L 26 KR 214/22

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
26.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 91 KR 239/20
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 KR 214/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Der Anspruch auf die Aufwandspauschale unterliegt auch nach der Gesetzesänderung in § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.) zum 1. Januar 2016 strukturellen Einschränkungen.

 

2. Er entsteht dann nicht, wenn das Krankenhaus selbst durch eine unrichtige, unvollständige oder missverständliche Abrechnung oder ein vergleichbares pflichtwidriges Verhalten den Grund für die Einschaltung des MDK und damit den Aufwand gesetzt hat.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Mai 2022 wird zurückgewiesen.

 

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von insgesamt 300 Euro nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit.

 

Die Klägerin ist als eingetragener Verein (e. V.) Trägerin eines in den Landeskrankenhausplan Berlin aufgenommenen und für die Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassenen Akutkrankenhauses. Das Krankenhaus nahm am Morgen des 21. Januar 2019 die bei der Beklagten versicherte G. M. (geboren am 3. Juni 1963 – im Folgenden die Versicherte) planmäßig mit den Aufnahmediagnosen N92.0 (Zu starke oder häufige Menstruation bei regelmäßigem Menstruationszyklus), F40.2 (Spezifische (isolierte) Phobien) und Z86.5 (Andere psychische Krankheiten oder Verhaltensstörungen in der Eigenanamnese) auf. Die Aufnahme erfolgte zur vollstationären Behandlung, die Entlassung war im Hinblick auf mögliche Nachblutungen und postoperative Schmerzen für den nächsten Tag, den 22.  Januar  2019, geplant (vgl. medizinische Behandlungsplanung des Krankenhauses vom 25. Januar 2019).

 

Das Krankenhaus der Klägerin führte am 21. Januar 2019 im Rahmen einer Operation mittels Hysteroskopie (Gebärmutterspiegelung) die Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe des Uterus (OPS-Kode 5-681.83) sowie die Entfernung von Myomen durch, dabei erfolgte eine Biopsie am Endometrium mittels fraktionierter Kürettage (OPS 1-471.2, lt. Patientenakte: Ende der OP 12.10 Uhr gemäß ANDOK = Dokumentation Anästhesie).

 

Die Versicherte verließ das Krankenhaus am Abend des 21. Januar 2019 auf eigenen Wunsch (Eintrag im System der Klägerin um 18.54 Uhr: „Patientin wünscht die heutige Entlassung, Patientin wird über postoperative Verhaltensmaßnahmen aufgeklärt“, so S. 5/5 der Patientenakte). Nach dem elektronisch geführten Datensatz der Klägerin erfolgte die Entlassung um 19.26 Uhr.

 

Die Klägerin übermittelte der Beklagten im Verfahren der elektronischen Datenübertragung (DAT) verschlüsselt die Aufnahmedaten, konkret den Aufnahmetag, den Aufnahmegrund der Krankenhausbehandlung, „vollstationär mit vorausgegangener vorstationärer Behandlung (Normalfall)“ sowie alle o. g.  Aufnahmediagnosen, den Entlassungstag, die Uhrzeit und den Entlassungsgrund. Im Rahmen der Datenübertragung verschlüsselte die Klägerin als Entlassungsgrund „019 – Behandlung regulär beendet“ mit den zeitlichen Angaben „21. Januar 19.26 Uhr“.

 

Per Fax-Nachricht vom 25. Januar 2019 wurde der Beklagten die o.g. Behandlungsplanung übersandt, wonach die Entlassung für den 22. Januar 2019 geplant war.

 

Mit der (elektronischen) Kostenübernahme vom 22. Januar 2019 bestätigte die Beklagte der Klägerin das Versichertenverhältnis und die Übernahme der Kosten für die medizinisch notwendige Behandlung. Eine Prüfung der Schlussrechnung behielt sie sich vor.

 

Die Klägerin berechnete für die Behandlung der Versicherten die DRG N25Z (Andere Eingriffe an Uterus und Adnexen oder bestimmten Hernien außer bei bösartiger Neubildung, ohne komplexe Diagnose oder andere kleine Eingriffe an den weiblichen Geschlechtsorganen). Die Beklagte beglich die am 22. Januar 2019 übermittelte Schlussrechnung in Höhe von 2.168,18 Euro.

 

Am 6. Februar 2019 beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK, heute MD) mit der Prüfung einer primären Fehlbelegung, d.h., der Fragestellung: “Bestand die medizinische Notwendigkeit der Aufnahme in ein Krankenhaus zur stationären Behandlung?“. Der MDK übermittelte der Klägerin eine entsprechende Prüfanzeige.

