1. Seit der Corona-Pandemie im Bezug von Grundsicherungsleistungen stehende Antragsteller fallen unter die durch das Bürgergeld-Gesetz zum 01.01.2023 neu eingeführte Karenzzeit im Hinblick auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung von einem Jahr nach § 22 SGB II, weil gemäß § 65 Abs. 3 SGB II Zeiten eines Leistungsbezugs bis 31.12.2022 unberücksichtigt bleiben.
2. Der erforderliche Umzug in eine kostenunangemessene Wohnung stellt jedoch eine nach § 22 Abs. 4 SGB II zu berücksichtigende Zäsur während der Karenzzeit dar. Hierdurch entfällt der Schutzzweck des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II, Leistungsberechtigen die vorhandene Wohnung und das bisherige Lebensumfeld zu erhalten, und höhere als angemessene Aufwendungen können nur bei vorheriger Zusicherung durch den Leistungsträger anerkannt werden.
3. Aus § 22 Abs. 1 Satz 3 Hs. 2, Satz 6 SGB II kann nicht der Gegenschluss gezogen werden, dass nach einem erforderlichen Umzug weiterhin die tatsächlichen Aufwendungen ohne Begrenzung unter Angemessenheitsgesichtspunkten anerkannt werden.
I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 01.02.2023 bis 31.07.2023 vorläufig Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 851,78 Euro zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 1/4 zu erstatten.
G r ü n d e :
I.
Streitig im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist die Gewährung der vollständigen, hilfsweise der bisherigen Kosten der Unterkunft und Heizung zuzüglich der Heizkosten für die ab 01.02.2023 neu angemietete Drei-Zimmer-Wohnung des Antragstellers.
Der am 1962 geborene Antragsteller steht seit September 2020 im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Antragsgegner.
Er bewohnte alleine eine ca. 120 qm große Doppelhaushälfte in der R-Straße in E-Stadt mit einem monatlichen Mietzins von 1.050 Euro (990 Euro Grundmiete und 60 Euro Betriebskosten). Mit Bescheid vom 01.09.2022 gewährte der Antragsgegner dem Antragsgegner SGB II - Leistungen für den Zeitraum von September 2022 bis August 2023 in Höhe von 1.623,38 Euro (davon 449 Euro Regelbedarf, 1.050 Euro Kosten der Unterkunft und 124,38 Euro Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung).
Am 30.09.2022 informierte das Amtsgericht R1-Stadt den Antragsgegner, dass am 25.08.2022 aufgrund von Mietrückständen in Höhe von 5.250 Euro eine Räumungsklage gegen den Antragsteller eingegangen sei. Mit Schriftsatz vom 17.11.2022 setzte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers den Antragsgegner darüber in Kenntnis, dass der Antragsteller verurteilt worden sei, die Doppelhaushälfte unter Gewährung einer Räumungsfrist bis 31.01.2023 zu räumen.
Mit Schreiben vom 18.11.2022 übermittelte der Antragsgegner dem Antragsteller eine Übersicht über die aktuellen Mietobergrenzen und wies den Antragsteller darauf hin, dass vor Unterzeichnung eines neuen Mietvertrages dieser zur Genehmigung beim Antragsgegner vorgelegt werden müsse. Mit Änderungsbescheid vom 17.12.2022 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller SGB II - Leistungen im Zeitraum von Januar bis August 2023 in Höhe von 1.676,38 Euro (davon 502 Euro Regelbedarf, 1.050 Euro Kosten der Unterkunft und 124,38 Euro Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung) für Januar 2023 sowie in Höhe von monatlich 626,38 Euro (davon 502 Euro Regelbedarf und 124,38 Euro Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung) für Februar bis April 2023.
Am 19.01.2023 beantragte der Antragsteller telefonisch den Umzug in eine ca. 86 qm große Drei-Zimmer-Wohnung in der C-Straße in E-Stadt mit einem monatlichen Mietzins in Höhe von 1.464,05 Euro (davon 1.114,10 Euro Grundmiete, 170 Euro Heizung und Warmwasser, 129,95 Euro Betriebskosten und 50 Euro Miete Tiefgaragenstellplatz).
