L 2 BA 39/22

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Hannover (NSB)
Aktenzeichen
S 6 BA 51/19
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 2 BA 39/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Eine vom abrechnenden therapeutischen Unternehmen übernommene Gesamtverantwortung für die fach- und vertragsgerechte Leistungserbringung spricht indiziell für eine funktionsgerecht dienende Einbindung der herangezogenen Therapeuten in den Arbeitsprozess und damit für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 5. Juli 2022 geändert.

 

Der Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2019 bleibt nur insoweit aufgehoben, wie Säumniszuschläge festgesetzt worden sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen Kosten der Beigeladenen tragen die Klägerin zu ¾ und die Beklagte zu ¼; die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Aufhebung eines auf der Grundlage einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV erlassenen Beitragsnacherhebungsbescheides.

 

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH nach eigener Darstellung (vgl. https://schlote-suedstadt.de/stellenangebot/) ein multiprofessionelles Therapiezentrum mit vier Praxisstandorten in Hannover. Insbesondere bietet sie auch physiotherapeutische Leistungen an.

 

Im Prüfzeitraum 2012 bis 2015 setzte die Klägerin für die Erbringung der von ihr insbesondere gegenüber den Krankenkassen abgerechneten physiotherapeutischen Leistungen neben auch aus ihrer Sicht abhängig beschäftigten Mitarbeitern die Beigeladenen zu 1. bis 3. ein. Die am 4. Juni 1948 geborene Beigeladene zu 3. steht seit September 2013 im Bezug der Regelaltersrente (vgl. auch Rentenbescheid vom 11. Juli 2013, Bl. 428 GA). Der Beigeladene zu 2. ist bereits 1941 geboren; die Beigeladene zu 1. gehört dem Geburtsjahrgang 1964 an.

 

Die Beigeladenen zu 1. bis 3. erbrachten insbesondere Leistungen im Rahmen von Hausbesuchen bzw. im Rahmen eines Aufsuchens der zu behandelnden Patienten in einem Alten- oder Pflegeheim.

 

Entsprechend den mündlich zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1. bis 3. getroffenen Absprachen reichten die Beigeladenen zu 1. bis 3. jeweils nach der Durchführung der jeweiligen physiotherapeutischen Behandlung die entsprechend quittierten ärztlichen Verordnungen an die Klägerin zur Abrechnung mit den Krankenkassen weiter. Die Klägerin rechnete die tatsächlich von den Beigeladenen zu 1. bis 3. erbrachten Behandlungsleistungen als in ihrem Unternehmen erbrachte Leistungen gegenüber den Krankenkassen ab. Die tatsächlich von den Krankenkassen erbrachten Vergütungsleistungen leitete die Klägerin im Umfang von jeweils 80 % an den behandelnden Beigeladenen weiter, soweit diese die Patienten aufgesucht hatten. Soweit von Seiten der Beigeladenen zu 3. teilweise auch Behandlungsleistungen in den Praxisräumlichkeiten der Klägerin erbracht worden sind, leitete die Klägerin nur 70 % des Honorars weiter. Die restlichen 20 % bzw. 30 % behielt die Klägerin für sich selbst ein.

 

Hatte beispielsweise die Beigeladene zu 3. im Zuge der ärztlich verordneten Krankengymnastik sechs Behandlungen im Rahmen von Hausbesuchen im Jahr 2014 erbracht, dann zahlte dafür die Krankenkasse an die Klägerin eine Vergütung von 14,98 € je Behandlung zuzüglich 10,60 € für jeden der 6 Hausbesuche und 0,58 € für die Berichtsübermittlung an den verordnenden Arzt, zusammen also 154,06 €. 80 % dieses Betrages, mithin 123,25 €, leitete die Klägerin im Rahmen ihrer EDV-gestützten Abrechnungsverwaltung an die Beigeladene zu 3. weiter. Die restlichen 30,81 € verblieben bei der Klägerin.

 

Soweit der bzw. die Versicherte Zuzahlungen nach den gesetzlichen Vorschriften, welche tatsächlich von der Beigeladenen eingezogen wurden, erbracht hatte, wurden diese von dem Vergütungsanspruch der Klägerin gegenüber der Krankenkasse und daran anknüpfend von dem von Seiten der Klägerin an die Beigeladenen jeweils auszukehrenden Vergütungsanteil in Abzug gebracht. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der Abrechnung der Leistungen der Beigeladenen zu 3. wird auf die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen (Bl. 102 ff. GA) verwiesen.

 

Die Beigeladene zu 3. erbrachte auch Behandlungsleistungen gegenüber Privatzahlern, welche ebenfalls von der Klägerin als eigene Leistungen gegenüber den Patienten abgerechnet wurden (vgl. die beispielhaft vorgelegte Abrechnung vom 16. Mai 2013, Bl. 350 GA). Auch von diesen Einnahmen behielt die Klägerin 20 % ein und kehrte nur die weiteren 80 % an die Beigeladene zu 3. aus (vgl. Bl. 202 GA). Für die Beigeladenen zu 1. und 2. hat die Klägerin keine Privatleistungen abgerechnet (Bl. 345 GA). Die Beigeladenen zu 1. und 2. rechneten über die Klägerin lediglich Haus- bzw. Heimbesuche bei Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen ab.

 

Die von Seiten der Klägerin an die Beigeladenen zu 1. bis 3. in dem vorstehend erläuterten Abrechnungsverfahren erbrachten Zahlungen beliefen sich insgesamt auf folgende Beträge:

 

Zahlungen an die Beigeladene zu 1:

 

2013                4.668,90 €.

2014                3.024,10 €.

 

Zahlungen an den Beigeladenen zu 2:

 

2013                2.410,12 €

2014                2.965,80 €

2015                   674,64 €.

 

Zahlungen an die Beigeladene zu 3:

 

2013                33.422,23 €

2014                31.789,89 €

2015                24.686,61 €.

 

Ausweislich der im Prüfverfahren erteilten Auskünfte der Klägerin, welche von ihrem Geschäftsführer unterzeichnet worden waren, erfolgte die Beauftragung der Beigeladenen zu 1. bis 3., soweit die Klägerin den Arbeitsanfall nicht mit eigenem Personal abdecken konnte. „Nach Bedarf und Medikation“ seien die Aufträge „extern vergeben“ worden. Bei entsprechendem Bedarf seien die in Betracht kommenden Therapeuten „durchtelefoniert“ worden, bis einer freie Kapazitäten habe melden können. „Dann Auftragsvergabe“ ist daran anknüpfend in diesen Auskünften (vgl. Bl. 9, 16, 22 VV) vermerkt worden.

 

Auf der Basis der am 13. September 2016 durchgeführten Betriebsprüfung setzte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Dezember 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2019 ausgehend von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1. bis 3. für den Prüfzeitraum nachzuentrichtende Beiträge zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (einschließlich Umlagen U1, U2, und UI) für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 3. fest (wobei die Beklagte davon ausging, dass nach den Vorgaben des § 6 Abs. 3a SGB V keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung bestand). Da die Beigeladene zu 3. ab September 2013 die Regelaltersgrenze überschritten hatte, wurden für die Folgezeiträume die genannten Beiträge zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung entsprechend den Vorgaben der §§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, 346 Abs. 3 SGB III nur in Höhe von jeweils der Hälfte in Ansatz gebracht.

 

Für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. und 2. setzte die Beklagte ausgehend von entgeltgeringfügigen Beschäftigungsverhältnissen Beiträge zur Minijob-Zentrale (wiederum zuzüglich der genannten Umlagen) fest.

