L 13 SF 7/21 EK AS

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 13 SF 7/21 EK AS
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Die gesetzliche Entschädigungspauschale kann im Einzelfall bei atypischem Prozessverhalten des Klägers unbillig i. S. d. § 198 Abs. 2 S. 4 GVG sein.

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von

                        2.300 € zu zahlen.

 

Es wird festgestellt, dass die Dauer des beim Sozialgericht Aurich geführten Klageverfahrens mit dem Aktenzeichen S 45 AS 465/12 unangemessen war.

 

                        Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 4/5, der Beklagte zu 1/5.

 

                        Die Revision wird nicht zugelassen.

 

                        Der Streitwert wird auf 10.800 € festgesetzt.

 

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Entschädigung nach § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) wegen überlanger Dauer eines von ihm geführten Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) Aurich (Az. S 45 AS 465/12).

 

Gegenstand des gegen den Landkreis J. als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende geführten Ausgangsverfahrens war ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. April 2009, welcher in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 5. August 2009 gefunden hatte, die Leistungsmonate Oktober und November 2008 und bewilligte Leistungen in Höhe von jeweils 493 € zum Gegenstand hatte. Dabei betraf die Rückforderung nur die Leistungen für Oktober 2008, nachdem die Leistungen für November 2008 wegen einer Zahlungssperre nicht mehr zur Auszahlung gelangt waren. Der Kläger erhob am 11. September 2009, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. K. und Kollegen, gegen die genannten Bescheide Klage, die vom SG unter dem Az. S 45 AS 960/09 erfasst wurde. Im November 2009 legten die Rechtsanwälte Dr. K. und Kollegen das Mandat nieder und im Folgemonat meldeten sich die Rechtsanwälte L. für den Kläger. Nach Klagebegründung und –erwiderung führte das SG im November 2010 einen Erörterungstermin durch, an den sich bis März 2011 weiterer Schriftwechsel der Beteiligten anschloss. In diesem Monat bewilligte das SG dem Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. und im Juni 2011 kündigte es den Erlass eines Gerichtsbescheides an. In diesem und im nachfolgenden Monat wandte sich der Kläger jeweils telefonisch an das SG und bat nach den hierüber gefertigten Gesprächsnotizen „sehr aufgebracht“ um sofortige Entscheidung, da er finanziell „überhaupt nicht mehr über die Runden komme“ und schon lange krankgeschrieben sei. Nachfolgend führten die Beteiligten im schriftlichen Verfahren Vergleichsverhandlungen, wobei der Landkreis J. zuletzt mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2011 eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits dahingehend vorschlug, dass er auf die mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2009 zurückgeforderten 493 € verzichtete. Der Kläger ließ hierzu im Februar 2012 über seine Prozessbevollmächtigten mitteilen, dass er mit dem Vergleichsvorschlag einverstanden sei, „wonach insbesondere der Beklagte auf die Rückzahlung des Betrages von 493 €“ verzichte. Er behalte sich jedoch den Leistungsbetrag für den Monat November 2008 vor und im Übrigen auch alle weiteren, noch offenen Ansprüche aus dem Leistungsverhältnis. Das SG sah den Rechtsstreit aufgrund dieser Erklärungen als durch gerichtlichen Vergleich erledigt an und trug das Verfahren aus.

 

Mit einem am 25. Februar 2012 eingegangenen Schriftsatz wandte sich der Kläger persönlich an das SG und legte gegen den Vergleich, welchen Rechtsanwalt M. absprachewidrig für ihn geschlossen habe, „Rechtsmittel“ ein. Im April 2012 widerrief er die erteilte Prozessvollmacht und kündigte eine Vertretung durch Rechtsanwalt N. an. In den Folgemonaten meldeten sich Rechtsanwalt O. und Rechtsanwalt P. für den Kläger, welche ihre Mandate jeweils nach kurzer Zeit niederlegten. Im August 2012 zeigte Rechtsanwalt Q. die weitere Interessenvertretung des Klägers an. Das SG vergab für den Rechtsstreit im September 2012 ein neues Aktenzeichen (S 45 AS 465/12), legte eine neue Akte an und schlug einen Vergleich vor, den die Beteiligten nicht annahmen, wobei der Kläger die Prozessvollmacht für Rechtsanwalt Q. widerrief. Im Mai 2013 schloss sich das SG in einer prozessleitenden Verfügung der Einschätzung des Landkreises J. an, dass der Rechtsstreit bereits aufgrund des Vergleichsvorschlags vom 19. Dezember 2011, welchen Rechtsanwalt M. für den Kläger „ausdrücklich angenommen“ habe, erledigt sei und kündigte erneut den Erlass eines Gerichtsbescheides an. Im August 2013 zeigte Rechtsanwalt R. die anwaltliche Vertretung des Klägers an und legte das Mandat im Januar 2014 – auch in neun zwischenzeitlich anhängig gewordenen Parallelverfahren – nieder.

 

Mit einem am 19. September 2014 eingegangenen Schriftsatz wandte sich der Kläger erneut persönlich an das SG und legte „Beschwerde gegen das Verfahren ein“, da der Prozess schon sechs Jahre andauere. Der Landkreis J. enthalte ihm Sozialleistungen vor, wobei er dringend auf das Geld („493 € in diesem Verfahren“) angewiesen sei. Das SG erfasste diesen Schriftsatz als Verzögerungsrüge. Im Oktober 2014 und im Juni 2016 forderte es die Verwaltungsakten an. Nach Erinnerung teilte der Landkreis J. im August 2016 mit, dass die Verwaltungsakten nach seiner Information von der 19. Kammer an die 45. Kammer weitergeleitet worden seien. Weitere Bearbeitungsschritte sind den Gerichtsakten für den Zeitraum von Oktober 2014 bis November 2017 nicht zu entnehmen. Im März 2016, Januar 2017 und Juni 2017 erhob der Kläger weitere Verzögerungsrügen und wies nochmals darauf hin, dass er auf die Leistungen für Oktober und November 2008 dringend angewiesen sei, wobei er mit dem Landkreis J. keinen Vergleich schließen werde. Ferner fragte er im Februar 2017 telefonisch nach dem Sachstand und legte nachfolgend eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei dem Präsidenten des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen ein. Im Dezember 2017 erhob der Kläger eine erste Entschädigungsklage wegen der Dauer des Ausgangsverfahrens. Das LSG Niedersachsen-Bremen lehnte die Bewilligung von PKH mit Beschluss vom 13. Februar 2018 (Az. L 15 SF 25/17 EK AS) ab, nachdem der Kläger die erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt hatte. Die dagegen eingelegte Beschwerde verwarf das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 9. Mai 2018 als unzulässig (Az. B 10 ÜG 4/18 B). Angeforderte Gerichtskosten zahlte der Kläger nicht ein, sodass die Entschädigungsklage gemäß Beschluss vom 25. Februar 2019 als zurückgenommen galt.