 

Das Prüfverfahren wurde am 16. August 2019 – nach Übermittlung des Ergebnisses der MDK-Prüfung – ohne Beanstandung des Abrechnungsergebnisses abgeschlossen. Nach Feststellung des MDK auf der Grundlage eines bilateralen Fallgesprächs während einer Krankenhausbegehung bestand eine Notwendigkeit der Aufnahme zur stationären Behandlung. Ausweislich des dazu verwendeten „Vordrucks zur Sozialmedizinischen Fallberatung“ wurde die handschriftliche Feststellung „Entlassung: 22.01.19 012  auf eigenen Wunsch“ sowohl vom MDK als auch seitens des Krankenhauses unterzeichnet.

 

Die Klägerin forderte von der Beklagten für das Prüfverfahren betreffend die Behandlung der o.g. Versicherten die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB  V,  Nachberechnung vom 6. September 2019). Die Beklagte lehnte dies am 21. Januar 2020 mit der Begründung ab, eine Abrechnungsprüfung i. S. des Gesetzes bestehe nicht schon bei jeglicher Rückfrage einer Krankenkasse beim Krankenhaus im Zusammenhang mit dessen Abrechnung, sondern nur bei einer Auffälligkeitsprüfung. Voraussetzung sei eine durch die Krankenkasse veranlasste Prüfung mit dem Ziel der Verminderung des Rechnungsbetrages. Für eine Abrechnungsprüfung im engeren Sinne müsse die Krankenkasse den MDK beauftragt haben, eine gutachterliche Stellungnahme mit dem Ziel abzugeben, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu einer Verminderung der abgerechneten Vergütung zu gelangen. Soweit das Krankenhaus dem MDK dagegen nur im Rahmen der Abklärung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung die Möglichkeit eröffne, die Behandlungsunterlagen einzusehen oder einer Krankenhausbegehung zustimme, finde § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V keine Anwendung, weil es sich (dann) nicht um eine Auffälligkeitsprüfung handele. Im Fall der Versicherten habe die Beklagte eine sachlich-rechnerische Prüfung der Abrechnung vorgenommen, weshalb die Aufwandspauschale nicht angefallen sei.

 

Die Klägerin hat am 5. Februar 2020 Klage zum Sozialgericht Berlin, gerichtet auf die Zahlung der Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro nebst Zinsen, erhoben. Eine Diskussion zur Frage der sachlich-rechnerischen Prüfung sei mit Blick auf die Änderung des § 275 Abs. 1c SGB V zum 1. Januar 2016 obsolet. Danach sei als Prüfung i. S. der genannten Vorschrift jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen, mit der die Krankenkasse den MDK beauftrage und die eine Datenerhebung durch diesen beim Krankenhaus erfordere. Mit der Einfügung des Satz 4 zum 1. Januar 2016 sei auch die frühere Rechtsprechung des BSG, wonach nicht jede nachträgliche Prüfung im Zusammenhang mit der Abrechnung einer Krankenhausbehandlung unter Einschaltung des MDK den Anspruch auf eine Aufwandspauschale begründe, nicht mehr einschlägig.

Es sei nicht nachvollziehbar, wenn die Beklagte im Klageverfahren die Zahlung mit dem neuen Argument ablehne, die Klägerin habe die Prüfung des Behandlungsfalles selbst zu verantworten, weil sie den Entlassungsgrund gegenüber der Beklagten nicht zutreffend angeben habe.

 

Der Gesetzgeber habe – gerade bei Änderung des § 275 SGB V zum 1. Januar 2016 – die Zwecke der Beschleunigung und Planungssicherheit betont. Dieser Intention widerspreche eine Tatbestandsauslegung, die zusätzlich prüfe, ob das Krankenhaus einen Anlass zur Prüfung durch den MDK gegeben habe. Hätte der Gesetzgeber bestimmte Fälle nach dem Verursacherprinzip ausschließen wollen, hätte er das in Kenntnis der insoweit bestehenden teleologisch begründeten Rechtsprechung des BSG mit der Gesetzesänderung zum Januar 2016 eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Der Gesetzgeber habe mit der Änderung des § 275 Abs. 1c SGB V zum 1.  Januar 2016 eindeutig klargestellt, dass die Aufwandspauschale unabhängig davon anfalle, ob die Einschaltung des MDK durch eine unrichtige Abrechnung des Krankenhauses bedingt sei.

 

Ungeachtet dessen habe die Klägerin nicht dadurch die Prüfung durch den MDK veranlasst, indem sie im Rahmen der Datenübermittlung nicht die Verschlüsselung „auf eigenen Wunsch“ gewählt habe. Für den Entlassungsgrund „auf eigenen Wunsch“ gebe es im Rahmen des Datenaustauschverfahrens schlichtweg kein eigenes Entlassungskennzeichen, sondern es gebe nur den Entlassungsgrund „gegen ärztlichen Rat“. Tatsächlich sei die Versicherte hier aber nicht gegen ärztlichen Rat entlassen worden, vielmehr sei eine „reguläre Entlassung“ erfolgt. Im Übrigen habe sich der Prüfauftrag an den MDK gar nicht auf die Entlassungsgründe bezogen. Er habe gelautet: „Bestand die medizinische Notwendigkeit der Aufnahme in ein Krankenhaus zur stationären Behandlung?“. Es sei vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar, warum bei Angabe des Entlassungsgrundes „auf eigenen Wunsch“ die Beauftragung des MDK unterblieben wäre. Die Entlassungsart habe auf die grundsätzlich bei Aufnahme zu prüfende medizinische Notwendigkeit der stationären Behandlung keinen Einfluss.

