I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Antragsgegners zu 1. vom 13.02.2023 (Bescheid vom 27.03.2023) wird angeordnet.
II. Die Antragsgegner zu 1. und 2. sowie die Beigeladenen zu 1., 2. und 5. tragen jeweils ein Fünftel der Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Entziehung ihrer Zulassung, deren sofortige Vollziehung der Antragsgegner zu 1. (Zulassungsausschuss) angeordnet hat.
Die Antragstellerin (geb. 1959) wurde zum 27.04.1998 als und Geburtshilfe zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie ist in M1-Stadt niedergelassen und betreibt dort eine Einzelpraxis. Sie verfügt u.a. über die Genehmigung zur psychosomatischen Grundversorgung.
Die Beigeladene zu 1. leitete für das Quartal 1/2015 eine Plausibilitätsprüfung wegen eines auffällig hohen Anteils an gemeinsamen Patienten der Antragstellerin und des Vertragsarztes und Psychiaters M2. ein; hierüber informierte sie die beiden Ärzte mit Schreiben vom 08.05.2017. Mit Schreiben vom 15.01.2019, 14.05.2020, 25.02.2020, 09.09.2020 und 29.08.2022 wurde die Antragstellerin über die Ausweitung der Plausibilitätsprüfung auf die Quartale 3/2013-4/2014 sowie 2/2015-1/2018 informiert.
Mit Schreiben vom 19.03.2018 unterrichtete die Beigeladene zu 1. die Staatsanwaltschaft über den möglichen Anfangsverdacht eines Abrechnungsbetruges der Antragstellerin sowie des M2..
Am 06.02.2019 erließ die Beigeladene zu 1. einen Honoraraufhebungsbescheid für die Quartale 3/2014 und 4/2014; weitere Honoraraufhebungsbescheide ergingen am 24.07.2019 (1/2015-3/2015), 30.04.2020 (4/2015-2/2016), 01.02.2021 (3/2016-1/2017) sowie am 08.11.2021 (2/2017-1/2018). Gegen diese Bescheide erhob die Antragstellerin jeweils Widerspruch.
Am 27.06.2019 beantragte die Beigeladene zu 1. die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die Antragstellerin und M2..
Am 10.02.2021 erhob die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg Anklage gegen die Antragstellerin sowie M2. jeweils wegen Betrugs in 19 tatmehrheitlichen Fällen. Die beiden Ärzte selbst oder ihre Angestellten auf Weisung hätten spätestens ab dem 3. Quartal 2013 Patientendaten, welche bei tatsächlichen Arztbesuchen in einer der Arztpraxen aufgenommen worden seien, an die jeweils andere Arztpraxis übermittelt, wo diese Daten dann zur Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen gegenüber der Beigeladenen zu 1. verwendet worden seien, ohne dass die abgerechneten Leistungen erbracht worden seien. Die Übermittlung sei insbesondere dergestalt erfolgt, dass Patientendaten nicht nur in das eigene Abrechnungssystem, sondern über tragbare Einlesegeräte auch in dasjenige der anderen Arztpraxis eingelesen worden seien. Neben diesen Patientendaten hätten die Ärzte auch Patientendaten von Patienten, welche in keiner der beiden Arztpraxen zu Behandlung gewesen seien, verwendet. Hierbei habe sich um Patienten gehandelt, welche vormals in der Arztpraxis L. behandelt worden seien. Der Beigeladenen zu 1. sei durch die Abrechnungen der Antragstellerin, die bislang keine Angaben zur Sache gemacht habe, ein Mindestschaden von insgesamt 13.793,46 € entstanden. Nach telefonischer Auskunft beim AG M1-Stadt ist das Hauptverfahren im Februar 2023 eröffnet worden und soll die mündliche Verhandlung im Oktober 2023 stattfinden.
Bezüglich drei weiterer Strafverfahren gegen die Antragstellerin wegen nicht erbrachter Leistungen bzw. wegen der Doppelabrechnung von Schwangerschaftsabbrüchen wurde gemäß § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf das bereits laufende Verfahren vor dem AG A-Stadt von der Verfolgung abgesehen.
Die Beigeladene zu 1. erließ am 06.08.2021, 04.11.2021 sowie 21.01.2022 Honoraraufhebungs- und Neufestsetzungsbescheide für die Quartale 1/2019, 2/2019 und 3/2019-4/2020 hinsichtlich der Leistungen nach den GOPs 01901, 01906 und 01911 EBM wegen fehlerhafter Abrechnungen in Zusammenhang mit der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen. Diese Bescheide sind bestandskräftig. Für das Quartal 1/2021 schlossen die Beigeladene zu 1. und die Antragstellerin hinsichtlich derselben Abrechnungsthematik eine Rückzahlungsvereinbarung. Seit dem Quartal 2/2021 hat die Antragstellerin nach telefonischer Auskunft der Beigeladenen zu 1. keine Schwangerschaftsabbrüche mehr durchgeführt.
M2. verzichtete zum 30.06.2022 auf seine kassenärztliche Zulassung und ist seit dem 01.07.2022 in der Schweiz tätig.
Mit Bescheid vom 13.10.2022 nahm die Beigeladene zu 1. die Honorarbescheide für die Quartale 3/2013-2/2014 zurück, soweit sie den Honoraranspruch für Regional-und Ersatzkassen betrafen. Zugleich setzte sie das Honorar für die Quartale 3/2013-1/2018 neu fest. Danach hatte die Antragstellerin die Differenz zwischen der in den aufgehobenen Honorarbescheiden ausgewiesenen Zahlung und dem neu festgesetzten Honorar in Höhe von 387.497,39 € zu erstatten. Das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 13.10.2022 ist noch anhängig.