 

Die Gesamthöhe der festgesetzten Forderungen belief sich unter Einschluss von Säumniszuschlägen in Höhe von 6.079 € auf 25.150,04 €.

 

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass die Beigeladenen zu 1. bis 3. die behandelten Patienten „selbst akquiriert“ hätten. Sie hätten die Behandlung eigenständig organisiert. Sie hätten Aufträge ablehnen können. Eine betriebliche Eingliederung sei nicht festzustellen.

 

Der Beigeladene zu 2. habe ausschließlich Patienten aus seiner früheren selbständigen Tätigkeit weiterbehandelt. Die Beigeladene zu 3. habe aufgrund ihrer früheren Tätigkeit Kontakte zu Heimen in Q. und zu einer Arztpraxis gehabt. Auf diesem Wege sei der Erstkontakt der betroffenen Patienten zu ihr hergestellt worden (Bl. 98 GA). Bei ihren Besuchen der betroffenen Einrichtungen sei sie auch von dem dortigen Personal gefragt worden, ob sie die Behandlung anderer Bewohner mit übernehmen könne. 

 

Auch die Beigeladene zu 3. habe ihre Patienten aus ihrer zuvor ausgeübten Tätigkeit gewissermaßen „mitgebracht“. In Bezug auf Leistungen im Bereich der Kinderkrankengymnastik bei Erkrankungen des zentralen Nervensystems sei sie allerdings von der Klägerin gefragt worden, ob sie weitere Therapien übernehmen könne (Bl. 97 GA).

 

Die Beigeladene zu 1. habe sämtliche Patienten „selbst akquiriert“ (so der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 2. August 2019). Nachfolgend hat die Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 24. August 2021, Bl. 157 GA) ausgeführt, dass in Zeiträumen, in denen bei ihr mehr Behandlungsaufträge eingingen als ihr fest angestelltes Personal zu bewältigen vermochte, die Beigeladenen zu 1. bis 3., „aus eigenem Antrieb“ nachgefragt hätten, ob sie für die Klägerin „zusätzliche Hausbesuche“ übernehmen sollten.

 

Allerdings hätten Mitarbeiterinnen der Klägerin (von dem dort geführten sog. Office-Team) bei den Beigeladenen zu 1. und 3. nachgefragt, ob diese weitere Therapien durchführen könnten, wenn ihre festangestellten Mitarbeiter den Arbeitsanfall nicht bewältigen konnten (Bl. 98 GA). Diese seien aber nicht verpflichtet gewesen, entsprechenden Ersuchen zuzustimmen. Soweit die Beigeladenen zu 1. und 3. bei entsprechenden Nachfragen ihre Bereitschaft zur Übernahme der Patienten erklärt hätten, seien ihnen deren Telefonnummern zur eigenverantwortlichen Terminabsprache übermittelt worden (vgl. in diesem Sinne auch die Angaben des Geschäftsführers der Klägerin in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung).

 

Soweit die Beigeladene zu 3. Behandlungen in den Räumlichkeiten der Klägerin durchführe, reserviere sie vorher telefonisch den benötigten Behandlungsraum (Bl. 58 GA).

 

Die Beigeladenen zu 1. bis 3. hätten ein unternehmerisches Risiko in dem Sinne getragen, als sie frei über die Verteilung der Therapiestunden in der Woche hätten entscheiden können und selbst für die Patientenakquise zuständig seien. Rezepte mit Abrechnungshindernissen wie etwa Rezepte ohne die vorgeschriebenen Unterschriften der Patienten seien an die Beigeladenen zu 1. bis 3. ohne Vergütung zurückgereicht worden.

 

Die Behandlungsutensilien wie Therabänder, Gymnastikbälle, Cremes und Salben hätten die Beigeladenen ebenso eigenverantwortlich selbst finanziert wie das für die Besuche eingesetzte Fahrzeug, das Telefon und eine ggfs. benötigte Büroausstattung.

 

Die Beigeladene zu 1. hat mitgeteilt, dass sie die Patienten „zu mehr als 90 %“ selbst akquiriert habe. Die Behandlung der restlichen Patienten sei „nach Übergabe der Verordnung in eigener Organisation“ erfolgt (Bl. 80 GA).

 

In der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung hat der Geschäftsführer der Klägerin erläutert, dass im Unternehmen der Klägerin Wartelisten geführt worden seien, wenn die zur Verfügung stehenden Behandlungskapazitäten unzureichend gewesen seien. Er hat hinzugefügt: „Es mag sein, dass, wenn dann ein Patient anrief und ihm eine längere Wartezeit in Aussicht gestellt wurde, an der Anmeldung gesagt wurde, dass Frau R., Frau S. oder Herr T. (d.h. einer der drei beigeladenen Physiotherapeuten) gefragt werden könnten. Diese sind dann, nachdem der Patient damit einverstanden war, dass seine Kontaktdaten weitergegeben würden, gefragt, worden, ob sie den Patienten übernehmen könnten oder nicht. Dies war aber nicht verpflichtend aus meiner Sicht. Auch die Beigeladenen waren nicht verpflichtet, das anzunehmen. Aus meiner Sicht dürfte das aber auch die Ausnahme gewesen sein.“

 

Mit Urteil vom 5. Juli 2022, der Beklagten zugestellt am 14. Juli 2022, hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid vom 21. Dezember 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2019 aufgehoben.

 

Zur Begründung hat das Sozialgericht im Einzelnen seine Einschätzung begründet, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bis 3. rechtlich selbständig gewesen sei. Mangels einer abhängigen Beschäftigung durch die Klägerin könne diese schon im Ausgangspunkt nicht zu den festgesetzten Beitragszahlungen herangezogen werden. Es seien keine festen Arbeitszeiten vereinbart worden. Die Beigeladenen hätten die Patientenkartei jeweils eigenverantwortlich geführt. Die Beigeladenen zu 1. bis 3. hätten die Termine mit den Patienten und Patientinnen eigenverantwortlich vereinbart und sich letztlich der Klägerin nur zu Abrechnungszwecken bedient. Eine Eingliederung ihrer in den Betrieb der Klägerin sei abgesehen von der Inanspruchnahme des klägerischen Office-Teams für die Abrechnungen mit den Krankenkassen nicht ersichtlich.

 

Mit ihrer Berufung vom 12. August 2022 verteidigt demgegenüber die Beklagte die Rechtmäßigkeit der Beitragsnacherhebung. Die eigenen Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren seien dahingehend zu interpretieren, dass die ärztlichen Verordnungen zunächst der Klägerin vorgelegen haben müssten, bevor sie diese an die Beigeladenen zu 1. bis 3. zur Durchführung der Behandlungsmaßnahmen weitergeleitet habe.

 

Die Beigeladene zu 3. habe ohnehin einen Teil der Behandlungen in den Praxisräumlichkeiten der Klägerin durchgeführt. Dementsprechend hätten insoweit ihre Patienten auch den von der Klägerin vorgehaltenen Wartebereich und die dortige Anmeldung mitgenutzt.

 

Ein unternehmerisches Risiko sei auf Seiten der Beigeladenen nicht ersichtlich.

 

Die Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts vom 5. Juli 2022 dahingehend zu ändern, dass unter Abweisung der Klage im Übrigen die Aufhebung des Bescheides vom 21. Dezember 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2019 auf die Festsetzung von Säumniszuschlägen beschränkt wird.