 

Schließlich  habe die Klägerin die Notwendigkeit stationärer Behandlung gegenüber der Beklagten mit dem stationären Behandlungsplan begründet. Die Beklagte habe bei Bedenken oder weitergehenden Informationsbedürfnissen die Möglichkeit gehabt, einen Kurzbericht i. S. des Vertrags über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung für Berlin anzufordern. Auch habe das Sozialgericht Berlin in einem parallelen Verfahren (S 76 KR 992/20) die Auffassung der Klägerin geteilt und die Krankenkasse zur Zahlung der Aufwandspauschale verurteilt.

 

Mit Urteil vom 9. Mai 2022 hat das Sozialgericht – im Einverständnis beider Beteiligten ohne mündliche Verhandlung – die Beklagte verurteilt, an die Klägerin die Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, seit Änderung des §  275  Abs.  1c  Satz  4 SGB V zum 1. Januar 2016 sei als Prüfung i. S. der Vorschrift jede Prüfung der Krankenhausabrechnung zu sehen, mit der die Krankenkassen den MDK beauftragten und die eine Datenerhebung des MDK beim Krankenhaus erfordere. Vorliegend sei es bei der Prüfung der Abrechnung durch den MDK im Auftrag der Beklagten zu einer Datenerhebung bei der Klägerin gekommen. Ob es sich dabei um eine Überprüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit oder eine Auffälligkeitsprüfung gehandelt habe, sei für die Aufwandspauschale ohne Belang. Die Prüfung habe nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt. Der Gesetzgeber habe anlässlich der Änderung zum 1. Januar 2016 betont, die Prüfung bei den Krankenhäusern sei durch eine Pauschale zu entschädigen, wenn dem jeweiligen Krankenhaus ein besonderer Aufwand entstanden sei und es im Zuge der Prüfung nicht zu einer Anspruchsminderung komme. Dieser Intention widerspräche eine Auslegung, die als quasi zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung prüfe, ob das Krankenhaus einen Anlass zur Prüfung gegeben habe und ihm insoweit ein Fehlverhalten anzulasten sei. Wenn der Gesetzgeber bestimmte Konstellationen nach dem Verursacherprinzip von der Zahlung der Aufwandspauschale hätte freistellen wollen, hätte er dies in Kenntnis der o. g. Rechtsprechung des BSG zur Bedeutung einer Mitverursachung mit der Neufassung der Vorschrift eindeutig klargestellt. Das Schweigen der zum 1. Januar 2016 erfolgten Änderung des §  275  SGB V lasse insoweit darauf schließen, dass es für den Gesetzgeber gerade nicht auf die Richtigkeit der Abrechnung angekommen sei. Im Übrigen habe die Klägerin der Beklagten auch keinen Anlass zu einer Einschaltung des MDK gegeben. Die mitgeteilte Entlassungsart hätte keinen Einfluss auf die Frage der Notwendigkeit der stationären Behandlung, die Inhalt des Prüfauftrags an den MDK gewesen sei. Das Sozialgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

 

Die Beklagte hat gegen das ihren Bevollmächtigten am 23. Mai 2022 zugestellte Urteil am 23. Juni 2022 Berufung eingelegt.

 

Die Krankenkassen seien bei einem Verstoß des Krankenhauses gegen seine gesetzlichen Übermittlungspflichten nicht zur Zahlung der Aufwandspauschale verpflichtet. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des BSG bestünden zwischen dem Krankenhaus, dem MDK und der Krankenkasse wechselseitige Auskunfts- und Mitwirkungspflichten auf drei Ebenen. Auf der ersten Stufe hätten die Krankenhäuser die Pflicht, den Krankenkassen bei Krankenhausbehandlung die in §  301  Abs.  1  SGB  V genannten Angaben im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln. Dem Krankenhaus obliege außerdem eine Begründungspflicht in den Fällen, in denen regelhaft eine ambulante Behandlung möglich sei. Eine ambulante Behandlung sei insbesondere regelhaft möglich, wenn sie eine Leistung aus dem Katalog des Vertrags nach § 115b Absatz 1 SGB V – Ambulantes Operieren, sonstige stationsersetzende Eingriffe und stationsersetzende Behandlungen im Krankenhaus (AOP-Vertrag) – beinhalte. Das Krankenhaus habe bei Erbringung solcher Leistungen deshalb über die Angabe der Krankheit hinaus der Krankenkasse auch Mitteilung zu machen, warum ausnahmsweise eine stationäre Behandlung erforderlich sei. Dies gebiete nicht zuletzt der Grundsatz der ambulanten vor der stationären Behandlung.