 

Zum 1. Oktober 2017 ging das Ausgangsverfahren in die Zuständigkeit der neu gebildeten 75. Kammer über. In einer prozessleitenden Verfügung vom Dezember 2017 wies der nunmehr zuständige Kammervorsitzende darauf hin, dass entgegen der vorherigen rechtlichen Einschätzung des Gerichts ein Vergleich noch nicht zustande gekommen sei, schlug erneut einen Vergleich vor und kündigte für den Fall, dass dieser nicht angenommen werden sollte, den kurzfristigen Erlass eines Gerichtsbescheides an. Der Kläger lehnte den Vergleichsvorschlag im Januar 2018 ab und wies darauf hin, dass ihm durch die Verfahrensdauer mittlerweile ein erheblicher Schaden in Form von Bankgebühren, Anwalts- und Arztkosten entstanden sei. Im Mai 2018 teilte das SG den Beteiligten mit, dass die vom Entschädigungssenat zum Az. L 15 SF 25/17 EK AS beigezogene Prozessakte trotz Anforderung nicht zurückgesandt worden sei, sodass der angekündigte Gerichtsbescheid bislang nicht habe ergehen können. Im Dezember 2018 sandte das LSG die Akten an die nunmehr wieder zuständige 45. Kammer zurück. Auf eine telefonische Sachstandsanfrage des Klägers vom März 2019 teilte das SG mit, dass zeitnah ein Erörterungstermin durchgeführt werden solle. Auf eine entsprechende Terminsladung vom August 2019, welche auch weitere Verfahren des Klägers betraf, teilte dieser mit, dass er krankheitsbedingt verhindert sei. Er legte ein Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie S. vom 14. August 2019 vor, wonach er an einem multifaktoriellen Krankheitsbild leide und aufgrund aktuell wieder stark ausgeprägter Ängste nicht in der Lage sei, einer Gerichtsverhandlung oder Anhörung beizuwohnen. Der Kläger kündigte an, sich bis Ende August 2019 noch zu den einzelnen Verfahren schriftlich zu äußern. Das SG hob den für den 22. August 2019 anberaumten Termin auf. Der Kläger reichte die angekündigte Äußerung nachfolgend nicht ein und ließ auch die Anfrage des SG vom November 2019, ob er zu einer Teilnahme an einem Erörterungstermin gesundheitlich wieder in der Lage sei, unbeantwortet. Im Januar 2020 kündigte das SG wiederum den Erlass eines Gerichtsbescheides ein, worauf sich im Februar 2020 Rechtsanwalt T. für den Kläger meldete und Akteneinsicht beantragte. Im Folgemonat sandte er die ihm überlassenen Akten zurück und der Kläger schrieb das SG erneut direkt an. Er widersprach der – auch in diversen Parallelverfahren - angekündigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Der Sachverhalt sei nicht geklärt und werde von der Gegenseite bewusst falsch dargestellt. Der Landkreis J. habe dem Gericht auch nicht alle relevanten Unterlagen vorgelegt. Er beantrage die Bewilligung von PKH und die zeitnahe Durchführung von Erörterungsterminen. In den nachfolgenden Monaten verfügte der Kammervorsitzende zweimal Wiedervorlagen, wobei die Geschäftsstelle zu einer Ende April 2020 nicht erfolgten Wiedervorlage im Juni 2020 in den Akten vermerkte, dass aufgrund der Corona-Pandemie „die Wiedervorlagen verschoben“ worden seien. In demselben Monat teilte Rechtsanwalt T. auf Anfrage des SG mit, dass die für ein Parallelverfahren erklärte Mandatsniederlegung u. a. auch für das vorliegende Verfahren gelte. In den nachfolgenden Monaten blieb die Akte wiederum unbearbeitet. Auf eine telefonische Sachstandsanfrage des Klägers vom Juli 2021 wies das SG darauf hin, dass Rechtsanwalt Q. im Mai 2021 in einem Parallelverfahren seine Mandatierung mitgeteilt und zugleich um Angabe der Aktenzeichen der weiteren noch anhängigen Verfahren des Klägers gebeten habe. Vor diesem Hintergrund werde angefragt, ob Rechtsanwalt Q. den Kläger auch im vorliegenden Verfahren vertrete. Diese Anfrage ließ der Kläger unbeantwortet.

 

Im Dezember 2021 beraumte das SG einen Verhandlungstermin für den 3. Februar 2022 an. Im Folgemonat zeigte Rechtsanwalt Q. erneut die Vertretung des Klägers an und beantragte die Bewilligung von PKH. Daraufhin wurde der Verhandlungstermin von dem Vertreter des Kammervorsitzenden aufgehoben und angekündigt, dass der Kammervorsitzende nach seiner Urlaubsrückkehr auf die Sache zurückkommen werde. Dieser terminierte den Rechtsstreit sodann für den 10. März 2022. Im Verhandlungstermin, an dem weder der Kläger noch Rechtsanwalt Q. teilnahmen, teilte die Vertreterin des Landkreises J. mit, dass die zwischenzeitlich von den laufenden Leistungen einbehaltenen 493 € für Oktober 2008 wieder an den Kläger ausgekehrt worden seien. Eine Rückforderung sei nicht mehr vorgesehen, dies sei rechtlich auch gar nicht möglich. Demzufolge stünden nur noch 493 € im Streit. Mit Urteil vom 10. März 2022 hob das SG den Bescheid vom 6. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2009 auf und verurteilte den Landkreis J., einen Betrag in Höhe von 493 € an den Kläger zu zahlen. Zur Begründung führte das SG aus, dass der Beklagte auf die Rückforderung für Oktober 2008 verzichtet habe, sodass insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr vorliege. Die allein noch streitige Leistungsaufhebung für November 2008 sei rechtwidrig, sodass der Beklagte (des Ausgangsverfahrens) die für diesen Monat bewilligten Leistungen in Höhe von 493 € auszuzahlen habe. In dem Termin am 10. März 2022 wurden in sieben weiteren Verfahren des Klägers Urteile verkündet.

