Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Kosten sind dem Antragsteller nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Übernahme der Miete während der Zeit seiner Inhaftierung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) durch die Antragsgegnerin.
Der 0000 geborene Antragsteller hatte seit Februar 2019 eine Unterkunft in der K-L-Str. 00 in 00000 C angemietet. Unter dieser Anschrift befindet sich eine Wohnanlage des Studierendenwerks C. Ein individueller Mietvertrag liegt nicht vor. Entsprechend § 1 Abs. 4 der Allgemeinen Mietvertragsbedingungen des Studierendenwerks C, einsehbar unter XXX, beträgt die individuelle Mietdauer für alle Mietverhältnisse insgesamt und maximal vier Jahre.
Ab dem 04.11.2021 sitzt der Antragsteller ein.
Mit Schreiben vom 17.11.2021 beantragte der Antragsteller erstmals bei der Antragsgegnerin die Übernahme der der Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.12.2021. Bis zum 30.11.2021 sei die Miete – durch das Jobcenter – gezahlt worden. Er sei mittellos und es bestehe aufgrund der Inhaftierung die Gefahr, dass er seine ungekündigte Wohnung verliere. Einen Mietvertrag reiche er sobald möglich nach. Aus der dem Antrag beigefügten Haftbescheinigung ergibt sich, dass voraussichtlicher Entlassungstermin der 03.06.2023 ist.
Mit Bescheid vom 25.11.2021 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Eine Übernahme der laufenden Kosten der Unterkunft und Heizung während der Haft komme nach § 67 SGB XII für Personen in Betracht, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden seien. Durch den Erhalt der Wohnung solle die Wiedereingliederung des Hilfesuchenden in das soziale Leben nach dessen Inhaftierung erleichtert werden, in dem die sozialen Bindungen zur bisherigen Umgebung erhalten blieben. Bei einer Inhaftierung von über sechs Monaten sei jedoch davon auszugehen, dass die sozialen Bindungen zur bisherigen Umgebung durch die Dauer der Inhaftierung beendet werden. Da der Antragsteller nach der vorliegenden Haftbescheinigung voraussichtlich erst am 03.06.2023 entlassen werde und mithin fast zwei Jahre in Haft sei, komme eine Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung nicht in Betracht.
Hiergegen legte der Antragsteller am 03.12.2022 Widerspruch ein. Eine gravierende Erkrankung habe zu den die Haft begründenden Straftaten geführt. Er sei Trennungsvater. Ihm sei durch Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt ein frühzeitiger Entlassungstermin zum 22.11.2022 in Aussicht gestellt worden. Zudem bestehe in C eine Wohnungsnot. Die Versagung der Übernahme der Miete führe zur Obdachlosigkeit des Antragstellers.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2022 als unbegründet zurück. Ein Anspruch komme nur nach § 67 SGB XII in Betracht. Danach seien bei Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigenen Kraft hierzu nicht fähig sind. Zwar möge es sich bei der Inhaftierung und dem drohenden Verlust der Wohnung um besondere Lebensverhältnisse handeln. Jedoch seien im Fall des Antragstellers keine besonderen sozialen Schwierigkeiten zu erkennen, die den Erhalt genau dieser Wohnung zwingend notwendig machten. Zu einer etwaigen Erkrankung habe er keine näheren Angaben gemacht und auch der Umstand, dass er „Trennungsvater“ sei, mache den Erhalt der bisherigen Wohnung nicht erforderlich. Nach einer Haftdauer von einem Jahr und sieben Monate sei auch nicht davon auszugehen, dass soziale Bindungen im Umfeld der Wohnung noch bestehen. Zudem handele es sich bei dem Gebäudekomplex K-L-Str. 00 in C um Studentenwohnungen. Aufgrund der gewöhnlichen Fluktuation könne nicht von gefestigten sozialen Bindungen im Wohnumfeld auszugehen sein, die auch nach der Haftentlassung noch bestehen könnten. Auch eine mögliche Verkürzung der Haft auf ca. 13 Monate ändere hieran nichts. Schließlich sei eine längere Inhaftierung regelmäßig mit dem Verlust der Wohnung verbunden und ihm stünde nach der Entlassung Hilfe durch qualifizierte Personen bei der Wohnungssuche zu.
Klage hat der Antragsteller hiergegen nicht erhoben.
Mit E-Mail vom 02.10.2022 beantragte der Antragsteller erneut die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung bei der Antragsgegnerin. Bis zur geplanten Entlassung seien es noch weniger als 6 Monate. Jedenfalls aber ab dem 03.01.2023 sei die Miete zu übernehmen, da er spätestens am 03.06.2023 entlassen werde.
Mit Schreiben vom 26.10.2022 verwies die Antragsgegnerin auf ihren Bescheid vom 25.11.2021 bzw. den Widerspruchsbescheid vom 08.02.2022.