 

Im vorliegenden Fall habe die Klägerin für die Versicherte eine Leistung aus dem Katalog des AOP-Vertrags erbracht. Die Gründe für die behauptete Notwendigkeit der stationären Behandlung seien aus den Daten des § 301 SGB V nicht zweifelsfrei ersichtlich gewesen. Die Klägerin habe eine besondere medizinische Begründung zu Umständen, die hier ausnahmsweise eine stationäre Behandlung bedingt hätten und der Beklagten gemäß § 301 SGB V zu übermitteln gewesen wären, nicht gegeben. Das BSG habe zuletzt bestätigt, dass ein Krankenhaus in Fällen in denen regelhaft eine ambulante Behandlung ausreichend sei, nicht nur eine Aufnahmediagnose benennen dürfe, die die ärztliche Behandlung rechtfertige, sondern gerade die stationäre Versorgung bedinge. Diese Obliegenheit gelte unabhängig von der mitgeteilten Entlassungsart, wenn eine Leistung aus dem AOP-Katalog vorgelegen habe und diese damit regelhaft ambulant möglich sei. Die Mitteilungspflicht gelte umso mehr, als die Entlassung hier bereits am selben Tag der Aufnahme und gegen ärztlichen Rat erfolgt sei.

 

Allein die Erfüllung der den Krankenkassen obliegenden Prüfpflicht gemäß §  275  SGB V könne dagegen nicht einseitige Zahlungsansprüche des Krankenhauses gegen die Krankenkasse begründen. Das gelte insbesondere bei nachgewiesener Fehlerhaftigkeit der Abrechnung des Krankenhauses.

 

Sollte sich anhand der Patientendokumentation zudem nachvollziehen lassen, dass – wie im bilateralen Fallgespräch zwischen MDK und Krankenhaus vermerkt – die Entlassung der Versicherten tatsächlich erst am 22. Januar 2019 um 0.12 Uhr erfolgt sei, seien der der Beklagten elektronisch übermittelte Datensatz mit dem Entlassungszeitpunkt noch am 21. Januar 2019 und auch die angegebene Entlassungsart falsch. Die Klägerin habe dann bereits deshalb die Prüfung  durch den MDK selbst veranlasst.

 

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Mai 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Die vom MDK auf dem Begutachtungsergebnis handschriftlich vermerkte Uhrzeit „0.12 Uhr“ sei die systemische Entlassung, d. h., die Eingabe der Entlassung der Versicherten im System der Verlaufsdokumentation der Klägerin und damit ein Abschluss der Pflegedokumentation durch den Spät-/Nachtdienst nach 0.00 Uhr. Vielleicht habe man insoweit diese Uhrzeit der Speicherung der Daten als Entlassungszeit interpretiert. Der Zeitpunkt der tatsächlich erfolgten Entlassung der Versicherten ergebe sich aus der Patientenakte wie auch die zutreffende Angabe der Art der Entlassung. Es habe danach keine Entlassung „gegen ärztlichen Rat“ vorgelegen, das habe die Klägerin auch nie vorgetragen. Ohne die Angst der Versicherten, einer „Angst-Patientin“, hätte das Krankenhaus an einem weiteren stationären Aufenthalt festgehalten. Eine Entlassung der Versicherten erst am 22.  Januar 2019 hätte zur Abrechnung eines weiteren Behandlungstages führen müssen. Eine entsprechend korrigierte Abrechnung sei aber nicht erfolgt. Soweit sich die Beklagte im Berufungsverfahren erstmals darauf stütze, die Klägerin habe das Prüfverfahren veranlasst, weil sie keine ausreichende Begründung für die stationäre Behandlung gegeben habe, sei das unzutreffend. Denn die Klägerin habe nach entsprechenden Hinweisen der Beklagten im Rahmen des Verfahrens gemäß § 301 SGB V vom 24. Januar 2019 nachweislich am 25. Januar 2019 einen Behandlungsplan als Begründung für die stationäre Behandlungsnotwendigkeit an die Beklagte übersandt.

 

Sie verweist im Übrigen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die rechtskräftige Entscheidung des Sozialgerichts Berlin im Verfahren S 76 KR 992/20.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen, die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Patientenakte verwiesen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

A. Der Senat durfte eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung treffen. Die Beteiligten haben dazu jeweils vorbehaltlos ihr Einverständnis erklärt (§ 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – i. V. m. §  124  Abs. 2 SGG, vgl. zu den Anforderungen an das Einverständnis jüngst BSG, Beschluss vom 8. Dezember 2022 – B 7 AS 121/22 B –, juris).