Mit Schreiben vom 17.11.2022 beantragte die Beigeladene zu 1., der Antragstellerin die Zulassung wegen gröblicher Verletzung vertragsärztlicher Pflichten zu entziehen. Die Antragstellerin habe gegen ihre Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen. Es habe einen auffällig hohen Anteil gemeinsamer Patienten zwischen der Praxis der Antragstellerin und der Praxis des M2. gegeben. Der Verdacht, dass die beiden Ärzte in missbräuchlicher Weise miteinander kooperiert hätten, sei durch das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens bestätigt worden. Die Ermittlungsbehörden hätten eine Vielzahl von Patientinnen vernommen, die bestätigten, dass eine gemeinsame Behandlung nicht stattgefunden habe. Entsprechende Zeugenaussagen lägen für den gesamten Zeitraum (Quartale 3/2013-1/2018) vor. Es handele sich um fingierte Behandlungen, die mittels Patientendaten erstellt worden seien, die über mobile Einlesegeräte zwischen den Praxen ausgetauscht worden seien. Für die fingierten Behandlungen seien ebenfalls Patientendokumentationen angefertigt worden. Die Patientinnen hätten angegeben, gar nicht, nicht zu dem hinterlegten Zeitpunkt oder schon seit Jahren nicht mehr bei der Antragstellerin in Behandlung gewesen zu sein. Eine Abrechnung von Leistungen habe dennoch weiterhin stattgefunden. Zudem habe sich herausgestellt, dass ein Teil der Patientinnen weder bei M2. noch bei der Antragstellerin in Behandlung gewesen sei. Diese Patientinnen seien tatsächlich bei der Praxisvorgängerin der Antragstellerin in Behandlung gewesen. Wie die Ärzte an diese Daten gelangt seien, habe nicht abschließend geklärt werden können. M2. habe bei seiner Vernehmung eingeräumt, dass es durchaus vorgekommen sei, dass Versichertenkarten eingelesen worden und eine Abrechnung erfolgt sei, obwohl die Patienten niemals vorstellig geworden seien. Er sei von anderen Ärzten - darunter der Antragstellerin - telefonisch konsultiert worden. Dafür habe er eine entsprechende Vergütung gewollt und die Versicherungsdaten angefordert. Es stehe fest, dass eine gemeinsame Behandlung der Patienten nicht stattgefunden habe. Es seien Leistungen abgerechnet worden, die nicht erbracht worden seien bzw. Patientendaten rechtsmissbräuchlich der jeweils anderen Praxis zur Verfügung gestellt worden, um fingierte Abrechnungen zu ermöglichen. Neben dem hohen Anteil gemeinsamer Patienten seien zudem Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung unterschiedlicher Gebührenordnungspositionen festgestellt worden. Die Antragstellerin habe überdurchschnittlich oft einen Hausbesuch nach GOP 01410, einen dringenden Besuch nach GOP 01411 sowie die Wegepauschale nach GOP 40224 EBM angesetzt. Die Beigeladene zu 1. habe in vielen Fällen den Grund für die Hausbesuche nicht nachvollziehen können. Auch bei den dringenden Besuchen ließen weder die Diagnosen noch das Alter der Patientinnen einen Rückschluss auf den Grund des Besuchs zu. Auch obliege eine hausärztliche Versorgung der Patienten den Hausärzten. Zudem sei die GOP 32030 für die Untersuchung des Urins mittels Harnstreifentest nicht berechnungsfähig. Des weiteren sei oftmals neben einer Besuchsleistung eine orientierende Untersuchung (GOP 32030) und/oder eine externe kardiotokographische Untersuchung (CTG) (GOP 01786) abgerechnet worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Antragstellerin diese Leistungen im Rahmen eines Hausbesuches erbracht haben sollte. Besuche würden in der Regel nur sehr selten von Gynäkologen abgerechnet, da eine gynäkologische Untersuchung kaum im Rahmen eines Hausbesuchs durchgeführt werden könne. Auch eine orientierende Untersuchung oder ein CTG seien im Rahmen eines Hausbesuches unüblich. Ebenfalls sei die Vaginoskopie (GOP 08332) überdurchschnittlich oft angesetzt worden. Die Leistung könne nur bei einem Kind bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr oder bei Patientinnen mit Vaginalstenose abgerechnet werden. Das Vorliegen einer Vaginalstenose sei bei dieser hohen Anzahl von Patientinnen nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus seien von der Antragstellerin die GOP 35100 (differenzialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände) sowie die GOP 35110 (verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen) oft ohne nachvollziehbaren Grund angesetzt worden. Bei der Prüfung dieser Ziffern sei festgestellt worden, dass die betreffende Patientin oftmals bereits vor der gynäkologischen Behandlung bei M2. in Behandlung gewesen sei. Eine Überweisung durch die Antragstellerin an M2. dürfte in diesen Fällen nicht erforderlich gewesen sein. Zudem seien die Behandlungen jeweils auf Originalschein abgerechnet worden. Einige Patientinnen seien lediglich an einem Behandlungstag bei der Antragstellerin in Behandlung gewesen, wobei ausschließlich die Grundpauschale sowie die GOP 35100 abgerechnet worden sei. Die Patientinnen sollten jedoch in demselben Quartal bei M2. in Behandlung gewesen sein. Dieses Abrechnungsverhalten könne nicht nachvollzogen werden. Auch sei ein erhöhter Ansatz der GOP 01825 (Entnahme von Zellmaterial von der Ektozervix und aus der Endozervix im Rahmen der Empfängnisregelung) sowie bei der GOP 08521 (Beratung des Ehepaares gemäß Nr. 14 der Richtlinien über künstliche Befruchtung) festgestellt worden. Die Prüfung der Ermittlungsakten habe ergeben, dass die vorgenannten Leistungen sehr häufig im Rahmen von fingierten Abrechnungen zum Ansatz gebracht worden seien. Aufgrund der Zeugenaussagen und der nicht nachvollziehbaren Ansatzhäufigkeiten sei davon auszugehen, dass die Leistungen größtenteils nicht erbracht worden seien. Zudem seien Leistungen über den erbrachten Umfang hinaus abgerechnet worden. Die unvorhergesehene Inanspruchnahme (GOP 01100 und GOP 01101) sei überdurchschnittlich häufig angesetzt worden. Die Prüfung der Abrechnung habe gezeigt, dass diese Ziffern in einigen Fällen als letzte "Behandlung" im Quartal abgerechnet würden. In den meisten Fällen seien neben der GOP 01100 bzw. GOP 01101 keine weiteren Leistungen abgerechnet worden. Dieses Abrechnungsverhalten sei nicht nachvollziehbar. Auch habe die Antragstellerin die Inanspruchnahme an Samstagen (GOP 01102) überdurchschnittlich häufig abgerechnet. Laut Arztregister habe