L 7 R 509/22 ZV

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 22 R 1836/18 ZV zuvor: S 24 R 1836/18 ZV
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 509/22 ZV
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Der Zufluss von Jahresendprämien sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach kann im konkreten Einzelfall, beispielsweise durch Zeugenaussagen, glaubhaft gemacht werden.

 

2. Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV und damit iS des § 6 Abs 1 S 1 AAÜG stellen auch die in der DDR vom Betrieb an den Arbeitnehmer gezahlten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau dar, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen erbrachte Arbeitsleistung in Form der erbrachten ununterbrochenen Tätigkeit in einem Bergbaubetrieb, damit also in Form von erbrachter Berufstreue und Pflichterfüllung, handelte.

 

3. Die zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau waren nach der am 1.8.1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) nicht steuerfrei iS des § 17 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB IV iVm § 1 ArEV. Ein bundesrepublikanischer Tatbestand des Steuerrechts, der die Steuerfreiheit der zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau regeln würde, liegt nicht vor. Der Steuerbefreiungstatbestand des § 3 Nr 46 EStG, der am 1.8.1991 galt, greift nicht; und zwar weder direkt noch analog.

Bemerkung

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - Arbeitsentgelt - Glaubhaftmachung des Zuflusses und der Höhe von Jahresendprämien - Zeugenaussagen - zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 6. Oktober 2022 abgeändert. Die Beklagte wird, unter Abänderung des Rechtswidrigkeitsfeststellungs- und Überprüfungsablehnungsbescheides vom 12. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2018, verurteilt, den Feststellungsbescheid vom 11. Juni 2002 (in der Fassung des Rechtswidrigkeitsfeststellungsbescheides vom 12. September 2018) dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1977 und 1979 bis 1983 weitere Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen sowie für die Jahre 1979 bis 1989 weitere Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender zusätzlicher Belohnungen für Werktätige im Bergbau im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wie folgt festzustellen sind:

Für das Jahr:             

1977

253,69 Mark

1979

224,97 Mark

1980

1.047,41 Mark

1981

1.063,67 Mark

1982

1.071,84 Mark

1983

1.146,46 Mark

1984

918,33 Mark

1985

935,41 Mark

1986

971,92 Mark

1987

1.215,33 Mark

1988

1.392,88 Mark

1989

1.624,40 Mark

 

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

 

  1. Die Beklagte erstattet der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten zu drei Vierteln.

 

  1. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte der Klägerin für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in Form von Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1977 bis 1983 sowie in Form von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau für die Zuflussjahre 1977 bis 1989 festzustellen.

 

Der 1949 geborenen Klägerin wurde, nach erfolgreichem Abschluss eines im Zeitraum von September 1968 bis September 1972 absolvierten Hochschulstudiums in der Fachrichtung "Geodäsie und Kartographie" an der Technischen Universität B...., mit Urkunde vom 28. September 1972 der akademische Grad "Diplomingenieur" verliehen. Sie war vom 1. Oktober 1972 bis 6. Juni 1974 als Erste Korrektorin im Militärkartographischen Dienst der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) M...., vom 18. Juni 1974 bis 31. Dezember 1975 als Fachbearbeiterin im volkseigenen Betrieb (VEB) Kombinat S....  sowie vom 1. Januar 1976 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Vermessungsingenieurin, Bearbeiterin Tagebaumessung und Gruppenleiterin Tagebaumessung und Photogrammetrie im VEB Braunkohlenwerk L....  (= Betrieb des volkseigenen [VE] Braunkohlenkombinats U....) beschäftigt; dabei war das Arbeitsrechtsverhältnis der Klägerin im Zeitraum vom 29. Mai 1977 bis 27. November 1977 wegen Schwangerschaft und Wochenurlaubs und im Zeitraum vom 13. Dezember 1977 bis 31. August 1978 wegen unbezahlter Freistellung nach dem Wochenurlaub unterbrochen. Sie erhielt zu Zeiten der DDR keine Versorgungszusage und war nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

 

Am 23. August 2000 beantragte die Klägerin die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften und legte Entgeltbescheinigungen

  • der LAUBAG vom 28. Juni 2000 (für den Beschäftigungszeitraum vom 18. Juni 1974 bis 30. Juni 1990) sowie
  • des Landesamtes für Landesvermessung und Datenverarbeitung Sachsen-Anhalt vom 15. August 2000 (für den Beschäftigungszeitraum vom 1. Oktober 1972 bis 6. Juni 1974)

vor. Mit Bescheid vom 11. Juni 2002 stellte die Beklagte die Beschäftigungszeiten der Klägerin vom 1. Oktober 1972 bis 18. November 1973, vom 19. März 1974 bis 6. Juni 1974, vom 18. Juni 1974 bis 28. Mai 1977, vom 28. November 1977 bis 12. Dezember 1977 und vom 1. September 1978 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte, auf der Grundlage der Entgeltbescheinigungen des Landesamtes für Landesvermessung und Datenverarbeitung Sachsen-Anhalt vom 15. August 2000 und der LAUBAG vom 28. Juni 2000, fest.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 26. September 2007 begehrte die Klägerin erstmals die Berücksichtigung von Jahresendprämien bei den festgestellten Arbeitsentgelten. Die Beklagte forderte daraufhin von der Klägerin mit Schreiben vom 22. Oktober 2008 die Übersendung konkret bezeichneter Unterlagen an und erinnerte mit Schreiben vom 22. Januar 2009 an die ausstehende Übersendung; zugleich kündigte sie an, den Vorgang zu schließen, sollten die Unterlagen weiterhin nicht übersandt werden. Nachdem die Klägerin erneut nicht reagierte, schloss die Beklagte den Vorgang bescheidlos und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 19. März 2009 mit, sie stelle den Überprüfungsantrag für unbestimmte Zeit zurück.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 14. Februar 2018 (Eingang bei der Beklagten am 22. Februar 2018) begehrte die Klägerin die Berücksichtigung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau sowie von Jahresendprämien bei den festgestellten Arbeitsentgelten als glaubhaft gemachte Entgelte. Zur Glaubhaftmachung reichte sie die, gerichtsbekannte, schriftliche Erklärung der Zeugen P....  (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats U....) und Dr. O....  (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats U....) vom 11. und 26. April 2010 sowie die, ebenfalls gerichtsbekannte, Zusatzerklärung des Zeugen P....  vom 13. Februar 2012 zu in den Kombinatsbetrieben gezahlten Jahresendprämien sowie zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau, ein. Zudem erklärte sie, über Prämienschreiben oder Prämiennachweise nicht mehr zu verfügen.

 

Mit Bescheid vom 12. September 2018 stellte die Beklagte zum einen fest, dass

  • der Feststellungsbescheid vom 11. Juni 2002 hinsichtlich der Zeit vom 1. Oktober 1972 bis 6. Juni 1974 (gemeint: vom 1. Oktober 1972 bis 18. November 1973 und vom 19. März 1974 bis 6. Juni 1974) rechtswidrig ist, aber nicht zurückgenommen werden kann sowie
  • für diese Zeit kein Anspruch auf Feststellung von höheren Entgelten besteht.

Zum anderen lehnte die Beklagte mit dem Bescheid vom 12. September 2018 die Überprüfungsanträge vom 22. Februar 2018 und vom 26. September 2007 ab. Zur Begründung führte sie aus: Der Beschäftigungszeitraum vom 1. Oktober 1972 bis 6. Juni 1974 (gemeint: vom 1. Oktober 1972 bis 18. November 1973 und vom 19. März 1974 bis 6. Juni 1974) sei zu Unrecht als Zeit der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz festgestellt worden, weil die betriebliche Voraussetzung einer fingierten Zusatzversorgungsanwartschaft nicht vorgelegen habe; der Militärkartographische Dienst der DDR in M....  sei weder ein volkseigener Produktionsbetrieb noch ein diesen gleichgestellter Betrieb gewesen. Es verbleibe insoweit bei den rechtswidrig festgestellten Zeiten. Höhere Entgelte für die anderen Jahre seien nicht festzustellen, da weder der Zufluss noch die Höhe der begehrten Jahresendprämien und zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau nachgewiesen oder glaubhaft gemacht worden seien. Die eingereichten Generalerklärungen seien nicht ausreichend.

 

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 27. September 2018 (Eingang bei der Beklagten am 27. September 2018) Widerspruch ein und begehrte weiterhin die Anerkennung von Jahresendprämien sowie von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau auf der Grundlage der Glaubhaftmachung.

 

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Zufluss und die Höhe der begehrten weiteren Arbeitsentgelte in Form von zusätzlichen Belohnungen und von Jahresendprämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Die Höhe der Jahresendprämien des Einzelnen sei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute ohne entsprechende Unterlagen nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Eine pauschale Berücksichtigung der Prämien könne daher nicht erfolgen. Die allgemeine Zeugenerklärung sei nicht ausreichend.

 

Hiergegen erhob die Klägerin am 19. Dezember 2018 Klage zum Sozialgericht Dresden (im Verfahren S 24 R 1836/18 ZV) und begehrte die Berücksichtigung von Jahresendprämien als glaubhaft gemachte Entgelte für die Zuflussjahre 1976 bis 1989 sowie von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau für die Zuflussjahre 1977 bis 1989.

 

Das Sozialgericht Dresden hat die Klage – nach Anhörung der Beteiligten mit gerichtlichen Schreiben vom 25. August 2022 – mit Gerichtsbescheid vom 6. Oktober 2022 (im Verfahren S 22 R 1836/18 ZV) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau seien kein zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt, da es sich um steuerfreie Lohnbestandteile gehandelt habe. Auch Jahresendprämien seien – entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) – kein zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt, da es sich ebenfalls um steuerfreien Lohn gehandelt habe.

 

Gegen den am 11. Oktober 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11. November 2022 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren nach Feststellung von Jahresendprämien für den Zeitraum von 1977 bis 1983 (Zuflussjahre) in einer Mindesthöhe sowie nach Feststellung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige "in der Energiewirtschaft" (gemeint und richtiggestellt mit Schriftsatz vom 5. Januar 2023: "im Bergbau") für den Zeitraum von 1977 bis 1989 weiterverfolgt. Zur Begründung führte sie aus: Das Sozialgericht weiche von der Rechtsprechung des BSG ab, was ihre Rechte verletze. Die Jahresendprämien- und Belohnungszahlungen seien dem Grunde nach durch die Zeugenaussagen glaubhaft gemacht worden. Die Höhe der Jahresendprämien sei zumindest in der Mindesthöhe von einem Drittel entsprechend der Rechtsprechung des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts glaubhaft gemacht worden. Die Höhe der zusätzlichen Belohnungen sei im Rahmen der Glaubhaftmachung berechenbar.

 

Die Klägerin beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 6. Oktober 2022 aufzuheben und die Beklagte, unter Abänderung des Teilrechtswidrigkeitsfeststellungs- und Überprüfungsablehnungsbescheides vom 12. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2018, zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 11. Juni 2002 abzuändern und Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1977 bis 1983 in einer Mindesthöhe sowie zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau für die Zuflussjahre 1977 bis 1989 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der nachgewiesenen Zusatzversorgungszeiten festzustellen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid im Ergebnis für zutreffend und führt ergänzend aus: Die Berufung sei hinsichtlich der begehrten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige "in der Energiewirtschaft" unzulässig, da diese zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des Überprüfungsverfahrens gewesen seien. Die Berichtigung durch die Klägerseite mit Schriftsatz vom 5. Januar 2023 könne daran nichts ändern, weil die Berufung insoweit verfristet sei. Die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts Dresden sei im Ergebnis (Tenor) richtig. Die Begründung, mit der die Vorinstanz allerdings zu ihrem Urteil gekommen sei, stehe in Divergenz zur Rechtsprechung des BSG. Sie werde von der Beklagten nicht mitgetragen. Aber auch dann, wenn man den Sachverhalt nach Maßgabe der BSG-Rechtsprechung bewerte, sei der Anspruch der Klägerin aus den von der Beklagten im Widerspruchsbescheid und den im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragenen Erwägungen abzulehnen. Der insoweit beweisbelasteten Klägerin sei es nicht gelungen, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass ihr in jedem einzelnen Kalenderjahr des Anspruchszeitraums überhaupt Jahresendprämien zugeflossen seien und wie hoch die Zahlbeträge tatsächlich gewesen seien. Die Gewährung einer Jahresendprämie in einer Mindesthöhe sei rechtlich nicht zulässig. Die Prämienverordnungen der DDR hätten keine individuelle Mindesthöhe einer Jahresendprämie vorgesehen. Das unzulässige Schätzergebnis würde nur mit einem anderen Namen versehen. Die bloß einfache Möglichkeit, dass den Anspruchsstellern Arbeitsentgelt im Minimum zugeflossen sei, genüge keinesfalls. Ein solches Ergebnis beruhe hauptsächlich auf Annahmen. Die Vorgehensweise des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts sei mit den rechtlichen Regularien unvereinbar. So habe sich der 4. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts nun auch "rechtsförmlich" mit seinen Entscheidungen vom 21. April 2020 (in den Verfahren L 4 R 703/19 ZV und L 4 R 461/19 ZV) gegen die "Mindest-JEP"-Judikatur des 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts gestellt. Ebenso habe sich bereits das Bayerische Landessozialgericht "als erstes Obergericht" mit rechtskräftigem Urteil vom 24. Oktober 2019 (im Verfahren L 1 RS 2/16) positioniert. Im Übrigen habe das Landessozialgericht Berlin/Brandenburg mit Urteilen vom 10. März 2022 (im Verfahren L 17 R 471/19) und vom 24. März 2022 (im Verfahren L 17 R 360/19) sowie das Thüringer Landessozialgericht mit Urteil vom 14. September 2022 (im Verfahren L 3 R 332/19) ihre Ansicht gestärkt, sodass sie sich deren Begründungen zu eigen mache und zum Gegenstand ihrer Berufungserwiderung erkläre. Die zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau seien ebenfalls weder nachgewiesen, noch glaubhaft gemacht. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Zahlung dieses Verdienstbestandteils seien so ausgestaltet, dass dessen Zufluss dem Grunde und der Höhe nach nicht im Wege der Glaubhaftmachung festgestellt werden könne. Die rechtlichen Bestimmungen hierzu seien alles andere als unmissverständlich; dies betreffe sowohl den Begriff der ununterbrochenen Beschäftigung als auch des Bruttoverdienstes. Wie die Betriebe diese Rechtsbestimmungen anwandten und welche Spielräume sie bei der Anwendung gehabt hätten, lasse sich nicht mehr feststellen.

 

Das Gericht hat arbeitsvertragliche Unterlagen von der Klägerin beigezogen und schriftliche Auskunft der Zeugen D.... vom 31. März 2023 sowie A.... vom 19. April 2023 eingeholt.

 

Mit Schriftsätzen vom 6. Dezember 2022 und vom 28. April 2023 (Klägerin) sowie vom 15. Mai 2023 (Beklagte) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

II.