 

Der Kläger legte am 22. April 2022 zu Protokoll der Geschäftsstelle des SG in allen Verfahren nicht näher begründete „Rechtsmittel“ ein, für die nach dem Geschäftsverteilungsplan des LSG Niedersachsen-Bremen der erkennende Senat zuständig wurde. Mit der Eingangsverfügung erhielt der Kläger den Hinweis, dass er erstinstanzlich vollständig obsiegt habe und das Rechtsmittel (gemäß Rechtsmittelbelehrung des SG: Nichtzulassungsbeschwerde) wohl irrtümlich eingelegt worden sei. Ihm wurde aufgegeben, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzunehmen oder mitzuteilen, mit welchem Ziel diese eingelegt worden sei. Nachdem der Kläger hierauf nicht reagiert hatte, verwarf der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde mit einem dem Kläger am 6. Juli 2022 zugestellten Beschluss vom 28. Juni 2022 (L 13 AS 99/22 NZB) als unzulässig.

 

Bereits am 12. Oktober 2021 hat der Kläger die vorliegende Entschädigungsklage erhoben und eine Entschädigung nach § 198 GVG geltend gemacht ab dem Zeitpunkt seiner ersten Verzögerungsrüge, welche er „im Jahre 2012 (im Sommer)“ eingereicht habe. Zu diesem Zeitpunkt hätten dem SG bereits alle Unterlagen für eine Entscheidung über die im Jahr 2009 eingereichte Klage vorgelegen und eine Verfahrensdauer von neun weiteren Jahren sei völlig überzogen. Der Kläger schildert in der von ihm gefertigten Klageschrift im Einzelnen seine persönliche Lebenssituation und seine Leistungsangelegenheiten (auch mit anderen Trägern) und trägt zur Begründung seiner Entschädigungsklage vor, dass ihm durch die Verfahrensdauer ein erheblicher Schaden entstanden sei. Er habe sich einen Dispokredit bewilligen lassen müssen, welchen er nur zum Teil habe zurückzahlen können. Aufgrund der nicht gezahlten Krankenversicherungsbeiträge seien ihm erhebliche Nachteile entstanden, so seien etwa Arztkosten angefallen. Seit seiner ersten Rüge im Sommer 2012 sei in der Sache Stillstand eingetreten bei dem SG Aurich und dieses reagiere auch nicht auf seine weiteren Verzögerungsrügen. Es sei nicht länger hinnehmbar, dass das SG das Verfahren schon seit über neun Jahren liegen lasse.

 

Hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Entschädigung hat der Kläger über seinen zwischenzeitlich beigeordneten Prozessbevollmächtigten vortragen lassen, dass er nach seiner Auffassung eine nicht unerhebliche Entschädigung beanspruchen könne, möglicherweise in Höhe des sich aus dem PKH-Beschluss des Senats ergebenden Betrags (7.400 €).

 

Der in der mündlichen Verhandlung nicht erschienene Kläger beantragt nach seinem schrift-sätzlichen Vorbringen,

 

den Beklagten zu verurteilen, ihm eine Entschädigung in Höhe von 7.400 € zu zahlen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

                   die Klage abzuweisen.

 

Nach seiner Auffassung ist zwar eine überlange Verfahrensdauer festzustellen, diese begründe aber für sich genommen noch keinen Entschädigungsanspruch. In dem entschädigungsrelevanten Zeitraum von 84 Monaten zwischen der Erhebung der ersten Verzögerungsrüge und der Erhebung der Entschädigungsklage seien 15 Monate belegt, so dass 69 Monate inaktive Zeiten verblieben. Abzuziehen sei die im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht genutzte Vorbereitungs- und Bedenkzeit von 12 Monaten. Für die verbleibenden Monate bestehe kein Anspruch auf Entschädigung, weil dem Kläger durch die überlange Verfahrensdauer kein Nachteil entstanden sei. Eine seelische Unbill durch die Dauer des vorliegenden Verfahrens sei im Hinblick auf die Vielzahl der von dem Kläger in der Sozialgerichtsbarkeit geführten Verfahren und die Art und Weise seiner Verfahrensführung auszuschließen. Das Prozessieren sei für den Kläger zum Selbstzweck geworden und er lege es ersichtlich darauf an, gerichtliche Entscheidungen zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern und mündliche Verhandlungen zu „torpedieren“. Zumindest sei aber unter diesen Gesichtspunkten eine deutliche Herabsetzung der Entschädigungspauschale geboten.

 

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens sowie die Prozessakte der Entschädigungsklage verwiesen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.

 

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet über die Entschädigungsklage in seiner regulären, geschäftsplanmäßigen Besetzung. Soweit im Ausgangsverfahren Vorsitzender Richter am Landessozialgericht E. und Richterin am Landessozialgericht G. an der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers mitgewirkt haben, sind sie im vorliegenden Verfahren nicht nach § 60 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 41 Nr. 7 Zivilprozessordnung (ZPO) von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen. Die zuletzt genannte Vorschrift sieht einen solchen Ausschluss nur vor, wenn der Richter in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird. Vorliegend stützt der Kläger seinen Entschädigungsanspruch nicht auf die Dauer des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, sondern allein auf die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens.

 