die Antragstellerin an Samstagen keine reguläre Sprechstunde. Auch habe festgestellt werden können, dass die GOP 01102 oftmals nur als alleinige Leistung an einem Behandlungstag abgerechnet worden sei; es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Inanspruchnahme stattgefunden und welche Behandlung veranlasst worden sein solle. Auch bei den Ziffern 08333 (Zusatzpauschale Prokto-/Rektoskopie) und 08340 (Gewinnung von Zellmaterial aus der Gebärmutterhöhle) bestehe eine hohe Ansatzhäufigkeit. Die Auswertung der Ermittlungsakten habe bestätigt, dass die vorgenannten Leistungen nicht in dem abgerechneten Umfang erbracht worden seien. Zudem habe die Antragstellerin bei der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen falsch und doppelt abgerechnet (GOPs 01901, 01906 und 01911 EBM). Neben der Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung habe die Antragstellerin auch gegen ihre Dokumentationspflicht verstoßen. Dokumentationen bezogen auf die gemeinsamen Patienten mit M2. sowie im Zusammenhang mit den zu Unrecht abgerechneten Schwangerschaftsabbrüchen seien entweder nicht vorhanden gewesen, unzureichend oder bewusst falsch erstellt worden. Zudem habe die Antragstellerin gegen Berufsrecht verstoßen. Durch die Weitergabe und den Austausch der Patientendaten mit M2. sei in eklatanter Weise gegen vertragsärztliche und berufsrechtliche Pflichten verstoßen worden. Der Umgang mit Patientendaten lasse dem Datenschutz in der Arztpraxis einen hohen Stellenwert zukommen. Dies gelte einerseits für die ärztliche Schweigepflicht als auch für den Schutz der Daten selbst. Bei den Gesundheitsdaten der Patienten handele es sich um besonders sensible Daten der höchsten Schutzklasse. Dementsprechend schwer wiege es, wenn mit diesen nicht nur nicht datenschutzkonform umgegangen werde, sondern diese in Betrugsabsicht, mithin ohne Rechtfertigung oder Einwilligung weitergegeben würden. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient werde hier gezielt missbraucht, um sich wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Ein derartiges Fehlverhalten widerspreche dem Selbstverständnis der Ärzteschaft als eines primär der Gesundheitspflege verpflichteten, eine öffentliche Aufgabe - nämlich Schutz, Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung - erfüllenden Berufsstandes. Zugleich sei ein solches Verhalten geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Ärzteschaft in erheblichem Maße zu beeinträchtigen. Es läge auch eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten vor, durch die insgesamt eine hohe Schadenssumme in Höhe von 410.051,92 € verursacht worden sei. Obwohl es für den Tatbestand einer gröblichen Pflichtverletzung im Sinne von § 95 Abs. 6 SGB V nicht erforderlich sei, dass den Vertragsarzt ein Verschulden treffe, stehe zur Überzeugung der Beigeladenen zu 1. fest, dass die Antragstellerin vorsätzlich gegen vertragsärztliche Pflichten verstoßen habe, was für die subjektive Vorwerfbarkeit entsprechend schwer wiege. Insbesondere in den Fällen, in denen Daten mit der Praxis von M2. ausgetauscht worden und Leistungen zur Abrechnung gebracht worden seien, die tatsächlich nicht erbracht worden seien, manifestiere sich die Bereicherungsabsicht im Handeln der Antragstellerin. Aber auch in den Doppelabrechnungen der Schwangerschaftsabbrüche zeige sich die Absicht, ihr Honorar gezielt rechtswidrig zu mehren. Angesichts der Schwere der begangenen Pflichtverstöße sei das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen der Beigeladenen zu 1. und der Antragstellerin wesentlich gestört. Durch ihr Verhalten habe sie sich als für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ungeeignet erwiesen. Eine weitere Zusammenarbeit sei nicht mehr zumutbar. Auch unter Berücksichtigung des sog. Ultima-ratio-Prinzips werde ein Disziplinarverfahren oder ein Ruhen der Zulassung als nicht mehr ausreichend erachtet. Es handele sich hier um wiederholte massive Pflichtverletzungen. Die über Jahre immer wieder erfolgten Pflichtverstöße seien auch nicht lediglich als Fehlverhalten aus Unachtsamkeit zu bewerten. Die Antragstellerin sei bereits seit 1998 zugelassen und damit mit den Pflichten und Regeln der vertragsärztlichen Versorgung bestens vertraut. Zudem sei die sofortige Vollziehung der Entziehung der Zulassung der Antragstellerin anzuordnen, da das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung die Individualinteressen der Antragstellerin überwiege. Gründe der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung stünden der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht entgegen. Der Sofortvollzug der Entziehung der Zulassung komme im Hinblick auf den hohen Anteil der gesetzlich krankenversicherten Patienten einem Berufsverbot zumindest nahe und bedeute deshalb einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Ärztin aus Art. 12 Abs. 1 GG. Der Missbrauch von Versichertendaten sei im Rahmen der üblichen Prüfmechanismen zunächst nicht feststellbar und durch sachlich-rechnerische Richtigstellung, vorläufige Honorareinbehalte oder einem Antrag auf Überprüfung der Wirtschaftlichkeit nicht verhinderbar. Gerade im Bereich des Missbrauchs von Patientendaten bestünde ein allein auf Vertrauensbasis beruhendes tatsächliches, nicht mehr relevant überprüfbares Geschehen, was die Einhaltung von Anforderungen nach Vertragsarztrecht angehe. Nachlaufende Prüfungen und Kontrollen seien nahezu unmöglich. Dementsprechend gelte hier mehr denn je der Grundsatz der peinlich genauen Abrechnung von Leistungen. Das Vertrauen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen in die ordnungsgemäße Behandlung und Abrechnung sei in diesen Fällen zentraler Bestandteil der Zusammenarbeit sowie der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Nachdem die Antragstellerin in den vergangenen Jahren wiederholt und nachhaltig ihre Pflichten zu getreulichen Abrechnung von vertragsärztlichen Leistungen in erheblicher Weise verletzt und sie hierbei in erheblichem Umfang Versicherungsdaten missbraucht habe, bedürfe es der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Schon aus der Dauer sowie dem Umfang der Verstöße könne rein objektiv - losgelöst von der subjektiven Vorwerfbarkeit - betrachtet nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin künftig für die Dauer bis zur Rechtskraft der Entscheidung in rechtstreuer Art und Weise vertragsärztliche Leistungen abrechnen werde. Die Ärztin habe sich als dauerhaft massiv rechtsuntreu erwiesen. Darüber hinaus begründe auch der Umstand der Doppelabrechnung von Schwangerschaftsabbrüchen für sich genommen die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Die Vertragsärztin habe hier wissentlich parallele Zahlungsströme aus zwei verschiedenen Abrechnungssystemen generiert, welche letztlich nur durch Zufall bekannt worden seien. Auch insoweit seien die Überprüfungsmechanismen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen faktisch ungeeignet, um künftiges Fehlverhalten zu verhindern. Insgesamt habe die Ärztin nachweislich seit dem Quartal 3/2013 bis 4/2020 kontinuierlich versucht, das Abrechnungssystem zu umgehen, um den eigenen Honoraranspruch zu mehren. Hierbei habe sie sich wissentlich Instrumentarien bedient, die für die Krankenkassen sowie Kassenärztlichen Vereinigungen wenn überhaupt nur sehr schwer überprüfbar seien. Das besondere öffentliche Interesse an der Vollziehungsanordnung und über die Entziehung als solche hinaus resultiere aus der besonderen Verlässlichkeit des Vertragsarztsystems durch den Missbrauch von Versicherungsdaten einerseits sowie der Doppelabrechnung mittels zweier verschiedener Abrechnungssysteme.
Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit führe zu keinem anderen Ergebnis.
Der Antragsgegner zu 1. entzog mit Beschluss vom 13.02.2023 (Bescheid vom 29.03.2023) vollständig die Zulassung der Antragstellerin wegen gröblicher Verletzung vertragsärztlicher Pflichten und ordnete die sofortige Vollziehung an. Das Gremium habe in dem wiederholten und schwerwiegenden fehlerhaften Abrechnungsverhalten der Antragstellerin eine Vielzahl von erheblichen und nachhaltigen Pflichtverletzungen über einen sehr langen Zeitraum gesehen. Der von der Beigeladenen zu 1. schriftlich dargelegte und mündlich vorgetragene Sachverhalt sei vom Ausschuss als glaubhaft gewertet worden. Grundsätzlich gelte, dass der Zulassungsausschuss nicht an eine rechtskräftige Entscheidung eines Strafverfahrens oder gar das Ergebnis eines Plausibilitätsverfahrens gebunden sei. Es obliege in einem derartigen Verfahren der Vertragsärztin, Zweifel der Beigeladenen zu 1. auszuräumen. Dies sei der Antragstellerin im ganzen mehrjährigen Verfahren nicht gelungen. Für das Gremium stehe fest, dass die Vertragsärztin über viele Jahre das kassenärztliche System und die darin aufgestellten Institutionen in massiver Art und Weise nicht beachtet habe und durch insbesondere wissentliche Falsch- und Mehrfachabrechnung Leistungen widerrechtlich erlangt habe. Der Zulassungsausschuss habe sich durch die Vertagung der Entscheidung vom 12.12.2022 auf den 13.02.2023 und Einbestellung der zuständigen Bearbeiter der Beigeladenen zu 1. vollumfänglich mit dem Verfahren der Antragstellerin befasst. Vorliegend habe der Zulassungsausschuss die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit bei der Zulassungsentziehung rechtmäßig beachtet. Für Entscheidungen über die Entziehung des vertragsärztlichen Status müssten Gründe der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung und/oder Verhinderung einer Systemgefährdung benannt werden. Einen solchen Zweck verfolge die Entziehung der Zulassung im vorliegenden Fall. Denn die Entziehung der Zulassung von Vertragsärzten, welche über einen sehr langen Zeitraum nachhaltig, wiederholt und in erheblichem Umfang gegen vertragsärztliche Pflichten verstießen, diene der Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung sowie Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten. Legitimes Ziel der Entziehung der Zulassung sei es zudem, Vertragsärzten, welche durch Fehlverhalten eine erhebliche Anzahl an gröblichen Pflichtverletzungen begingen, die Berechtigung der Abrechnung und der damit verbundenen Honorarausschüttung abzusprechen, um die Funktionalität des Systems zwischen Kassenärztlicher Vereinigung, Krankenkasse und Vertragsarzt auf Grundlage einer Vertrauensbasis aufrechtzuerhalten. Ferner werde die sofortige Vollziehung der Entscheidung angeordnet. Die Beigeladene zu 1. habe ihren Antrag auf Sofortvollzug wie folgt begründet: (...)(Anmerkung des Gerichts: Der Antrag der Beigeladenen zu 1. wird wortwörtlich wiedergegeben.). Der Zulassungsausschuss komme nach Würdigung und Abwägung der Gesamtumstände zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen nach §§ 86a Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 Satz 1 SGG, 97 Abs. 4 SGB V erfüllt seien. Der gefasste Beschluss des Zulassungsausschusses sei unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zu erlassen, da eine Abwägung der Interessen ergeben habe, dass das öffentliche Interesse am vollständigen Entzug der Zulassung dem Individualinteresse der Vertragsärztin überwiege. Der Sofortvollzug sei angeordnet worden, da das Gremium nicht ausschließen könne, dass weitere erhebliche Pflichtverstöße durch die Antragstellerin in Zukunft begangen würden. Da es bezüglich des Abrechnungsverhaltens der Antragstellerin vorliegend viele verschiedene Anhaltspunkte für erhebliche Pflichtverstöße gebe und die Verstöße sehr schwerwiegend gewesen seien, habe es der Ausschuss als geboten angesehen, dass die sofortige Vollziehung angeordnet werde, um das vertragsärztliche System vor zukünftigen Störungen durch die Antragstellerin nachhaltig zu schützen. Die Antragstellerin habe das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen durch ihr Fehlverhalten nachhaltig erschüttert. Aufgrund der erheblichen gröblichen Pflichtverstöße, einer fehlenden Absehbarkeit eines systemtreuen Abrechnungsverhaltens und einer damit verbundenen Uneinsichtigkeit zur gewissenhaften und ehrlichen Abrechnung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit sei eine weitere Zusammenarbeit mit ihr und dem vertragsärztlichen System nicht mehr zumutbar. Die Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten sei auch für die Zukunft nicht mehr zu erwarten. Vor diesem Hintergrund wiege das öffentliche Interesse am Zulassungsentzug deutlich höher als das Individualinteresse der Antragstellerin.