Die statthafte und zulässige Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage überwiegend zu Unrecht abgewiesen hat. Die Klägerin hat in dem tenorierten Umfang Anspruch auf Feststellung zusätzlicher Arbeitsentgelte in Form von in den Jahren 1977 und 1979 bis 1983 zugeflossenen Jahresendprämien in einer Mindesthöhe (dazu nachfolgend unter 1.) sowie in Form von in den Jahren 1979 bis 1989 zugeflossenen zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau (dazu nachfolgend unter 2.) im Rahmen der mit Feststellungsbescheid vom 11. Juni 2002 festgestellten Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben. Unbegründet hingegen ist die Berufung der Klägerin soweit sie auch eine Jahresendprämie für das Zuflussjahr 1978 sowie zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau für die Zuflussjahre 1977 und 1978 begehrt. Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1976 und 1984 bis 1989 begehrt die Klägerin ausdrücklich und ausweislich ihres Berufungsbeschränkungsschriftsatzes vom 10. November 2022 nicht (mehr); insoweit ist der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden bereits rechtskräftig geworden (§ 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

 

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Berufung der Klägerin im Hinblick auf die begehrte Feststellung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau weder unzulässig, noch verfristet. Bei der versehentlichen Falschbezeichnung im Berufungsschriftsatz vom 10. November 2022 (zusätzliche Belohnungen für Werktätige "in der Energiewirtschaft" anstatt "im Bergbau") handelt es sich nicht um einen anderen, erstmals ins Verfahren eingebrachten, Streitgegenstand, über den die Beklagte bislang nicht entschieden hätte, oder um eine unzulässige Klageänderung (§ 99 SGG), die erst nach Ablauf der Berufungsfrist erneut geändert worden wäre. Denn bei gleichem Lebenssachverhalt, der bereits im Berufungsschriftsatz vom 10. November 2022 auf der Grundlage der DDR-Bergbauverordnungen einheitlich und wie bislang im Verfahren streitgegenständlich, geschildert wurde, war von Beginn des Berufungsverfahrens an klar ersichtlich, dass es sich lediglich um eine versehentliche Falschbezeichnung des konkreten Klage- und fortgeführten Berufungsbegehrens handelte. Diese versehentliche Falschbezeichnung konnte die Klägerin, ohne einer Verfristung zu unterliegen, klarstellend jederzeit berichtigen, was mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 5. Januar 2023 auch vollzogen wurde.

 

Gegenstand des (gesamten) gerichtlichen Verfahrens ist der Teilrechtswidrigkeitsfeststellungs- und Überprüfungsablehnungsbescheides vom 12. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2018 nur insoweit, als die Beklagte mit ihm die Überprüfungsanträge vom 22. Februar 2018 und vom 26. September 2007 in Bezug auf die Feststellung höherer Arbeitsentgelte wegen Jahresendprämien und zusätzlicher Belohnungen für Werktätige im Bergbau in den Zuflussjahren 1977 bis 1983 bzw. 1977 bis 1989 abgelehnt hat. Denn gegen die Rechtswidrigkeitsfeststellung im Bescheid vom 12. September 2018 in Bezug auf die mit dem Feststellungsbescheid vom 11. Juni 2002 zu Unrecht festgestellten Pflichtbeitragszeiten im Zeitraum vom 1. Oktober 1972 bis 6. Juni 1974 (gemeint: vom 1. Oktober 1972 bis 18. November 1973 und vom 19. März 1974 bis 6. Juni 1974) hat sich die Klägerin zu keinem Zeitpunkt gewandt. Insoweit ist der Teilrechtswidrigkeitsfeststellungsbescheid vom 12. September 2018 bereits mangels Widerspruchs der Klägerin bestandskräftig geworden (§ 77 SGG).

 

Der Überprüfungsablehnungsbescheid der Beklagten vom 12. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2018 (§ 95 SGG) ist (insoweit) rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), weil mit dem Feststellungsbescheid vom 11. Juni 2002 (in der Fassung des Teilrechtswidrigkeitsfeststellungsbescheides vom 12. September 2018) das Recht (teilweise) unrichtig angewandt bzw. von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich (teilweise) als unrichtig erweist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]). Deshalb waren der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 6. Oktober 2022 (teilweise) abzuändern, der Überprüfungsablehnungsbescheid der Beklagten vom 12. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2018 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 11. Juni 2002 (in der Fassung des Teilrechtswidrigkeitsfeststellungsbescheides vom 12. September 2018) dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1977 und 1979 bis 1983 weitere Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen sowie für die Jahre 1979 bis 1989 weitere Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender zusätzlicher Belohnungen für Werktätige im Bergbau im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe der Klägerin, wie tenoriert, festzustellen sind. Soweit die Klägerin höhere, als die tenorierten, Entgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämien und/oder zusätzlicher Belohnungen sowie eine Jahresendprämie für das Zuflussjahr 1978 und zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau für die Zuflussjahre 1977 und 1978 begehrt, war die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

 

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB X, der nach § 8 Abs. 3 Satz 2 AAÜG anwendbar ist, gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im Übrigen ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

 

Diese Voraussetzungen liegen vor, denn der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 11. Juni 2002 (in der Fassung des Teilrechtswidrigkeitsfeststellungsbescheides vom 12. September 2018) ist teilweise rechtswidrig.

 

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit dem Feststellungsbescheid vom 11. Juni 2002 (in der Fassung des Teilrechtswidrigkeitsfeststellungsbescheides vom 12. September 2018) zu Gunsten der Klägerin Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Jahresendprämien sowie zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau hat sie jedoch zu Unrecht teilweise nicht berücksichtigt.

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Die Norm definiert den Begriff des Arbeitsentgeltes zwar nicht selbst. Aus dem Wort "erzielt", folgt aber im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln muss, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden, ist (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Dabei muss es sich um eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung handeln, wobei unerheblich ist, ob das erzielte Arbeitsentgelt in der DDR einer Beitrags- oder Steuerpflicht unterlag (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 19; BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Die inhaltliche Bedeutung des Begriffs "Arbeitsentgelt" im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG bestimmt sich nach dem bundesdeutschen Arbeitsentgeltbegriff nach § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - SGB IV - (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 24; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16). Dabei ist ausschließlich die Rechtslage maßgeblich, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG am 1. August 1991 bestand (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 35; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Dabei ist es – dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entsprechend – ausreichend, wenn ein mittelbarer (innerer, sachlicher) Zusammenhang mit der Beschäftigung besteht (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2004 – B 4 RA 19/03 R - SozR 4-8570 § 8 Nr. 1, RdNr. 18 = JURIS-Dokument, RdNr. 18), weil der Arbeitsentgeltbegriff grundsätzlich weit gefasst ist. Insofern stellen grundsätzlich alle direkten und indirekten Leistungen des Arbeitgebers eine Gegenleistung für die vom Beschäftigten zu erfüllende Arbeitspflicht dar und werden im Hinblick hierauf gewährt. Etwas anderes gilt ausnahmsweise allerdings dann, wenn sich für die Einnahme eine andere Ursache nachweisen lässt. Leistungen, die aus einem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse erbracht werden, sind keine Gegenleistungen für die Arbeitsleistung oder die Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers und daher kein Arbeitsentgelt. Dies gilt insbesondere für Vorteile, die sich lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen darstellen (dazu ausdrücklich: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 17; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 20; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 17; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 17; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 18; BSG, Urteil vom 29. Oktober 2015 - B 5 RS 5/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 30; BSG, Urteil vom 29. Oktober 2015 - B 5 RS 6/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 31; BSG, Urteil vom 29. Oktober 2015 - B 5 RS 7/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 31; BSG, Urteil vom 29. Oktober 2015 - B 5 RS 8/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 31; BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 43; ebenso: Knospe in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB IV, § 14, RdNr. 27 [Stand: Februar 2016]).

 

Handelt es sich um Arbeitsentgelt, ist (in einem zweiten Schritt) weiter zu prüfen, ob die bundesrechtliche Qualifizierung als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV wegen § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) ausgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 33; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16). § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung zur Wahrung der im Gesetz genannten Ziele zu bestimmen, dass "einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, und steuerfreie Einnahmen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten". Auf der Grundlage dieser Ermächtigung ist die ArEV ergangen. Sie ist auf das Beitrittsgebiet zum 1. Januar 1991 übergeleitet worden (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 34). § 1 ArEV regelt, dass "einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus § 3 ArEV (Ausnahme für Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit in der gesetzlichen Unfallversicherung) nichts Abweichendes ergibt". Diese Regelung ist bei der Bestimmung des Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG zu beachten (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 34; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16). Maßgeblich ist dabei ausschließlich die bundesrepublikanische Rechtslage des Steuerrechts im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG am 1. August 1991 (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 35 und RdNr. 39; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16).

 

1.

Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlten Jahresendprämien dar, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig war (so: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. Kunz/Thiel, "Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch", 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 192f.). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [nachfolgend: DDR-AGB] vom 16. Juni 1977 [DDR-GBl. I 1977, Nr. 18, S. 185]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 DDR-AGB). Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 DDR-AGB bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn

  • die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, 
  • der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und 
  • der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war.

Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 DDR-AGB erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren, vgl. insgesamt: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend und diese Beweislast, unter Ablehnung einer Schätzungsmöglichkeit, betonend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14).

 

Daraus wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Die Klägerin hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihr ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden, ist.

 

Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, ist auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

 

Im vorliegenden konkreten Einzelfall hat die Klägerin den Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach zwar nicht nachgewiesen, jedoch für die Zuflussjahre 1977 bis 1983, glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter a). Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die zur Auszahlung an die Klägerin gelangten, hat sie zwar ebenfalls nicht nachgewiesen, aber für die Zuflussjahre 1977 bis 1983 in einer bestimmten Höhe glaubhaft machen können; die Berücksichtigung einer Jahresendprämie für das Zuflussjahr 1978 scheidet allerdings aus; eine Schätzung hingegen – wie von der Klägerin ursprünglich begehrt – ist ebenfalls nicht möglich (dazu insgesamt nachfolgend unter b).

 

a)

Der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach an die Klägerin ist im vorliegenden Fall zwar nicht nachgewiesen (dazu nachfolgend unter aa), jedoch für die begehrte Zuflussjahre 1977 bis 1983 glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter bb):

 

aa)

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an die Klägerin geflossene Prämienzahlungen konnte die Klägerin nicht vorlegen. Sie selbst verfügt auch über keine Unterlagen, mit denen sie die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie sie selbst ausführte.

 

Unterlagen über die Auszahlung von Jahresendprämien im VEB Braunkohlenwerk L....  liegen auch nicht mehr vor, wie sich den Erklärungen der Zeugen P....  (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats U....) und Dr. O....  (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats U....) vom 11. und 26. April 2010 sowie der Zusatzerklärung des Zeugen P....  vom 13. Februar 2012 entnehmen lässt.

 

Nachweise zu an die Klägerin gezahlten Jahresendprämien liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV).

 

bb)

Der Zufluss von Prämienzahlungen dem Grunde nach konkret an die Klägerin ist aber im vorliegenden Fall für die begehrten Zuflussjahre 1977 bis 1983 glaubhaft gemacht.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen (vgl. dazu auch: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14), überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die "gute Möglichkeit" aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).

 

Dies zu Grunde gelegt, hat die Klägerin im konkreten Einzelfall glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen (§ 117 Abs. 1 DDR-AGB) für den Bezug von Jahresendprämien für die begehrten Zuflussjahre 1977 bis 1983, vorlagen und sie jeweils eine Jahresendprämie erhalten hat:

 

aaa)

Die Klägerin war in den Jahren 1976 bis 1982 jeweils während des gesamten Planjahres Angehörige des VEB Braunkohlenwerk L....  (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 DDR-AGB), wie sich aus den vorgelegten Arbeits- und Änderungsverträgen sowie aus den Eintragungen in ihren Ausweisen für Arbeit und Sozialversicherung ergibt.

 

Die Unterbrechungen des Arbeitsrechtsverhältnisses der Klägerin im Zeitraum vom 29. Mai 1977 bis 27. November 1977 wegen Schwangerschaft und Wochenurlaubs und im Zeitraum vom 13. Dezember 1977 bis 31. August 1978 wegen unbezahlter Freistellung nach dem Wochenurlaub führten nicht dazu, dass die Klägerin in den Planjahren 1977 und 1978 nicht während dieser (gesamten) Planjahre nicht Angehörige des Betriebes war. Denn der Schwangerschafts- und Wochenurlaub führte kraft Gesetzes nicht zur Minderung der Jahresendprämie (§ 118 Abs. 3 Satz 1 DDR-AGB). Und die Freistellung nach dem Wochenurlaub gemäß § 246 DDR-AGB führte kraft Gesetzes zu einem Anspruch auf eine anteilige Jahresendprämie (§ 117 Abs. 2 Buchst. g) DDR-AGB), weil die Betriebszugehörigkeit durch diese Freistellung kraft Gesetzes nicht unterbrochen wurde (§ 247 Abs. 1 Satz 3 DDR-AGB).

 

bbb)

Mindestens glaubhaft gemacht ist darüber hinaus auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem die Klägerin angehörte, in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart war (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 1 DDR-AGB). Denn der Abschluss eines Betriebskollektivvertrages zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen Betriebsgewerkschaftsleitung war nach § 28 Abs. 1 DDR-AGB zwingend vorgeschrieben. Die Ausarbeitung des Betriebskollektivvertrages erfolgte jährlich, ausgehend vom Volkswirtschaftsplan; er war bis zum 31. Januar des jeweiligen Planjahres abzuschließen (vgl. Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 111). Ebenso zwingend waren nach § 118 Abs. 1 DDR-AGB in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 3 DDR-AGB die Voraussetzungen und die Höhe der Jahresendprämie in dem (jeweiligen) Betriebskollektivvertrag zu regeln. Konkretisiert wurde diese zwingende Festlegung der Voraussetzungen zur Gewährung von Jahresendprämien im Betriebskollektivvertrag in den staatlichen Prämienverordnungen: So legten die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1972) vom 12. Januar 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 5, S. 49) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 70, S. 810) sowie in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1973) vom 21. Mai 1973 (DDR-GBl. I 1973, Nr. 30, S. 293), mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden, sowie die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1982) vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 595) jeweils staatlicherseits fest, dass die Verwendung des Prämienfonds, die in den Betrieben zur Anwendung kommenden Formen der Prämierung und die dafür vorgesehenen Mittel im Betriebskollektivvertrag festzulegen waren (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Prämienfond-VO 1982). Dabei war, ohne dass ein betrieblicher Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bestand, in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren bzw. festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet wurden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982).