 

Die Klägerin beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

 

Die Klägerin macht geltend, dass die Beigeladenen zu 1. bis 3. die Verordnungen direkt von den Patienten erhalten hätten. Diese hätten auch die Behandlungsdokumentationen autark und ohne Wissen der Klägerin erstellt und verwaltet. Eine Kontrolle der therapeutischen Leistungen der Beigeladenen zu 1. bis 3. sei durch die Klägerin nicht vorgenommen worden. Für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung spreche kein Merkmal.

 

Die im Verwaltungsverfahren von der Klägerin vorgelegten (von ihrem Geschäftsführer unterzeichneten) Auskünfte seien von „einer Mitarbeiterin des Steuerberatungsbüros“ ausgefüllt worden. „Entsprechend“ missverständlich und teilweise unrichtig seien die dortigen Angaben gewesen (vgl. Schriftsatz vom 11. Januar 2023, Bl. 462 GA, nachfolgend hat die anwaltliche Bevollmächtigte der Klägerin allerdings vorgetragen, Bl. 467 GA, dass es sich bei diesem Schriftsatz um einen „falschen Schriftsatz“ gehandelt habe, nunmehr wird noch darauf hingewiesen, dass die vom Geschäftsführer der Klägerin unterzeichneten Auskünfte „durch eine Steuerfachangestellte ausgefüllt“ worden seien, Bl. 470 GA).

 

Wenn die Klägerin keine Kapazitäten mehr gehabt habe, habe sie den Patienten die Telefonnummern der Beigeladenen gegeben, wenngleich auch diese „in der Regel“ gar keine Kapazitäten mehr gehabt hätten, weil sie bereits „vollkommen ausgelastet“ gewesen seien. Die Beigeladenen hätten die Patienten behandelt, „wovon die Klägerin nichts wusste“ (vgl. Schriftsatz vom 11. Januar 2023, Bl. 463 GA). Die Klägerin trägt weiter vor: „Der Erstkontakt der Patienten erfolgte nicht über die Praxis“ (vgl. Schriftsatz vom 11. Januar 2023, Bl. 464 GA).

 

Die Beigeladene zu 2. hat die Abläufe wie folgt beschrieben (Bl. 369 GA): Die Verordnungen habe sie von den Patienten erhalten oder ihrerseits aus der zuständigen Arztpraxis abgeholt. Anschließend habe sie die Verordnung der Verwaltung der Klägerin vorgelegt, um die Höhe der ggfs. von dem Patienten zu entrichtenden Rezeptgebühr zu ermitteln. Bei Bedarf sei eine Rechnung für die Rezeptgebühr erstellt worden, welche sie dem Patienten vorgelegt habe. Dann habe sie diese Gebühr von dem Patienten in bar erhalten und an die Praxis weitergeleitet.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2019 insgesamt aufgehoben. Soweit sich diese Aufhebung auf die Festsetzung von Säumniszuschlägen erstreckt, wird sie mit der Berufung der Beklagten nicht angegriffen. Diese Teilaufhebung ist damit in Rechtskraft erwachsen.

 

Angefochten wird mit der Berufung lediglich die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 21. Dezember 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2019, soweit mit diesem Beiträge und Umlagen zur Sozialversicherung festgesetzt worden sind. Diesbezüglich stellt sich die Berufung als begründet dar. Diese Festsetzungen sind rechtmäßig, so dass bezüglich ihrer die Klage abzuweisen ist.

 

1. Nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Beigeladenen zu 1. bis 3. ihre von der Klägerin abgerechneten physiotherapeutischen Leistungen im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse erbracht haben. Auf dieser Basis lassen die Festsetzungen der nachzuentrichtenden Beiträge und Umlagen keine Rechtsfehler erkennen.

 

Im streitigen Zeitraum unterlagen (mehr als nur geringfügig beschäftigte) Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III). Nach Überschreitung der Regelaltersgrenze sind die genannten Beiträge zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung entsprechend den Vorgaben der §§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, 346 Abs. 3 SGB III nur in Höhe von jeweils der Hälfte in Ansatz zu bringen. Soweit die Ausübung einer entgeltgeringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV nach den gesetzlichen Vorgaben – wie auch im vorliegenden Zusammenhang – nicht schon als solche eine Versicherungspflicht begründet, hat der Arbeitgeber gleichwohl nach den Vorgaben der §§ 172 SGB VI, 249b SGB V Beiträge bzw. Beitragsanteile für den Beschäftigten abzuführen.

 

Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 17/19 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 63, Rn. 17).

 

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (stRspr; vgl zum Ganzen BSG Urteil vom 7.6.2019 - B 12 R 6/18 R - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44, RdNr 13 f mwN). Diese wertende Zuordnung kann nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden, indem sie zB vereinbaren, eine selbstständige Tätigkeit zu wollen. Denn der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Person – als selbstständig oder beschäftigt – allein die Vertragsschließenden entscheiden. Über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Vielmehr kommt es entscheidend auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Vertragsverhältnisse an (BSG, U.v. 19. Oktober 2021, aaO, Rn. 18 mwN).

 

Bei Vertragsgestaltungen, in denen - wie hier - die Übernahme einzelner Dienste individuell vereinbart wird und insbesondere kein Dauerschuldverhältnis mit Leistungen auf Abruf vorliegt, ist für die Frage der Versicherungspflicht allein auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestehen. Außerhalb der Einzeleinsätze liegt schon deshalb keine die Versicherungspflicht begründende "entgeltliche" Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV vor, weil keine latente Verpflichtung der Klägerin bestand, Tätigkeiten für die Beigeladene auszuüben, und diese umgekehrt auch kein Entgelt zu leisten hatte (vgl. zu diesen Kriterien BSG, U.v. 19. Oktober 2021, aaO, Rn. 19 mwN).

 

In den genannten Fallgestaltungen ist mangels eines den Mitwirkenden zu dauerhaften und regelmäßigen Arbeitsleistungen verpflichtenden Dauerschuldverhältnisses auf die Gegebenheiten während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge abzustellen. Schon dieser Ansatz macht deutlich, dass ein Beschäftigungsverhältnis im sozialrechtlichen Sinne nicht zur Voraussetzung hat, dass sich die Beteiligten vorab über bestimmte von dem Beauftragten monatlich oder wöchentlich zu leistende Arbeitszeitkontingente oder gar schon im Vorhinein über konkrete Arbeitszeiten verständigt haben. Selbstverständlich gibt es auch heute noch viele Arbeitsverhältnisse, in denen konkrete Arbeitszeiten vorab mit der Folge vereinbart werden, dass der Arbeitgeber während der jeweils vereinbarten Arbeitszeiten über die Arbeitskraft des Beauftragten verfügen kann. Entsprechende Konstellationen stellen aber nur eine Ausprägung aus dem weiten Feld der in Betracht kommenden Ausgestaltungsmöglichkeiten einer abhängigen Beschäftigung dar. Dementsprechend kann schon im rechtlichen Ausgangspunkt nicht bereits aus dem Fehlen vorab vereinbarter regelmäßiger Arbeitszeitkontingente ein Rückschluss auf das Fehlen einer abhängigen Beschäftigung im sozialrechtlichen Sinne geschlossen werden.

