S 7 VE 13/20

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 7 VE 13/20
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 VE 8/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 V 32/22 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid


Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.


Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Der 1975 geborene Kläger stellte am 09.02.2012 einen Antrag auf Leistungen für Gewaltopfer. 
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 03.07.2012 mangels Mitwirkung gemäß § 66 Abs. 1 SGB I ab. Der Kläger sei zur Begründung seines Antrages aufgefordert worden, dieser Aufforderung sei er nicht nachgekommen. Ohne Mitwirkung könne der Antrag nicht geprüft werden.

Der Kläger stellte sodann am 05.11.2018 erneut einen Antrag auf Leistungen für Gewaltopfer nach dem OEG. Zur Begründung verwies der Kläger insbesondere auf die am 09.02.2012 bei dem Polizeipräsidium Westhessen, Polizeistation A-Stadt gestellte Strafanzeige, VNr ST/XXX1. Er sei am 09.02.2012, um 21.00 Uhr in der C-Straße in A-Stadt angegriffen worden.

Anhand der Strafanzeige mit Vernehmung des Klägers trug sich das Geschehen nach dessen Vortrag wie folgt zu:
Der Kläger habe sich am 09.02.2012 gegen 21.00 Uhr an der ARAL-Tankstelle in der D-Straße in A-Stadt ein Päckchen Zigaretten gekauft. Er sei danach zu Fuß durch die C-Straße gegangen, weil er seine Mutter habe besuchen wollen. Er habe dann bemerkt, wie ein Fahrzeug langsam hinter ihm auf der Fahrbahn gefahren sei und dann in seine Richtung gelenkt habe, er habe die Scheinwerfer wahrgenommen. Er habe sich umgedreht und das Fahrzeug, ein 5er BMW, sei kurz hinter ihm zum Stehen gekommen. Plötzlich seien zwei männliche Personen auf ihn zugestürzt und hätten „Hurensohn“ gerufen. Er sei von den Scheinwerfern (Fernlicht) geblendet gewesen. Ein Täter habe ihn sofort angegriffen. Er habe den Kläger geschubst. Der Kläger habe sich gewehrt und ihm einen Faustschlag ins Gesicht gegeben. Der Täter sei dann zu Boden gegangen. Die zweite Person habe ihm Pfefferspray direkt in die Augen gesprüht, sodass er nichts mehr habe sehen können. Es sei alles sehr schnell gegangen und es habe nur einige Sekunden gedauert. An die Personen habe er sich gar nicht richtig erinnern können. Nach der Attacke mit dem Pfefferspray seien die Personen schnell in das Fahrzeug gestiegen und das Fahrzeug sei weggefahren. Er sei dann zu seiner Mutter gegangen und habe versucht, sein Auge auszuspülen. Es habe aber nichts geholfen. Sie seien dann nach B-Stadt ins Krankenhaus gefahren, dort sei er behandelt worden. 
Der Kläger erklärte in der Zeugenvernehmung weiter, er habe als Türsteher in der Diskothek „Q.“ in B-Stadt gearbeitet. Dort habe er immer wieder mal Probleme mit Gästen, welche er nicht in die Disco gelassen habe, gehabt. Auch habe er als Security für das Arbeitsamt in A-Stadt gearbeitet. Dort habe es immer wieder mal Ärger mit Hartz-4 Empfänger gegeben. Er habe jedoch keinen konkreten Verdacht. Einer der beiden habe nur „Du Hurensohn“ und „Türsteher“ gesagt. 
 
Ergänzend führte er mit Schreiben vom 29.03.2019 aus, das Fahrzeug sei langsam hinter ihm hergefahren, er könne nicht sagen, worum es gegangen sei, es habe keinen Wortwechsel gegeben. Es seien keine Begebenheiten dem Angriff vorausgegangen. Zeugen habe es nicht gegeben.