 

Damit kann in der Regel für jeden Arbeitnehmer in der volkseigenen Wirtschaft, sofern nicht besondere gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen sollten, davon ausgegangen werden, dass ein betriebskollektivvertraglich geregelter Jahresendprämienanspruch dem Grunde nach bestand (vgl. dazu auch: Lindner, „Die ‚leere Hülle‘ ist tot – wie geht es weiter?“, rv [= Die Rentenversicherung] 2011, 101, 104), auch wenn die Betriebskollektivverträge als solche nicht mehr vorgelegt oder anderweitig vom Gericht beigezogen werden können. Vor diesem Hintergrund ist der von der Beklagten in anderen Verfahren erhobene Einwand, die Betriebskollektivverträge seien anspruchsbegründend, zwar zutreffend, verhindert eine Glaubhaftmachung jedoch auch dann nicht, wenn diese im konkreten Einzelfall nicht eingesehen werden können.

 

ccc)

Ausgehend von den schriftlichen Auskünften der Zeugen D.... und A.... sowie den sonstigen Hinweistatsachen ist zudem glaubhaft gemacht, dass die Klägerin und das Arbeitskollektiv, dem sie angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatten (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 DDR-AGB).

 

Der Zeuge D...., der die Klägerin aus der betrieblichen Zusammenarbeit seit 1983 kannte und mit ihr von 1983 bis 1989 in der gleichen Betriebsabteilung (Markscheiderei) zusammenarbeitete, gab in seiner schriftlichen Zeugenerklärung vom 31. März 2023 an, dass die Klägerin während seiner Beschäftigungszeit im VEB Braunkohlenwerk L....  (1983 bis 1989) stets jährliche Jahresendprämien vom Betrieb ausgezahlt erhielt. Weitergehend führte er aus: Dem Werk wurde ein Kontingent auf der Grundlage der Summe der Bruttolöhne/Bruttogehälter aller Beschäftigten zugewiesen. Das war immer ein Prozentsatz (nach seiner Erinnerung in der Regel zwischen 80 Prozent und 95 Prozent) der Summe aller Bruttolöhne bzw. Gehälter. Die Aufteilung auf die Struktureinheiten erfolgte jeweils durch die übergeordnete Leistungsebene. Dabei wurden die "produktiven" Bereiche gegenüber den sogenannten "unproduktiven" Bereichen in der Regel bevorzugt. Am Ende erhielt jeder Beschäftigte eine Prämie ungefähr in Höhe des zentral festgelegten Prozentsatzes von seinem durchschnittlichen monatlichen Gehalt. Der unmittelbare Vorgesetzte konnte innerhalb seines Kollektivs geringfügige Differenzierungen vornehmen. Die Gesamtsumme des seinem Kollektiv zugewiesenen Betrages konnte er dabei nicht überschreiten. Die Auszahlung der Jahresendprämien erfolgte in der Regel in bar im ersten Quartal für das vorangegangene Planjahr. Anspruch auf die Jahresendprämie hatte grundsätzlich jeder, der mindestens ein Jahr im Betrieb beschäftigt war. Offiziell wurde der Plan immer erfüllt. Nach der Erinnerung des Zeugen wurden die Pläne immer rechtzeitig derart "präzisiert", dass am Ende des Jahres die erfolgreiche Planerfüllung verkündet werden konnte, ansonsten hätte der ganze Betrieb keine Jahresendprämie auszahlen können. Dem Zeugen sind auch keine Gründe bekannt geworden, die Klägerin von der Zahlung der Jahresendprämie auszuschließen. Jeder Beschäftigte, der im Verlaufe des Jahres seine Arbeit ohne gravierende Beanstandungen erledigt hatte, hatte Anspruch auf einen Anteil an der im Betrieb verteilten Jahresendprämie. Nur äußerst grobe Pflichtverletzungen konnten zu wesentlichen Minderungen oder gar zum Ausschluss von der Prämienzahlung führen. Das wäre ein außergewöhnliches Vorkommnis gewesen, das im Rahmen der Abteilung diskutiert und beschlossen worden wäre. An so etwas konnte sich der Zeuge während seiner Zeit in der gemeinsamen Betriebsabteilung nicht erinnern. Die Klägerin war in der Abteilung für ihre fachliche Kompetenz und zuverlässige Arbeitsweise bekannt. Sie wurde deshalb als Gruppenleiterin der Photogrammetrie eingesetzt. Es gab daher zu keiner Zeit einen Grund, ihr die Zahlung der üblichen Jahresendprämie zu verweigern.

 

Der Zeuge A...., der mit der Klägerin seit 1970 verheiratet ist und mit ihr in den Jahren 1974 bis 1977 im gleichen Werk in unterschiedlichen Abteilungen arbeitete, gab in seiner schriftlichen Zeugenerklärung vom 19. April 2023 an, dass die Klägerin während ihrer Beschäftigungszeit im VEB Braunkohlenwerk L....  (1976 bis 1989) stets jährliche Jahresendprämien vom Betrieb ausgezahlt erhielt. Er führte hierzu weitergehend und nachvollziehbar aus: Jeder Beschäftigte erhielt eine Prämie ungefähr in Höhe des zentral festgelegten Prozentsatzes seines durchschnittlichen Monatsgehalts. Geringfügige Differenzierungen wurden jeweils vom unmittelbaren Vorgesetzten vorgenommen. Die Auszahlung erfolgte in der Regel in bar. Er erinnerte sich, dass seine Ehefrau während ihrer gesamten Beschäftigungszeit eine Jahresendprämie etwa in der Höhe des für ihre Abteilung festgelegten Prozentsatzes bekommen hat. Er war zwar bei den Auszahlungen der Jahresendprämie an seine Ehefrau nicht anwesend. Nach dem Erhalt ihrer Prämien hat sie diese jedoch auf das gemeinsames Konto eingezahlt. Die Jahresendprämien waren wichtiger regelmäßiger Bestandteil des Familieneinkommens. Anspruch auf die Jahresendprämie hatte jeder, der mindestens ein Jahr im Betrieb beschäftigt war. Offiziell wurde die Erfüllung des Planes immer verkündet. Das war die Voraussetzung dafür, dass im gesamten Betrieb überhaupt Jahresendprämien ausgezahlt werden konnten. Seine Ehefrau erhielt immer dann eine Jahresendprämie, wenn im ganzen Betrieb Jahresendprämien gezahlt wurden. Nach seiner Erinnerung ist während der Beschäftigungszeiten im VEB Braunkohlenwerk L....  und im VEB Gaskombinat S....  in beiden Betrieben immer eine Jahresendprämie gezahlt worden. Das gilt ununterbrochen für den Zeitraum der Beschäftigung von 1974 bis 1989. Die Zahlung erfolgte jeweils im ersten Quartal für das vorangegangene Planjahr. Es war üblich, die Prämien in Gegenwart aller Kollegen des Arbeitskollektives in bar zu übergeben. Grundlage für die Berechnung der Prämie war der zentral festgelegte Prozentsatz vom Bruttogehalt des jeweiligen Kollegen. Jeder, der im Verlaufe des Jahres seine Arbeit ohne gravierende Beanstandungen erledigt hatte, hatte Anspruch auf einen Anteil an der im Betrieb verteilten Jahresendprämie.

 

Unzulänglichkeiten der Klägerin, die gegebenenfalls eine Kürzung oder Nichtzahlung der Jahresendprämien in den Zuflussjahren 1977 bis 1983 zur Folge hätten haben können, ergeben sich auch nicht aus anderweitigen Indizien oder Hinweistatsachen. Im Gegenteil: Die Angaben der Zeugen D.... und A.... sind vor dem Hintergrund der beigezogenen arbeitsvertraglichen Unterlagen plausibel und bestätigen die berechtigte Annahme, dass die Klägerin die individuellen Leistungskennziffern konkret erfüllte:

 

Den Arbeitsvertragsunterlagen ist zu entnehmen, dass die Klägerin kontinuierliche Gehaltssteigerungen sowie höherwertige Arbeitsaufgaben wegen ihrer guten betrieblichen Arbeitsleistungen erreichte.

 

Als Dank und Anerkennung für 15-jährige treue Mitarbeit im Bergbau wurde der Klägerin vom VEB Braunkohlenwerk L....  am 18. Juni 1989 eine Ehrenurkunde überreicht. In Anerkennung und Würdigung langjähriger Zugehörigkeit sowie hervorragender Leistungen in der Kohleindustrie der DDR wurde der Klägerin mit Urkunde vom 30. Juni 1989 die "Medaille für Verdienste in der Kohleindustrie der DDR" in Bronze verliehen.

 

Unterstrichen wird diese vorbildliche und weder zu Kritik noch Tadel Anlass gebende Arbeitsweise der Klägerin im Übrigen durch die ihr von ihrem Beschäftigungsbetrieb in den Jahren 1976 bis 1981 jeweils verliehenen Auszeichnungen als Mitglied eines "Kollektivs der sozialistischen Arbeit". Mit diesen Auszeichnungen wurden jeweils unter anderem beispielgebende Arbeitsleistungen des Kollektivs und jedes einzelnen Mitglieds des Kollektivs im sozialistischen Wettbewerb, also konkret auch der Klägerin, gewürdigt (vgl. dazu: § 1 der "Ordnung über die Verleihung und Bestätigung der erfolgreichen Verteidigung des Ehrentitels ‚Kollektiv der sozialistischen Arbeit‘", die Bestandteil der "Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen" vom 28. Juni 1978 [DDR-GBl. Sonderdruck Nr. 952, S. 1 ff.] war).

 

Zusammenfassend wird der Klägerin damit insgesamt bescheinigt, dass sie die ihr übertragenen Aufgaben stets hervorragend erledigte, sodass sich keinerlei berechtigte Zweifel an der Erfüllung der vorgegebenen Leistungskriterien aufdrängen.

 

b)

Die konkrete Höhe der Jahresendprämie, die für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1976 bis 1982) in den Zuflussjahren 1977 bis 1983 zur Auszahlung an die Klägerin gelangten, konnte sie zwar nicht nachweisen (dazu nachfolgend unter aa), jedoch für die Zuflussjahre 1977 bis 1983 in Form eines konkreten Betrages glaubhaft machen; gleichwohl ist die glaubhaft gemachte Jahresendprämie für das Zuflussjahr 1978 nicht berücksichtigungsfähig (dazu nachfolgend unter bb). Die Höhe einer dem Grunde nach lediglich glaubhaft gemachten Jahresendprämie darf – entgegen der früheren Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts – auch nicht geschätzt werden (dazu nachfolgend unter cc).

 

aa)

Die, der Klägerin für die dem Grunde nach glaubhaft gemachte Planjahre (1976 bis 1982) in den Jahren 1977 bis 1983 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge sind der Höhe nach nicht nachgewiesen:

 

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an die Versicherte geflossene Prämienzahlungen konnte die Klägerin nicht vorlegen. Sie selbst verfügt auch über keine Unterlagen, mit denen sie die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie sie selbst ausführte.

 

Unterlagen über die Auszahlung von Jahresendprämien im VEB Braunkohlenwerk L....  liegen auch nicht mehr vor, wie sich den Erklärungen der Zeugen P....  (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats U....) und Dr. O....  (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats U....) vom 11. und 26. April 2010 sowie der Zusatzerklärung des Zeugen P....  vom 13. Februar 2012 entnehmen lässt.

 

Auszahlungs- bzw. Quittierungslisten oder Anerkennungsschreiben der Abteilung des Betriebes konnten auch die Zeugen D.... und A.... nicht vorlegen.

 

Nachweise zu an die Klägerin gezahlten Jahresendprämien liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV). Von einer Anfrage an das Bundesarchiv wurde im vorliegenden Verfahren abgesehen, da dort – wie aus entsprechenden Anfragen in anderen Verfahren gerichtsbekannt wurde – lediglich statistische Durchschnittwerte der in den Kombinaten gezahlten durchschnittlichen Jahresendprämienbeträge pro Vollbeschäftigteneinheit aus verschiedenen Jahren vorhanden sind, die keinerlei Rückschluss auf die individuelle Höhe der an die Klägerin in einem konkreten Betrieb gezahlten Jahresendprämienhöhe erlauben.

 

bb)

Die konkrete Höhe der an die Klägerin für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1976 bis 1982) in den Jahren 1977 bis 1983 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge ist im vorliegenden konkreten Fall auf der Grundlage der gerichtsbekannten, schriftlichen Erklärung der Zeugen P....  (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats U....) und Dr. O....  (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats U....) vom 11. und 26. April 2010 sowie der ebenfalls gerichtsbekannten, schriftlichen Zusatzerklärung des Zeugen P....  vom 13. Februar 2012 glaubhaft gemacht. Denn diese Zeugenerklärungen, die sich auf die Jahresendprämienjahre 1969 bis 1989 beziehen, gelten für alle Betriebe des ehemaligen VE Braunkohlenkombinats U....  und damit auch für den konkreten Beschäftigungsbetrieb der Klägerin, nämlich den VEB Braunkohlenwerk L.....

 

Mangels anderweitigen konkreten Tatsachen- oder Rechtsvortrags der Beklagten hält der Senat an der, auch der Beklagten hinreichend bekannten, einheitlichen Rechtsprechung des Sächsischen LSG zu den Jahresendprämienbegehren der Beschäftigten der technischen Intelligenz in Betrieben des VE Braunkohlenkombinats U....  fest. Was die Beklagte mit dem gelegentlichen Hinweis (in anderen Verfahren) auf eine "Judikatur [mit] Alleinstellungsmerkmal dieses Senats" bezweckt, erschließt sich dem Senat nicht, zumal sämtliche für das Recht der Zusatzversorgung zuständigen und zuständig gewesenen Senate des Sächsischen LSG (4. Senat, 5. Senat und 7. Senat) diesbezüglich einheitlich judiziert haben. Hingewiesen sei insofern auf folgende, nahezu vollständig jeweils in JURIS veröffentlichten, "Parallelentscheidungen":

  • Sächsisches LSG, Urteil vom 28. Mai 2015 im Verfahren L 5 RS 286/14,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 24. November 2015 im Verfahren L 5 RS 188/15,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 16. Februar 2016 im Verfahren L 5 RS 758/13,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 28. Februar 2017 im Verfahren L 5 RS 466/16,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 14. November 2017 im Verfahren L 4 RS 403/16,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 27. Februar 2018 im Verfahren L 5 RS 888/16,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 3. April 2018 im Verfahren L 4 RS 437/16,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 4. Dezember 2018 im Verfahren L 5 RS 656/17,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 4. Dezember 2018 im Verfahren L 5 RS 898/17,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 18. Dezember 2018 im Verfahren L 5 RS 850/17,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 15. Januar 2019 im Verfahren L 5 RS 952/17,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 12. Februar 2019 im Verfahren L 5 RS 840/17,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 12. Februar 2019 im Verfahren L 5 RS 942/17,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 12. März 2019 im Verfahren L 5 R 36/18 ZV,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 9. April 2019 im Verfahren L 5 R 15/18 ZV,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 23. April 2019 im Verfahren L 5 R 262/18 ZV,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 23. April 2020 im Verfahren L 7 R 525/19 ZV,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 4. November 2021 im Verfahren L 7 R 167/21 ZV,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 10. März 2022 im Verfahren L 7 R 474/21 ZV,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 10. März 2022 im Verfahren L 7 R 508/21 ZV und
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 9. März 2023 im Verfahren L 7 R 498/22 ZV.