Der Senat konnte in Abwesenheit des ordnungsgemäß benachrichtigten Klägers verhandeln und entscheiden, weil in der Terminsmitteilung vom 27. Februar 2023 (zugestellt am selben Tag) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war. Dem am 15. März 2023, eine Woche vor dem Termin, vom Kläger persönlich gestellten und von seinem neuen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt U., am Folgetag wiederholten Verlegungsantrag war nicht nachzukommen. Zwar stellt im Fall der Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten erst kurz vor einem Termin zur mündlichen Verhandlung ein vom Prozessbevollmächtigten im Einzelnen dargelegter Zeitbedarf, sich hinreichend mit dem Sachverhalt vertraut zu machen, grundsätzlich einen erheblichen Grund i. S. des § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO dar, der eine Aufhebung des Termins gebietet. Das ist aber ausnahmsweise dann nicht der Fall, wenn dem Beteiligten eine rechtzeitige Bestellung des Prozessbevollmächtigten zugemutet werden konnte, sich die späte Bestellung mithin als verschuldet erweist (BSG, Beschluss vom 6. Januar 2022 – B 5 LW 1/21 B – juris Rn. 25 m w. N.). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier vor. Der Verhandlungstermin am 22. März 2022 war dem Kläger bereits mit gerichtlichem Schreiben vom 10. Januar 2023 angekündigt worden verbunden mit der Auflage, hinsichtlich eines evt. beabsichtigten Anwaltswechsels umgehend die erforderlichen Schritte einzuleiten, damit dem neuen Prozessbevollmächtigten bis zum Termin noch genügend Zeit zur Einarbeitung in den Sachverhalt verbleibe. Es war ausdrücklich auf die soeben zitierte Rechtsprechung des BSG zu Terminsaufhebungsanträgen, die mit der Notwendigkeit der Einarbeitung eines schuldhaft zu spät bestellten Prozessbevollmächtigten begründet werden, hingewiesen worden. Zu der Behauptung des Klägers, ein persönliches Gespräch mit seinem neuen Prozessbevollmächtigten sei ihm in den letzten Monaten wegen drei Krankenhausaufenthalten und drei Operationen nicht möglich gewesen, fehlen nähere, einer Überprüfung zugängliche Angaben und im Übrigen ist weder die Notwendigkeit eines persönlichen Gesprächs am Kanzleisitz des neuen Prozessbevollmächtigten in V. noch der für die Einarbeitung benötigte Zeitbedarf im Einzelnen dargelegt. Schließlich hat der Kläger im Zusammenhang mit seiner telefonischen Mitteilung am Terminstag, erkrankungsbedingt nicht erscheinen zu können, keinen weiteren Terminsaufhebungsantrag gestellt.

 

Die zulässige Entschädigungsklage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

 

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Entschädigungsklage nach § 198 GVG bestehen nicht, insbesondere fehlt es nicht an einer Bezifferung der Klageforderung. Nach § 92 Abs. 1 S. 1 SGG muss die Klage den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen; nach S. 3 der Vorschrift soll dafür jede Klage einen bestimmten Antrag enthalten. Diese Anforderungen hat das BSG für Entschädigungsverfahren nach § 198 GVG dahingehend konkretisiert, dass der Entschädigungskläger sich zwar auf einen unbezifferten Klageantrag beschränken kann, aber in diesem Fall die für die Bemessung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen benennen und die Größenordnung der verlangten Entschädigung angeben muss. Dabei reicht es aus, wenn sich ein in diesem Sinne hinreichend bestimmter Klageantrag durch Auslegung ermitteln lässt, wobei nicht nur der Wortlaut, sondern auch die sonstigen erkennbaren Umstände des Falls zu berücksichtigen sind, insbesondere der Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten (Urteil vom 13. Dezember 2018 – B 10 ÜG 4/16 R – juris Rn. 14 ff.). Nach diesen Maßstäben hat sich bereits der von dem Kläger persönlich verfassten Klageschrift entnehmen lassen, dass dieser eine Entschädigung für eine aus seiner Sicht unangemessene Verfahrensdauer von neun Jahren begehrt, woraus sich unter Zugrundelegung des gesetzlich vorgesehenen Regelbetrags eine Entschädigungsforderung von 10.800 € errechnet. Im Übrigen hat der Kläger zwischenzeitlich mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19. Oktober 2022 klarstellen lassen, dass eine Entschädigung jedenfalls bis zur Höhe des im PKH-Beschluss genannten Betrages (7.400 €) geltend gemacht werden soll.

 

Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch ist § 202 S. 2 SGG i. V. m. § 198 Abs. 1 S. 1 GVG. Danach wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Die Möglichkeit, die Entschädigungsklage – wie hier – noch vor dem Abschluss des Ausgangsverfahrens zu erheben, ergibt sich aus § 198 Abs. 5 S. 1 SGG.

 

Die Vorschriften des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24. November 2011 (BGBl. I 2302) finden aufgrund der Übergangsregelung des § 23 S. 1 ÜGG auch auf Verfahren Anwendung, die – wie das hier in Rede stehende Ausgangsverfahren – bei Inkrafttreten des ÜGG am 3. Dezember 2011 (vgl. Art. 24 ÜGG) anhängig waren. Allerdings sind Entschädigungsansprüche für die eingetretene Verzögerung bis zum Eingang der ersten Verzögerungsrüge am 19. September 2014 präkludiert. Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gemäß § 198 Abs. 3 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird (§ 198 Abs. 3 S. 2 Halbs. 1 GVG). Für anhängige Verfahren, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ÜGG am 3. Dezember 2011 schon verzögert waren, gilt dies mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden muss (Art. 23 S. 2 ÜGG). Die Verzögerungsrüge ist unverzüglich erhoben, wenn sie spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des ÜGG am 3. Dezember 2011 eingeht (BSG, Urteil vom 3. September 2014 B 10 ÜG 2/14 R – juris 27 m. w. N.). Bei Inkrafttreten des ÜGG war in dem seit über zwei Jahren anhängigen Ausgangsrechtsstreit – wie die wiederholten Sachstandsanfragen des Klägers und die unrichtige Sachbehandlung seitens des SG (irrtümliche Annahme einer eingetretenen Erledigung) zeigen – bereits eine rügepflichtige Situation eingetreten, so dass die Verzögerungsrüge bis zum 3. März 2012 hätte erhoben werden müssen. Hieran fehlt es vorliegend. Die vom Kläger behauptete Verzögerungsrüge vom Sommer 2012 ist aus den Akten nicht ersichtlich und eine solche wäre im Übrigen auch nicht innerhalb der genannten Frist erhoben worden. Soweit der Kläger mit seiner Entschädigungsklage auch vorträgt, das Ausgangsverfahren habe aufgrund seiner „ersten Verzögerungsrüge im Jahre 2012“ ein neues Aktenzeichen erhalten, wurde ausweislich der vorliegenden Akten die Neueintragung des Verfahrens aufgrund eines Schriftsatzes des Klägers vom 23. Februar 2012 (Bl. 110 der Akte S 45 AS 960/09) veranlasst, mit dem der Kläger indes nicht die Dauer des Verfahrens gerügt, sondern lediglich mitgeteilt hatte, dass er mit dem (vermeintlich) von seinem damaligen Prozessbevollmächtigten geschlossenen Vergleich nicht einverstanden sei. Erst mit Schriftsatz vom 17. September 2014 (eingegangen am 19. September 2014, Bl. 51 der Akte S 45 AS 465/12) hat der Kläger sich über die – nunmehr fünfjährige – Verfahrensdauer beschwert; diesen Schriftsatz hat das SG zutreffend als Verzögerungsrüge erfasst. An den Inhalt der Rüge sind – vergleichbar dem Widerspruch im Verwaltungsverfahren – keine hohen Anforderungen zu stellen. Der Betroffene braucht das Wort Rüge nicht zu verwenden, sondern muss lediglich zum Ausdruck bringen, dass er mit der von § 198 Abs. 3 S. 1 GVG ausdrücklich genannten Dauer des Verfahrens nicht einverstanden ist und eine Beschleunigung verlangt, also nicht nur darum bittet (Röhl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 198 GVG [Stand: 09.02.2023], Rn. 103). Diesen Anforderungen genügt der Schriftsatz des Klägers vom 17. September 2014, während eine frühere Eingabe, welche als Verzögerungsrüge auszulegen wäre, aus den Akten nicht ersichtlich ist. Die verspätete Erhebung der Verzögerungsrüge hat die Präklusion der Entschädigungsansprüche bis zum Rügezeitpunkt zur Folge (Umkehrschluss aus Art. 23 S. 3 ÜGG, vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Dezember 2015 B 10 ÜG 1/15 R juris Rn. 17; Urteil vom 5. Mai 2015 B 10 ÜG 8/15 R juris Rn. 23 ff.).