 

Die Bewertung ist im vorliegenden Zusammenhang ohnehin allein nach sozialrechtlichen Maßstäben vorzunehmen. Die erläuterte Rechtsprechung des BSG, wonach in den angesprochenen Fallgestaltungen auf die Gegebenheiten während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge abzustellen ist, bringt die sozialrechtliche Bewertung zum Ausdruck, dass auch eine entsprechende Heranziehung einer Arbeitskraft im Zuge einer Aufeinanderfolge von Einzelaufträgen ihre soziale Schutzbedürftigkeit zum Ausdruck bringt, aufgrund derer sie in die Versicherungspflicht für abhängig Beschäftigte einzubeziehen ist. Diese sozialrechtliche Wertung knüpft an das tatsächliche Geschehen im Sinne einer aufeinanderfolgenden Heranziehung im Rahmen von Einzelaufträgen an.

 

Schon im rechtlichen Ausgangspunkt ist mit einer entsprechenden sozialrechtlichen Bewertung keine Aussage zu daran anknüpfenden – sowohl hinsichtlich der maßgeblichen rechtlichen Vorgaben als auch bezüglich der mit diesen zu bewältigenden Interessenlagen ganz anders gelagerten – arbeitsrechtlichen Fragen intendiert. Diese sind im Streitfall vielmehr von den dafür zuständigen Arbeitsgerichten zu beantworten. Insbesondere geben die erläuterten sozialrechtlichen Wertungen keine Auskunft zu der Frage, inwieweit arbeitsrechtlich eine entsprechende sich (nicht selten sogar sehr häufig) wiederholende Heranziehung derselben Arbeitskraft auf der Basis immer neuer Einzelaufträge als zulässig anzusehen ist und ggfs. einen Anspruch auf Begründung eines (dann erst recht die Sozialversicherungspflicht begründenden) Dauerarbeitsverhältnisses zu begründen vermag.

 

Es liegt im Interesse aller Beteiligten, also der Versicherten, der Auftraggeber und der Versicherungsträger, die Frage der Versicherungspflicht bzw. fehlender Versicherungspflicht wegen Selbstständigkeit schon zu Beginn der Tätigkeit (bzw. zum Zeitpunkt des Eintritts einer wesentlichen Veränderung, wie etwa zum Zeitpunkt eines Verlustes der bislang innegehabten Kapitalmehrheit bei einem Gesellschaftergeschäftsführer) zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann. Gerade dieses Postulat der Vorhersehbarkeit ist es, welches das Recht der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung prägt und namentlich von Wertungen etwa des – an ganz anderen praktischen Bedürfnissen ausgerichteten – Arbeitsrechts unterscheidet (BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 10/14 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 28 mwN, seinerzeit bezogen auf das Gesellschaftsrecht).

 

Bei der Statuszuordnung ist dem Grundsatz der Klarheit und Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände Genüge zu tun (BSG, Urteil vom 8. Juli 2020 – B 12 R 1/19 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 48, Rn. 28). Ein längerer Schwebezustand bis zur Klärung des Versicherungsstatus (für die Vergangenheit) verträgt sich außerdem nicht mit dem Bestreben, die Rückabwicklung erbrachter Leistungen (vgl. § 50 SGB X) zu vermeiden und versicherungs- sowie beitragsrechtlich relevante Statusfragen möglichst zeitnah zu klären (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2022 – B 12 KR 2/21 R –, SozR 4 (vorgesehen), Rn. 13).

 

Es liegt in der inneren Konsequenz dieses Postulats, dass die nach Möglichkeit bereits zu Beginn der Tätigkeit vorzunehmende Beurteilung der Versicherungspflichtigkeit in der Sache eine prognostische Einschätzung zum Ausdruck bringt. Insoweit bestehen strukturelle Parallelen zur Beurteilung der Geringfügigkeit einer Beschäftigung im Sinne von § 8 SGB IV, bezüglich derer die Rechtsprechung des BSG ebenfalls eine Beurteilung auf der Grundlage einer Prognose bzw. einer vorausschauenden Schätzung fordert (BSG, U.v. 27. Juli 2011 – B 12 R 15/09 R –, SozR 4-2600 § 5 Nr 6, Rn. 16).

 

Auch wenn damit überzeugende Gründe für das erläuterte Postulat der Vorhersehbarkeit sprechen, wird die seine Heranziehung durch andere Auslegungsgrundsätze im Ergebnis nicht unerheblich eingeschränkt. Die Statusrechtsprechung des BSG stellt auch maßgeblich auf den Gesichtspunkt der „gelebten Praxis“ ab, welche sich jedoch vielfach erst im Nachhinein beurteilen lässt. Die Relevanz mündlicher Abreden soll insbesondere anhand der konkludenten Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in „ihrer gelebten Praxis“ vorzunehmen sein (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 1/21 R –, BSGE 133, 57-64, SozR 4-2400 § 7 Nr 60, Rn. 17). Das Vertragsverhältnis soll aus der „gelebten Beziehung“ zu erschließen sein (BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 R 14/10 R –, Rn. 16, juris, wobei das BSG zugleich auch in dieser Entscheidung auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände abstellt). Bei Divergenzen zwischen der Vertragsdurchführung und der Vereinbarung bestehen, soll die „gelebte Praxis“ der formellen Vereinbarung grundsätzlich vorgehen (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 10/18 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 41, Rn. 28).

 

Die genaue wechselseitige Abstimmung der erläuterten beiden Ansätze, also einerseits die statusrechtliche Beurteilung auf der Basis des Postulats der Vorhersehbarkeit und andererseits ihre Vornahme unter maßgeblicher Einbeziehung einer jedenfalls tendenziell erst rückschauend zu erfassenden „gelebten Praxis“, bedarf noch der Konkretisierung im Rahmen der Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen insbesondere des § 7 SGB IV. Im Ausgangspunkt dürfte dem BSG jedenfalls dahingehend zuzustimmen sein, dass eine auf hinreichender Grundlage zutreffend erstellte Prognose solange rechtmäßig und verbindlich bleibt, bis für eine andere zukunftsbezogene Prognose ein erkennbarer Anlass besteht. Das gilt auch dann, wenn im Nachhinein ersichtlich wird, dass die Entwicklung schon vorher anders als prognostiziert verlaufen ist. Es wäre mit dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit des sozialversicherungsrechtlichen Status nicht vereinbar, bei Prüfungen für die Vergangenheit im Nachhinein bekannt gewordene Verhältnisse rückwirkend zu berücksichtigen, obwohl auf Grundlage eines verfahrensfehlerfrei herbeigeführten früheren Erkenntnisstands eine andere Prognose veranlasst und zutreffend war (vgl. zum Vorstehenden BSG, Urteil vom 18. Oktober 2022 – B 12 KR 2/21 R –, SozR 4 (vorgesehen), Rn. 21 mwN). Eine vergleichbare Zielrichtung verfolgt das BSG auch mit Ansätzen, wonach Umstände der Vertragsdurchführung nur dann in die Statusbeurteilung einzubeziehen sind, wenn diese als „verlässlich bedeutsam“ zu bewerten sind (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 10/14 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 28, Rn. 32). Entsprechend sollen nur „nachhaltige und vorhersehbare Rechtspositionen“ (vgl. zu diesem Kriterium: BSG, Urteil vom 1. Februar 2022 – B 12 KR 37/19 R –, BSGE 133, 245, Rn. 23) einzubeziehen sein.