Soweit die Beklagte in anderen Verfahren ergänzend auf ein Urteil des 3. Senats des LSG Berlin/Brandenburg vom 15. Dezember 2021 im Verfahren L 3 R 231/18 WA (nicht veröffentlicht) verwies und ausführte, sie sehe sich hierdurch in ihrer Rechtsauffassung bestätigt, führt auch dieser Vortrag zu keiner anderen Bewertung. Zwar werden in diesem Urteil vom dort zur Entscheidung berufenen Senat Zweifel an der Glaubhaftigkeit der sog. "Patzig-Erklärung" dargelegt. Diese vermögen den erkennenden Senat jedoch nicht zu einer anderen Bewertung Veranlassung zu geben, weil es sich ausschließlich um eine Tatsachenwürdigung handelt. Im Übrigen setzt sich der 3. Senat des LSG Berlin/Brandenburg auch nicht mit den gegenteiligen Bewertungen der sog. "Patzig-Erklärung" durch den 4., 5. und 7. Senat des Sächsischen LSG sowie durch den 27. Senat des LSG Berlin/Brandenburg (Urteil vom 19. Oktober 2017 im Verfahren L 27 R 124/15; Urteil vom 22. Februar 2017 im Verfahren L 27 R 540/15) auseinander, sondern geht aufgrund der Würdigung der Tatsachenebene lediglich vom Gegenteil aus.

 

Vor diesem Hintergrund beanspruchen in Bezug auf die Jahresendprämienbegehren der Beschäftigten der technischen Intelligenz in Betrieben des VE Braunkohlenkombinats U....  nach wie vor folgende Überlegungen Geltung:

 

Die Zeugen P....  und Dr. O....  führten in ihrer (gerichtsbekannten) gemeinsamen schriftlichen Erklärung vom 11. und 26. April 2010 aus, dass im Rahmenkollektivvertrag die Zahlung einer Jahresendprämie an die Beschäftigten festgelegt war und ausgehend von den im jeweiligen Jahr erzielten Produktionsergebnissen des Kombinates (also des VE Braunkohlenkombinats U....) jeweils der zutreffende Prozentsatz zur Ermittlung der Jahresendprämie festgestellt wurde. Bezugsgröße dieses Prozentsatzes war dabei immer das durchschnittliche monatliche Bruttogehalt des Beschäftigten im Vorjahr, also ein Zwölftel des Jahresbruttoverdienstes des Vorjahres. Als verbindliche Prozentsätze wurden für die einzelnen Jahre festgelegt:

  • für das Jahr 1969                                          86,65 Prozent,
  • für das Jahr 1970:                                         87,80 Prozent,
  • für das Jahr 1971:                                         84,50 Prozent,
  • für das Jahr 1972:                                         79,10 Prozent,
  • für das Jahr 1973:                                         88,30 Prozent,
  • für das Jahr 1974:                                         87,75 Prozent,
  • für das Jahr 1975:                                         92,55 Prozent,
  • für das Jahr 1976:                                         89,15 Prozent,
  • für das Jahr 1977:                                         93,65 Prozent,
  • für das Jahr 1978:                                         94,30 Prozent,
  • für das Jahr 1979:                                         94,07 Prozent,
  • für das Jahr 1980:                                         87,03 Prozent,
  • für das Jahr 1981:                                         91,94 Prozent und
  • für die Jahre 1982 bis 1989 jeweils:              88,64 Prozent (anstatt 89,85 Prozent, gemäß Berichtigung durch den Zeugen P....  mit schriftlicher Zusatzerklärung vom 13. Februar 2012).

In seiner (gerichtsbekannten) schriftlichen Zusatzerklärung vom 13. Februar 2012 führte der Zeuge P....  zudem aus, dass diese verbindlichen Prozentsätze durch den ehemaligen Hauptbuchhalter des VE Braunkohlenkombinats U...., N....  (bereits Anfang 2010 verstorben), akribisch aus den ehemaligen Betriebsunterlagen herausgearbeitet wurden und, dass die Jahresendprämien in den Kombinatsbetrieben wegen der jeweiligen Planerfüllung zugeführt wurden. Oberstes Gebot für diese Zuführung im Kombinat über die Mindestgrenze hinaus, die jedem Beschäftigten im Kombinat zustand, war dabei stets die Planerfüllung des Vorjahres durch den einzelnen Betrieb. Die Planerfüllung des Kombinats wurde grundsätzlich durch das übergeordnete Organ (bis 1971 die VVB Braunkohle Cottbus, seit 1972 bis 1990 das Ministerium für Kohle und Energie) bestätigt. Nach Bestätigung der Jahresendprämien durch das übergeordnete Organ erfolgte die Auszahlung derselben meist in den Monaten Februar oder März des Folgejahres. In Fällen geringerer Planerfüllung erfolgte auf Antrag der Kombinatsleitung beim übergeordneten Organ immer nachträglich eine sog. Plankorrektur, sodass das Ist-Ergebnis zum Soll-Ergebnis erhoben wurde. Da der Anteil jedes Einzelnen an der Planerfüllung des Kombinats nicht exakt mess- bzw. nachweisbar und damit nicht bewertbar war, wurde die Jahresendprämie quasi als 13. Monatsgehalt angesehen.

 

Soweit die Beklagte wiederholt in anderen Verfahren meinte, die Glaubhaftigkeit der Aussagen des Zeugen P....  seien zu bezweifeln, sodass deren Beweiswert gegen Null tendiere, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Aus dem Umstand, dass der Zeuge P....  mittels eines immer wiederkehrenden – gerichtsbekannten – Standardschreibens seiner Rechtsanwältin auf massenhafte Anfragen von Sozialgerichten der Länder Sachsen, Brandenburg, Berlin und Thüringen seit dem Jahr 2015 jeweils mitteilen lässt, er könne "zum Gegenstand seiner Vernehmung keinerlei Aussage treffen", kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht geschlossen werden, er distanziere sich von seiner im Jahr 2010 abgegebenen Erklärung. Zum einen geht diese von der Beklagten "unterlegte" Distanzierung aus dem Standardschreiben seiner Rechtsanwältin nicht hervor. Zum anderen übersieht die Beklagte, dass die Erklärung aus dem Jahr 2010 nicht allein von Herrn P...., sondern auch von dem – zwischenzeitlich verstorbenen – Herrn Dr. O....  abgegeben wurde. Zweifel an der Richtigkeit der Erklärung bestehen im Übrigen im vorliegenden Fall allein schon deshalb nicht, weil der Erklärungsinhalt konkret bezogen auf die Klägerin auch von den konkret im Verfahren schriftlich befragten Zeugen D.... und A.... bestätigt wurde, die jeweils angaben, die Höhe der zu zahlenden Jahresendprämien wurde vom VE Braunkohlenkombinat U....  in Höhe des zentral festgelegten Prozentsatzes vorgegeben. Zudem ergibt sich aus der – inzwischen ebenfalls gerichtsbekannten – schriftlichen Zusatzerklärung des Zeugen P....  vom 5. Juli 2017 zu dessen Erklärungen vom 11. und 26. April 2010 und vom 13. Februar 2012, dass sich der Zeuge P....  keineswegs von seinen Erklärungen distanziert, sondern nach wie vor hinter diesen steht. Er gab in der schriftlichen Zusatzerklärung vom 5. Juli 2017 an, dass seine Angaben aus dem Jahr 2010 auf den akribischen Arbeiten der Fachkollegen N....  und Dr. O....  beruhten, die auf dem Sachgebiet der Jahresendprämie jeweils von Dezember meist bis März eines Jahres fachlich-inhaltlich umfassend tätig waren und diese Fachkollegen aus unterschiedlichen Quellen (zum Beispiel Arbeitsbücher, spezielle Protokolle, statistische Erhebungen und dergleichen mehr) die erforderlichen umfangreichen Informationen zur Fertigung der Erklärungen vom 11. und 26. April 2010 und vom 13. Februar 2012 zusammengetragen hatten. Dabei sind diese beiden Fachkollegen (ehemaliger Direktor für Sozialökonomie und Hauptbuchhalter des VE Braunkohlenkombinats U....) mit großer Umsicht und Gewissenhaftigkeit unter Berücksichtigung und umfassender Einbeziehung der spezifisch auf die Jahresendprämie zutreffenden gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen vorgegangen.

 

Vor diesem Hintergrund kann im vorliegenden konkreten Einzelfall davon ausgegangen werden, dass der Klägerin der konkrete Prozentanteil ihres monatlichen Jahresdurchschnittsbruttolohnes als Jahresendprämie zugeflossen ist, weil gegenteilige Anhaltspunkte weder vorgetragen, noch ersichtlich sind und an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen keine Zweifel bestehen. Der Generaldirektor und der Direktor für Sozialökonomie des Kombinates, die sich – wie ergänzend erklärt wurde – des ehemaligen Hauptbuchhalters des Kombinates bedienten, sind sachkundige Personen, die über die Erfüllung der Planziele und die kombinatsseitigen Festlegungen Auskunft zu geben geeignet sind. Die Besonderheit der vorliegenden konkreten Sachverhaltskonstellation ist, wie aus den Angaben der Zeugen übereinstimmend und nachvollziehbar hervorgeht, dadurch gekennzeichnet, dass im Kombinat für alle Kombinatsbetriebe – ausgehend von der Planerfüllungsquote des Kombinates – ein konkreter Prozentsatz der Jahresendprämienzahlung festgelegt wurde. Insofern fehlt es im konkreten Sachverhalt bezüglich der Prämienplanjahre 1976 bis 1982 nicht an einem geeigneten Maßstab, an dem die konkrete Höhe der dem Grunde nach bezogenen Jahresendprämien in den Zuflussjahren 1977 bis 1983 beurteilt werden kann. Plausibel ist dies im vorliegenden Fall auch deshalb, weil nicht pauschal der durchschnittliche Bruttomonatslohn eines (jeden) Beschäftigten als Maßstab der Jahresendprämienzahlung behauptet wird, der nach den rechtlichen Koordinaten des DDR-Rechts gerade nicht der Basis-, Ausgangs- oder Grundwert zur Berechnung einer Jahresendprämie war, sondern explizit die im jeweiligen Jahr erzielten Produktionsergebnisses des Kombinats als Berechnungsbasis der kombinatsseitigen Festlegung von den Kombinatsverantwortlichen deklariert wurden. Soweit der Zeuge D.... in seiner Zeugenerklärung vom 31. März 2023 ausführte, der unmittelbare Vorgesetzte habe innerhalb seines Kollektivs geringfügige Differenzierungen vornehmen können, führt dies im vorliegenden konkreten Fall zu keiner anderen Bewertung der glaubhaft gemachten Höhe der Jahresendprämien, weil sich diese gegebenenfalls im Fall der Klägerin auswirkende geringfügige Differenzierung innerhalb der Schwankungsbreite des Glaubhaftmachungsmaßstabs von fünf Sechstel hält.

 

Die Kriterien, nach denen eine hinreichende Glaubhaftmachung erfolgt, sind demnach im konkreten Fall in Bezug auf die streitgegenständlichen Planjahre 1976 bis 1982 (mit Zufluss in den Jahren 1977 bis 1983) erfüllt, weil nicht lediglich ein allgemeiner Ablauf und eine allgemeine Verfahrensweise dargelegt wurden.

 

Somit ist im Fall der Klägerin zunächst der monatliche Bruttodurchschnittsverdienst der Planjahre 1976 bis 1982, für den die Jahresendprämien in den darauffolgenden Jahren (1977 bis 1983) gezahlt wurden, zu Grunde zu legen. Dieser kann der Arbeitsentgeltbescheinigung der LAUBAG vom 28. Juni 2000, die Grundlage der im Feststellungsbescheid vom 11. Juni 2002 enthaltenen Entgeltdaten ist, entnommen werden. Davon ist die von den Zeugen P....  und Dr. O....  bekundete prozentuale Feststellungsquote der Planerfüllung der Jahre 1976 bis 1982 als glaubhaft gemachte Jahresendprämie festzusetzen. Von diesem Betrag ist ein Abzug in Höhe eines Sechstels vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung des § 6 Abs. 6 AAÜG vorzunehmen.

 

Dies zu Grunde gelegt, wären für die Klägerin Jahresendprämienzahlungen für die Beschäftigungs- und Planjahre 1976 bis 1982 (und damit für die Zuflussjahre 1977 bis 1983) wie folgt zu berücksichtigen:

 

JEP-An-spruchsjahr

Jahresarbeits-verdienst

Monatsdurch-schnittsverdienst

JEP in Höhe der Glaubhaftmachung zu Grunde gelegt

davon 5/6

(exakt)

JEP-Zuflussjahr

1976

10.959,61 M

913,30 M

89,15 %

814,21 M

678,51 M

1977

1977

4.158,02 M

346,50 M

93,65 %

324,50 M

270,04 M

1978

1978

3.470,97 M

289,25 M

94,30 %

272,76 M

227,30 M

1979

1979

11.661,89 M

971,82 M

94,07 %

914,19 M

761,82 M

1980

1980

11.843,06 M

986,92 M

87,03 %

858,92 M

715,77 M

1981

1981

11.933,83 M

994,49 M

91,94 %

914,33 M

761,94 M

1982

1982

12.764,69 M

1.063,72 M

88,64 %

942,89 M

785,74 M

1983

  

Da die Klägerin ausdrücklich jedoch lediglich Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1977 bis 1983 in einer Mindesthöhe von einem Drittel eines durchschnittlichen Monatsbruttoverdienstes begehrt, kann der Senat die zuvor im Rahmen der Glaubhaftmachung bestimmten Jahresendprämienbeträge nicht zu Grunde legen. Denn über den ausdrücklichen Berufungsantrag, wie er im Berufungsschriftsatz vom 10. November 2022 enthalten ist ("in Höhe von einem Drittel eines Zwölftels des bisher festgestellten Entgelts des vorangegangenen Kalenderjahres"), darf der Senat nach dem Grundsatz: "Nicht mehr, als beantragt." nicht hinausgehen (§§ 153 Abs. 1, 123 SGG; "ne ultra petita").