Der Kläger erklärte in seinem Antrag vom 05.11.2018, der Angriff habe zum Verlust des Sehvermögens seines rechten Auges, des Hörvermögens seines rechten Ohrs sowie zur Depression geführt. Dem Antrag war ein Ärztliches Attest der Drs. Med. E. und G. vom 30.01.2018 angefügt. Als Folge eines Unfalls (tätliche Auseinandersetzung) habe der Kläger das Sehvermögen auf dem rechten Auge verloren, außerdem sei das rechte Ohr taub. Durch die Schädigung des Gleichgewichtsorgans bestehe zudem ein Schwankschwindel wechselnder Ausprägung. Infolge des Unfalls und der bleibenden körperlichen Behinderung habe sich eine Depression entwickelt. Eine medikamentöse Behandlung erfolge. Es persistiere jedoch eine reduzierte körperliche und psychische Belastbarkeit, sodass die Arbeitsfähigkeit deutlich unter 3 Stunden liege.
Bei dem Kläger wurde mit Bescheid vom 26.06.2018 ein Grad der Behinderung von 50 aufgrund psychischer Störung (Depressive Störung), Sehbehinderung (Blindheit rechts) und Schwerhörigkeit, festgestellt.

Im Rahmen der vom Beklagten eingeleiteten Ermittlungen wurde u.A. die Akte aus dem Antragsverfahren nach dem Schwerbehindertenrecht beigezogen. In den dort befindlichen Arztberichten des Klinikum der Johann Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main vom 17.02.2012 wurde eine hochgradige Visusminderung des rechten Auges diagnostiziert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in den Behördenakten befindlichen Arztberichte verwiesen.
Weitere Ermittlungen des Beklagten blieben erfolglos. Das Polizeipräsidium Westhessen, Polizeistation A-Stadt teilte auf entsprechende Anfrage mit Schreiben vom 20.11.2018 mit, es lägen keine Unterlagen mehr vor. Die Amtsanwaltschaft Frankfurt erklärte mit Schreiben vom 06.12.2018 die Akten seien ausgesondert / vernichtet worden, sodass diese nicht mehr zu Verfügung gestellt werden könnten.
Ausweislich des Schlussvermerks des Polizeipräsidiums Westhessen, Polizeistation A-Stadt DEG, vom 13.02.2012 wurden die Ermittlungen vorläufig abgeschlossen, da die Ermittlungen ergebnislos verlaufen waren. Mit Verfügung vom 23.02.2012 stellte die Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main das Verfahren ein, da der Täter unbekannt war.

Mit Bescheid vom 26.04.2019 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der Sachverhalt habe im Rahmen der Ermittlungen nicht abschließend bewiesen werden können. Weder bei der Polizei noch bei der Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main lägen aufgrund des Zeitablaufs noch Unterlagen bezüglich der geltend gemachten Tat vor. Eine mögliche wechselseitige Körperverletzung könne nicht ausgeschlossen werden, weswegen die Tatbestandsmerkmale des OEG nicht erfüllt worden seien.
Das Tatgeschehen lasse sich nicht mit der gebotenen Sicherheit klären. Eine andere Möglichkeit der Sachverhaltsaufklärung sei nicht gegeben. Alle anspruchsberechtigten Tatsachen müssten jedoch bewiesen sein, d.h. sie müssten zur Überzeugung der Behörde ohne vernünftige Zweifel feststehen. Könne ein solcher Grad an Gewissheit nicht erzielt werden, so gehe die Nichterweislichkeit bzw. die verbleibenden Zweifel zu Lasten desjenigen, der aus dieser nicht bewiesenen Tatsache rechtliche Vorteile ableiten wolle.

Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 10.05.2019 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, der Kläger sei am 09.02.2012 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person geworden. Er sei in Folge dessen an seiner Gesundheit erheblich geschädigt worden. Dies stehe fest aufgrund der Angaben des Klägers als Zeuge und Geschädigter. Die Angaben würden durch den Inhalt der amtlichen Ermittlungsakte bestätigt. Soweit dargelegt werde, im Rahmen der Ermittlungen habe der Sachverhalt nicht abschließend bewiesen werden können, treffe das nicht zu. Es sei lediglich so, dass die Täter nicht haben ermittelt werden können.
Dass bei der Polizei oder Amtsanwaltschaft aufgrund des Zeitablaufs keine Unterlagen mehr vorlägen, habe der Kläger nicht zu vertreten. 
Von einer wechselseitigen Körperverletzung könne keine Rede sein. Der Kläger sei in rechtswidriger Weise angegriffen worden. Er habe sich lediglich gegen den Angriff verteidigt. Er habe zwei Angreifern gegenüber gestanden, die ihn als Hurensohn beschimpft hätte und auf ihn los gestürzt seien, ihn geschubst und geschlagen hätten, woraufhin sich der Kläger verteidigt habe. Einer der Angreifer sei zu Boden gegangen, während der andere Angreifer dem Kläger Pfefferspray in die Augen gesprüht hätte. Der Kläger sei weiter geschlagen worden und zu Boden gegangen. Die Angreifer hätten den Tatort verlassen. Der Kläger sei von seiner in der Nähe wohnenden Mutter aufgefunden worden. Diese hätte den Überfall zwar nicht gesehen, aber ihren Sohn nach dem Überfall aufgefunden und ihn anschließend ins Krankenhaus gebracht. 

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 01.07.2020 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, aus den aktenkundigen Unterlagen ließen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, die einen vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriff belegten. Unterlagen von der Amtsanwaltschaft oder der Polizei seien nicht mehr beizuziehen gewesen. Es liege lediglich eine Kopie der Strafanzeige und der eigenen Aussage vor. Trotz dieser Dokumente habe sich der Sachverhalt nicht abschließend zur Überzeugung der Behörde aufklären lassen.

Der Kläger hat am 31.07.2020 Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben.
Der Prozessbevollmächtigte wiederholt das Vorbringen aus dem Vorverfahren. Ergänzend trägt er vor, der Kläger habe anlässlich des Überfalls am 09.02.2012 eine traumatische Kopfverletzung erlitten. Er habe sich infolgedessen für die Dauer von ca. einem Jahr in der Universitätsklinik Frankfurt in ärztlicher Behandlung befunden. Er habe die Sehfähigkeit auf dem rechten Auge sowie die Hörfähigkeit rechts verloren. Hinzu kämen ständige Schwindelattacken, insbesondere bei Belastung und Stress. Zudem leide der Kläger infolge des Überfalls an erheblichen psychischen Beschwerden, etwa in Form einer Depression. Daneben leide er aufgrund des Überfalls an Magenproblemen, häufigen Kopfschmerzen sowie gelegentlichem Herzrasen. Insgesamt sei die Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit des Klägers erheblich eingeschränkt. 
Der Kläger sei deswegen als schwerbehindert anerkannt. Nach dem Überfall sei ihm die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit nicht mehr möglich gewesen. Nach dem Bezug von Kranken- und Arbeitslosengeld habe der Kläger Leistungen nach dem SGB II bezogen. Seitens des Jobcenters sei eine Überprüfung der Erwerbsfähigkeit des Klägers vorgenommen worden. Es sei die eingeschränkte Erwerbsfähigkeit festgestellt worden. Nach dem Abschlussbericht Rente vom 12.07.2018 sei der Kläger aufgrund dauerhaften Hör- und Sehverlusts der rechten Seite im Zusammenhang mit weiteren, multiplen Erkrankungen im orthopädischen, internistisch/kardiologischen und psychiatrischen Bereich nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Lage. Es sei empfohlen worden, die Voraussetzungen der dauerhaften Erwerbsminderung beim Rentenversicherungsträger zu prüfen. 
Der Kläger sei jedenfalls nicht zur regelmäßigen Ausübung einer Erwerbstätigkeit von mindestens 3 Stunden täglich in der Lage. Dies werde im Ergebnis ebenfalls durch das ärztliche Attest der Fachärzte für Neurologie, Dr. E. und Dr G., vom 30.01.2018 bestätigt. 