Am 10.11.2022 hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Es sei hinsichtlich der gesamten Haftdauer mit Bescheid vom 25.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2022 entschieden worden. Der Bescheid sei bestandskräftig. Der durch den Antragsteller am 02.10.2022 per E-Mail bzw. am 01.11.2022 und am 09.11.2022 schriftlich gestellte Antrag sei daher als Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ausgelegt worden. Der Antragsteller habe im vorliegenden Verfahren weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es sei ihm zuzumuten, das Überprüfungsverfahren abzuwarten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller sowohl das Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) als auch die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft, d.h. überwiegend wahrscheinlich (vgl. u.a. BVerfG vom 29.07.2003 – 2 BvR 311/03 in NVwZ 2004, 95 f) macht (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund allerdings nicht isoliert nebeneinander. Es besteht vielmehr zwischen beiden eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt.
Darüber hinaus können sich aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Die Gerichte müssen in solchen Fällen bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, also dem Bestehen eines Anordnungsanspruchs, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen. Das gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (vgl. zu alledem BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05).
Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Gemäß § 67 S. 1 SGB XII sind Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind.
Zu den besonderen Lebensumständen mit sozialen Schwierigkeiten im Sinne des § 67 SGB XII kann auch der drohende Wohnungsverlust nach einer Haftentlassung gehören. Entscheidend ist hierbei nicht allein die Haftdauer; vielmehr ist eine prognostische Einschätzung dahingehend vorzunehmen, ob bei Haftentlassung besondere soziale Schwierigkeiten für den Fall eines Verlusts der innegehabten Wohnung zu erwarten wären. Dabei kann in zeitlicher Hinsicht jedoch die Notwendigkeit von Geldleistungen umso konkreter gegeben sein, je näher die Haftentlassung bevorsteht. Umgekehrt kann eine ausreichend sichere Prognose dann nicht erstellt werden, wenn die Umstände nach Haftentlassung schon wegen der verbleibenden Haftdauer nicht eingeschätzt werden können (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 8 SO 24/12 R).
Hiervon ausgehend gehört der vom Antragsteller geltend gemachte drohende Wohnungsverlust nach seiner Haftentlassung grundsätzlich zu den besonderen Lebensverhältnissen mit sozialen Schwierigkeiten im Sinne des § 67 SGB XII; denn der Verlust der Wohnung ist für einen Haftentlassenen selbst dann, wenn dieser nicht auf existenzsichernde Leistungen angewiesen ist, deutlich schwerer zu kompensieren als für andere Bürger.
Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass diese sozialen Schwierigkeiten darüber hinaus "besonderer" Art sind, dass also – nach der insoweit zu treffenden Prognoseentscheidung bezogen auf die Verbüßung dieser Haftstrafe für den Fall des Verlusts der innegehabten Wohnung – "besondere" soziale Schwierigkeiten zu erwarten sind.
Zunächst ist bereits durch den Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass er überhaupt noch eine Unterkunft unter der Anschrift K-L-Str. 00 in C angemietet hat. Ein individueller Mietvertrag liegt nicht vor. Aber auch wenn man das Bestehen eines Mietverhältnisses annimmt, sind durch den Antragsteller keine Anhaltspunkte dafür glaubhaft gemacht, dass bei einem Verlust der Unterkunft besondere soziale Schwierigkeiten zu erwarten wären. Diesbezüglich hat das Gericht berücksichtigt, dass einerseits die Höchstmietzeit nach den im Internet einsehbaren Allgemeinen Mietvertragsbedingungen in der von dem Antragsteller angemieteten Unterkunft ohnehin mit Januar 2023 ablaufen dürfte. Er ist dort seit Februar 2019 gemeldet gewesen. Andererseits entstehen in einem Studentenwohnheim soziale Bindungen ohnehin (auch aufgrund der Höchstmietzeit) in der Regel nur kurzfristig. Eine im Rahmen der Widerspruchsbegründung angegebene Erkrankung hat er nicht näher benannt und auch im Hinblick auf seiner vorgebrachte (Trennungs-)Vaterschaft hat er nicht erläutert, warum der Erhalt seiner Wohnung erforderlich sein könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass es dem Antragsteller nach der Haftentlassung nicht möglich wäre, eine andere Wohnung anzumieten oder dass aus einem Wohnungswechsel weitere soziale Schwierigkeiten für ihn entstehen könnten. Allein der Umstand, dass er in ungesicherte Lebensverhältnisse entlassen würde, wenn ihm seine Wohnung nicht erhalten bliebe, genügt nicht.
Der Antragsteller hat auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es liegt keine besondere Eilbedürftigkeit vor. Der Antragsteller hat auf die Aufforderung des Gerichts keine Nachweise im Hinblick auf etwaig bestehende Mietrückstände, Mahnungen oder gar eine Kündigung des Mietverhältnisses vorgelegt. Nicht einmal der Mietvertrag selbst liegt vor. Ein Anordnungsgrund ist daher auch mit Blick auf eine etwaige nach der Haftentlassung drohende Obdachlosigkeit zum jetzigen Zeitpunkt nicht dargetan.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.