 

B. Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

 

Sie ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht auf die Klage der Klägerin die Beklagte zur Zahlung der Aufwandspauschale nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit verurteilt. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Zahlung der Aufwandspauschale und auf die Prozesszinsen.

 

I. Die Klägerin begehrt zulässigerweise im Wege der einfachen Leistungsklage (§  54  Abs. 5 SGG) die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der o.g. Pauschale. Die Beteiligten stehen sich im Abrechnungsverhältnis stationärer Krankenhausleistungen auf der Ebene der Gleichordnung gegenüber (für den Erstattungsanspruch wegen gezahlter Aufwandspauschalen zuletzt ausgeführt von BSG, Urteil vom 16.  Juli  2020  – B 1 KR 15/19 R –, juris).

 

II. Die Klage der Klägerin ist begründet. Der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale ist dem Grunde und der Höhe nach begründet und fällig.

 

Zutreffend hat das Sozialgericht ihn auf § 275 Abs. 1c Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB  V) in der insoweit seit dem 1. Januar 2016 bis zum 31.  Dezember 2019 unveränderten Fassung des Krankenhausstrukturgesetzes (KSHG) vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I, S. 2229) gestützt (jetzt: §  275c  Abs.  1  SGB V in der ab 1. Januar 2020 geltenden Fassung). Maßgeblich für die Frage, welche Fassung von §  275 SGB V zur Anwendung kommt, ist der Zeitpunkt, in welchem der Prüfauftrag der Krankenkasse dem Krankenhaus zugeht, dies geschieht regelhaft in Gestalt der Prüfanzeige (BSG, Urteil vom 16. Juli 2020 – B  1  KR 15/19 R –, Rn. 14, juris). Der MDK hat der Klägerin den Prüfauftrag mit Prüfanzeige vom 6. Februar 2019 mitgeteilt.

 

§ 275 Abs. 1c SGB V a.F. regelt das Prüfverfahren bei Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V. Bei letzterer ist eine Prüfung durch den MDK nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zeitnah durchzuführen (§  275 Abs. 1c Satz 1 SGB V a. F.). Diese Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen (§  275  Abs. 1c Satz 2 SGB V a.F.). Daran anschließend bestimmt § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V a.F.: "Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro zu entrichten." Ferner regelt § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V a.F., dass als Prüfung nach Satz 1 jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen ist, mit der die Krankenkasse den Medizinischen Dienst beauftragt und die eine Datenerhebung durch den Medizinischen Dienst beim Krankenhaus erfordert. Satz 4 wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2016 neu eingefügt.

 

III. Der Anspruch auf Entrichtung einer Aufwandspauschale ist im Fall der Klägerin entstanden, denn die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen sind erfüllt.

 

Die Beklagte hat mit dem Auftrag an den MDK mit dem Inhalt, zu prüfen, ob für die stationäre Behandlung der Versicherten am 21. Januar 2019 eine medizinische Notwendigkeit bestand, eine Prüfung i.S. des § 275 Abs. 1c Satz 1 i. V. m. Satz  2  SGB V veranlasst. Die Prüfung des MDK betraf eine Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V (vgl. dazu §  275 Abs. 1c Satz 1 SGB V). Die Versicherte wurde am 21. Januar 2019 stationär in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen, es lag keine Durchführung und Abrechnung einer ambulanten Operation i. S. des § 115b SGB V vor. Das ergibt sich nicht zuletzt aus der Behandlungsplanung vom 25. Januar 2019 und der Schlussrechnung, in welcher die Klägerin eine stationäre Krankenhausbehandlung abrechnete. Die Prüfung des MDK begründete auch ihrer Art nach die Entstehung der Aufwandspauschale. Seit der Einfügung des §  275  Abs.  1c Satz 4 SGB V begründet jede Prüfung durch den MDK, in welcher er die Abrechnung einer stationären Behandlung prüft und die einen Aufwand durch Erhebung von Daten beim Krankenhaus verursacht und damit Außenwirkung hat, die Entstehung der Aufwandspauschale. Die Einfügung des Satzes 4 reagierte auf die den Anwendungsbereich zuvor einschränkende Rechtsprechung des BSG, wonach §  275 Abs. 1c SGB V nur die sog. Auffälligkeitsprüfung i.S. von §  275  Abs.  1  Satz  1  Nr. 1 SGB V (a.F.) erfassen sollte, hingegen nicht die Richtigkeit der Abrechnung der erbrachten Leistung i. S. der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung (z. B. hinsichtlich der Kodierung). In der Gesetzesbegründung nimmt der Gesetzgeber ausdrücklich Bezug auf diese Rechtsprechung (BT-Drucks. 18/6586, S. 110 – Zu Artikel 6).

