in der PD U1 bescheinigten vollen Urlaubsabgeltung stehen Artikel 62 VO (EG) 883/2004 und Artikel 5 VO (EG) 883/2004 nicht entgegen.
Es bestehen keine Zweifel, dass die nach italienischem Recht gewährte Urlaubsabgeltung mit den inländischen Leistungen nach Motivation und Funktion gleichzustellen ist.
Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ist nicht ausgeschlossen. Bei einer Heuer nach deutschen Recht würde sich die Rechtsfrage aufgrund § 64 Abs. 1 Satz 1 des Seearbeitsgesetzes (SeeArbG) mit den gleichen Auswirkungen auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht stellen. Danach verlängert sich das Heuerverhältnis, wenn das Besatzungsmitglied bei Beendigung des Heuerverhältnisses noch nicht den ihm zustehenden Urlaub erhalten, um die Dauer des nicht gewährten Urlaubs, es sei denn, dass eine Verlängerung des Heuerverhältnisses infolge des Eingehens eines neuen Rechtsverhältnisses nicht möglich ist (Nummer 1) oder das Besatzungsmitglied aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage ist, den Urlaub während des Zeitraums der Verlängerung zu nehmen (Nummer 2).
Auch der Umstand, dass der Urlaub vom Kläger nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung aufgrund der Befristung des Arbeitsvertrages auf einen konkreten Seedienst „in jedem Fall ausgezahlt“ und somit wohl nicht in Natura genommen werden sollte, ändert daran nichts. Rein tatsächlich dürfte es während der konkret jeweils von den Befristungen erfassten Kreuzfahrten nicht möglich sein, Urlaub in Natura zu nehmen, da regelmäßig der Heimathafen erst am Ende angefahren wird und die Heuer nur einen kurzen Zeitraum erfasst, so dass dringende betriebliche Belange die konkrete Urlaubsregelung rechtfertigen. Auch nach § 24 Abs. 1 des Manteltarifvertrages für die Deutsche Seeschifffahrt (MTV-See) ist der Urlaub spätestens nach 180 Tagen ununterbrochenen Seedienst zu gewähren (Regelungsgehalt entspricht § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG). Übertragen auf die befristeten Heuerverträge führt dies zu einem identischen Ergebnis führt.
Zudem hätte es dem Kläger freigestanden, auf die Gewährung des Urlaubs in Natura zu bestehen und gegebenenfalls zu klagen. Auch ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass es dem Kläger nicht möglich war, einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu schließen, auf Entfristung des Arbeitsvertrages zu klagen oder einen höheren monatlichen Grundlohn oder andere laufende Zuschläge für die Dienste an Wochenenden und Feiertagen und nach seiner Auffassung spiegelbildlich einen geringeren Urlaubsanspruch (wobei fraglich ist, ob dies dem erhöhten Erholungsbedürfnis gerecht werden würde) zu verhandeln. Entsprechend regelt auch der zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem Verband Deutscher Reeder e. V. abgeschlossene Manteltarifvertrag für die Deutsche Seeschifffahrt (MTV-See) vom 11. März 2002, zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 30. Dezember 2014, in § 23 Abs. 5 MTV-See, dass der Urlaubsanspruch für Beschäftigte, die an Bord Dienst leisten, pro Monat gestaffelt nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit 11,5 bis 13,5 Urlaubstage je Monat beträgt (bei Dienst an Land 2,3 bis 4 Urlaubstage), um dem höheren Erholungsbedarf Rechnung zu tragen.
Der Kläger war mehrfach beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt. Bei Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages oder einer erfolgreichen Klage auf Entfristung wäre der Urlaub in den Zeiten zwischen den Seediensten gewährt worden. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld hätte nicht bestanden. Der Kläger geht aber regelmäßig befristete Arbeitsverhältnisse ein.
Die Auslegung steht damit im Einklang mit den Zielen der Verordnung (EG) 883/2004, die in den Mitgliedstaaten bestehenden Systeme der sozialen Sicherheit zu koordinieren, um sicherzustellen, dass das Recht auf Freizügigkeit wirksam ausgeübt werden kann.
(4) Arbeitslosengeld wird gemäß § 154 Satz 1 SGB III für Kalendertage geleistet; eine Zahlung nur für Bruchteile eines Leistungstages ist im Arbeitsförderungsrecht nicht vorgesehen.
Hierzu hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im Urteil vom 26. März 2019 ausgeführt, dass ein Ruhenstatbestand grundsätzlich für den gesamten Leistungstag eintritt, unabhängig davon, in welcher Höhe der Anspruch auf die gleichzeitige alternative Leistung besteht. So ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 157 Abs. 1 SGB III, obwohl der Anspruch auf Arbeitsentgelt aus dem letzten Arbeitsverhältnis geringer ist. Ein Ruhen nach § 156 SGB III tritt ferner unabhängig von der Höhe und vom Umfang der ruhensbegründenden Sozialleistung ein (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. März 2019 – L 7 AL 171/17 – info also 2020, 32 ff. = juris Rdnr. 41, mit Verweis auf BSG, Urteil vom 10. Oktober 1978 – 7 RAr 56/77 – SozR 4100 § 151 Nr. 10 = juris Rdnr. 17). Diese Grundüberlegung, so das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, gilt erst recht für den Ruhenstatbestand nach § 157 Abs. 2 SGB III, der bereits in seinem Wortlaut die Rechtsfolge nicht an einen bestimmten Betrag der Urlaubsabgeltung pro Tag anknüpft (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, a. a. O., Rdnr. 42). Dem schließt sich der erkennende Senat an.
Der mit dem Faktor 0,66 unvollständige Urlaubstag ist daher als ganzer Urlaubstag zu behandeln.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.
III. Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.