Mit Schreiben vom 31.03.2023 legten die Bevollmächtigten der Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners zu 1. ein.
Die Bevollmächtigten der Antragstellerin haben am 03.04.2023 beim Sozialgericht München Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt und beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs bis zur Entscheidung in der Hauptsache anzuordnen. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht tragfähig. Es werde nicht deutlich, worin das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung bestehe. Das Nachschieben von im Bescheid fehlenden Begründungen durch die Beigeladenen sei nicht ausreichend. Das Zulassungsentziehungsverfahren sei das falsche Verfahren, um schwierige Fragen wie den Missbrauch von Versichertendaten und weitere Pflichtverstöße, die der Antragstellerin vorgehalten würden, zu klären. Hierfür seien die Abrechnungsprüfungen und auch das Strafverfahren geschaffen, deren Abschluss abzuwarten sei. Im Übrigen seien die vermeintlich zahlreichen exorbitanten Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts ein Anlass für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, bei Abrechnungsprüfungen seien sie allenfalls ein Aufgreifkriterium. Die Antragstellerin bestreite, M2. unbefugt Patientendaten weitergegeben wie auch sonst in dieser Richtung mit ihm zusammengearbeitet zu haben. Die Gefahr einer missbräuchlichen Zusammenarbeit mit M2., wenn dies ein entscheidungserheblicher Gesichtspunkt wäre, sei aufgrund der Einstellung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit für immer entfallen. Im Übrigen werde die Antragstellerin für ein angebliches Fehlverhalten des M2. in Mithaftung genommen, ohne dass es dafür eine Rechtsgrundlage gebe. Alle abgerechneten Hausbesuche wie auch die anderen monierten Leistungen seien getätigt worden. Die Rückforderungen wegen angeblicher Doppelabrechnung von Schwangerschaftsabbrüchen habe die Antragstellerin akzeptiert, weil es dabei um sehr schwierige Abrechnungsfragen gehe, die betragsmäßig eine untergeordnete Rolle spielten. Die sofortige Vollziehung der Zulassungsentscheidung würde nicht nur die berufliche, sondern auch die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin vernichten. Es stelle sich angesichts des zeitlichen Ablaufs des Verfahrens die Frage, warum mit der angeblich unbedingt gebotenen Zulassungsentziehung so lange zugewartet worden sei und warum jetzt nicht mehr die Zeit sei, den Abschluss der vorgreiflichen Abrechnungsprüfungsverfahren wie auch den Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten.
Die Antragsgegner haben nicht Stellung genommen.
Die Beigeladene zu 1. weist darauf hin, dass nach ihrer Auffassung der dem Zulassungsentzug zugrunde liegende Sachverhalt zweifelsfrei feststehe. Einer rechtskräftigen Entscheidung bedürfe es weder bezogen auf die Prüfverfahren noch im Hinblick auf das Strafverfahren. Die im vorliegenden Fall festgestellten Verstöße gingen weit über "reine Abrechnungsfehler" hinaus. Der Anordnung der sofortigen Vollziehung stehe auch bei einem "Abrechnungsbetrug" jedenfalls dann nichts entgegen, wenn der Sachverhalt feststehe und auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG nicht ernstlich an der Rechtmäßigkeit der Entziehung gezweifelt werden könne. Als Ausfluss des Grundsatzes der peinlich genauen Abrechnung obliege es dem Arzt, Zweifel an der Abrechnung auszuräumen. Die festgestellten Zweifel hätten bis dato nicht ausgeräumt werden können. Hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung komme dem Umstand besonderes Gewicht zu, dass die Verstöße durch die üblichen Prüfmechanismen des Systems nicht auffielen. Der Vortrag, dass sich die Patientinnen allesamt an eine Behandlung bei der Antragstellerin nur nicht erinnern würden, sei als reine Schutzbehauptung zu werten. Es würden unmittelbar die Rechte und Belange der Patienten tangiert und nicht lediglich das Abrechnungssystem. Auch zeige die Antragstellerin bis dato keinerlei Unrechtsbewusstsein, so dass weiterhin davon auszugehen sei, dass auch künftig mit Pflichtverletzungen, insbesondere Abrechnungsverstößen in nicht unerheblichen Maße zu rechnen sei.
Nach Auffassung der Beigeladenen zu 2. sind die von der Beigeladenen zu 1. im Antrag zum Zulassungsentzug beschriebenen Überschreitungen solcher Art, die kaum durch Irrtum oder Unwissenheit erklärt werden könnten, sondern auf eine absichtliche Abrechnungsoptimierung der Antragstellerin schließen ließe. Bereits die Sachverhalte aus der Plausibilitätsprüfung vom 13.10.2022 würden einen Zulassungsentzug rechtfertigen. Dazu kämen jedoch noch die Doppelabrechnungen von Schwangerschaftsabbrüchen, die die Antragstellerin einmal über die Beigeladene zu 1. und einmal über die Beigeladene zu 2. abgerechnet habe; sie habe die Anzahl der Doppelabrechnungen im Laufe der Zeit sogar gesteigert. Hinzu kommen noch das kollusive Zusammenwirken der Antragstellerin mit M2.. Die Abwägung der Interessen müsse zulasten der Antragstellerin ausfallen. Die jahrelangen und erheblichen Verstöße gegen die vertragsärztlichen Pflichten wögen schwer. Ganz besonders schwerwiegend sei jedoch die Tatsache, dass es zu einem Missbrauch von Patientendaten gekommen und dadurch der Datenschutz in erheblichem Maße verletzt worden sei. Hier seien also nicht nur monetäre Interessen und das auf Vertrauen basierte System der Abrechnung tangiert, sondern auch Patienteninteressen. Angesichts der Aussage der Antragstellerin in der Verhandlung vor dem Antragsgegner zu 1., dass sie nach dem Ende der Tätigkeit von M2. einen neuen Arzt gefunden habe, mit dem sie gut kooperieren würde, sei zu befürchten, dass die Antragstellerin mit den eingefahrenen Strukturen weitermachen werde, diesmal jedoch mit einem anderen Arzt. Es sei also von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Nachdem insbesondere der Missbrauch von Patientendaten kaum überprüft und überwacht werden könne, gäbe es kein milderes Mittel, um das öffentliche Interesse/den Patientenschutz durchzusetzen, als den Sofortvollzug des Zulassungsentzugs.