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 26.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2020, Gz.: XXX2 OEG, den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger eine Rente bei einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 30 v.H. zu gewähren,
hilfsweise
Versorgungsleistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat im Rahmen der Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung Akten bei der Amtsanwaltschaft Frankfurt, der AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen, der H. Versicherung AG, der Rechtsanwältin F. (ehemals K., F., M.) und der Rechtsanwälte S. und Kollegen angefordert.

Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 23.08.2021 zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid angehört und die Möglichkeit der Stellungnahme innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Verfügung gegeben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
 

Entscheidungsgründe

Der Rechtsstreit konnte gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, weil die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. 

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 26.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2020 ist rechtmäßig, der Kläger wird durch die Bescheide nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente bei einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 30 v.H.

Ein Entschädigungsanspruch nach dem OEG setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG gegeben sind (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2009, Az. B 9 VG 1/08 R). Gemäß § 1 Abs. 1 OEG erhält eine Person, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrige tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. 

Das Vorliegen eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs steht zur Überzeugung des Gerichts vorliegend nicht mit hinreichender Gewissheit fest. Der vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriff muss als eine der anspruchsbegründenden Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts erwiesen sein. Grundsätzlich bedarf es hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen des Vollbeweises, womit aber nicht eine absolute Gewissheit hinsichtlich der festzustellenden Tatsachen gemeint ist. Beweis geführt ist über eine Tatsache, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Beweisverfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 05.06.2008, Az. L 13 VG 1/05). Fehlt es daran geht dies zu Lasten des Antragstellers (Gelhausen/Weiner/Weiner, OEG § 1, Rn. 165).
Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt es bereits entgegen der Auffassung des Klägers an dem Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs mittels Pfefferspray durch Unbekannte.
Unmittelbarer Zeuge des geschilderten Tathergangs waren neben dem Kläger nur die unbekannten Täter selbst. Diese konnten von den Ermittlungsbehörden nicht festgestellt werden. Auch das erkennende Gericht konnte trotz eigener Ermittlungsbemühungen die Täter nicht ermitteln. Die AOK-Die Gesundheitskasse, überreichte mit Schreiben vom 10.05.2021 Auszüge aus der Ermittlungsakte. Diese umfassten im Wesentlichen die Strafanzeige vom 09.02.2012 mit Zeugenvernehmung und Schlussvermerk, zudem einen seitens des Klägers ausgefüllten Unfallfragebogen vom 24.10.2012. Hieraus ergaben sich keine neuen Erkenntnisse.
Die Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main teilte mit Verfügung vom 17.05.2021 mit, die Akten seien nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist ausgesondert worden. Es könne somit keine Auskunft mehr über das Verfahren gegeben werden. 
Auch aus den Auskünften der, in dem Ermittlungsverfahren tätigen Rechtsanwältin F. (ehemals K., F., M.) und der Rechtsanwälte S. und Kollegen ergaben sich keine neuen Anhaltspunkte.
Insoweit stehen dem Gericht nur die Aussagen des Klägers zur Verfügung. In der Tat werden diese Angaben, wie von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ausgeführt, durch den Inhalt der amtlichen Ermittlungsakte bestätigt. Diese enthalten aber auch ausschließlich die Zeugenaussage des Klägers. Insoweit kann im Ergebnis nur auf Aussagen des Klägers zurückgegriffen werden. Allein die Angaben des Klägers reichen vorliegend nicht aus, den erforderlichen Beweis zu führen. 
Als tätlicher Angriff ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung zu sehen (BSG, Urteil vom 10.09.1997, Az. 9 RVg 1/96; Urteil vom 07.04.2011, Az. B 9 VG 2/10 R).
Das Gericht konnte sich von dem geschilderten Tathergang nicht überzeugen. Bereits nach den Schilderungen des Klägers ergib sich kein einheitliches Tatgeschehen.
Der Kläger erklärte im Rahmen seiner Zeugenvernehmung am 09.02.2012, er habe sich umgedreht, das Fahrzeug sei kurz hinter ihm stehen geblieben. Plötzlich seien aus dem Wagen zwei männliche Personen auf ihn zugestürzt und hätten „Hurensohn“ gerufen. Einer der Täter habe ihn angegriffen, er habe ihn geschubst. Der Kläger habe sich sofort gewehrt und ihm einen Faustschlag ins Gesicht gegeben. Die zweite Person habe ihm mit einem Pfefferspray direkt in die Augen gesprüht.
Auf dem Unfallfragebogen der AOK – Die Gesundheitskasse – vom24.10.2012 (Bl. 46 GA) gibt der Kläger hingegen an, er sei auf dem Bürgersteig gelaufen, als er völlig unerwartet von hinten mit einem Gegenstand auf den Kopf geschlagen worden sei.