 

Dies zu Grunde gelegt, sind für die Klägerin Jahresendprämienzahlungen für die in den Planjahren 1976 bis 1982 erwirtschafteten und in den Zuflussjahren 1977 bis 1983 ausgezahlten Jahresendprämien wie folgt zu berücksichtigen:

 

JEP-An-spruchsjahr

Jahresarbeits-verdienst

Monatsdurch-schnittsverdienst

JEP-Mindest-betrag (= 1/3)

davon 5/6

(exakt)

JEP-Zuflussjahr

1976

10.959,61 M

913,30 M

304,43 M

253,69 M

1977

1977

4.158,02 M

346,50 M

115,50 M

96,25 M

1978

1978

3.470,97 M

289,25 M

96,42 M

80,35 M

1979

1979

11.661,89 M

971,82 M

323,94 M

269,95 M

1980

1980

11.843,06 M

986,92 M

328,97 M

274,14 M

1981

1981

11.933,83 M

994,49 M

331,50 M

276,25 M

1982

1982

12.764,69 M

1.063,72 M

354,57 M

295,48 M

1983

  

Die Ausurteilung einer Jahresendprämie für das Zuflussjahr 1978 scheitert im Ergebnis letztlich jedoch daran, dass die Klägerin im Zuflusszeitpunkt (erstes Quartal 1978) nicht zusatzversorgungsberechtigt war. Ausweislich des Feststellungsbescheides vom 11. Juni 2002 war die Klägerin (unter anderem) im Zeitraum vom 13. Dezember 1977 bis 31. August 1978 nicht Inhaberin einer fingierten Zusatzversorgungsberechtigung. Dem Feststellungsbescheid vom 11. Juni 2002 kommt insoweit "Tatbestands(Drittbindungs-)wirkung" auch im gerichtlichen Verfahren zu (so ausdrücklich: BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 13; BSG, Urteil vom 14. März 2019 - B 5 RS 1/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 32), sodass das Berufungsgericht lediglich den (von der Beklagten anerkannten und mittels Bescheid festgestellten) Zusatzversorgungszeitraum zu Grunde legen kann. Jahresendprämien als weitere, rentenentgeltpunkterhöhende Arbeitsentgelte sind lediglich für Zeiten einer (tatsächlichen oder fingierten) Zusatzversorgung zu berücksichtigen und damit im vorliegenden Fall nicht für den Zuflusszeitpunkt im ersten Quartal 1978.

 

cc)

Soweit die Klägerin im Laufe des Verfahrens eine Schätzung der Höhe der Jahresendprämien begehrte, ist abschließend darauf hinzuweisen, dass eine Schätzung der Höhe des Prämienbetrages bei lediglich dem Grunde nach glaubhaft gemachtem Jahresendprämienbezug nicht in Betracht kommt (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff.). Denn eine weitere Verminderung des Beweismaßstabes im Sinne einer Schätzungswahrscheinlichkeit sieht § 6 AAÜG nicht vor. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzbefugnis schaffen wollen, so hätte er dies gesetzlich anordnen und Regelungen sowohl zu ihrer Reichweite (Schätzung des Gesamtverdienstes oder nur eines Teils davon) als auch zum Umfang der Anrechnung des geschätzten Verdienstes treffen müssen, nachdem er schon für den strengeren Beweismaßstab der Glaubhaftmachung nur die Möglichkeit einer begrenzten Berücksichtigung (zu fünf Sechsteln) ermöglicht hat. Auch aus § 6 Abs. 5 AAÜG in Verbindung mit § 256b Abs. 1 und § 256c Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB VI ergibt sich keine materiell-rechtliche Schätzbefugnis. Rechtsfolge einer fehlenden Nachweismöglichkeit des Verdienstes ist hiernach stets die Ermittlung eines fiktiven Verdienstes nach Tabellenwerten, nicht jedoch die erleichterte Verdienstfeststellung im Wege der Schätzung im Sinne einer Überzeugung von der bloßen Wahrscheinlichkeit bestimmter Zahlenwerte. Die prozessuale Schätzbefugnis gemäß § 287 ZPO, die nach § 202 Satz 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich subsidiär und "entsprechend" anzuwenden ist, greift hier von vornherein nicht ein. Denn § 6 Abs. 6 AAÜG regelt als vorrangige und bereichsspezifische Spezialnorm die vorliegende Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen, ein anderer glaubhaft gemacht) abschließend und lässt für die allgemeine Schätzungsvorschrift des § 287 ZPO keinen Raum. Indem § 6 Abs. 6 AAÜG die Höhe des glaubhaft gemachten Verdienstteils selbst pauschal auf fünf Sechstel festlegt, bestimmt er gleichzeitig die mögliche Abweichung gegenüber dem Vollbeweis wie die Rechtsfolge der Glaubhaftmachung selbst und abschließend. Eine einzelfallbezogene Schätzung scheidet damit aus. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzung zulassen wollen, so hätte er das Schätzverfahren weiter ausgestalten und festlegen müssen, ob und gegebenenfalls wie mit dem Abschlag im Rahmen der Schätzung umzugehen ist. Das Fehlen derartiger Bestimmungen belegt im Sinne eines beredten Schweigens zusätzlich den abschließenden Charakter der Ausnahmeregelung in § 6 Abs. 6 AAÜG als geschlossenes Regelungskonzept (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Eine Schätzung ist deshalb nur bei dem Grunde nach nachgewiesenen Zahlungen möglich (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 21; BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr. 3 = JURIS-Dokument, RdNr. 17).

 

c)

Die (in den konkreten Höhen sowie in den Mindesthöhen in den Jahren 1977 und 1979 bis 1983 glaubhaft gemachten) zugeflossenen Jahresendprämien als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG waren auch nicht nach der am 1. August 1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 ArEV (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 33-41, ebenso nunmehr: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Es handelt sich vielmehr um gemäß § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt wurden).

 

2.

Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR vom Betrieb an den Arbeitnehmer gezahlten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau dar (so bereits zutreffend: LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 19. November 2015 - L 22 R 588/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 32; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. August 2015 - L 1 RS 23/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 17; LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 22. März 2012 - L 31 R 1225/09 - JURIS-Dokument, RdNr. 20; SG Leipzig, Urteil vom 30. November 2009 - S 24 R 628/08 - JURIS-Dokument, RdNr. 25), da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen erbrachte Arbeitsleistung in Form der erbrachten ununterbrochenen Tätigkeit in einem Bergbaubetrieb, damit also in Form von erbrachter Berufstreue und Pflichterfüllung, handelte (vgl. dazu bereits insgesamt und ausführlich: Sächsisches LSG, Urteil vom 5. Juli 2016 - L 5 RS 166/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 49-63; Sächsisches LSG, Urteil vom 16. August 2016 - L 5 RS 85/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 23-30; Sächsisches LSG, Urteil vom 30. August 2016 - L 5 RS 590/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 22-29; Sächsisches LSG, Urteil vom 14. Februar 2017 - L 5 RS 230/16 - JURIS-Dokument, RdNr. 24-31; Sächsisches LSG, Urteil vom 28. März 2017 - L 5 RS 216/16 - JURIS-Dokument, RdNr. 25-36; Sächsisches LSG, Urteil vom 16. Januar 2018 - L 5 RS 400/16 - JURIS-Dokument, RdNr. 25-30; Sächsisches LSG, Urteil vom 24. April 2018 - L 5 RS 895/16 - JURIS-Dokument, RdNr. 93-107; Sächsisches LSG, Urteil vom 12. März 2019 - L 5 R 98/18 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 92-106; Sächsisches LSG, Urteil vom 9. Juli 2020 - L 7 R 558/19 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 25-32; Sächsisches LSG, Urteil vom 26. Januar 2023 - L 7 R 264/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 94-109; Sächsisches LSG, Urteil vom 9. März 2023 - L 7 R 498/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 108-117), wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und nicht sozialversicherungspflichtig war. Die zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau stellt daher eine Einnahme aus der Beschäftigung der Klägerin in Bergbaubetrieben dar.

 

a)

Nach § 3 der "Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR" (nachfolgend: Bergbau-VO) vom 10. August 1950 (DDR-GBl. Nr. 91 S. 832) in der Fassung von § 1 der "Fünften Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR" (nachfolgend: 5. Bergbau-VO) vom 9. April 1964 (DDR-GBl. II Nr. 43 S. 313) war, entsprechend der Bedeutung des Bergmannsberufes, in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Bergbaubetrieben eine zusätzliche Belohnung für ununterbrochene Beschäftigung zu zahlen (§ 3 Abs. 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Bergbaubetriebe im Sinne des § 3 Abs. 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO waren Betriebe des Steinkohlen- und Braunkohlenbergbaus, des Erz- und Kalibergbaus, des Steinsalz- und Nichteisenerzbergbaus sowie des Baustoff-, Kaolin- und Schieferbergbaus, des Tonbergbaus (unter Tage), der VVB Erdöl und Erdgas und der VVB Feste Minerale, die in den Betriebsverzeichnissen für die einzelnen Bergbauzweige enthalten waren (§ 3 Abs. 2 Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Die zusätzliche Belohnung betrug für Beschäftigte unter Tage

  • nach einjähriger Beschäftigungszeit             vier Prozent,
  • nach zweijähriger Beschäftigungszeit          acht Prozent,
  • nach fünfjähriger Beschäftigungszeit            zwölf Prozent und
  • nach zwölfjähriger Beschäftigungszeit          16 Prozent

sowie für Beschäftigte über Tage

  • nach zweijähriger Beschäftigungszeit          fünf Prozent,
  • nach fünfjähriger Beschäftigungszeit            acht Prozent und
  • nach zwölfjähriger Beschäftigungszeit          zehn Prozent

des jährlichen Bruttoverdienstes (§ 3 Abs. 3 Buchstaben a) und c) der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Die zusätzliche Belohnung wurde in bestimmten Fällen des Ausscheidens aus dem Bergbaubetrieb anteilig für die Beschäftigungszeit vom "Tag des deutschen Bergmanns" bis zum Ausscheiden gezahlt (§ 3 Abs. 6 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO); dies galt insbesondere für die Zeiten der unbezahlten Freizeit nach dem Wochenurlaub bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes (§ 3 Abs. 6 Buchst. f) Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO); während dieser Zeit der unbezahlten Freizeit nach dem Wochenurlaub bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes wurde auch die Anwartschaftszeit erhalten (§ 3 Abs. 6 Buchst. f) Satz 2 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Der Tag des Bergmanns und des Energiearbeiters wurde in der DDR, gemäß § 1 Abs. 1 der "Verordnung über Ehrentage für Werktätige in weiteren Bereichen der Volkswirtschaft und die Verleihung staatlicher Auszeichnungen" vom 30. Januar 1975 (DDR-GBl. I Nr. 11 S. 197), jährlich am ersten Sonntag des Monats Juli begangen. Die in Ehren aus der NVA Entlassenen erhielten die zusätzliche Belohnung entsprechend der "Verordnung über die Förderung der aus dem aktiven Wehrdienst entlassenen Angehörigen der Nationalen Volksarmee – Förderungsverordnung –" vom 24. Januar 1962 (DDR-GBl. II Nr. 7 S. 53) (§ 3 Abs. 7 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Lehrlinge erhielten keine zusätzliche Belohnung; die Lehrzeit im Bergbau wurde jedoch auf die Dauer der Anwartschaft im Bergbau angerechnet (§ 3 Abs. 12 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Die zusätzliche Belohnung wurde für jede unentschuldigte Fehlschicht im Anspruchszeitraum (vom "Tag des deutschen Bergmanns" des Vorjahres bis zum "Tag des deutschen Bergmanns" des laufenden Jahres) wie folgt gekürzt:

  • bei einer Fehlschicht um 25 Prozent,
  • bei zwei Fehlschichten um 50 Prozent,
  • bei drei Fehlschichten um 75 Prozent

(§ 3 Abs. 8 Buchstabe b) Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO); bei mehr als drei Fehlschichten entfiel sie vollständig (§ 3 Abs. 8 Buchstabe b) Satz 2 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO); für die Feststellung der unentschuldigten Fehlschichten war der Werkdirektor verantwortlich (§ 3 Abs. 8 Buchstabe b) Satz 3 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Die ununterbrochene Beschäftigungszeit im Bergbau wurde vom 1. Januar 1949, bei später eingetretenen Beschäftigten vom Tag der Arbeitsaufnahme an gerechnet (§ 3 Abs. 13 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Der Bruttoverdienst war der Tariflohn oder das Tarifgehalt des vorangegangenen Kalenderjahres (§ 3 Abs. 14 Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Zum Bruttoverdienst gehörten außer dem Tariflohn oder Grundgehalt unter anderem auch der Lohnausgleich für anerkannte Unfalltage und für anerkannte Berufskrankheiten, die Vergütung für Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit und Erschwernisse, Mehrleistungslohn und Zeitlohnprämien, etc. (§ 3 Abs. 14 Satz 2 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Die Auszahlung der zusätzlichen Belohnung erfolgte am "Tag des deutschen Bergmanns" (erster Sonntag im Monat Juli) an die Belegschaftsmitglieder, die an diesem Tag im Arbeitsrechtsverhältnis zum Bergbaubetrieb standen (§ 3 Abs. 17 Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Die zusätzliche Belohnung war lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei (§ 3 Abs. 17 Satz 3 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Bei der Auszahlung der zusätzlichen Belohnung war den Beschäftigten ein Anerkennungsschreiben auszuhändigen (§ 3 Abs. 18 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). § 3 der Bergbau-VO in der Fassung der 5. Bergbau-VO war zudem normtextidentisch als Anlage 3 Bestandteil des "Rahmenkollektivvertrages über die Arbeits- und Lohnbedingungen der Werktätigen in den sozialistischen Betrieben der Kohleindustrie" (nachfolgend: RKV Kohle) vom 1./27. Februar 1967 in der Fassung des 1. bis 7. Nachtrages. Darüber hinaus wurden die Regelungen des § 3 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO mit der "Vereinbarung zur einheitlichen Anwendung der zusätzlichen Belohnung im Bergbau" vom 25. März 1974 (registriert im Bundesarchiv unter der Signatur: D934 / DGB 16039) sowie der als Anlage 9 des ab 1. Januar 1979 geltenden RKV Kohle vereinbarten "Einheitliche[n] Anwendung der Rechtsvorschriften über zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau" (registriert beim Staatssekretariat für Arbeit und Löhne unter Nr. 103/78) fortgeführt. Die Vorschriften galten unverändert auch im Jahr 1990 weiter, wie sich aus § 15 des "Manteltarifvertrages (MTV/BG) Kohle – Gas für die Arbeitnehmer des Tarifbereichs Braunkohlen- und Gasindustrie" vom 31. Mai 1990 ergibt, der vollständig auf die 5. Bergbau-VO verweist.

 

b)

Ausgehend von diesen Regelungen kann festgehalten werden, dass die zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau dem Grunde nach unter den Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne von § 14 Abs. 1 SGB IV fällt, zumal es ausweislich von Absatz 3 der Präambel der Bergbau-VO auch deren Ziel war zur "Verbesserung der Entlohnung … für die im Bergbau Beschäftigten" beizutragen, und daher dementsprechende Entgelte nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG als Arbeitsentgelt festzustellen sind, sofern deren Höhe durch Unterlagen nachgewiesen oder diese zumindest glaubhaft gemacht worden sind.