 

Ohnehin ist bei der Statusbeurteilung im Rahmen der erforderlichen Gesamtbewertung (nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung als Teilaspekt der tatsächlichen Verhältnisse) auch eine aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringende „Rechtsmacht“ namentlich zur Erteilung von Weisungen zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R –, BSGE 111, 257-268, SozR 4-2400 § 7 Nr 17, Rn. 32). Schon das Bestehen einer solchen Rechtsmacht wird vom BSG den „gelebten tatsächlichen Verhältnissen“ zugerechnet (BSG, U.v. 29. August 2012 – B 12 R 14/10 R –, Rn. 28, juris; U.v. 11. November 2015 – B 12 KR 13/14 R –, BSGE 120, 59, Rn. 26). Soweit eine Rechtsmacht zur Erteilung von Weisungen reicht, kommt es nicht darauf an, inwieweit die Auftraggeberin das ihr zustehende Weisungsrecht auch faktisch ausgeübt hat (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, Rn. 15, juris).

 

Auch im Übrigen darf sich eine Einbeziehung der „gelebten Beziehung“ nicht auf die tatsächlichen Abläufe beschränken. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit", die sich ausschließlich daraus ableitet, dass dem Betroffenen in harmonischen Zeiten freie Hand gelassen wird, während im Fall eines Zerwürfnisses dessen Weisungsunterworfenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (BSG, U.v. 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R –, BSGE 119, 216, Rn. 30). Eine solche ist insbesondere mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar (BSG, U.v. 29. August 2012 – B 12 R 14/10 R –, Rn. 28, juris). Dieser rechtliche Ausgangspunkt ist auch dann maßgebend, wenn im Einzelfall der tatsächliche Ablauf im jeweils zu beurteilenden Zeitraum von „harmonischen Zeiten“ im vorstehend erläuterten Sinne geprägt war. Auch dann ist in die Statusbeurteilung im Rahmen der erforderlichen Gesamtbewertung als ein maßgeblicher Gesichtspunkt die Frage einer Weisungsunterworfenheit im Falle eines Zerwürfnisses mit einzubeziehen.

 

Mit dem gebotenen Anknüpfen an die den Beteiligten von Gesetzes oder Vertrags wegen zukommende Rechtsmacht will das BSG zugleich erreichen, dass Manipulationsmöglichkeiten bezüglich der Generierung oder Negierung von Sozialversicherungspflicht jedenfalls nachhaltig erschwert werden (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R –, BSGE 119, 216, Rn. 30).

 

Bei der Prüfung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung sind auch die Seiten des Auftraggebers zu beachtende regulatorische Rahmenbedingungen – insbesondere auch im Hinblick auf eine dadurch vorgeschriebene Eingliederung des Beauftragten in seine betriebliche Organisation – bei der Gesamtabwägung der Indizien mit besonderem Gewicht zu würdigen (BSG, U.v. 19. Oktober 2021 – B 12 R 17/19 R – aaO, Rn. 30). Auch dieser Ansatz stellt sich zugleich als Ausprägung des Postulats der Vorhersehbarkeit dar. Dessen Umsetzung in der Rechtsanwendungspraxis kann regelmäßig nur auf der Basis eines jedenfalls im Ausgangspunkt zu vermutenden rechtmäßigen Vorgehens der Beteiligten realisiert werden.

 

Unter Einbeziehung des erläuterten in der Rechtsprechung des BSG herausgearbeiteten Erfordernisses einer verlässlichen Bedeutsamkeit der bei der Statusbeurteilung berücksichtigungsfähigen Umstände ist regelmäßig und auch im vorliegenden Fall kein Raum, die Beurteilung auf der Basis eines fortgesetzten Rechtsbruchs etwa des jeweiligen Auftraggebers vorzunehmen. Auf einer solchen Basis kann die Beurteilung im Allgemeinen schon deshalb nicht erfolgen, weil in Abhängigkeit von der der Interessenlage stets auch mit einem Berufen des Betroffenen auf seine Rechtstreue zu rechnen ist, sobald er dies für vorteilhaft erachtet (etwa um Zahlungsansprüche gegenüber seinen Kunden oder anderen Zahlungsverpflichteten durchzusetzen).

 

Leistungserbringer im Gesundheitswesen wie auch die Klägerin nehmen ohnehin im Ausgangspunkt in besonderem Maße das Vertrauen der um ihre Hilfe nachsuchenden Patienten in ihre Redlichkeit und Verlässlichkeit in Anspruch.

 

Insbesondere mit der Abrechnung von pflegerischen, ärztlichen oder anderen vergleichbaren Leistungen und damit auch mit der Abrechnung physiotherapeutischer Leistungen bringt der Abrechnende überdies nach der Rechtsprechung des BGH gegenüber dem Zahlungsverpflichteten stets konkludent zum Ausdruck, dass seines Wissens die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben für eine Abrechnungsfähigkeit der Leistungen erfüllt sind (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 16. Juni 2014 – 4 StR 21/14 –, NJW 2014, 3170; BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2021 – 1 StR 375/21 – NStZ-RR 2022, 115).

 

Auf dieser Basis ist regelmäßig bei der nach Möglichkeit im Vorhinein vorzunehmenden statusrechtlichen Einschätzung der Erwartung Rechnung zu tragen, dass der Auftraggeber bei der Heranziehung der Arbeitskraft auch den dafür maßgeblichen rechtlichen Vorgaben Rechnung tragen wird. Im Regelfall und auch im vorliegend zu beurteilenden Zusammenhang fehlt schon eine hinreichend verlässlich objektivierbare tatsächliche Grundlage für eine gegenteilige Annahme im Sinne namentlich der Erwartung regelmäßiger (ausgehend von den mit dem erläuterten Postulat der Vorhersehbarkeit verbundenen prognostischen Beurteilungen:) künftiger Missachtungen der insoweit maßgeblichen rechtlichen Vorgaben (also jedenfalls tendenziell im Sinne zu erwartender Betrugsstraftaten).

 

An dieser Ausgangslage ändert sich im Allgemeinen auch nichts, wenn etwa im gerichtlichen Streitverfahren eine Statusbeurteilung rückblickend vorzunehmen ist. Selbst wenn dann der betroffene Auftraggeber für die Vergangenheit geltend macht, dass er sich bei den tatsächlich getätigten Abrechnungen über rechtliche Abrechnungsvorgaben sehenden Auges hinweggesetzt habe (womit er sich der Sache nach jedenfalls in vielen Fallgestaltungen letztlich selbst des Betruges beschuldigt, mag dieser auch strafrechtlich verjährt sein oder sich der Betroffene jedenfalls von der Einschätzung leiten lassen, dass den Strafverfolgungsbehörden die erforderlichen Kapazitäten für eine Verfolgung seines Fehlverhaltens fehlen dürften), führt dies im Regelfall für die Beurteilung des Vorliegens eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht richtungweisend weiter. Gleichwohl sind die angesprochenen in der Rechtsprechung des BSG herausgearbeiteten Grundsätze weiterhin zu beachten, wonach von Seiten des Auftraggebers zu beachtende (und ihm bekannte) regulatorische Rahmenbedingungen im Sinne einer vorgeschriebenen Eingliederung des Beauftragten in die Organisation des Auftraggebers ein besonderes Gewicht im Rahmen der statusrechtlichen Gesamtbeurteilung erlangen können.

 

Bei einem entsprechenden in sich gespaltenen Vortrag des Auftraggebers wird der maßgebliche Sachverhalt überdies im Mehrpersonenverhältnis ganz unterschiedlich geschildert, wenn insbesondere im Verhältnis zur Abrechnungsstelle die Einhaltung der eine Eingliederung der herangezogenen Arbeitskraft zum Ausdruck bringenden rechtlichen Vorgaben jedenfalls konkludent erklärt und nachfolgend im Statusrechtsstreit deren Missachtung vorgetragen wird. Ein in diesem Sinne gespaltener eigener Vortrag des Auftraggebers vermag regelmäßig und entsprechend auch im vorliegend zu beurteilenden Zusammenhang schon im Ausgangspunkt keine ausschlaggebende Basis für eine richterliche Überzeugungsbildung im Statusrechtsstreit zu begründen, welche den dargelegten in der höchstrichterlichen Rechtsprechung herausgearbeiteten Anforderungen an eine hinreichend verlässliche Beurteilungsgrundlage zu genügen vermag.