 

Die Prüfung hat bei der Klägerin zur Entstehung eines Aufwandes geführt und sie erfolgte nach Erteilung der Schlussrechnung (zu diesem Erfordernis, Padé/Wenner/Lungstras in: Eichenhofer/von Koppenfels-Spieß/Wenner, SGB V, 3.  Aufl. 2018, § 275 Rn. 29 m. w. N. aus der Rechtsprechung auch des LSG Berlin-Brandenburg) und unter Erhebung von Daten, die das Krankenhaus dem MDK zur Verfügung stellte (sog. „bilaterales Fallgespräch“). Die Prüfung des MDK führte schließlich nicht zu einer Minderung des abgerechneten Betrags für die Krankenhausbehandlung (vgl,. § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V).

 

IV. Der Anspruch der Klägerin ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass diese das Prüfverfahren – und damit die Einschaltung des MDK – durch eine fehlerhafte Abrechnung oder ein sonstiges vergleichbares vertragswidriges eigenes Verhalten veranlasst hat.

 

1. Tatsächlich unterliegt der Anspruch auf die Aufwandspauschale auch nach der Gesetzesänderung in § 275 Abs. 1c SGB V zum 1. Januar 2016 strukturellen Einschränkungen. Er entsteht dann nicht, wenn das Krankenhaus selbst durch eine unrichtige, unvollständige oder missverständliche Abrechnung oder ein vergleichbares pflichtwidriges Verhalten den Grund für die Einschaltung des MDK und damit den Aufwand gesetzt hat.

 

Das Bundessozialgericht begrenzte seit dem Urteil vom 22. Juni 2010 (B  1  KR  1/10  R) den Anspruch auf die Aufwandspauschale mit Blick auf den Sinn und Zweck der Anspruchsgrundlage in ihrem funktionalen Zusammenspiel mit der Prüfregelung des § 275 Abs. 1 SGB V und unter Berücksichtigung des Sonderrechtsverhältnis zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern innerhalb eines Vertragsrahmens. Zur Begründung führte das Bundessozialgericht aus: Diese Dauerrechtsbeziehung sei nach ständiger Rechtsprechung u.a. von gegenseitiger Rücksichtnahme und dem Prinzip von Treu und Glauben geprägt. Dieses Verständnis gebiete es, die Norm des §  275 Abs. 1c Satz 3 SGB V nicht isoliert allein anhand ihres Wortlautes auszulegen. Demgemäß entstehe nicht stets dann bereits ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale, wenn die MDK-Prüfung beim Krankenhaus nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führe. Ein Anspruch auf Aufwandspauschale ist nach dieser Auffassung des Bundessozialgerichts ausgeschlossen, wenn die Krankenkasse durch eine fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses zur Prüfung nach § 275 SGB V veranlasst wurde. Fehlerhaft ist danach insbesondere eine Abrechnung, die unter Verstoß  gegen die gesetzlichen Übermittlungspflichten, wie sie sich aus §  301  SGB  V ergeben, erfolgt. Denn § 301 SGB V i. V. m. der auf § 301 Abs. 3 SGB V beruhenden Vereinbarung zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft verpflichtet das Krankenhaus bei Krankenhausbehandlung, die näher geregelten Angaben im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern den Krankenkassen zu übermitteln. Das Krankenhaus verhält sich demgemäß pflichtwidrig wie auch vertragswidrig, wenn die übermittelten Abrechnungsdaten den Vorgaben nicht genügen. Dem ist nach Auffassung des Bundessozialgerichts der Fall gleichzustellen, in welchem das Krankenhaus entgegen seiner Pflicht auf Verlangen der Krankenkasse die medizinische Begründung für eine Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenbehandlung an die Krankenkasse nicht (elektronisch) übermittelt (Verweis auf § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V, BSG, Urteil vom 22. Juni 2010 – B 1 KR 1/10 R, Rn. 18; Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 13/14 R –, Rn. 23 juris).

 

Diese aus Sinn und Zweck der Aufwandspauschale folgende Interpretation der Anspruchsnorm beansprucht auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Änderung zum 1. Januar 2016 zur Überzeugung des Senats weiterhin Geltung. Insbesondere der Einschub des Satzes 4 in §  275 Abs. 1c SGB V steht dem nicht entgegen. Die Gesetzesänderung reagierte auf die anspruchseinschränkende (teleologische) Auslegung durch das Bundessozialgericht hinsichtlich der Frage, welche Prüfverfahren die Aufwandspauschale überhaupt nach sich ziehen (dazu oben). So nimmt die Gesetzesbegründung allein die höchstrichterliche Rechtsprechung ins Visier, soweit diese seit 2010 den Anwendungsbereich der Aufwandspauschale auf bestimmte Prüfarten beschränkte. Von der Einbeziehung aller Prüfarten in § 275 Abs. 1c SGB V mit dem Satz 4 erhoffte sich der Gesetzgeber u.a. einen Beschleunigungseffekt. Zur Bedeutung eines Fehlverhaltens des Krankenhauses, einschließlich der möglichen Folgen für den Anspruch auf Aufwendungsersatz und der zu dieser Frage ebenfalls ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts äußerte sich der Gesetzgeber dagegen nicht (BT-Drucks. 18/6586, S. 110 – Zu Artikel 6). Diese Fragen spielten bei der Gesetzesänderung zur Überzeugung des Senats erkennbar keine Rolle.