 

Ausgehend von diesen Regelungen ist im konkreten Fall der Klägerin zu konstatieren, dass der von ihr für die Jahre 1977 bis 1989 geltend gemachte Zufluss von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau zwar nicht nachgewiesen (dazu nachfolgend unter aa), allerdings sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach glaubhaft gemacht worden ist; für die Zuflussjahre 1977 und 1978 ist dieser Zufluss allerdings (ausnahmsweise) nicht berücksichtigungsfähig (dazu insgesamtnachfolgend unter bb).

 

aa)

Zwar konnte die Klägerin Bezugsdokumente bezüglich zusätzlicher Belohnungen für Werktätige im Bergbau für die von ihr geltend gemachten Jahre 1977 bis 1989 nicht vorlegen. Sie selbst verfügt auch über keine Unterlagen, mit denen sie die Gewährung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau belegen könnte, wie sie selbst ausführte.

 

Unterlagen über die Auszahlung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau im VEB Braunkohlenwerk L....  liegen auch nicht mehr vor, wie sich den Erklärungen der Zeugen P....  (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats U....) und Dr. O....  (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats U....) vom 11. und 26. April 2010 entnehmen lässt.

 

Nachweise zu an die Klägerin gezahlten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV).

 

 

 

bb)

Den Bezug von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau für die streitgegenständlichen Jahre 1977 bis 1989 konnte die Klägerin im vorliegenden konkreten Einzelfall allerdings glaubhaft machen; gleichwohl ist dieser Zufluss für die Jahre 1977 und 1978 nicht berücksichtigungsfähig.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen (vgl. dazu auch: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14), überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht aber die "gute Möglichkeit" aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).

 

Der Bezug von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau dem Grunde nach ergibt sich im vorliegenden Fall der Klägerin aus den unterschiedlichsten Aspekten des konkreten Einzelfalles:

 

Bei dem Beschäftigungsbetrieb der Klägerin (VEB Braunkohlenwerk L....) handelte es sich um einen Bergbaubetrieb im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO. Ausweislich der schriftlichen Erklärung der Zeugen P....  (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats U....) und Dr. O....  (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats U....) vom 11. und 26. April 2010 gehörte der Betrieb zum VE Braunkohlenkombinat U....  und gewährte jedem Beschäftigten jährlich eine zusätzliche Belohnung für ununterbrochene Beschäftigung im Bergbau. Aus den von der Klägerin – auf Anforderung des Senats – vorgelegten Änderungsverträgen vom 7. Juli 1987 und vom 4. März 1988 ergibt sich zudem, dass auf das Arbeitsrechtsverhältnis der Klägerin mit ihrem Betrieb der "RKV Kohle und Energie" Anwendung fand. Darüber hinaus ist in den – auf Anforderung des Senats vollständig vorgelegten – Ausweisen der Klägerin für Arbeit und Sozialversicherung durchgehend seit dem 18. Juni 1974 notiert, dass die Arbeitsrechtsverhältnisse der Klägerin sowohl im VEB Kombinat S...., als auch im VEB Braunkohlenwerk L....  dem "Bergbau" bzw. der "Bergbauversicherung" bzw. der "Bergmännischen Verordnung" unterlagen.

 

Darüber hinaus wurde der Klägerin als Dank und Anerkennung für 15-jährige treue Mitarbeit im Bergbau vom VEB Braunkohlenwerk L....  am 18. Juni 1989 eine Ehrenurkunde überreicht. In Anerkennung und Würdigung langjähriger Zugehörigkeit sowie hervorragender Leistungen in der Kohleindustrie der DDR wurde der Klägerin mit Urkunde vom 30. Juni 1989 zudem die "Medaille für Verdienste in der Kohleindustrie der DDR" in Bronze verliehen. Aus diesen Aspekten ergibt sich zwangsläufig, dass die Klägerin am 18. Juni 1989 über eine 15jährige ununterbrochene Zugehörigkeit zum Bergbau sowie in der Kohleindustrie verfügte, weil die "Medaille für Verdienste in der Kohleindustrie der DDR" in Bronze anlässlich des 15jährigen Zugehörigkeitsjubiläums verliehen wurde (vgl. dazu ausdrücklich: § 1 Abs. 2 der „Ordnung über die Verleihung der ‚Medaille für Verdienste in der Kohleindustrie der DDR‘ und der ‚Medaille für Verdienste in der Energiewirtschaft der DDR‘“, die Bestandteil der „Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen“ vom 28. Juni 1978 [DDR-GBl. Sonderdruck Nr. 952, S. 1 ff.] war). Daher ist im konkreten Fall hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Klägerin ab 18. Juni 1986 eine zwölfjährige ununterbrochene Beschäftigungszeit im Bergbau, ab 18. Juni 1979 eine fünfjährige ununterbrochene Beschäftigungszeit im Bergbau und ab 18. Juni 1976 eine zweijährige ununterbrochene Beschäftigungszeit im Bergbau aufwies, zumal die Unterbrechungen des Arbeitsrechtsverhältnisses der Klägerin im Zeitraum vom 29. Mai 1977 bis 27. November 1977 wegen Schwangerschaft und Wochenurlaubs und im Zeitraum vom 13. Dezember 1977 bis 31. August 1978 wegen unbezahlter Freistellung nach dem Wochenurlaub nicht zur Unterbrechung der "ununterbrochenen Beschäftigung" führten bzw. die Anwartschaftszeit aufrechterhalten wurde (§ 3 Abs. 6 Buchst. f) Satz 2 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO; § 247 Abs. 1 Satz 3 DDR-AGB).

 

Dass die Klägerin dem Grunde nach in den Jahren ihrer Beschäftigung im VEB Braunkohlenwerk L....  zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau bezogen hat, ergibt sich zudem aus der schriftlichen Erklärung der Zeugen P....  (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats U....) und Dr. O....  (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats U....) vom 11. und 26. April 2010 zu in den Kombinatsbetrieben gezahlten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau. Die Betriebsverantwortlichen erklärten darin unter anderem, dass im ehemaligen VE Braunkohlenkombinat U....  in allen Kombinatsbetrieben, wobei der VEB Braunkohlenwerk L....  als solcher Kombinatsbetrieb explizit benannt wurde, entsprechend dem RKV Kohle jährlich zusätzliche Belohnungen für ununterbrochene Beschäftigung im Bergbau gemäß der 5. Bergbau-VO an alle Mitarbeiter im Verantwortungsbereich des ehemaligen Braunkohlenkombinats gezahlt worden sind. Sie führten weiterhin aus: Der Anspruch der Beschäftigten auf die Höhe der jährlichen Zahlung der zusätzlichen Belohnung entstand in Abhängigkeit von der ununterbrochenen Tätigkeit im Bergbau. Als Bruttoverdienst zählte stets der Verdienst des Vorjahres. Die Ermittlung des jeweiligen jährlichen Auszahlungsbetrages war relativ einfach. Vom Jahresbruttoverdienst des Beschäftigten war der Prozentteil, abgeleitet von der Beschäftigungszeit, zu ermitteln, der dann den Auszahlungsbetrag ergab. Unentschuldigte Fehlschichten, bei denen es sich um Disziplinarvergehen handelte, waren meldepflichtig, insbesondere, wenn diese von Hoch- und Fachschulkadern verfahren wurden. Aus dem betroffenen Personenkreis der Hoch- und Fachschulkader hatte keiner eine unentschuldigte Fehlschicht verfahren, ansonsten wäre dies als Nachweis einer oder mehrerer unentschuldigten Fehlschichten – infolge der außerordentlichen Gehaltsminderung – aus dem entsprechend vorgeschriebenen Eintrag im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung eindeutig ersichtlich gewesen.

 

Dem korrespondierend bestätigte auch der Zeuge D...., der die Klägerin aus der betrieblichen Zusammenarbeit seit 1983 kannte und mit ihr von 1983 bis 1989 in der gleichen Betriebsabteilung (Markscheiderei) zusammenarbeitete, in seiner schriftlichen Zeugenerklärung vom 31. März 2023, dass die Klägerin während seiner Beschäftigungszeit im VEB Braunkohlenwerk L....  (1983 bis 1989) stets zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau vom Betrieb ausgezahlt erhielt. Weitergehend führte er aus: Jeder Beschäftige in einem Betrieb des Bergbaus oder der Energiewirtschaft hatte Anspruch auf die sogenannte zusätzliche Belohnung (die umgangssprachlich "Bergmannsgeld" genannt wurde). Das Bergmannsgeld war steuerfrei und wurde jedes Jahr rechtzeitig vor dem Tag des Bergmanns (am 1. Juli) auf das Girokonto gezahlt. Die Klägerin erhielt zusätzliche Belohnungen, weil sie in einem Bergbaubetrieb arbeitete und keine unentschuldigten Fehlschichten aufwies. Die Klägerin war in der Abteilung für ihre fachliche Kompetenz und zuverlässige Arbeitsweise bekannt. Sie wurde deshalb als Gruppenleiterin der Photogrammetrie eingesetzt.

 

Darüber hinaus bestätigte auch der Zeuge A...., der mit der Klägerin seit 1970 verheiratet ist und mit ihr in den Jahren 1974 bis 1977 im gleichen Werk in unterschiedlichen Abteilungen arbeitete, in seiner schriftlichen Zeugenerklärung vom 19. April 2023, dass die Klägerin während ihrer Beschäftigungszeit im VEB Braunkohlenwerk L....  (1976 bis 1989) stets jährlich zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau vom Betrieb ausgezahlt erhielt. Er führte hierzu weitergehend und nachvollziehbar aus: Jeder Beschäftige in einem Betrieb des Bergbaus oder der Energiewirtschaft hatte Anspruch auf das "Bergmannsgeld". Es wurde jedes Jahr vor dem Tag des Bergmanns am 1. Juli ausgezahlt. Das "Bergmannsgeld" der Klägerin wurde auf das gemeinsame Gehaltskonto der Klägerin und des Zeugen überwiesen, was der Zeuge regelmäßig selbst feststellte, da es Bestandteil des gemeinsamen Familieneinkommens war. Jeder, der in einem Bergbaubetrieb beschäftigt war, hatte Anspruch auf das "Bergmannsgeld". Voraussetzung war ein Arbeitsvertrag mit einem Bergbaubetrieb. Das galt auch im VEB Braunkohlenwerk L...., wie in allen anderen Bergbaubetrieben der DDR. Das "Bergmannsgeld" wurde auf das gleiche Konto überwiesen wie das Gehalt. Die Klägerin erhielt das "Bergmannsgeld", weil das rechtlich so geregelt war. Die Klägerin hatte während ihrer Berufslaufbahn auch niemals unentschuldigte Fehlschichten verfahren.

 

Auch im Übrigen ergibt sich aus den von der Klägerin angeforderten und von ihr vorgelegten Unterlagen, dass sie ihre Arbeitsaufgaben im Bergbaubetrieb stets hervorragend erfüllte:

 

Den Arbeitsvertragsunterlagen ist zu entnehmen, dass die Klägerin kontinuierliche Gehaltssteigerungen sowie höherwertige Arbeitsaufgaben wegen ihrer guten betrieblichen Arbeitsleistungen erreichte.

 

Als Dank und Anerkennung für 15-jährige treue Mitarbeit im Bergbau wurde der Klägerin vom VEB Braunkohlenwerk L....  am 18. Juni 1989 eine Ehrenurkunde überreicht. In Anerkennung und Würdigung langjähriger Zugehörigkeit sowie "hervorragender Leistungen in der Kohleindustrie der DDR" wurde der Klägerin mit Urkunde vom 30. Juni 1989 die "Medaille für Verdienste in der Kohleindustrie der DDR" in Bronze verliehen.

 

Unterstrichen wird diese vorbildliche und weder zu Kritik noch Tadel Anlass gebende Arbeitsweise der Klägerin im Übrigen durch die ihr von ihrem Beschäftigungsbetrieb in den Jahren 1976 bis 1981 jeweils verliehenen Auszeichnungen als Mitglied eines "Kollektivs der sozialistischen Arbeit". Mit diesen Auszeichnungen wurden jeweils unter anderem beispielgebende Arbeitsleistungen des Kollektivs und jedes einzelnen Mitglieds des Kollektivs im sozialistischen Wettbewerb, also konkret auch der Klägerin, gewürdigt (vgl. dazu: § 1 der "Ordnung über die Verleihung und Bestätigung der erfolgreichen Verteidigung des Ehrentitels ‚Kollektiv der sozialistischen Arbeit‘", die Bestandteil der "Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen" vom 28. Juni 1978 [DDR-GBl. Sonderdruck Nr. 952, S. 1 ff.] war).

 

Zusammenfassend wird der Klägerin damit insgesamt bescheinigt, dass sie die ihr übertragenen Aufgaben stets hervorragend erledigte, sodass sich keinerlei berechtigte Zweifel an dem Nichtverfahren von unentschuldigten Fehlschichten im Sinne des § 3 Abs. 8 Buchstabe b) der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO aufdrängen.

 

Soweit die Beklagte meint, dass die personenbezogene, von den individuellen Gegebenheiten des beruflichen Werdeganges der Klägerin abhängige ununterbrochene Beschäftigungszeit unklar geblieben sei und es daher unmöglich sei, das jeweilige Jahresbruttoeinkommen der letzten zwölf Monate vor dem Fälligkeitstag sowie den konkreten Prozentsatz zu bestimmen, vermag der Senat diesem Einwand nicht zu folgen. Denn § 3 Abs. 13 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO legte explizit fest, dass die ununterbrochene Beschäftigungszeit im Bergbau vom Tag der Arbeitsaufnahme an berechnet wurde. Entgegen der Behauptungen der Beklagten ist auch nicht unklar, welcher Entgeltzeitraum der Berechnung der zusätzlichen Belohnungen zu Grunde lag. Denn § 3 Abs. 14 Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO bestimmte ausdrücklich, dass der Bruttoverdienst des vorangegangenen Kalenderjahres zu Grunde zu legen ist, sodass Verdienstteilbeträge für verschiedene Kalenderjahre nicht zu ermitteln sind. Vor dem Hintergrund dieser eindeutigen Regelung geht der Einwand der Beklagten, der prozentuale Maßstab des Durchschnittslohns sei nicht errechenbar, völlig an den zu Grunde zu legenden Realitäten vorbei. Berechnungsbasis der zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau war nicht ein – wie auch immer zu bestimmender – Durchschnittslohn, sondern der kalenderjährliche Bruttoverdienst (§ 3 Abs. 3 und 14 Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Zwar ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass die jeweiligen – insoweit maßgeblichen – konkreten Bruttoverdienste im Sinne des § 3 Abs. 14 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO nicht bekannt sind, weil zum Bruttoverdienst außer dem Tariflohn oder Grundgehalt auch bestimmte steuer- und sozialversicherungsfreie Lohnzuschläge (Lohnausgleich für anerkannte Unfalltage und für anerkannte Berufskrankheiten, Vergütung für Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit und Erschwernisse, Mehrleistungslohn und Zeitlohnprämien, Brigadierzuschläge, Entgelt für Schwangeren- und Wöchnerinnenurlaub, 80 Prozent des Nettolohnes bei Reservistenausbildung) zählten. Dass diese Zuschläge allerdings nicht bekannt und nachträglich oftmals auch nicht mehr bestimmbar sind, spricht aber nicht dagegen, den, den Lohnbescheinigungen zu entnehmenden, bekannten Jahresbruttoverdienst als Mindestberechnungsbasis für die Glaubhaftmachung der Höhe der zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau zu Grunde zu legen. Jeder Glaubhaftmachung mag ein gewisses Maß an Ungenauigkeit innewohnen. Dem trägt indessen die gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 6 AAÜG hinreichend Rechnung, nach der glaubhaft gemachte Entgelte nur zu fünf Sechsteln zu berücksichtigen sind. Insbesondere auf diesem Wege werden etwaige Ungenauigkeiten pauschal ausgeglichen.