Die Antragstellerin beantragt:
Die sofortige Vollziehbarkeit des Beschlusses des Antragsgegners zu 1. in der Sitzung am 13.02.2023, ausgefertigt am 29.03.2023 wird ausgesetzt und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin bis zur Entscheidung in der Hauptsache angeordnet.
Die Antragsgegner zu 1. und 2. haben keine Anträge gestellt.
Die Beigeladenen zu 1., 2. und 5. beantragen jeweils,
den Antrag zurückzuweisen.
Die übrigen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Auf telefonische Nachfrage des Gerichts hat die Beigeladene zu 1. mitgeteilt, dass aktuell bei ihr keine Plausibilitätsprüfungen gegen die Antragstellerin anhängig seien.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegner verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Gem. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Diese Anordnungsbefugnis besteht nicht nur dann, wenn von Gesetzes wegen die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage entfällt (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG), sondern auch dann, wenn eine Behörde - wie vorliegend der Antragsgegner zu 1. - die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG), da die Anrufung des Berufungsausschusses aufschiebende Wirkung hat (§ 96 Abs. 4 Satz 2 SGB V).
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags sind gegeben. Insbesondere hat die Antragstellerin bereits Widerspruch gegen den Beschluss des Antragsgegners zu 1. vom 13.02.2023 eingelegt. Eine vorherige Antragstellung bei den Antragsgegnern wegen einer Entscheidung nach § 86a Abs. 3 SGG ist nicht erforderlich (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020 § 86b Rn. 7a m.w.N.).
Der Antrag ist auch begründet.
Aus Sicht des Gerichts ist es nicht zu beanstanden, dass sich der Antrag sowohl gegen den Antragsgegner zu 1. als auch den Antragsgegner zu 2. (Berufungsausschuss) richtet. Richtiger Antragsgegner ist grundsätzlich die Stelle, die im Hauptsacheverfahren Klagegegner ist (Keller, ebenda, § 86b Rn. 8); dies ist vorliegend der Antragsgegner zu 2. In ärztlichen Statussachen kann jedoch ausnahmsweise der Zulassungsausschuss Antragsgegner sein, wenn sich der Antragsteller gegen die von diesem erlassene Anordnung des Sofortvollzugs wendet und der Berufungsausschuss mit der Sache noch nicht befasst war (Keller, ebenda). Auch dies ist vorliegend der Fall, so dass beide Antragsgegner passivlegitimiert sind.
Die Anordnung des Sofortvollzugs ist formell rechtmäßig.
Der Antragsgegner zu 1. als Zulassungsausschuss war grundsätzlich befugt, den Sofortvollzug seiner Entscheidung anzuordnen (BayLSG, Urteil vom 19.09.2012, Az. L 12 KA 59/11, Rn. 22). Er hat die sofortige Vollziehung auch mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung angeordnet (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG). In seiner Begründung stellt der Antragsgegner zu 1. auf den Schutz des vertragsärztlichen Systems vor zukünftigen Störungen durch die Antragstellerin, insbesondere vor künftigem fehlerhaften Abrechnungsverhalten, ab. Diese Begründung ist zwar knapp, jedoch auf den konkreten Fall bezogen und nicht lediglich bloße Förmelei. Sie ist jedoch insoweit unvollständig, als sie nicht den von den Beigeladenen zu 1. und 2. angeführten Gesichtspunkt des Missbrauchs von Patientendaten und die Frage der Gewährleistung des Datenschutzes behandelt bzw. wenigstens erwähnt. Hingegen erfüllt die von dem Antragsgegner zu 1. vorgenommene wortwörtliche Wiedergabe der Ausführungen der Beigeladenen zu 1. zu ihrem Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zulassungsentziehung nicht die hohen Anforderungen, die an die Begründung zu stellen sind. Die Begründungspflicht soll die Verwaltung zu besonderer Sorgfalt anhalten und hat insoweit eine Warnfunktion (Keller, ebenda, § 86a Rn. 21b). Nach Überzeugung des Gerichts genügt es daher nicht, nur im Wege des "copy and paste" die Begründung einer anderen Behörde anzuführen, noch dazu ohne Hinweis, sich deren Ausführungen zu eigen zu machen.
Die Anordnung des Sofortvollzugs durch den Antragsgegner zu 1. ist in materiellrechtlicher Hinsicht zu beanstanden.