 

Entschädigungsrelevant ist bei dieser Sachlage lediglich der Zeitraum von Oktober 2014 bis September 2021, dem Monat vor Erhebung der Klage auf Entschädigung für die bislang durch die Verfahrensdauer entstandenen Nachteile. Soweit für diesen Zeitraum die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu beurteilen ist, richtet sich diese gemäß § 198 Abs. 1 S. 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Nach den vom BSG hierzu entwickelten Kriterien bildet Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Kleinste im Geltungsbereich des ÜGG relevante Zeiteinheit ist hierbei der Kalendermonat (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2017 B 10 ÜG 3/16 R juris Rn. 24). In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens an den von § 198 Abs. 1 S. 2 GVG genannten Kriterien zu messen, die auch unter Heranziehung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auszulegen und zu vervollständigen sind. Auf dieser Grundlage ergibt erst die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände in einem dritten Schritt, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat. Dabei ist vorbehaltlich besonderer Gesichtspunkte des Einzelfalls die Verfahrensdauer jeweils insgesamt noch als angemessen anzusehen, wenn eine Gesamtverfahrensdauer, die zwölf Monate je Instanz übersteigt, auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2014 B 10 ÜG 2/13 R – juris Rn. 24 ff. m. w. N.). Eine Verfahrensdauer von bis zu zwölf Monaten je Instanz ist damit regelmäßig als angemessen anzusehen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden kann. Aber auch eine längere Verfahrensdauer ist in der Regel noch angemessen, wenn sie auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung (z. B. Zeit für Einholung von Auskünften, Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten, Beiziehung von Akten) beruht oder maßgeblich durch das Verhalten des Klägers, anderer Verfahrensbeteiligter oder Dritter verursacht wird. Anderes gilt für Zeiten, in denen eine Sache über zwölf Monate hinaus ("am Stück" oder immer wieder für kürzere Zeiträume) ohne sachlichen Grund "auf Abruf" liegt, ohne dass das Verfahren zeitgleich inhaltlich betrieben wird, oder sich auf sog. Schiebeverfügungen beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 9/13 R – juris Rn. 45 ff.).

 

Mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer von 12 Jahren und knapp 10 Monaten zwischen der Klageerhebung am 11. September 2009 und der Zustellung des die Nichtzulassungsbeschwerde verwerfenden Senatsbeschlusses am 6. Juli 2022 ist ferner zu berücksichtigen, dass die Gerichte bei ihrer Verfahrensleitung stets die Gesamtdauer des Verfahrens im Blick behalten müssen. Mit zunehmender Dauer des Verfahrens verdichtet sich die aus dem Justizgewährleistungsanspruch resultierende Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens und dessen Beendigung zu bemühen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 1 BvR 404/10 juris Rn. 11 und vom 8. Dezember 2015 1 BvR 99/11 - Vz 1/15 juris Rn. 27). Jedenfalls für Verfahren von hinreichender Bedeutung verbietet sich ab einem gewissen Zeitpunkt (weitere) Untätigkeit oder eine zögerliche Verfahrensleitung. Richterliche Verhaltensweisen, die zu Beginn eines Verfahrens grundrechtlich gesehen noch unbedenklich, wenn auch möglicherweise verfahrensökonomisch nicht optimal erscheinen mögen, können bei zunehmender Verfahrensdauer in Konflikt mit dem Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit geraten. Das gilt etwa für die Setzung großzügiger Fristen zur Stellungnahme, den mehrfachen Austausch von Schriftsätzen ohne richtungweisende Einflussnahme des Gerichts und ohnehin für sog. Schiebeverfügungen (BSG, Urteil vom 3. September 2014 B 10 ÜG 2/13 R juris Rn. 37 m. w. N.). Nach diesen Vorgaben wäre das SG in dem hier zu beurteilenden Verfahrensabschnitt gehalten gewesen, den nach Aktenlage schon seit 2011 entscheidungsreifen und weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht schwierig gelagerten Rechtsstreit nunmehr zügig abzuschließen. Entsprechende nachhaltige Bemühungen des SG sind anhand der Aktenlage allerdings nur insoweit erkennbar, als unter dem 19. Dezember 2017 – nach einem Wechsel der Kammerzuständigkeit – eine umfangreiche prozessleitende Verfügung erging (Vergleichsvorschlag und Ankündigung eines Gerichtsbescheides), nach einem erneuten Wechsel der Zuständigkeit im August 2019 ein Erörterungstermin anberaumt wurde, welcher wegen Erkrankung des Klägers nicht durchgeführt werden konnte, und schließlich mit Verfügung vom 28. Januar 2020 erneut der Erlass eines Gerichtsbescheides angekündigt wurde. Ansonsten sind den Akten Bearbeitungsschritte lediglich insoweit zu entnehmen, als das beklagte Jobcenter zweimal zur Übersendung der Leistungsakten aufgefordert wurde, die dem Gericht indes schon zu anderen Verfahren vorlagen. Schriftsätze sind zwischen den Beteiligten in dem lange „ausgeschriebenen“ Rechtsstreit nicht mehr ausgetauscht worden, der Kläger hat allerdings wiederholt Verzögerungsrügen erhoben, ohne mit diesen Rügen in der Sache neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte, mit denen sich das SG befassen musste, vorzutragen. Soweit der Ende 2017 angekündigte Gerichtsbescheid in der Folge nicht erlassen werden konnte, weil dem SG die Akten wegen einer seinerzeit vom Kläger angestrengten ersten (ohne Urteil abgeschlossenen) Entschädigungsklage nicht vorlagen, hätte durch Anfertigung von Kopien eine Weiterbearbeitung sichergestellt werden können.