 

Aus diesen bereits dargelegten Gründen vermag auch die von der Beklagten geäußerte Ansicht, die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Zahlung dieses Verdienstbestandteils seien so ausgestaltet, dass dessen Zufluss dem Grunde und der Höhe nach nicht im Wege der Glaubhaftmachung festgestellt werden könne, zu keiner anderen Bewertung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu führen. Denn weder sind – wie dargelegt – die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen an Werktätige im Bergbau in der DDR zusätzliche Belohnungen gezahlt worden sind, unklar, noch kann die Höhe der zusätzlichen Belohnungen lediglich geschätzt werden. Auch der Einwand der Beklagten, wie die Betriebe diese Rechtsbestimmungen anwandten und welche Spielräume sie bei der Anwendung gehabt hätten, ließe sich nicht mehr feststellen, führt zu keiner anderen Bewertung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage. Ausgangspunkt im Rahmen der Glaubhaftmachung ist nicht eine möglicherweise von den Betrieben in der DDR tatsächlich praktizierte, von den Rechtsvorschriften abweichende Handhabung. Beurteilungsrelevant sind lediglich die maßgeblichen DDR-rechtlichen Regelungen selbst, die als "generelle Anknüpfungstatsachen" bzw. als "generelle Tatsachen" heranzuziehen sind (vgl. zu diesem Aspekt beispielsweise deutlich: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19; BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 14 ff.; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 3/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 25 ff.; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 1/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 25 ff.). Die Beurteilung einer (staatlich) gewährten Zahlung erfolgt allein unter Zugrundelegung der insoweit maßgeblichen abstrakt-generellen Vorgaben des die Zahlung regelnden DDR-Rechts (BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 46; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 3/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 25; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 1/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 25).

 

Soweit die Beklagte schließlich behauptete, die zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau sei von der Erfüllung vorgegebener Leistungskriterien abhängig gewesen, die rückblickend nicht beurteilt werden könnten, ist darauf hinzuweisen, dass diese Behauptung nicht zutrifft. Ausweislich der Regelungen des § 3 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO war die Zahlung der zusätzlichen Belohnung für Werktätige im Bergbau gerade nicht von der Erfüllung von Leistungskriterien, sondern lediglich von der ununterbrochenen Beschäftigung in Bergbaubetrieben und dem Fehlen von unentschuldigten Fehlschichten abhängig. Zwar hatte das Präsidium des Ministerrates der DDR mit dem "Beschluss zur Konzeption für eine Neuregelung der zusätzlichen Belohnung im Bergbau" vom 17. Juli 1968 (Beschluss des Ministerrates Nr. 02-43/9/68; registriert im Bundesarchiv unter der Signatur: DC 20/I/4/1799) unter Nummer 3 die Absicht bekundet, die 5. Bergbau-VO mit dem "Ziel zu überarbeiten, eine einheitliche Regelung für alle Bergbauzweige einschließlich der SDAG Wismut zu erarbeiten, [um] die Gewährung der zusätzlichen Belohnung von Leistungskriterien abhängig zu machen und eine Verbindung zur Jahresendprämie herzustellen". Diese (beschlossene) Überarbeitung wurde in diesem Punkt (Nummer 3 des Beschlusses) jedoch zu keinem Zeitpunkt realisiert, wie die insoweit unveränderte Weitergeltung der 5. Bergbau-VO als Anlage 3 des RKV Kohle vom 1./27. Februar 1967 in der Fassung des 1. bis 7. Nachtrages sowie als § 15 des "Manteltarifvertrages (MTV/BG) Kohle – Gas für die Arbeitnehmer des Tarifbereichs Braunkohlen- und Gasindustrie" vom 31. Mai 1990 belegen. Auch der "Vereinbarung zur einheitlichen Anwendung der zusätzlichen Belohnung im Bergbau" vom 25. März 1974 (registriert im Bundesarchiv unter der Signatur: D934 / DGB 16039) sowie der als Anlage 9 des ab 1. Januar 1979 geltenden RKV Kohle vereinbarten "Einheitliche[n] Anwendung der Rechtsvorschriften über zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau" (registriert beim Staatssekretariat für Arbeit und Löhne unter Nr. 103/78) lässt sich nicht im Ansatz entnehmen, dass die beschlossene Überarbeitung der zusätzlichen Belohnung mit dem Ziel deren Gewährung von Leistungskriterien abhängig zu machen, in die Tat umgesetzt wurde. Der "Beschluss zur Konzeption für eine Neuregelung der zusätzlichen Belohnung im Bergbau" vom 17. Juli 1968 (Beschluss des Ministerrates Nr. 02-43/9/68; registriert im Bundesarchiv unter der Signatur: DC 20/I/4/1799) wurde lediglich insoweit realisiert, als unter Nummer 2 beschlossen wurde, dass § 1 Abs. 4 Buchstaben b) und d) der 5. Bergbau-VO (gemeint: § 3 Abs. 4 Buchstaben b) und d) der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO) für Arbeitsrechtsverhältnisse, die nach dem 31. Juli 1968 eingegangen wurden, nicht mehr anzuwenden war. Dieser Teil des Beschlusses wurde als "Beschluss über die Aufhebung gesetzlicher Bestimmungen" vom 1. Juli 1968 (DDR-GBl. II Nr. 83 S. 661) – berichtigt durch Hinweis vom 26. August 1968 (DDR-GBl. II Nr. 89 S. 697) – im Gesetzesblatt der DDR verkündet und erlangte Gesetzeskraft.

 

Glaubhaft gemacht ist damit im vorliegenden Fall, dass die Klägerin

  • als Vermessungsingenieurin, Bearbeiterin Tagebaumessung und Gruppenleiterin Tagebaumessung und Photogrammetrie im VEB Braunkohlenwerk L....  jeweils über Tage beschäftigt war,
  • spätestens ab 18. Juni 1976 mindestens eine zweijährige ununterbrochene Beschäftigungszeit in Bergbaubetrieben aufwies,
  • spätestens ab 18. Juni 1979 mindestens eine fünfjährige ununterbrochene Beschäftigungszeit in Bergbaubetrieben aufwies,
  • spätestens ab 18. Juni 1986 mindestens eine zwölfjährige ununterbrochene Beschäftigungszeit in Bergbaubetrieben aufwies,
  • in den Zuflussjahren 1977 bis 1989 vom Geltungsbereich der zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau erfasst war und
  • in den Zuflussjahren 1977 bis 1989 keine unentschuldigten Fehlschichten verfahren hatte.

Die kalenderjährlichen Bruttoarbeitsverdienste der jeweiligen Vorjahre (§ 3 Abs. 14 Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO) sind der maßgeblichen Entgeltbescheinigung der LAUBAG vom 28. Juni 2000 zu entnehmen.

 

Dies zu Grunde gelegt, sind für die Klägerin zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau der Zuflussjahre 1977 bis 1989, die jeweils zum "Tag des Bergmanns und des Energiearbeiters", also am ersten Sonntag im Monat Juli der streitgegenständlichen Jahre, zur Auszahlung gelangten, wie folgt berechenbar und daher als glaubhaft gemachte Entgelte in Höhe von fünf Sechsteln (§ 6 Abs. 6 AAÜG) zu berücksichtigen:

 

vorangegangenes Kalenderjahr

Jahresbruttoarbeitsverdienst

Prozentsatz der zusätzlichen Belohnung

zusätzliche Belohnung

davon fünf Sechstel

Zuflussjahr

1976

10.959,61 M

5

547,98 M

456,65 M

1977

1977

4.158,02 M

5

207,90 M

173,25 M

1978

1978

3.470,97 M

5

173,55 M

144,62 M

1979

1979

11.661,89 M

8

932,95 M

777,46 M

1980

1980

11.843,06 M

8

947,44 M

789,53 M

1981

1981

11.933,83 M

8

954,71 M

795,59 M

1982

1982

12.764,69 M

8

1.021,18 M

850,98 M

1983

1983

13.774,94 M

8

1.102,00 M

918,33 M

1984

1984

14.031,18 M

8

1.122,49 M

935,41 M

1985

1985

14.578,71 M

8

1.166,30 M

971,92 M

1986

1986

14.583,93 M

10

1.458,39 M

1.215,33 M

1987

1987

16.714,56 M

10

1.671,46 M

1.392,88 M

1988

1988

19.492,76 M

10

1.949,28 M

1.624,40 M

1989

 

Die Ausurteilung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau für die Zuflussjahre 1977 und 1978 scheitert im Ergebnis letztlich jedoch daran, dass die Klägerin in den konkreten Zuflusszeitpunkten (jeweils erster Sonntag im Monat Juli der Jahre 1977 und 1978 [= 3. Juli 1977 und 2. Juli 1978]) nicht zusatzversorgungsberechtigt war. Ausweislich des Feststellungsbescheides vom 11. Juni 2002 war die Klägerin (unter anderem) im Zeitraum vom 29. Mai 1977 bis 27. November 1977 sowie vom 13. Dezember 1977 bis 31. August 1978 nicht Inhaberin einer fingierten Zusatzversorgungsberechtigung. Dem Feststellungsbescheid vom 11. Juni 2002 kommt insoweit "Tatbestands(Drittbindungs-)wirkung" auch im gerichtlichen Verfahren zu (so ausdrücklich: BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 13; BSG, Urteil vom 14. März 2019 - B 5 RS 1/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 32), sodass das Berufungsgericht lediglich den (von der Beklagten anerkannten und mittels Bescheid festgestellten) Zusatzversorgungszeitraum zu Grunde legen kann. Zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau als weitere, rentenentgeltpunkterhöhende Arbeitsentgelte sind lediglich für Zeiten einer (tatsächlichen oder fingierten) Zusatzversorgung zu berücksichtigen und damit im vorliegenden Fall nicht für die Zuflusszeitpunkte am jeweils ersten Sonntag im Monat Juli der Jahre 1977 und 1978 (= 3. Juli 1977 und 2. Juli 1978).

 

c)

Die zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG waren auch nicht nach der am 1. August 1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 ArEV. Ein bundesrepublikanischer Tatbestand des Steuerrechts, der die Steuerfreiheit der zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau regeln würde, liegt nicht vor.

 

Der Steuerbefreiungstatbestand des § 3 Nr. 46 EStG, der am 1. August 1991 galt, greift im konkreten Fall nicht; und zwar weder direkt noch analog (vgl. dazu bereits insgesamt und ausführlich: Sächsisches LSG, Urteil vom 5. Juli 2016 - L 5 RS 166/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 87-92; Sächsisches LSG, Urteil vom 16. August 2016 - L 5 RS 85/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 50-55; Sächsisches LSG, Urteil vom 30. August 2016 - L 5 RS 590/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 49-54; Sächsisches LSG, Urteil vom 14. Februar 2017 - L 5 RS 230/16 - JURIS-Dokument, RdNr. 57-62; Sächsisches LSG, Urteil vom 28. März 2017 - L 5 RS 216/16 - JURIS-Dokument, RdNr. 68-73; Sächsisches LSG, Urteil vom 16. Januar 2018 - L  RS 400/16 - JURIS-Dokument, RdNr. 55-60; Sächsisches LSG, Urteil vom 24. April 2018 - L 5 RS 895/16 - JURIS-Dokument, RdNr. 147-152; Sächsisches LSG, Urteil vom 12. März 2019 - L 5 R 98/18 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 130-135; Sächsisches LSG, Urteil vom 9. Juli 2020 - L 7 R 558/19 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 95-100; Sächsisches LSG, Urteil vom 26. Januar 2023 - L 7 R 264/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 138-143).

 

Nach § 3 Nr. 46 EStG waren steuerfrei, Bergmannsprämien nach dem (bundesrepublikanischen) Gesetz über Bergmannsprämien. Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Bergmannsprämien (BergPG) vom 20. Dezember 1956 (BGBl. I S. 927) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Mai 1969 (BGBl. I S. 434), geändert durch Art. 82 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) vom 14. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3341) und zuletzt – auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt 1. August 1991 bezogen – geändert durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Bergmannsprämien (BergPG-ÄndG) vom 7. Mai 1980 (BGBl. I S. 532), erhielten Arbeitnehmer, die unter Tage beschäftigt waren, Bergmannsprämien nach den Vorschriften des BergPG. Die Bergmannsprämie betrug ab Mai 1980 zehn DM (Art. 1 Nr. 1 BergPG-ÄndG), wurde für jede unter Tage verfahrene volle Schicht gewährt (§ 2 BergPG), galt weder als steuerpflichtige Einnahme im Sinne des EStG noch als Einkommen, Verdienst oder Entgelt im Sinne der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe und galt arbeitsrechtlich nicht als Bestandteil des Lohns oder Gehalts (§ 4 BergPG). Bereits daraus wird deutlich, dass es sich bei den Bergmannsprämien um eine öffentlich-rechtliche Leistung des Staates und nicht um einen Bestandteil des Arbeitsentgelts handelte. Zwar wurden die Bergmannsprämien vom Arbeitgeber ausgezahlt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BergPG). Der Arbeitgeber haftete jedoch (gegenüber dem Finanzamt) für zu Unrecht gezahlte Bergmannsprämien (§ 3 Abs. 3 Satz 1 BergPG; § 3 Abs. 2 Satz 1 BergPG in der Fassung von Art. 82 Nr. 1 EGAO 1977). Das Finanzamt prüfte nämlich die Voraussetzungen für die Gewährung der Bergmannsprämien; dabei fanden die Vorschriften der Reichsabgabenordnung entsprechende Anwendung (§ 3 Abs. 2 Satz 2 BergPG) bzw. waren auf die Bergmannsprämie die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden (§ 5a Abs. 1 Satz 1 BergPG in der Fassung des Art. 82 Nr. 2 EGAO 1977). Der Arbeitnehmer konnte beantragen, dass das Finanzamt, an das der Arbeitgeber die Lohnsteuer abzuführen hatte, die Bergmannsprämie durch einen schriftlichen Bescheid feststellte (§ 3 Abs. 2 Satz 2 BergPG; § 3 Abs. 1 Satz 5 BergPG in der Fassung des Art. 82 Nr. 1 Buchstabe a) EGAO 1977). In öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die auf Grund des BergPG ergehenden Verwaltungsakte der Finanzbehörden war der Finanzrechtsweg gegeben (§ 3 Abs. 4 Satz 1 BergPG; § 3 Abs. 3 BergPG in der Fassung des Art. 82 Nr. 1 Buchstabe d) EGAO 1977).