Im Weiteren ist für das Gericht nicht in dem erforderlichen Maße bewiesen, dass der Angriff, insbesondere der Einsatz des Pfeffersprays, welches nach Ansicht des Klägers zu der gesundheitlichen Schädigung führte, vorsätzlich erfolgte. Der rechtswidrige Angriff muss vorsätzlich erfolgt sein. Damit sollen Fahrlässigkeitstaten, auch solche grober Fahrlässigkeit, ausgeschlossen werden. Wie es zu dem Einsatz des Pfeffersprays kam, ob dies bewusst und wissentlich auf den Kläger gerichtet oder fahrlässig ausgelöst wurde, lässt sich nicht ermitteln.

Das Gericht konnte sich auch nicht von der erforderlichen Rechtswidrigkeit des Angriffs überzeugen. Ein Angriff, der den Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllt, ist grundsätzlich rechtswidrig. Die Tatbestandsmäßigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit. Davon ist auszugehen, soweit nicht ein Rechtfertigungsgrund gegeben ist. Das Gericht konnte sich nicht überzeugen, dass die auf den Kläger gerichteten Handlungen nicht aufgrund eines Rechtfertigungsgrund gerechtfertigt waren. Wie sich das Geschehen tatsächlich abspielte, lässt sich, wie bereits ausgeführt, nicht zur Überzeugung des Gerichts, eruieren. Der Kläger beschreibt den Tathergang selbst widersprüchlich. Es ist nicht ermittelbar, ob den beschriebenen Einwirkungen der Täter ein Angriff des Klägers vorausging, sodass die Handlungen der Täter aufgrund von Rechtfertigungsgründen nicht rechtswidrig wären. 

Das Gericht konnte von der Vernehmung der Zeugin L., Mutter des Klägers, absehen. Es ist bereits unklar, ob die Mutter den Kläger am Tatort auffand (Widerspruchsschreiben vom 10.05.2019, Bl. 71 BA; Schriftsatz vom 19.08.2021, Bl. 109 GA) oder ob der Kläger zu seiner in der Nähe wohnenden Mutter ging (Zeugenvernehmung, Bl. 64 BA). Unabhängig davon vermag die Zeugin zu der Frage, wie sich das Tatgeschehen abspielte, keine Aussagen zu treffe, da sie nach dem Vortrag der Klägerseite jedenfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt, als die Täter bereits den Tatort verlassen hatten, auf den Kläger traf.
Im Hinblick darauf, dass sich auch die benannten Polizeibeamten P. und J. nicht am Tatort befanden und von dem Tatgeschehen nur durch die Zeugenvernehmung des Klägers Kenntnis erlangten, können sie als Zeugen vom Hörensagen letztlich keine eigenen Wahrnehmungen zum Tathergang mitteilen. Ihre Zeugenvernehmung war zur Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich. 

Auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Bewilligung von Versorgungsleistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ist unbegründet. Voraussetzung ist auch hierfür das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 1 OEG. Da diese nicht zur Überzeugung des Gerichts bejaht werden können, ist der hilfsweise gestellte Antrag auf Bewilligung von Versorgungsleistungen ebenfalls abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

 

Rechtskraft
Aus
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