Daraufhin teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit E-Mail vom 19.01.2023 mit, dass die Kosten für die angebotene Wohnung bei einer Obergrenze für eine angemessene monatliche Bruttokaltmiete für eine Person von 561,22 Euro unangemessen hoch seien und dem Umzug nicht zugestimmt werde. Sollte der Antragsteller die Wohnung dennoch anmieten, werde nur die angemessene Bruttokaltmiete zuzüglich der Heizkosten in Höhe von 170 Euro und mithin 731,22 Euro monatlich anerkannt.
Mit Bescheid vom 30.01.2023 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Zustimmung zu dem Umzug ab, da die aktuelle Mietobergrenze für A-Stadt erheblich überschritten werde. Zusätzlich wurde dem Antragsteller noch ein aktuelles Informationsblatt mit den Richtwerten ab Januar 2023 übersendet.
Am 31.01.2023 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht München gestellt. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf vorläufige Übernahme der Bruttokaltmiete seines seit 01.02.2023 laufenden Mietverhältnisses. Die Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei über die Übergangsvorschriften in § 65 Abs. 3 und Abs. 6 SGB II zugunsten des Antragstellers anzuwenden. Entsprechend seien die Bedarfe für Unterkunft und Heizung innerhalb der Karenzzeit von einem Jahr in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen. Der Antragsteller habe trotz intensiver Wohnungssuche, auch aufgrund des mit der Stellung eines SGB II - Leistungsbeziehers verbundenen Nachteils, keine angemessene Wohnung gefunden. Zu berücksichtigen sei weiterhin, dass sich die minderjährige Tochter des Antragstellers, die bei ihrer Mutter ebenfalls in E-Stadt lebt, regelmäßig, gewöhnlich am Wochenende, beim Antragsteller aufhalte.
Zum 01.02.2023 hat der Antragsteller die Drei-Zimmer-Wohnung in der C-Straße in E-Stadt angemietet und ist dort nach Räumung der Doppelhaushälfte eingezogen. Die Mietkaution in Höhe von 2.228,20 Euro sei nach Angaben des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers im Wege eines Privatdarlehens erbracht worden. Die Mietzahlung für Februar 2023 sei seit 03.02.2023 fällig.
Der Antragsteller beantragt wörtlich,
1. den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller für die Zeit ab 01.02.2023 vorläufig bis maximal zum Ablauf des 31.01.2024 Leistungen der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe der Bruttokaltmiete von monatlich 1.294,05 Euro (Kaltmiete 1.114,10 Euro + Nebenkosten in Höhe von 129,95 Euro) zu zahlen.
2. hilfsweise dem Antragsgegner ab 01.02.2023 für die Karenzzeit von einem Jahr die bisherigen Kosten der Unterkunft in Höhe von 1.050 Euro weiter zu gewähren und zuzügliche Heizkosten von monatlich durchschnittlich 150 Euro zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Kosten der Unterkunft nur in angemessener Höhe zu berücksichtigen seien. Hierzu sei der Antragsgegner auch bereit. Der Antrag auf Zustimmung zum Umzug in die Drei-Zimmer-Wohnung sei hingegen zu Recht abgelehnt worden, weil die neue Miete für einen Ein-Personen-Haushalt unangemessen hoch sei. § 22 Abs. 1 Satz 6 SGB II sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Zwar seien die Regelungen zur Karenzzeit, wonach Zeiten eines Leistungsbezugs bis zum 31.12.2022 unberücksichtigt bleiben, grundsätzlich einschlägig, jedoch handele sich nicht um einen nicht erforderlichen Umzug. Eine Ausweitung auf alle Umzüge sei nicht ersichtlich. Im Übrigen sei es Sinn und Zweck des Bürgergeldgesetzes mit seiner Karenzzeit, Bestandswohnraum zu sichern, damit sich Bezieher von Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende auf die Arbeitssuche fokussieren könnten und nicht durch einen Umzug davon abgehalten würden. Daher verweise § 65 SGB II auch nur auf § 22 Abs. 1 SGB II und gerade nicht auf § 22 Abs. 4 SGB II. Nach der Recherche des Antragsgegners am 01.02.2023 waren fünf Ein-Zimmer-Wohnung und zwei Zwei-Zimmer-Wohnungen mit angemessenen Mieten zur Vermietung inseriert.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat im tenorierten Umfang Erfolg.