Prüfungsmaßstab der Sozialgerichte ist bei einer Überprüfung einer Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG wegen der materiellen Akzessorietät des einstweiligen Rechtsschutzes zunächst, ob die Hauptsache (Widerspruch oder Klage) nach summarischer Prüfung Erfolg haben wird. Ist der Verwaltungsakt rechtswidrig und verletzt er den Kläger in seinen Rechten, hat die Hauptsache also voraussichtlich Erfolg, besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Das Suspensivinteresse überwiegt. Ist der Verwaltungsakt dagegen rechtmäßig und hat die Hauptsache deshalb voraussichtlich keinen Erfolg, so überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung. Ist die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes nicht eindeutig feststellbar, sind also die Erfolgsaussichten des Hauptverfahrens offen, ist vom Gericht der Hauptsache die Interessenabwägung der Verwaltung im konkreten Einzelfall nachzuvollziehen. Es prüft, ob die Interessen, die nach dem Gesetzeszweck zu berücksichtigen sind, richtig gewichtet und zum Ausgleich gebracht wurden oder ob die Abwägung fehlerhaft war, d.h. ein Abwägungsdefizit wegen der Nichtberücksichtigung von Belangen bzw. eine Abwägungsdisproportionalität bei fehlerhafter Gewichtung vorliegen. Dabei steigt das Gewicht des Suspensivinteresses mit der Intensität der Rechtsbeeinträchtigung durch den Vollzug, d.h. mit der Irreversibilität der Folgen bzw. mit dem Grad der Grundrechtsbeeinträchtigung. Ein besonderes Gewicht des Vollzugsinteresses kann sich aus gewichtigen Interessen der Allgemeinheit ergeben, zum Beispiel an der Einhaltung von Qualitätsstandards bei der vertragsärztlichen Behandlung zur Vermeidung von Risiken für die Patienten. Ergibt auch die Abwägung der betroffenen Interessen keinen eindeutigen Vorrang des Suspensivinteresses oder des Vollzugsinteresses, erfolgt eine an § 32 BVerfGG orientierte Folgenabwägung (BayLSG, Beschluss vom 02.04.2013, Az. L 12 KA 12/13 B ER, S. 10 m.w.N.).
Vorliegend stuft das Gericht zum aktuellen Zeitpunkt die Erfolgsaussichten des Widerspruchs gegen die Entziehung der Zulassung als offen ein, wenngleich in der Tendenz der Widerspruch eher als unbegründet zurückzuweisen als dass ihm stattzugeben sein wird.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners zu 1. und der Beigeladenen zu 1. stellt sich aus Sicht des Gerichts der Sachverhalt (überwiegend) nicht als hinreichend geklärt dar. Dies betrifft insbesondere den Vorwurf des Verstoßes gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung im Hinblick auf die gemeinsamen Patientinnen mit M2.. Das AG M1-Stadt hat zwar mittlerweile das strafgerichtliche Hauptverfahren eröffnet, ausweislich der Anklageschrift ist jedoch eine umfassende Zeugeneinvernahme u.a. von Arzthelferinnen und Patientinnen zu erwarten. Auch wenn die Antragstellerin im hiesigen Verfahren keine ihrer Behauptungen, u.a. zur tatsächlichen Behandlung sämtlicher gemeinsamer Patientinnen, glaubhaft gemacht hat, besteht aus Sicht des Gerichts noch keine so valide Tatsachengrundlage, dass sicher davon ausgegangen werden kann, dass die Antragstellerin (in dem von der Beigeladenen zu 1. bzw. der Generalstaatsanwaltschaft dargestellten Umfang) gemeinsame Patientinnen nicht behandelt, aber Leistungen bei diesen abgerechnet hat. Das Gericht verkennt nicht, dass es grundsätzlich die Sach- und Rechtslage umso eingehender zu prüfen hat, je gewichtiger - wie hier - die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26.06.2018, Az. 1 BvR 733/18, Rn. 4). Nach Einschätzung des Gerichts bedürfte es jedoch für die (weitgehende) Durchdringung des Sachverhalts einer sehr umfangreichen Amtsermittlung, die weit über die Beiziehung der Akten der Beigeladenen zu 1. sowie der Generalstaatsanwaltschaft hinausgehen dürfte und die im Hinblick auf den einstweiligen Charakter des vorliegenden Rechtsschutzverfahrens und die Dringlichkeit der Klärung der Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs nicht realisierbar ist. Gründe für die notwendigerweise umfangreiche Amtsermittlung in diesem komplexen Verfahren sind u.a. die hohe Anzahl der infrage stehenden fingierten Behandlungsfälle, die weit in der Vergangenheit zurückliegen, etwaig manipulierte Patientendokumentationen, die bisher nicht hinreichend geklärte Frage des "ob" und "wie" des Datenaustauschs zwischen den beiden Praxen, die Rolle des Personals in beiden Praxen, die Frage des etwaigen Missbrauchs von Versicherungskarten sowie von etwaigen Verwechslungen der Antragstellerin mit der früheren Praxisinhaberin L. etc.
Die vorstehenden Ausführungen gelten in gleichem Maße auch hinsichtlich des Vorwurfs der berufsrechtlichen Verstöße (Wahrung des Datenschutzes); auch diesbezüglich ist der Sachverhalt bisher nicht hinreichend geklärt.
Aber auch im Hinblick auf die weiteren von der Beigeladenen zu 1. angeführten Abrechnungsverstöße der Antragstellerin (Leistungen im Zusammenhang mit fingierten Abrechnungen, Abrechnung von Leistungen über den erbrachten Umfang hinaus), die ca. 25 % des mit Bescheid vom 13.10.2022 festgesetzten Erstattungsbetrages von 387.497,39 € ausmachen, dürften zusätzliche Sachverhaltsermittlungen unter Einbeziehung u.a. der Patientendokumentationen und nähere Analysen des Patientenklientels erforderlich sein.