 

Die (bundesrepublikanische) Bergmannsprämie war deshalb eine (steuerrechtliche) Subvention, die als Anspruch dem Arbeitnehmer gegenüber der Finanzverwaltung zustand (so zu Recht: LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 19. November 2015 - L 22 R 588/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 60 unter Bezugnahme auf: Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 17. Juni 2010 - VI R 18/08 - JURIS-Dokument, RdNr. 17 und BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 - 8 RKn 21/95 - JURIS-Dokument, RdNr. 17). Dies ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des BergPG und den Motiven des historischen Gesetzgebers. Die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über Bergmannsprämien zeigt, dass Anlass für das Handeln des Gesetzgebers die besorgniserregende Abwanderung von Bergleuten aus der Untertagearbeit, der unzureichende Nachwuchs und eine starke Fluktuation innerhalb der bergmännischen Belegschaft waren, was daraus erklärt wurde, dass das angestammte ausgeprägte Berufsgefühl der Bergleute dem Anreiz, den andere Berufe mit leichterer Arbeit und hoher Entlohnung boten, nicht standzuhalten vermochte (BT-Drs. II/2351, S. 4). Dieser auch aus energiepolitischen Gründen unerwünschten Erscheinung dadurch abzuhelfen, dass der Zugang zum Bergmannsberuf – insbesondere der Untertagearbeit – begehrenswerter gemacht wurde, war Ziel des Gesetzes über Bergmannsprämien (BT-Drs. II/2351, S. 4). Dem Gesetz wohnte eine energie- und eine arbeitsmarktpolitische Tendenz inne. Sein Ziel war nicht die Gewährung einer allgemeinen Erschwerniszulage als Ausgleich für die psychische und physische Belastung der Untertagearbeit. Das BergPG knüpfte zwar – wie sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs ergibt – die Gewährung einer Prämie an die Erschwernisse der Untertagearbeit. Die Anknüpfung an diese Erschwernisse war jedoch erforderlich, weil sie als ursächlich für die unerwünschte Abwanderung angesehen wurde. Anlass und Zweck einer gesetzlichen Förderungsmaßnahme einerseits und ihr Anknüpfungspunkt andererseits sind jedoch nicht gleichzusetzen (BFH, Urteil vom 15. Mai 1981 - VI R 23/77 - JURIS-Dokument, RdNr. 16 und 17). Die Bergmannsprämien sollten in Anerkennung der besonderen Leistungen gewährt werden, die der unter Tage tätige Bergmann für die Allgemeinheit erbrachte und insbesondere die Steuerlast erleichtern, die er zu tragen hatte (BT-Drs. II/2351, S. 4). Der steuerrechtliche Subventionscharakter der Bergmannsprämien wurde rechtstechnisch dadurch hergestellt, dass der Arbeitgeber lediglich als Zahlstelle einer vom Staat im öffentlichen Interesse eingeräumten Steuerminderung fungierte. Denn der Arbeitgeber, der die Bergmannsprämie an den einzelnen Arbeitnehmer zahlte, entnahm den Gesamtbetrag der ausgezahlten Bergmannsprämien dem Betrag, den er für seine Arbeitnehmer insgesamt an Lohnsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen hatte (bzw. erhielt ihn, in den Ausnahmefällen, in denen in einem Betrieb ausnahmsweise die insgesamt einbehaltene Lohnsteuer zur Deckung der Bergmannsprämien nicht ausreichte, vom Finanzamt aus den Einnahmen aus Lohnsteuer erstattet). Mit dem Einbehalt wurde nämlich erreicht, dass sich bei dem für die Abführung der Lohnsteuer zuständigen Finanzamt die Einnahmen an Lohnsteuer um den vom Arbeitgeber für Bergmannsprämien entnommenen Betrag vermindern und dass die Kosten der Bergmannsprämien von Bund und Ländern entsprechend ihrer Beteiligung an den Einnahmen an Lohnsteuern getragen wurden. Die Kosten der Bergmannsprämien wurden daher in voller Höhe von Bund und Ländern, also der öffentlichen Hand, gemeinsam getragen (BT-Drs. II/2351, S. 5).

 

Eine direkte Anwendung des § 3 Nr. 46 EStG auf die zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau scheidet nach alledem bereits deshalb aus, weil es sich bei den zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau nicht um Bergmannsprämien nach dem bundesrepublikanischen Bergmannsprämiengesetz handelte. Als steuerrechtliche Subvention unterscheidet sich die Bergmannsprämie nach dem zuvor Ausgeführten auch deutlich von der zusätzlichen Belohnung für Werktätige im Bergbau, die vom Arbeitgeber als Bestandteil des Arbeitsverdienstes für ununterbrochene langjährige Beschäftigungsdauer in Bergbaubetrieben dem Arbeitnehmer zu zahlen war. Mangels Vergleichbarkeit der zusätzlichen Belohnung für Werktätige im Bergbau mit der Bergmannsprämie in Folge der grundsätzlich anderen Art der Einnahme scheidet auch die entsprechende Anwendung des § 3 Nr. 46 EStG auf die zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau aus (zutreffend so bereits: LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 19. November 2015 - L 22 R 588/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 62). Die anderslautende, vom LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 27. August 2015 - L 1 RS 23/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 20-22; Urteil vom 29. Juni 2016 - L 3 RS 12/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 18-25; Urteil vom 27. Oktober 2016 - L 3 RS 29/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 54-58; Urteil vom 15. März 2017 - L 3 RS 27/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 17-23; Urteil vom 26. April 2017 - L 3 RS 13/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 23; Urteil vom 17. Juli 2017 - L 3 RS 8/16 - JURIS-Dokument, RdNr. 23-27) vertretene Sichtweise, wonach auf die zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau § 3 Nr. 46 EStG entsprechend anzuwenden sei, vermag nicht zu überzeugen. Soweit zur Begründung ausgeführt wird, die Zielstellung der Bergmannsprämien sowohl in der alten Bundesrepublik wie auch in der ehemaligen DDR, nämlich die Kohleindustrie als Motor für einen Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg zu fördern, seien im Wesentlichen gleich gewesen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. August 2015 - L 1 RS 23/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 20), wird verkannt, dass eine übergeordnete Zielstellung weder allein noch ausschließlich die Frage der Vergleichbarkeit zweier völlig unterschiedlich sozialpolitisch und rechtstechnisch ausgestalteter Leistungen determinieren kann. Soweit zur Begründung darüber hinaus auf eine weitgehende Identität der beiden Leistungen abgestellt wird, die aus vergleichbaren äußeren Umständen und einer ähnlichen Konzeption zur Arbeitsmoral abgeleitet werden (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. August 2015 - L 1 RS 23/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 21 und 22), ist dem deutlich entgegenzuhalten, dass eine solchermaßen behauptete "weitgehende Identität" gerade nicht besteht. Der entscheidende Unterschied, der darin besteht, dass einerseits die Bergmannsprämie eine staatliche (steuerrechtliche) Subvention darstellte und andererseits die zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau ein Bestandteil des Arbeitsverdienstes war, wird dabei völlig unberücksichtigt gelassen (zutreffend insoweit bereits: LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 19. November 2015 - L 22 R 588/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 66). Auch die äußeren Umstände der Prämiengewährung sind nicht im Ansatz vergleichbar: Während Bergmannsprämien nur für unter Tage beschäftigte Arbeitnehmer des Bergbaus gezahlt wurden (§ 1 Abs. 1 BergPG), partizipierten von den zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau sämtliche in Bergbaubetrieben Beschäftigten (§ 3 Abs. 3 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Während anspruchsbegründender Anknüpfungspunkt der zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau die ununterbrochene Beschäftigung in einem Bergbaubetrieb war (§ 3 Abs. 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO), wurden die Bergmannsprämien für jede einzelne unter Tage verfahrene volle Schicht gewährt (§ 2 BergPG). Während die Bergmannsprämien wegen ihres steuerrechtlichen Subventionscharakters nicht übertragbar, also weder verpfändbar noch abtretbar, waren (§ 5 BergPG), konnte über zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau als Arbeitsentgelt jede Art von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften geschlossen werden (§§ 436, 449 des Zivilgesetzbuches der DDR).

 

Soweit die Beklagte schließlich meint, nach den Vorschriften des § 3 der Bergbau-VO in der Fassung von § 5 der 5. Bergbau-VO habe die zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau nicht zum Arbeitsverdienst gezählt, da sie, wie die westdeutsche Bergmannsprämie, aus öffentlichen Mitteln finanziert worden sei, "Schirmgeber" die Regierung der DDR gewesen sei und daher die Regelungskompetenz für und Hoheit über die zusätzliche Belohnung im Bergbau nie bei den volkseigenen Bergbaubetrieben oder in den Händen der Kollektivvertragsparteien, sondern immer bei der Regierung der DDR gelegen habe, trifft dieser Einwand nicht zu. Um Arbeitsentgelt handelte es sich bei den zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau bereits deshalb, weil sie eine Gegenleistung des Bergbaubetriebes für die vom Werktätigen erbrachte Arbeitsleistung in Form der erbrachten "ununterbrochenen Beschäftigung" (§ 3 Abs. 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO), damit also in Form von erbrachter Berufstreue und Pflichterfüllung, darstellte, die bei der "Auszahlung der zusätzlichen Belohnung" mit einem dem Beschäftigten auszuhändigenden "Anerkennungsschreiben" honoriert wurde (§ 3 Abs. 18 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Wie bereits hervorgehoben, war es ausweislich von Absatz 3 der Präambel der Bergbau-VO auch deren Ziel zur "Verbesserung der Entlohnung … für die im Bergbau Beschäftigten" beizutragen, weshalb der Arbeitsentgeltcharakter nicht in Zweifel steht. Zwar war die Gewährung der zusätzlichen Belohnung für Werktätige im Bergbau staatlich vorgegeben, es handelte sich aber deshalb nicht um eine – der bundesrepublikanischen Bergmannsprämie vergleichbare – staatliche Subventionierung, weil die zur Zahlung erforderlichen Mittel nicht aus dem Staatshaushalt, sondern aus den Prämien- bzw. Lohnfonds der Bergbaubetriebe aufzubringen waren. Dies ergibt sich deutlich aus § 3 Abs. 6 der Bergbau-VO, wonach die Bezahlung der zusätzlichen Belohnung aus einem in den Finanzplänen der Vereinigungen des Bergbaus einzusetzenden gesonderten Fonds, über den jährlich abzurechnen war, erfolgte. Ebenso bestimmte § 3 Abs. 10 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der "Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau" (2. Bergbau-VO) vom 25. Juni 1953 (DDR-GBl. Nr. 81 S. 825), dass die Bezahlung der zusätzlichen Belohnung aus einem in den Finanzplänen der Werke einzusetzenden gesonderten Fonds, über den jährlich abgerechnet werden musste, erfolgte. Entgegen der Ansicht der Beklagten war auch nicht die Regierung der DDR der einzige oder ausschließliche "Schirmgeber" der zusätzlichen Belohnung, denn die Kollektivvertragsparteien hatten die zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau bereits mit dem RKV Kohle vollständig in das Entlohnungssystem inkorporiert: § 3 der Bergbau-VO in der Fassung der 5. Bergbau-VO war normtextidentisch als Anlage 3 Bestandteil des RKV Kohle vom 1./27. Februar 1967 in der Fassung des 1. bis 7. Nachtrages. Darüber hinaus wurden die Regelungen des § 3 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO mit der "Vereinbarung zur einheitlichen Anwendung der zusätzlichen Belohnung im Bergbau" vom 25. März 1974 (registriert im Bundesarchiv unter der Signatur: D934 / DGB 16039) sowie der als Anlage 9 des ab 1. Januar 1979 geltenden RKV Kohle vereinbarten „Einheitliche[n] Anwendung der Rechtsvorschriften über zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau“ (registriert beim Staatssekretariat für Arbeit und Löhne unter Nr. 103/78) fortgeführt. Die Vorschriften galten unverändert auch im Jahr 1990 weiter, wie sich aus § 15 des "Manteltarifvertrages (MTV/BG) Kohle – Gas für die Arbeitnehmer des Tarifbereichs Braunkohlen- und Gasindustrie" vom 31. Mai 1990 ergibt, der vollständig auf die 5. Bergbau-VO verweist. Vor diesem Hintergrund vermag der Einwand der Beklagten, die Regelungskompetenz für und die Hoheit über die zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau habe zu keinem Zeitpunkt bei den volkseigenen Bergbaubetrieben oder in den Händen der Kollektivvertragsparteien gelegen, nicht zu überzeugen.

 

III.

Zusammenfassend ist daher zu konstatieren, dass zu Gunsten der Klägerin folgende zusätzliche Entgelte festzustellen sind:

 

Zuflussjahr

Jahresendprämien

zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau

Gesamtbetrag

1977

253,69 Mark

---*

253,69 Mark

1978

---*

---*

---

1979

80,35 Mark

144,62 Mark

224,97 Mark

1980

269,95 Mark

777,46 Mark

1.047,41 Mark

1981

274,14 Mark

789,53 Mark

1.063,67 Mark

1982

276,25 Mark

795,59 Mark

1.071,84 Mark

1983

295,48 Mark

850,98 Mark

1.146,46 Mark

1984

 

918,33 Mark

918,33 Mark

1985

 

935,41 Mark

935,41 Mark

1986

 

971,92 Mark

971,92 Mark

1987

 

1.215,33 Mark

1.215,33 Mark

1988

 

1.392,88 Mark

1.392,88 Mark

1989

 

1.624,40 Mark

1.624,40 Mark

* im Zuflusszeitpunkt jeweils nicht zusatzversorgungsberechtigt

 

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Sie berücksichtigt Anlass, Verlauf und Ergebnis des Rechtsstreits. Eine vollständige Kostenerstattung kam – trotz der im Berufungsverfahren nur noch für die Zuflussjahre 1977 bis 1983 in der Mindesthöhe geltend gemachten Jahresendprämie und nur noch für die Zuflussjahre 1977 bis 1989 geltend gemachten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau – nicht in Betracht, weil sowohl im Widerspruchs-, als auch im Klageverfahren Jahresendprämien auch für die Zuflussjahre 1976 und 1984 bis 1990 in Höhe von (mindestens) 70 Prozent des Entgelts des jeweils vorangegangenen Kalenderjahres als glaubhaft gemachtes Arbeitsentgelt begehrt wurden und die Berufung im Hinblick auf die begehrte Jahresendprämie im Zuflussjahr 1978 sowie die begehrten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau in den Zuflussjahren 1977 und 1978 unbegründet ist. Wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostengrundentscheidung war eine einheitliche Kostenquote für das gesamte Verfahren zu bilden.

 

V.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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