 

Gerade das unveränderte Zusammenspiel von §  275 SGB V i. V. m. § 301 SGB V gebietet es auch weiterhin, dass ein Krankenhaus dann keinen Anspruch auf die Aufwandspauschale erwirbt, wenn es selbst die Prüfung durch den MDK durch eigenes Fehlverhalten provoziert hat. Eine grundlegende Änderung hätte zudem einer Änderung im Wortlaut der Norm des § 275 Abs. 1c SGB V a.F. – vergleichbar dem Satz 4 – bedurft.

 

Zur Überzeugung des Senates ist vor diesem Hintergrund auch für Prüffälle ab Januar 2016 daran festzuhalten, dass kein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale besteht, wenn das Prüfverfahren durch ein Fehlverhalten des Krankenhauses veranlasst worden ist (so im Ergebnis auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Mai 2022 – L  5  KR 135/21 -, Rn. 16, juris). Dies hat zuletzt auch das Bundessozialgericht ausdrücklich mit Urteil vom 7. März 2023 für eine Krankenhausbehandlung, die 2019 erfolgte, bestätigt (Az.: B 1 KR 11/22, Terminbericht 7/23 vom 7.März 2023 zur o. g.  Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz).

 

2. Die Klägerin hat im vorliegenden Fall die Einleitung der Prüfung durch den MDK nicht durch ihr Verhalten veranlasst. Sie hat der Beklagten weder eine fehlerhafte Abrechnung übersandt oder sonst gegen die Pflichten aus § 301 SGB V verstoßen noch ein vergleichbares vertrags- oder pflichtwidriges Verhalten im Zusammenhang mit der stationären Behandlung der Versicherten gezeigt. Sie hat keine eigene Obliegenheit verletzt, die es rechtfertigen könnte, ihr den Anspruch auf Aufwendungsersatz zu verwehren.

 

Die Klägerin hat im Wege der elektronischen Übermittlung keine unrichtigen Angaben zum Entlassungsgrund aus der stationären Behandlung vorgenommen. Gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind die dort genannten einzelnen Angaben im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an die Krankenkasse zu übermitteln. Das Nähere ergibt sich aus der auf § 301 Abs. 3 SGB V beruhenden Vereinbarung zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Zu den Pflichtangaben gehören u.a. der Tag und die Uhrzeit sowie der Grund für die Entlassung aus der stationären Behandlung. Diese Angaben erfolgen gemäß Anlage 2 zur § 301-Vereinbarung, hier in der Fassung vom 12. Oktober 2018 (abrufbar unter: www.gkv-datenaustausch.de), mittels Verwendung der dort vereinbarten Schlüsselkennzahlen. Schlüssel 5 (betreffend 1. und. 2. Stelle der Zahl) gibt die möglichen Entlassungsgründe abschließend vor. Neben „Behandlung regulär beendet“ („01“) findet sich „Behandlung aus sonstigem Grund beendet“ („03“) sowie „Behandlung gegen ärztlichen Rat beendet“ („04“). Ein Schlüsselkennzeichen für „Behandlung auf eigenen Wunsch beendet“ bzw. „Entlassung auf eigenen Wunsch“ gibt es nicht.

 

Gemessen daran hat die Klägerin nachweislich den Entlassungsgrund „01“ an die Beklagte übermittelt. Die damit gekennzeichnete Entlassung als „regulär“ war nicht unrichtig. Die Versicherte hat die Klinik zwar auf eigenen Wunsch verlassen, aber nicht gegen ärztlichen Rat. Das belegt auch die Patientenakte. Dass die Klägerin die Art der Entlassung nicht weiter (im Wortsinn) „aufschlüsseln“ konnte, verletzt keine Obliegenheit, sondern ist strukturell bedingt. Die rahmenvertraglich vereinbarten Schlüsselkennzahlen boten keine Möglichkeit die „Entlassung auf eigenen Wunsch“ separat abzubilden.