Dass das Gericht aufgrund summarischer Prüfung davon ausgeht, dass der Widerspruch der Antragstellerin eher nicht so hohe Erfolgsaussichten hat, ist auf die Ergebnisse der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sowie die von der Beigeladenen zu 1. näher dargestellten "Auffälligkeiten" bei der Abrechnung einzelner Leistungsziffern zurückzuführen. Laut Anklageschrift haben insgesamt 19 Patientinnen ausgesagt, nicht bzw. nicht zu den abgerechneten Zeitpunkten in der Praxis der Antragstellerin gewesen zu sein (zehn Patientinnen, die nach eigener Auskunft lediglich in der Praxis M2. behandelt wurden sowie neun Patientinnen, die in den Vernehmungen angaben, bei keinem der beiden Ärzte in Behandlung gewesen zu sein, vgl. S. 10 der Anklageschrift). Es erscheint eher unwahrscheinlich, dass alle diese Patientinnen an zunehmender Vergesslichkeit (infolge Depressionen) leiden (so aber der Strafverteidiger der Antragstellerin) bzw. sich sämtliche Aussagen dieser Patientinnen durch die Vernehmungssituation, Missbrauch von Versicherungskarten bzw. Verwechslungen mit der früheren Praxisinhaberin L. zugunsten der Antragstellerin erklären lassen. Auch hinsichtlich der von der Beigeladenen zu 1. im Bescheid vom 13.10.2022 angeführten zahlreichen hohen Ansätze einzelner GOPs im Vergleich zum Durchschnitt der bayerischen Gynäkologinnen und Gynäkologen erscheint es aus Sicht des Gerichts fraglich, ob diese Leistungen tatsächlich in ihrer Gesamtheit erbracht wurden und durch die Besonderheiten des Patientenklientels der Antragstellerin zu erklären sind. Zudem geht das Gericht bezüglich der in Zusammenhang mit den durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen festgestellten Abrechnungsfehler von einem Verstoß der Antragstellerin gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung aus. Insgesamt spricht daher mehr dafür, dass die Antragstellerin ihre vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt hat (§ 95 Abs. 6 Satz 1) SGB V und die Zulassungsentziehung auch verhältnismäßig ist.
Infolge des aus Sicht des Gerichts im Ergebnis aber noch offenen Ausgangs des Widerspruchsverfahrens hat das Gericht die Interessenabwägung der Verwaltung nachzuvollziehen.
Bei der Gesamtwürdigung aller Umstände kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass ein besonderes (öffentliches) Interesse an der sofortigen Vollziehung, das über das allgemeine Interesse an der Entziehung der Zulassung der Antragstellerin hinausgeht, nicht besteht.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der vertragsärztlichen Zulassung greift nach der Rechtsprechung des BVerfG in die Berufsfreiheit der Antragstellerin ein. Die Abweichung von der im Gesetz grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB V) stellt einen selbständigen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.11.2010, Az. BvR 722/10, Rn. 12 m.w.N.).
Da die durch den Sofortvollzug bewirkten Beschränkungen angesichts des hohen Anteils der gesetzlich krankenversicherten Patienten einem vorläufigen Berufsverbot zumindest nahekommen, sind sie - wie dieses - nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft. Allein die hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Hauptsacheverfahren zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird, reicht mithin nicht aus. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung setzt vielmehr voraus, dass überwiegende öffentliche Belange es auch mit Blick auf die Berufsfreiheit des Betroffenen rechtfertigen, seinen Rechtsschutzanspruch gegen die Grundverfügung einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (vgl. BVerfG, ebenda, Rn. 13 m.w.N.). Zwar können überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch (Art. 19 Abs. 4 GG) des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Dabei ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfG, ebenda, Rn. 20 m.w.N.).
Der Antragsgegner zu 1. hat die Anordnung des Sofortvollzugs mit dem Schutz des vertragsärztlichen Systems vor zukünftigen Störungen durch die Antragstellerin, insbesondere vor künftigem fehlerhaften Abrechnungsverhalten begründet. Grundsätzlich genügen wirtschaftliche Verfehlungen wie insbesondere ein Abrechnungsbetrug jedoch nicht für die Anordnung eines Sofortvollzugs der Zulassungsentziehung (Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. (Stand: 02.02.2023), § 95 Rn. 1198). Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn wie hier (noch) kein eindeutig ermittelter Sachverhalt vorliegt (anders bei "eindeutigen Fällen" Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 18 Rn. 41). Hinzu kommt, dass die Beigeladene zu 1. seit dem Quartal 2/2018 bis zum heutigen Zeitpunkt - mit Ausnahme des Komplexes "Schwangerschaftsabbrüche" - keine weiteren Pflichtverletzungen der Antragstellerin beanstandet hat; die Wahrscheinlichkeit, dass es zu erneuten Fehlabrechnungen kommen könnte, ist daher als eher gering einzustufen (Pawlita, ebenda, Rn. 1201 m.w.N.). Das Argument der Beigeladenen zu 1. und 2. - das im Übrigen nicht von dem Antragsgegner zu 1. in seiner schriftlichen Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs angeführt wird -, die vorgeworfenen Abrechnungsverstöße der Antragstellerin seien schwer mit den üblichen Prüfmechanismen kontrollierbar bzw. aufzudecken, ist für das Gericht zwar nachvollziehbar, kann jedoch im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG ebenso wenig die Anordnung des Sofortvollzugs begründen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den bestandskräftig gewordenen Honoraraufhebungs- und Neufestsetzungsbescheiden bezüglich der fehlerhaft abgerechneten Schwangerschaftsabbrüche. Da sich die Antragstellerin hinsichtlich ihrer Fehler einsichtig zeigt und aktuell keine Schwangerschaftsabbrüche durchführt, geht das Gericht insoweit nicht von einer Wiederholungsgefahr aus.
Schließlich kann vorliegend auch der von den Beigeladenen zu 1. und 2. angeführte Schutz der Patientendaten nicht als hinreichendes öffentliches Interesse für die Anordnung des Sofortvollzugs dienen. Dies zum einen, weil er in der schriftlichen Begründung des Antragsgegners zu 1. keine Berücksichtigung gefunden hat; zum anderen aber auch deshalb, weil M2., mit dem die Antragstellerin Patientendaten ausgetauscht haben soll, nicht mehr zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist. Allein die Aussage der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Antragsgegner zu 1., dass sie zusammen mit einem anderen Arzt, der in 200 m Entfernung niedergelassen sei, 200 Patienten gemeinsam betreue, rechtfertigt aus Sicht des Gerichts noch nicht die von der Beigeladenen zu 2. geäußerte Annahme, dass die Antragstellerin "mit den eingefahrenen Strukturen weitermachen" werde, "diesmal jedoch mit einem anderen Arzt". Weil zudem seit dem Quartal 2/2018 keine (weiteren) Datenschutzverletzungen der Antragstellerin bekannt bzw. beanstandet worden sind, sieht das Gericht auch hinsichtlich des Missbrauchs von Patientendaten keine Wiederholungsgefahr.
Ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Zulassung der Antragstellerin besteht demnach nicht. Das Suspensivinteresse der Antragstellerin überwiegt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, 3 VwGO.