 

Nachdem ein Auftraggeber mit den Abrechnungen gegenüber den Abrechnungsstellen jeweils konkludent die Einhaltung der Abrechnungsvorgaben selbst erklärt hat, verstößt es überdies bereits gegen die Gebote von Treu und Glauben im Sinne eines unzulässigen venire contra factum proprium, wenn er nachfolgend im sozialrechtlichen Statusrechtsstreit der Sache nach die Unrichtigkeit seiner eigenen Erklärungen geltend zu machen versuchte. Dies gilt insbesondere, solange er – wie auch im vorliegend zu beurteilenden Zusammenhang – weiterhin von einer damit korrelierenden Korrektur seiner vorausgegangenen Abrechnungen gegenüber den Abrechnungsstellen Abstand nimmt. Es entspricht überdies auch den Geboten von Treu und Glauben unter Berücksichtigung namentlich auch der insoweit anzustrebenden Einheit der Rechtsordnung, dass die statusrechtlichen Auslegungskriterien nicht (und noch weniger ohne dringenden Grund) in einer Weise auszulegen sind, welche im Ergebnis aus Sicht des betroffenen Auftraggebers eine Honorierung eines eigenen nachträglich im Statusrechtsstreit geltend gemachten (gegenüber dem Geschädigten allerdings nicht offen gelegten) betrügerischen Vorgehens darstellen würde.

 

Im vorliegenden Fall durfte die Klägerin ihre Leistungen nur nach Maßgabe der (von ihr auf Aufforderung des Senates auch zum vorliegenden Berufungsverfahren vorgelegten) Verträge zwischen den Krankenkassen bzw. deren Verbänden und dem Berufsverband abrechnen. Nach diesen Vereinbarungen hatte die Klägerin als zugelassene Heilmittelerbringerin insbesondere zu „gewährleisten“, dass die von den eingesetzten Therapeuten durchgeführten Behandlungen an der Indikation, am Therapieziel und der Belastbarkeit des Versicherten ausgerichtet hat, dass die Behandlung entsprechend den maßgeblichen Leistungsbeschreibungen erfolgte und in einer zehn Jahre lang aufzubewahrenden Dokumentation festgehalten wurde (§§ 12 Abs. 2 und 4, 14 des mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2022 vorgelegten Vertrages mit der AOK und anderen Kassenverbänden – die weiteren zu beachtenden Verträge mit anderen Krankenkassen enthalten gleichgerichtete Vorgaben). Der zugelassene Heilmittelerbringer bzw. – wie auch insbesondere bei juristischen Personen – der jeweilige fachliche Leiter hat eine „qualifizierte Durchführung der Behandlung der Anspruchsberechtigten in seiner Praxis sicherzustellen“ (§ 9 Abs. 1). In diesem Rahmen hat er insbesondere (vgl. § 13) dafür Sorge zu tragen, dass im Behandlungsverlauf das (Zwischen-)Ergebnis der Heilmittelbehandlung anhand der Therapieziele regelmäßig überprüft wird. Die Behandlung ist abzubrechen, wenn das angestrebte Therapieziel bereits vor dem Ende der verordneten Therapiedauer erreicht wird (§ 17 Abs. 3).

 

Mit den vorstehenden Vorgaben ist dem zugelassenen Heilmittelerbringer eine Gesamtverantwortung für die fachgerechte Durchführung der von seinem Betrieb zu erbringenden Heilmittel zugewiesen worden. Selbstverständlich kommt eine Heranziehung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bei der Erbringung der Leistungen in Betracht, jedoch muss auch bei ihrer Einschaltung der zugelassene (und zugleich abrechnende) Heilmittelerbringer der vorgeschriebenen Gesamtverantwortung genügen. Auch die von ihm herangezogenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen muss er jedenfalls insoweit beaufsichtigen, dass er der angesprochenen von ihm eingegangenen Gewährleistungsverpflichtungen effektiv zu genügen vermag. Nur auf einer solchen Basis darf er nach den maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen physiotherapeutische Leistungen abrechnen. Die angesprochenen rechtlichen Vorgaben verbieten ihm insbesondere die Abrechnung von physiotherapeutischen Leistungen, auf deren Erbringung er keinerlei Einfluss nehmen konnte, so dass er schon im Ausgangspunkt gar nicht in der Lage war, den angesprochenen Gewährleistungsverpflichtungen Rechnung zu tragen.

 

Die angesprochene Gewährleistungspflicht beinhaltet insbesondere auch die Verpflichtung des zugelassenen und abrechnenden Leistungserbringers, seine Mitwirkung und seine Verantwortlichkeit gegenüber dem zu behandelnden Patienten klar zum Ausdruck zu bringen. Eine gewissermaßen klandestine Behandlung eines Patienten durch einen zugelassenen Leistungserbringer, bei der dem Patienten die Person des zugelassenen und abrechnenden Heilmittelerbringers unbekannt bleibt und ihm täuschenderweise der Eindruck vermittelt wird, dass der tatsächlich behandelnde (in eigener Person zur eigenverantwortlichen Heilmittelerbringung im Sinne des SGB V gar nicht zugelassene) Therapeut seinerseits der zugelassene Heilmittelerbringer sei, ist mit den angesprochenen rechtlichen Grundlage nicht zu vereinbaren. Dementsprechend sind entsprechend erbrachte Leistungen gegenüber den Krankenkassen nicht abrechnungsfähig.

 

Die angesprochene Gewährleistungsverpflichtung umfasst insbesondere auch die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass sich der betroffene Patient im Falle etwaiger aus seiner Sicht festzustellender qualitativer Mängel der therapeutischen Maßnahmen an den für die Qualitätssicherung verantwortlichen zugelassenen Heilmittelerbringer mit der Bitte um Abhilfe wenden kann. Dies kommt natürlich nur in Betracht, wenn dem Patienten die Person des verantwortlichen zugelassenen Heilmittelerbringers bekannt ist. Im Falle eines etwa krankheitsbedingten Ausfalls des eingesetzten Therapeuten trifft nach Maßgabe der angesprochenen rechtlichen Grundlagen im Verhältnis zum Patienten nicht den einzelnen mitarbeitenden Therapeuten, sondern den zugelassenen Heilmittelerbringer die Pflicht, für eine fach- und zeitgerechte Fortsetzung der angefangenen Heilmittelerbringung Sorge zu tragen. Auch diesen Anspruch kann der Patient nur effektiv geltend machen, wenn ihm die Person des dafür verantwortlichen zugelassenen Heilmittelerbringers bekannt ist.