 

Die Übermittlung des Datums der Entlassung und der Uhrzeit mit 21. Januar 2019, 19.26 Uhr, war schließlich nicht nachweislich falsch. Aus dem auf dem MDK-Vordruck zur Sozialmedizinischen Fallberatung während eines bilateralen Fallgesprächs verzeichneten handschriftlichen Vermerk „stationär begründet, Entlassung: 22.01.19 012  auf eigenen Wunsch !!“ lässt sich sowohl nach dem Wortlaut als auch der Auswertung der Patientenakte nicht schließen, dass die Versicherte tatsächlich erst nach 0.00 Uhr in der Nacht vom 21. auf den 22. Januar 2019 entlassen wurde und die Übermittlung des Entlassungsdatums (21. Januar) falsch war. Zum einen enthält der handschriftliche Vermerk keine Uhrzeit, sondern die Zahl 012 . Es fehlt die Angabe, dass es eine Uhrzeit ist und der Punkt zwischen der Stunden- und Minutenangabe. Zum anderen ergibt sich aus der Patientenakte, dass die Versicherte um 18.54 Uhr den Wunsch nach Entlassung äußerte und über postoperative Verhaltensweisen aufgeklärt wurde. Ferner findet sich keinerlei Dokumentation weiterer ärztlicher oder pflegerischer Maßnahmen oder Hinweise für einen weiteren Aufenthalt nach 19.00 Uhr. Die Ziffernfolge 012  könnte einem Kürzel bzw. einer Verschlüsselung aus dem internen System entsprechen und darauf hindeuten, dass die systemische Entlassung erst am 22. Januar 2019 in das System eingepflegt wurde. Ähnliche Ziffern finden sich in der Patientenakte in der Spalte rechts neben dem Datum und der Uhrzeit für einzelne dokumentierte Behandlungs- oder Pflegemaßnahmen.

 

Die Klägerin hat auch nicht in sonstiger Art und Weise durch eigenes oder ihr zurechenbares (pflicht- oder gesetzwidriges) Verhalten die MDK-Prüfung veranlasst. Zwar handelt es sich bei dem operativen Eingriff bei der Versicherten (OPS-Kode: 5-681.83) um eine Operation, die nachweislich zum Leistungskatalog Ambulantes Operieren gehört, den der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gemäß § 115b SGB V vereinbaren. Die durchgeführte Operation findet sich in dem  Katalog ambulant durchführbarer Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe in der zum 1. Januar 2019 vereinbarten Fassung unter Abschnitt 1 unter Ambulant durchführbare Operationen und sonstige stationsersetzende Eingriffe gemäß § 115b SGB V aus Anhang 2 zu Kapitel 31 des EBM (abrufbar unter www.gkv-spitzenverband.de, Archiv der AOP-Verträge).

 

Die Klägerin hat ihre Übermittlungs- und Begründungspflichten für die Notwendigkeit stationärer Behandlung nicht verletzt, wie es die Beklagte erstmals in der Berufung vorgetragen hat. Sie hat zum einen im Rahmen der Datenübermittlung nach § 301 SGB V bei den Aufnahmediagnosen nicht nur die Diagnose N92.0 (Zu starke oder zu häufige Menstruation bei regelmäßigem Menstruationszyklus), sondern auch die Diagnosen F40.2 (Spezifische (isolierte) Phobien) und Z86.5 (Andere psychische Krankheiten oder Verhaltensstörungen in der Eigenanamnese) übermittelt. Damit wurde der Beklagten zeitnah die Kenntnis von Komorbiditäten verschafft, die Anlass gaben, ein Abweichen von einem typischerweise ambulant erbringbaren Eingriff zu prüfen (vgl. zur notwendigen Mitteilung von Begleiterkrankungen, BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 3 KR 14/11 R –, BSGE 111, 58-71, Rn. 34, juris).

 

Darüber hinaus hat die Klägerin nachweislich am 25. Januar 2019 – wohl auf Anforderung der Beklagten – den Behandlungsplan als Begründung für den stationären Aufenthalt per Fax-Nachricht übermittelt. Dies geschah noch vor der Beauftragung des MDK am 6. Februar 2019. Damit lag der Beklagten eine medizinische Begründung für den stationären Aufenthalt vor. Einen anderen Geschehensablauf behauptet auch die Beklagte zuletzt nicht mehr.

 

Aus alldem folgt, dass die Klägerin bereits vor der Beauftragung des MDK Angaben zu Gründen machte, die Anlass für die stationäre Versorgung der Versicherten hätten geben können (vgl. zu diesem Aspekt, BSG, Beschluss vom 6. September 2021 – B 1 KR 99/20 B –, Rn. 8, juris).

 

V. Der Anspruch auf die Prozesszinsen beruht auf § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB V i. V. m.  §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch, § 94 SGG. Er kann nicht auf Vereinbarungen oder sonstige Regelungen zum Anspruch auf Vergütung für erbrachte Leistungen gestützt werden, da die Aufwandspauschale kein Vergütungsanspruch des Leistungserbringers ist, sondern sich aus dem Gesetz selbst ergibt (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B  1 KR 24/14 R –, Rn. 14, juris).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m.  §  154  Abs.  2  Verwaltungsgerichtsordnung.

 

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
Saved