 

Die Analyse des Verfahrensablaufs in dem entschädigungsrelevanten Zeitraum von 84 Monaten zwischen der Erhebung der Verzögerungsrüge im Ausgangsverfahren und der Erhebung der Entschädigungsklage (Oktober 2014 bis September 2021) ergibt, dass die Kalendermonate Dezember 2017 bis Januar 2018 (prozessleitende Verfügung, Stellungnahmen der Beteiligten, Ankündigung eines Gerichtsbescheides), Mai 2018 (gerichtliche Mitteilung vom 3. Mai 2018 zum Sachstand), August 2019 bis März 2020 (Terminsladung und –abladung wegen Erkrankung des Klägers, Ankündigung weiteren Vortrags, fehlende Rückmeldung des Klägers, Akteneinsicht durch neu beauftragten Rechtsanwalt), Juni 2020 (gerichtliche Anfrage zur weiteren Vertretung, Mandatsniederlegung) und Juli bis September 2021 (vom Kläger unbeantwortete gerichtliche Anfrage zur Vertretung durch Rechtsanwalt Q.), mithin insgesamt 15 Monate belegt sind, so dass 69 Monate verbleiben. Soweit in Fällen der vorliegenden Art wegen der eingetretenen Präklusion für die Zeit nach Erhebung der Verzögerungsrüge eine erneute Vorbereitungs- und Bedenkzeit von womöglich 12 Monaten zuzubilligen sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2015 – B 10 ÜG 8/14 R – juris Rn. 36), kommt dies vorliegend im Hinblick auf die jahrelange Untätigkeit des Gerichts, die nach Aktenlage bei einem Rechtsstreit ohne besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht nachvollziehbar ist, nicht in Betracht. Der Rechtsstreit war schon im Jahr 2011 entscheidungsreif, bei Erhebung der ersten Verzögerungsrüge bereits seit fünf Jahren anhängig und hätte vor diesem Hintergrund vom SG einer umgehenden Entscheidung zugeführt werden müssen.

 

Die festgestellte erhebliche Verzögerung ist nicht durch eine besonders zügige Bearbeitung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens kompensiert worden. Zwar ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass in einem früheren Abschnitt des Verfahrens eingetretene Verzögerungen innerhalb eines späteren Abschnitts kompensiert werden können. Ausgehend von diesem Rechtssatz kann die einer Instanz zur Verfügung stehende, nicht ausgeschöpfte Vorbereitungs- und Bedenkzeit entschädigungsmindernd auf eine vorhergehende oder nachfolgende Instanz übertragen werden (vgl. BSG, Urteil vom 24. März 2022 – B 10 ÜG 4/21 R – m. w. N.). Eine derartige Kompensation ist aber im vorliegenden Fall angesichts der festzustellenden gravierenden Verfahrensverzögerungen in der ersten Instanz, insbesondere des jahrelangen Stillstandes der Sache, ausgeschlossen.

 

Ein immaterieller Nachteil durch die lange Verfahrensdauer wird nach § 198 Abs. 2 S. 1 GVG vermutet. Widerlegt werden kann die Vermutung eines auf der Verfahrensdauer beruhenden immateriellen Nachteils, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der vom Kläger gegebenenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtabwägung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat. Das kann der Fall sein, wenn das Verfahren auch nach eigener Einschätzung des Klägers bedeutungslos war und er es bewusst nicht gefördert hat (vgl. Röhl a. a. O. Rn. 131 m. w. N.). Nach diesen Maßstäben ist die für den Kläger streitende Vermutung eines durch die überlange Verfahrensdauer entstandenen immateriellen Nachteils nicht widerlegt. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass im Ausgangsverfahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 986 € im Streit standen, der Landkreis J. mit dem geltend gemachten Erstattungsanspruch für Oktober 2008 zwischenzeitlich trotz aufschiebender Wirkung der Klage gegen die laufenden Leistungen aufgerechnet hatte und der Kläger für den Fall des Obsiegens eine Nachzahlung für November 2008 erwarten konnte, kann von einer fehlenden Bedeutung des Verfahrens nicht ausgegangen werden und der Kläger hat im Laufe des Verfahrens gegenüber dem SG auch wiederholt deutlich gemacht, dass er dringend auf das Geld angewiesen sei. Die Vielzahl der von dem Kläger bei dem SG Aurich und dem LSG Niedersachsen-Bremen anhängigen gemachten Verfahren und die Art und Weise seiner Verfahrensführung lassen entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht den Schluss zu, dass das Prozessieren für den Kläger zum Selbstzweck geworden ist mit der Folge, dass eine seelische Unbill durch die Dauer der angestrengten Verfahren ausgeschlossen wäre. Zwar ist nicht zu verkennen, dass der Kläger die Arbeitskraft der Sozialgerichte in außergewöhnlich hohem Umfang in Anspruch nimmt, indem er zahlreiche Verfahren anhängig macht und zudem im gerichtlichen Verfahren nicht ausreichend mitwirkt, die Verfahrensleitung durch das Gericht nicht anerkennt und namentlich mit seinen Aktivitäten im Vorfeld von Verhandlungsterminen (z. B. mit Aufhebungsanträgen wegen kurzfristiger Anwaltswechsel) den zeitnahen Abschluss der Verfahren gefährdet. Hierfür ist das vorliegende Entschädigungsklageverfahren ein anschauliches Beispiel. Es kann aber auf der anderen Seite nicht unberücksichtigt bleiben, dass in den beim erkennenden Senat anhängig gewesenen Verfahren des Klägers in seinen Grundsicherungsangelegenheiten die Entscheidungen des Jobcenters vielfach einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhielten und der Kläger mithin zur Durchsetzung seiner Leistungsansprüche durchaus auf gerichtliche Hilfe angewiesen war. Der Kläger ist damit nicht dem Kreis der Vielkläger, die die Gerichte nahezu durchweg unnütz in Anspruch nehmen, zuzuordnen und die Art und Weise seiner Prozessführung dürfte eher Ausdruck eines Misstrauens gegen die Justiz und die Anwaltschaft als Ausdruck eines generell fehlenden Interesses am zeitnahen Abschluss der Verfahren sein. Im Übrigen hat der Kläger die von dem Beklagten angesprochenen Befangenheitsanträge und Strafanzeigen nicht im hier allein zu bewertenden Ausgangsverfahren gestellt.