 

Die angesprochenen rechtlichen Vorgaben sind den beteiligten Fachkräften jedenfalls in den maßgeblichen Grundzügen auch durchaus bekannt. Schon im Ausgangspunkt wollten natürlich auch die Beigeladenen zu 1. bis 3. dafür Sorge tragen, dass die von ihnen jeweils tatsächlich erbrachten Leistungen von der Klägerin im Ergebnis gegenüber den Krankenkassen abgerechnet werden konnten, da nur auf diesem Wege letztlich auch die Auszahlung des für ihre Mitwirkung vereinbarten Honoraranteils sichergestellt werden konnte. Bei dieser Ausgangsbasis sind die im vorliegenden Fall nur mündlich getroffenen Absprachen zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1. bis 3. ohnehin im Rahmen der ergänzenden Auslegung dahingehend zu verstehen, dass konkludent ein Weisungsrecht der Klägerin vereinbart war, soweit dies zur effektiven Umsetzung der der Klägerin obliegenden Gewährleistungsverpflichtung erforderlich war.

 

Eine entsprechende Auslegung ist umso mehr geboten, als der mündlich vereinbarte der Klägerin verbleibende Honoraranteil von 20 % an den von Seiten der Beigeladenen zu 1. bis 3. im Rahmen von Hausbesuchen erbrachten Leistungen nur dann noch nachvollziehbar war, wenn auch von Seiten der Klägerin eine konkrete Mitbeteiligung an der Leistungserbringung jedenfalls im Sinne der Gewährleistung der der ihr rechtlich anvertrauten Gesamtverantwortung erkennbar war. Für ein reines – ohnehin EDV-gestütztes – Factoring im Sinne lediglich der Abrechnung fremder Leistungen wären hingegen deutlich geringere Vergütungssätze zu erwarten gewesen.

 

Die beigeladenen Therapeuten waren auch im Übrigen in die Arbeitsabläufe des klägerischen Physiotherapieunternehmens in "funktionsgerecht dienender Teilhabe" eingegliedert. Aufgrund der mündlichen Absprachen erbrachten diese Beigeladenen therapeutische Leistungen mit der Zielrichtung, dass diese von Seiten der Klägerin als in ihrem Unternehmen erbrachte Leistungen insbesondere gegenüber den Krankenkassen abgerechnet werden konnten. Indem die Beigeladenen zu 1. bis 3. prozentual an den von der Klägerin den Krankenkassen in Rechnung gestellten Vergütungen partizipierten, waren sie überdies in deren Abrechnungsstruktur eingebunden (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, Rn. 15, juris).

 

Die Beigeladenen zu 1. bis 3. waren zudem auch keinem nennenswerten Unternehmerrisiko ausgesetzt. Sie erhielten auf der Basis der mündlichen vereinbarten Quotierungen einen festen Anteil an den von Seiten der Krankenkasse zu erbringenden Vergütungen für die von ihnen zu erbringenden therapeutischen Leistungen. Für sie bestand nicht die Chance, durch unternehmerisches Geschick ihre Arbeit so effizient zu gestalten, dass sie das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu ihren Gunsten entscheidend hätte beeinflussen können (vgl. zu diesen Kriterien BSG, U.v. 19. Oktober 2021 – B 12 R 17/19 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 63, Rn. 36). Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggfs. nicht verwerten zu können, folgt schon im Ausgangspunkt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (BSG, aaO).

 

Eine ernsthafte Akquise von Therapieaufträgen im herkömmlichen Sinne und im eigenen Namen kam für die Beigeladenen gar nicht in Betracht. Eigene eigenverantwortlich und damit außerhalb der Reichweite der angesprochenen Gewährleistungsabsicherung durch die Klägerin im eigenen Namen der beigeladenen Therapeuten zu erbringende Leistungen wären gegenüber den Krankenkassen gar nicht abrechnungsfähig gewesen.

 

Darüber hinaus war ein Anlass für entsprechende Maßnahmen durch die entsprechenden – von Seiten der Beigeladenen im Ausgangspunkt nicht beeinflussbaren – medizinischen Indikationen vorgegeben; eine Einflussnahme auf die Verordnungsweise der Ärzte aus eigenwirtschaftlichen Überlegungen des betroffenen Therapeuten ist ohnehin ausgeschlossen (vgl. § 15 Abs. 2 des genannten Vertrages mit den Krankenkassen). Ebenso wenig darf die freie Wahl des Versicherten unter den zugelassenen Leistungserbringern beeinflusst werden; Werbemaßnahmen dürfen sich nicht auf die Leistungspflicht der Krankenkassen beziehen (vgl. § 4 Abs. 7 und 8 des Vertrages).

 

Eine Einbindung des Handelnden in die Kundenakquise stellt ohnehin nur dann ein für die Selbständigkeit seiner Tätigkeit sprechendes Indiz dar, wenn die Kunden für das eigene Unternehmen des Beauftragten geworben werden sollen. Dies umfasst auch eine Abrechnung der Leistungen im eigenen Namen. Eine Akquise von Kunden für den Auftraggeber spricht hingegen jedenfalls indiziell eher für eine abhängige Beschäftigung. Auch bei vielen abhängig beschäftigten Mitarbeitern wird erwartet, dass sie sich um die Gewinnung neuer Kunden für den Arbeitgeber bemühen. Dies berührt schon im Ausgangspunkt nicht ihren Status als abhängig Beschäftigte.

 

Im vorliegenden Zusammenhang gab es gar kein eigenes Unternehmen der Beigeladenen zu 1. bis 3., welches die Leistungen für die nach dem Verständnis der Klägerin von ihnen akquirierten Kunden gegenüber den Krankenkassen hätte abrechnen können. Die Beigeladenen verfügten gar nicht über die dafür erforderlichen Zulassungen. Entsprechende Akquisebemühungen der Beigeladenen zu 1. bis 3. waren damit schon damit schon im Ausgangspunkt auf die Gewinnung von „Kunden“ für das Unternehmen der Klägerin und damit des Auftraggebers ausgerichtet. Dies spricht schon im Ausgangspunkt nicht für eine eigene selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bis 3.

 

Selbstverständlich konnte es im Behandlungsalltag vorkommen, dass Therapiewünsche direkt an die beigeladenen Therapeuten herangetragen wurden. Beispielsweise konnte sich ein Patient nach Erhalt einer ärztlichen Folgeverordnung namentlich telefonisch wieder an diese wenden, wenn ihm etwa deren Telefonnummer aufgrund vorausgegangener Behandlungen bereits bekannt war. Auch kam natürlich in Betracht kommt, dass beim Aufsuchen von Patienten in einem Pflegeheim das dortige Personal den Therapeuten auf einen ärztlich verordneten Behandlungsbedarf bei einem weiteren Patienten hinwies, woraufhin mit Einverständnis des betroffenen weiteren Patienten im zeitlichen Anschluss an die ursprünglich vorgesehene Behandlung auch dieser noch im Rahmen des Besuches behandelt wurde. Ein entsprechendes Vorgehen wäre aber in gleicher Weise denkbar und im Regelfall auch naheliegend, wenn bei der Ausgangstherapie ein bei der Klägerin in Festanstellung tätiger Therapeut tätig geworden wäre. Auch für einen angestellten Therapeuten kann eine entsprechende Bereiterklärung mit persönlichen finanziellen Vorteilen verbunden sein, etwa, wenn er ohnehin ohne festes Arbeitszeitkontingent nur nach Maßgabe der tatsächlichen erbrachten Arbeitsstunden vergütet wird oder wenn aufgrund ihrer gesondert zu honorierende Überstunden anfallen.

 

Ein unternehmerisches Handeln bringt eine entsprechende sachgerechte Berücksichtigung von Kundenwünschen im wirtschaftlichen Interesse insbesondere auch des dadurch Honoraransprüche erwerbenden Auftraggebers nicht zum Ausdruck.