Indem sich der Antragsteller gegen den Ablehnungsbescheid vom 30.01.2023 wendet und die vorläufige Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung für die neu angemietete Drei-Zimmer-Wohnung im Zeitraum vom 01.02.2023 bis höchstens 31.01.2024 in Höhe von monatlich 1.294,05 Euro (Kaltmiete 1.114,10 Euro + Nebenkosten in Höhe von 129,95 Euro), hilfsweise in Höhe von 1.050 Euro Grundmiete zuzüglich der Heizkosten von durchschnittlich 150 Euro begehrt, strebt er eine Erweiterung seiner Rechtsposition an. Statthaft ist die einstweilige Anordnung in Form einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Anträge sind im Hinblick auf die Höhe der begehrten Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 123 SGG auslegungsbedürftig. Das Gewollte, also das mit dem Eilantrag verfolgte Prozessziel, ist im Wege der Auslegung festzustellen. In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 BGB ist der wirkliche Wille zu erforschen. Dabei sind nicht nur der Wortlaut, sondern auch die sonstigen Umstände des Falles, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind, zu berücksichtigen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips alles begehrt wird, was dem Kläger aufgrund des Sachverhalts rechtlich zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 14.06.2018 - B 9 SB 2/16 R). Vorliegend geht die Vorsitzende unter Heranziehung des Mietvertrags über die neue Wohnung des Antragstellers und des sonstigen Vorbringens im Antragsverfahren davon aus, dass der Antragsteller die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für die Bruttokaltmiete in Höhe von 1.244,05 Euro (1.114,10 Euro Grundmiete und 129,95 Euro Betriebskosten) zuzüglich der Heizkosten in Höhe von monatlich 170 Euro und damit monatlich insgesamt 1.414,05 Euro, hilfsweise die bisherigen Kosten der Unterkunft in Höhe von 1.050 Euro zuzüglich der Heizkosten in Höhe von monatlich 170 Euro und damit monatlich insgesamt 1.220 Euro geltend machen möchte.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung sind ein Anordnungsanspruch im Sinne einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage sowie ein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit. Anordnungsanspruch und -grund sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Der Anordnungsanspruch bezieht sich auf das geltend gemachte materielle Recht des Antragstellers, für das vorläufiger Rechtsschutz beantragt wird. Anordnungsgrund ist die Notwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile. Vermieden werden soll sowohl bei Sicherungs- als auch bei Regelungsanordnungen, dass der Antragsteller vor vollendete Tatsachen gestellt wird, bevor er wirksamen Rechtsschutz erlangen kann (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b, Rn. 27a). Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn der Antragsteller nach materiellem Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf die begehrte Leistung hat. Dabei reicht im Eilverfahren die Überzeugung aus, dass der materielle Anspruch und die Eilbedürftigkeit überwiegend wahrscheinlich sind. Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, die das Gericht im einstweiligen Rechtsschutz summarisch prüft, umso geringer sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und umgekehrt. Wenn die Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, ist ein Recht, das geschützt werden muss, nicht vorhanden. Der Antrag auf eine einstweilige Anordnung ist in diesem Fall, auch wenn ein Anordnungsgrund gegeben ist, abzulehnen. Ist die Klage offensichtlich zulässig und begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund (vgl. Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 86b SGG, Stand 15.07.2022, Rn. 494, 503, 523). Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich (vgl. BayLSG, Beschluss vom 14.05.2019 - L 16 AS 293/19 B ER). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage und damit der Beurteilung, ob Anordnungsgrund und -anspruch vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Antrag (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/
Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b, Rn. 42).