 

Für immaterielle Nachteile kann Geldentschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Einzelfallumständen Wiedergutmachung auf andere Weise ausreichend ist, § 198 Abs. 2 S. 2 GVG (negatives Tatbestandsmerkmal). Als Beispiel nennt das Gesetz in § 198 Abs. 4 GVG die Möglichkeit einer Feststellung der überlangen Verfahrensdauer durch das Entschädigungsgericht. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 S. 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. In sie wird regelmäßig einzustellen sein, welche Bedeutung das Ausgangsverfahren für den Entschädigungskläger hatte, ob dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen hat und ob er über die Überlänge hinaus weitergehende immaterielle Nachteile erlitten hat. Darüber hinaus kann zu berücksichtigen sein, wie schwerwiegend die ungerechtfertigte Verfahrensverzögerung war, wie dringend das Ausgangsverfahren war und ob diese Dringlichkeit ggf. im Verfahrensverlauf entfallen ist. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt eine Wiedergutmachung auf andere Weise bei festgestellter Überlänge eines Gerichtsverfahrens allenfalls ausnahmsweise in Betracht, wenn das Verfahren beispielsweise für den Entschädigungskläger aus der Sicht eines verständigen Dritten in der Lage des Klägers keine besondere Bedeutung hatte – so etwa das Verfahren der Kostenfestsetzung – oder dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verlängerung des Verfahrens beigetragen hat (BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 – B 10 ÜG 7/14 R – juris Rn. 43). Gegen eine Wiedergutmachung in sonstiger Weise spricht demgegenüber ein „dickfelliges und unkooperatives“ Verhalten des Ausgangsgerichts (vgl. zum Vorstehenden: Röhl a. a. O. Rn. 142 mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Nach diesen Maßstäben ist vorliegend eine Wiedergutmachung auf andere Weise durch bloße Feststellung der überlangen Verfahrensdauer zur Kompensation der entstandenen immateriellen Nachteile nicht ausreichend. Zwar ist nicht zu verkennen, dass der Kläger zu Beginn des Verfahrens durch häufige Anwaltswechsel die zügige Bearbeitung durch das Gericht erschwert hat. Dies gilt auch für sein Verhalten im Anschluss an die Aufhebung des im August 2019 geplanten Erörterungstermins (fehlende Rückäußerung trotz entsprechender Ankündigung, Nicht-Beantwortung gerichtlicher Anfragen etc., vgl. hierzu unten). Es ist aber nicht ersichtlich, dass diese teilweise unkooperativen Verhaltensweisen einer zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits entgegenstanden, zumal das SG im Mai 2013 eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch Gerichtsbescheid angekündigt hatte, welche ohne weiteres hätte alsbald ergehen können. Stattdessen blieb das SG in den nachfolgenden mehr als vier Jahren bis Dezember 2017 (prozessleitende Verfügung) untätig und ignorierte dabei nicht nur die insgesamt vier Verzögerungsrügen des Klägers, sondern sah sich unverständlicherweise auch nicht aufgrund der vom Kläger erhobenen Dienstaufsichtsbeschwerde oder die erhobene erste Entschädigungsklage zu einer zügigen Bearbeitung des Verfahrens veranlasst. Eine nachhaltige Förderung des Verfahrens ist auch in den Folgejahren bis zum Erlass des Urteils im März 2022 (nach mehr als 12 Jahren) nicht ersichtlich, erneut wurde mehrfach der Erlass eines Gerichtsbescheides angekündigt, welcher sodann nicht erfolgte, nach krankheitsbedingter Aufhebung des für August 2019 geplanten Erörterungstermins wurde nicht zeitnah ein neuer Termin anberaumt und vollends nicht mehr nachvollziehbar ist die Aufhebung des für den 3. Februar 2022 anberaumten Verhandlungstermins, für die nach Aktenlage weder ein entsprechender Antrag der Beteiligten noch ein Grund vorlag. Der Annahme, eine Wiedergutmachung auf andere Weise sei ausreichend, steht neben der völlig unverhältnismäßigen Verfahrensdauer auch die sachwidrige Austragung des Verfahrens im Februar 2012 entgegen. Nachfolgend ließ das SG die Frage der eingetretenen Erledigung jahrelang in der Schwebe, um erst in der prozessleitenden Verfügung vom Dezember 2017 die naheliegende Feststellung zu treffen, dass ein Vergleich nicht zustande gekommen sei. Angesichts der damit festzustellenden gravierenden Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Rechtsschutz in angemessener Zeit kann eine Wiedergutmachung auf andere Weise nicht als ausreichend angesehen werden.

 