Unter Zugrundelegung der vorbezeichneten Grundsätze ist der Anordnungsanspruch vorliegend zum Teil glaubhaft gemacht. Nach Auffassung der Vorsitzenden ergibt sich kein Anspruch des Antragstellers auf Übernahme der begehrten Kosten der Unterkunft und Heizung, vielmehr sind die Kosten der Unterkunft nur in angemessener Höhe zuzüglich der monatlich anfallenden Heizkosten zu berücksichtigen. Zur Übernahme der angemessenen Kosten für einen Ein-Personen-Haushalt in Höhe von 731,22 Euro (561,22 Euro Grundmiete und 170 Euro Heizkosten) hat sich der Antragsgegner bereits im Bescheid vom 30.01.2023, aber auch im übrigen Austausch mit der Antragstellerseite und im laufenden Antragsverfahren mehrmals bereit erklärt. Unter Berücksichtigung des Umgangsrechts des Antragstellers mit seiner minderjährigen Tochter orientiert sich die Angemessenheit der Unterkunftskosten jedoch an einem Zwei-Personen-Haushalt. Im Wege der einstweiligen Anordnung wird der Antragsgegner daher zur Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 851,78 Euro (681,78 Euro Grundmiete und 170 Euro Heizungskosten) verpflichtet.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals SGB II - Leistungen bezogen werden. Hierbei bleiben Zeiten eines Leistungsbezugs bis 31.12.2022 gemäß § 65 Abs. 3 SGB II unberücksichtigt. Innerhalb der Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt (§ 22 Abs. 1 Satz 3 Hs. 1 SGB II). Erhöhen sich die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug, wird nach § 22 Abs. 1 Satz 3 Hs. 2, Satz 6 SGB II nur der bisherige Bedarf anerkannt. Ausweislich des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für ein Zwölftes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetzes - Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) sollten höhere Aufwendungen aufgrund eines Umzugs nur anerkannt werden, wenn der Umzug erforderlich war (vgl. S. 103). Zu beachten ist jedoch § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II, der im weiteren Gesetzgebungsverfahren zum Bürgergeld-Gesetz eingefügt wurde. Demnach werden innerhalb der Karenzzeit nach § 22 Abs. 1 Satz 2 bis 5 SGB II nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus: Sinn der Karenzzeit ist es, Leistungsberechtigten die bei Beginn des Leistungsbezugs vorhandene Wohnung für die Dauer der Karenzzeit zu erhalten. Bei einem Umzug innerhalb der Karenzzeit entfällt dieser Schutzzweck. Da zudem nach Ablauf der Karenzzeit ohnehin eine Angemessenheitsprüfung stattfinden muss, wird neu geregelt, dass höhere als angemessene Aufwendungen nur dann anerkannt werden, wenn der kommunale Träger dies zugesichert hat. [...] Der kommunale Träger kann innerhalb der Karenzzeit auch höhere als die angemessenen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, insbesondere dann, wenn die Beendigung des Leistungsbezuges vor Ablauf der Karenzzeit zu erwarten ist. Wird vor dem Umzug keine Zusicherung eingeholt, ist die Anerkennung auf die angemessenen Aufwendungen begrenzt (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum Bürgergeld-Gesetz vom 09.11.2022, BT-Drs. 20/4360).
Mithin sind die vollen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung der ab 01.02.2023 angemieteten Drei-Zimmer-Wohnung ohne Begrenzung unter Angemessenheitsgesichtspunkten nicht anzuerkennen. Zwar fällt der seit September 2020 im Bezug von Grundsicherungsleistungen stehende Antragsteller unter die durch das Bürgergeld-Gesetz zum 01.01.2023 neu eingeführte Karenzzeit im Hinblick auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung von einem Jahr nach § 22 SGB II, weil gemäß § 65 Abs. 3 SGB II Zeiten eines Leistungsbezugs bis 31.12.2022 unberücksichtigt bleiben und die Karenzzeit für den Antragsteller somit bis 31.12.2023 läuft. Allerdings stellt der Umzug in die Drei-Zimmer-Wohnung zum 01.02.2023 eine nach § 22 Abs. 4 SGB II zu berücksichtigende Zäsur während der Karenzzeit dar. Hierdurch entfällt der Schutzzweck des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II, dem Antragsteller als Leistungsberechtigen die vorhandene Wohnung und das bisherige Lebensumfeld, im vorliegenden Fall also die bis zum Auszug der geschiedenen Ehefrau und der gemeinsamen Tochter als Familienwohnung dienende Doppelhaushälfte, zu erhalten und höhere als angemessene Aufwendungen können nur bei vorheriger Zusicherung durch den Leistungsträger anerkannt werden. Aus § 22 Abs. 1 Satz 3 Hs. 2, Satz 6 SGB II kann entgegen der Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers nicht der Gegenschluss gezogen werden, dass nach einem erforderlichen Umzug weiterhin die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden. Obwohl der Antragsteller trotz der an ihn vom Antragsgegner ausgezahlten vollständigen Kosten der Unterkunft Mietrückstände angehäuft hat, die im Januar 2022 zur Kündigung, im August 2022 zur Räumungsklage, im November 2022 zum Anerkenntnisurteil und schließlich Ende Januar 2023 zur Räumung der Doppelhaushälfte geführt haben, ist aufgrund des unweigerlichen Verlusts der Mietwohnung unstreitig von der Erforderlichkeit des Umzugs auszugehen. Allerdings bezieht sich § 22 Abs. 1 Satz 6 SGB II nach Einschätzung der Vorsitzenden aufgrund des spezielleren § 22 Abs. 4 Satz 2 SGB II auf Fälle, bei denen sich die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung innerhalb der Angemessenheitsgrenze erhöht haben. Mangels Zusicherung des Antragsgegners, die nach dem Umzug höheren als angemessenen Aufwendungen als Bedarf anzuerkennen, sind die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nur in angemessener Höhe zu gewähren. Mangels Angemessenheit der Aufwendungen für die neue Unterkunft des Antragstellers besteht auch kein Anspruch auf Erteilung der Zusicherung nach § 22 Abs. 4 Satz 3 SGB II.