Auf der Grundlage des gesetzlichen Regelbetrags von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung (§ 198 Abs. 2 S. 3 GVG) errechnet sich für 69 Verzögerungsmonate eine Entschädigung für immaterielle Nachteile von 6.900 €. Die gesetzliche Pauschale stellt sich indes i.S. von § 198 Abs. 2 S. 4 GVG nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls als unbillig dar, so dass der Senat von der durch diese Vorschrift eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, einen niedrigeren Betrag festzusetzen. Anders als bei der Ermittlung der angemessenen Dauer des Verfahrens auf der Tatbestandsseite soll die Pauschalierung eine zusätzliche Belastung der Gerichte bei der Bemessung der Entschädigung in Geld vermeiden und eine zügige Erledigung der Entschädigungsansprüche im Interesse der Betroffenen ermöglichen. Wortlaut und die Gesetzessystematik lassen deshalb nur ausnahmsweise Korrekturen in atypisch gelagerten Sonderfällen zu; aus Billigkeitsgründen ist dann eine Abweichung nach oben oder nach unten möglich. Dafür muss sich das zu beurteilende Verfahren durch eine oder mehrere entschädigungsrelevante Besonderheiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von vergleichbaren Fällen abheben. Darüber entscheidet das Entschädigungsgericht nach richterlichem Ermessen. Dabei kann es dieselben Umstände berücksichtigen, die bereits in die Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer einfließen, wie insbesondere das Verhalten des Entschädigungsklägers und die Bedeutung der Sache für ihn. Eine Absenkung der Pauschale kommt daher in Betracht bei einem geringen Streitwert des Verfahrens, bei einer nur geringfügigen Verzögerung in einzelnen Verfahrensabschnitten oder bei geringer wirtschaftlicher Bedeutung für den Kläger (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 – B 10 ÜG 11/13 R – juris Rn. 37 ff und Röhl a. a. O. Rn. 149 m. w. N.). § 198 Abs. 2 S. 4 GVG bietet aber keine Legitimation für eine grundsätzliche Kappung der Entschädigung auf den Betrag des Streitwerts in Fällen, in denen die Entschädigungspauschale den Streitwert um ein Vielfaches übersteigt (BSG, Urteil vom 20. Mai 2022 - B 10 ÜG 1/22 B - juris Rn. 7 m. w. N.).

 

Vorliegend begründet das atypische Prozessverhalten des Klägers eine Unbilligkeit der Entschädigungspauschale von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung. Nicht nachvollziehbar ist für den Senat zunächst, dass der Kläger, welcher das SG durch vielfache Sachstandsanfragen und Verzögerungsrügen zu einer umgehenden Entscheidung aufgefordert hatte, nicht seinerseits alles Erforderliche für einen zügigen Abschluss des Verfahrens beitrug, nachdem das SG durch Anberaumung eines Erörterungstermins für August 2019 die Bearbeitung des Verfahrens aufgenommen hatte. Mit seinem wegen Erkrankung gestellten Antrag auf Terminsaufhebung kündigte er eine weitere Äußerung an, obwohl er bereits in seiner am 4. Dezember 2017 eingegangenen Verzögerungsrüge, mit der er das Gericht zu einer zeitnahen Entscheidung aufforderte, ausdrücklich darauf verwiesen hatte, dass von den Beteiligten alles vorgetragen worden sei, was das Gericht für eine zeitnahe Entscheidung benötige. Die gleichwohl angekündigte Äußerung reichte der Kläger nachfolgend nicht ein, auch teilte er dem Gericht nicht mit, ob er zwischenzeitlich gesundheitlich wieder in der Lage sei, an einem Gerichtstermin teilzunehmen. Die entsprechende Anfrage des Gerichts vom November 2019 ließ er unbeantwortet. Stattdessen schaltete er in dem Verfahren zwei weitere Rechtsanwälte ein, wobei er eine gerichtliche Anfrage zur Mandatierung des zuletzt eingeschalteten Rechtsanwalts von Rahden für das Ausgangsverfahren ebenfalls unbeantwortet ließ. Zwischenzeitlich kommunizierte er mit Schriftsatz vom 10. März 2020 trotz damaliger anwaltlicher Vertretung durch Rechtsanwalt Löbel direkt mit dem Gericht und machte nunmehr ausdrücklich geltend, der Sachverhalt sei noch nicht geklärt. Der Landkreis J. trage bewusst falsch vor und habe dem Gericht auch nicht alle relevanten Unterlagen vorgelegt. Dieses Prozessverhalten lässt durchgreifende Zweifel daran aufkommen, dass der Kläger in diesem Verfahrensabschnitt überhaupt noch an einem baldigen Abschluss des Rechtsstreits interessiert war. Die durch die Verfahrensdauer verursachte seelische Unbill muss entsprechend geringer eingeschätzt werden.

 

Für die Annahme einer Unbilligkeit der Entschädigungspauschale ist aber vor allem der Umstand ausschlaggebend, dass der Kläger den Rechtsstreit durch Einlegung eines Rechtsmittels fortführte, obwohl er erstinstanzlich vollumfänglich obsiegt hatte (vgl. im Ausgangsverfahren ergangener Beschluss des Senats vom 28. Juni 2022 – L 13 AS 99/22 NZB). Wenn die Einlegung des Rechtsmittels lediglich versehentlich erfolgt wäre – was der Senat bei Abfassung der Eingangsbestätigung vermutet hat –, wäre die umgehende Rücknahme aufgrund des entsprechenden Hinweises des Senats zu erwarten gewesen. Sollte der Kläger das Rechtsmittel in dem Bewusstsein fehlender Beschwer eingelegt haben, würde dieser Umstand dafür sprechen, dass er mit seinem Weiterprozessieren verfahrensfremde Zwecke verfolgt hat. Letztlich sind die Beweggründe in Ermangelung einer diesbezüglichen Einlassung des Klägers offengeblieben. Jedenfalls legt die Fortführung des Rechtsstreits trotz erstinstanzlichen Obsiegens den Schluss nahe, dass der Kläger die von ihm zuvor eindringlich angemahnte Entscheidung des SG inhaltlich überhaupt nicht zur Kenntnis genommen hat. Zugleich stellt die Einlegung des Rechtsmittels die geltend gemachte Dringlichkeit in Frage. Denn wenn der Kläger – wie er wiederholt geltend gemacht hatte – dringend auf die Auszahlung der streitigen Sozialleistung angewiesen gewesen wäre, hätte er alles unterlassen, was die umgehende Umsetzung des zu seinen Gunsten ergangenen erstinstanzlichen Urteils durch den Landkreis J. hätte gefährden können. Diese Umstände relativieren die durch die Verfahrensdauer und die hiermit verbundene Unsicherheit über den Verfahrensausgang erlittene seelische Unbill ebenfalls.

 

Nach alledem ist unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls eine deutliche Herabsetzung der Entschädigungspauschale angezeigt, so dass der Senat dem Kläger in Rahmen des ihm eingeräumten richterlichen Ermessens – entsprechend dem zuvor unterbreiteten gerichtlichen Vergleichsvorschlag – eine Entschädigung in Höhe von 2.300 € (1/3 von 6.900 €) zubilligt.

 

Der Senat hat von der durch § 198 Abs. 4 S. 3 Hs. 1 GVG für schwerwiegende Fälle – wie hier – eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Feststellung der unangemessenen Verfahrensdauer neben der Entschädigung auszusprechen.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

 

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

 

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 52 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

 

Rechtskraft
Aus
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