Der Landkreis R1-Stadt verfügt über kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Grenzen für die abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten. Daher bestimmt sich die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in nicht zu beanstandender Weise an den Werten des Wohngeldgesetzes zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 Prozent. Der Wohnort des Antragstellers ist Mietstufe IV der aktuellen Wohngeldtabelle zuzuordnen. Im Hinblick auf die zu berücksichtigende Anzahl der Haushaltsmitglieder ist zu beachten, dass sich die fünfzehnjährige Tochter des allein lebenden Antragstellers nach dessen Vortrag regelmäßig, gewöhnlich an den Wochenenden, bei ihm aufhält. Trotz des verfassungsrechtlich geschützten Umgangsrecht von Eltern und Kind sind bei der Ermittlung der konkreten Angemessenheit nicht grundsätzlich höhere Unterkunftskosten anzuerkennen. Vielmehr ist eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung u.a. der Ausgestaltung des Umgangsrechts, des Alters des Kindes, der Lebenssituation und der Wohnverhältnisse des umgangsberechtigten Elternteils erforderlich (vgl. Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, Stand 06.02.2023, § 22, Rn. 101). Bei der Übernachtung eines einzelnen, im selben Wohnort lebenden Kindes an wenigen Tagen im Monat erscheint es möglich und zumutbar, beispielsweise auf eine Übernachtung auf der Couch im Wohnzimmer auszuweichen. Allerdings spricht das Lebensalter der Tochter des Antragstellers aufgrund der zu berücksichtigenden entwicklungspsychologischen Gesichtspunkte für die Erforderlichkeit eines weiteren Zimmers als Rückzugsort. Und auch der dargelegte zeitliche Umfang weist den Aufenthalten wohl nicht nur Besuchscharakter zu. Letztendlich kann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend bewertet werden, ob ein erhöhter Wohnraumbedarf besteht. Die Aufklärung des Sachverhalts ist unter Berücksichtigung der gebotenen Prüfungsintensität in der mit Blick auf das Rechtsschutzbegehren angemessenen Zeit nicht möglich und bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Im Rahmen der im Eilrechtsschutz anzustellenden Folgenabwägung ist zugunsten des Antragstellers ein erhöhter Wohnraumbedarf wegen Ausübung des Umgangsrechts mit der minderjährigen Tochter anzunehmen, denn die öffentlichen Belange treten hinter das durch Art. 6 Grundgesetz geschützte Umgangsrechts von Eltern und Kind zurück und die Interessenabwägung geht angesichts der drohenden Rechtsbeeinträchtigung des Antragstellers zu seinen Gunsten aus.
Der Anordnungsgrund ergibt sich bereits aus der existenziellen Bedeutung des Grundbedürfnisses Wohnen und der Sicherung der bestehenden Unterkunft.
Dauer und Höhe der Leistungen liegen gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts. Die Begrenzung der Zahlung der vorläufigen Leistungen für die Zeit ab 01.02.2023 bis 31.07.2023 wird für angemessen erachtet.
Der Antragsteller wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Leistungen im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nur vorläufig zugesprochen werden. Sollte sich im etwaigen Hauptsacheverfahren herausstellen, dass ein Anspruch hierauf nicht oder nicht im vorläufig zugesprochenen Umfang besteht bzw. sollten die Anspruchsvoraussetzungen nicht festgestellt werden können, sind die vorläufig zugesprochenen Leistungen vom Antragsteller wieder zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.