 

Soweit die beigeladenen Therapeuten eigene Arbeitsmittel etwa in Form einer Gymnastikmatte mitgeführt haben, begründete der dafür erforderliche sehr überschaubare finanzielle Aufwand kein ins Gewicht fallendes Verlustrisiko (vgl. zu diesem Kriterium: BSG, U.v. 19. Oktober 2021, aaO, Rn. 37). Ein Einsatz eines privaten Personenkraftwagens für Dienstfahrten wird auch bei vielen Arbeitnehmern erwartet. Damit geht noch kein ins Gewicht fallendes unternehmerisches Risiko einher, zumal ein solches Fahrzeug auch anderweitig für private Zwecke genutzt werden kann und das Vorhalten in weiten Teilen der Bevölkerung üblich ist.

 

Umgekehrt waren den beigeladenen Therapeuten auch keine relevanten unternehmerischen Chancen eröffnet. Für ihre Tätigkeiten erhielten sie die sich aus den Vergütungssätzen der Krankenkassen nach Abzug der nach den mündlichen Absprachen der Klägerin zustehenden Anteile von 20 % bzw. 30 % Beträge, diese konnten sie nicht anderweitig beeinflussen.

 

Eine konkrete Vereinbarung einer Möglichkeit der Delegation der Leistungserbringung von Seiten der beigeladenen Therapeuten an andere (eigene) Arbeitskräfte ist nicht ersichtlich und wird auch von Seiten der Klägerin nicht geltend gemacht. Selbst wenn diese bestanden hätte, wäre ihr hier kein überwiegendes Gewicht für eine selbstständige Tätigkeit beizumessen. Denn die beigeladenen Therapeuten hätten von einer solchen Delegationsbefugnis realistischerweise überhaupt nicht Gebrauch machen können, weil sie im Prüfzeitraum keine eigenen Beschäftigten hatten (vgl. zu diesen Kriterien: BSG, U.v. 19. Oktober 2021, aaO, Rn. 38 mwN).

 

Ein realistischer Gebrauch von (ohnehin nicht vereinbarten) Delegationsbefugnissen scheiterte überdies auch daran, dass nach Abzug des von der Klägerin einbehaltenen Honoraranteils von 20 % bei Hausbesuchen (und sogar 30 % bei Tätigkeiten in den Praxisräumen) das verbleibende Honorar so eng bemessen war, dass damit keine realistische im Arbeitsalltag effektiv umsetzbare Aussicht auf die Finanzierung des Einsatzes eines von Seiten der beigeladenen Therapeuten einzustellenden Arbeitnehmers (mit den dann sich für den jeweils betroffenen Beigeladenen ergebenden Verpflichtungen zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen für einen solchen Arbeitnehmer und zur Abdeckung der damit verbundenen auf ihrer Seite verbleibenden Regiekosten und Haftungsrisiken) bestand.

 

Davon kann umso weniger ausgegangen werden, als die im vorliegenden Verfahren beigeladenen Therapeuten für die Klägerin ganz überwiegend Haus- und Heimbesuche wahrgenommen haben. Die maßgebliche Arbeitszeit umfasst bei solchen aufsuchenden Therapien auch die Fahrtzeiten von und zum Einsatzort. Die von den Krankenkassen gewährten Wegepauschalen decken diesen zusätzlichen Aufwand jedoch nur unzureichend ab, zumal mit ihnen nicht nur der wegebedingte zusätzliche Arbeitszeitaufwand, sondern auch die Kosten des für die erforderlichen Fahrten im Berufsalltag benötigten Fahrzeugs abgedeckt werden sollen. Vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund kam eine Delegation der Aufträge an Dritte noch weniger in Betracht.

 

Den vorstehend angeführten Gesichtspunkten und insbesondere auch dem Fehlen einerseits relevanter unternehmerischer Risiken und andererseits unternehmerischer Chancen kommt in der maßgeblichen Gesamtbetrachtung besonderes Gewicht zu. Sie beschreiben die Grundstruktur der Tätigkeit der beigeladenen Therapeuten, welche zugleich ihre Schutzbedürftigkeit im System der sozialen Sicherung maßgeblich zum Ausdruck bringt. Die betroffenen Beigeladenen haben ihre persönliche Arbeitskraft wie ein Arbeitnehmer eingesetzt; sie sind keine relevanten unternehmerischen Risiken eingegangen und hatten keine strukturellen Möglichkeiten einer Übertragung der übernommenen therapeutischen Leistungen an Dritte.

 

Auch wenn die beigeladenen Therapeuten im Arbeitsalltag weitgehend eigenverantwortlich arbeiteten und in gewissem Umfang flexibel auf Wünsche und Bedürfnisse der zu behandelnden Personen reagieren konnten, kann hieraus bei der beschriebenen Ausgangslage nicht auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden. Das Weisungsrecht kann ohnehin aufs Stärkste eingeschränkt sein. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie – wie auch im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung namentlich auch der dargelegten rechtlichen Vorgaben – ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinert sich in solchen Fällen "zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess". Diese Grundsätze kommen auch auf ausgebildete Fachkräfte in verantwortungsvollen und von Eigenverantwortlichkeit geprägten Tätigkeiten wie der Pflege zur Anwendung (BSG Urteil vom 7.6.2019 - B 12 R 6/18 R - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44, RdNr 28 mwN); für Physiotherapeuten gilt Entsprechendes.

 

Bei – wie auch im vorliegenden Zusammenhang – ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess kommt auch einer großen Gestaltungsfreiheit namentlich bezüglich der Arbeitszeit nur dann erhebliches Gewicht zu, wenn sich deren Grenzen nicht einseitig an den durch die Bedürfnisse des Auftraggebers bzw. Arbeitgebers vorgegebenen Rahmen orientieren (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, BSGE 120, 99-113, SozR 4-2400 § 7 Nr 25, Rn. 29). Im vorliegenden Fall waren die den beigeladenen Therapeuten diesbezüglich zugestandenen Freiheiten jedoch ohnehin primär den eigenen Interessen der Klägerin geschuldet.

 

Insbesondere wollte die Klägerin zur Reduzierung des erforderlichen Arbeitsaufwandes auf ihrer Seite in die tatsächliche Organisation der physiotherapeutischen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bis 3. möglichst wenig eingebunden sein. Zudem wollte sie keine festen (welche dann von ihr auch zu vergüten gewesen wären) Arbeitszeitkontingente festschreiben. Die Vereinbarungen verfolgten das Ziel, im Ergebnis der Klägerin die Einbehaltung eines Honoraranteils von 20 % mit möglichst geringen Risiken und Aufwand auf ihrer Seite zu ermöglichen.

 

Die Überbürdung des Risikos, bei krankheitsbedingten Ausfällen und für Urlaubszeiten kein Entgelt zu erhalten, spricht nach der Rechtsprechung des BSG nur dann für Selbständigkeit, wenn dem auch eine größere Unabhängigkeit oder höhere Verdienstchancen gegenüberstehen. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken, wie dies auch im vorliegenden Fall festzustellen ist, rechtfertigt hingegen nicht die Annahme von Selbständigkeit (vgl. etwa BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 - B 12 KR 17/00 R -, SozVers 2001, 329).

 

2. Auf der damit festzustellenden Basis abhängiger Beschäftigungsverhältnisse zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1. bis 3. lassen die getroffenen Beitrags- und Umlagenfestsetzungen keine Fehler erkennen. Solche werden auch von Seiten der Klägerin nicht geltend gemacht. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat diesbezüglich auf die Gründe des angefochtenen Bescheides.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO.

 

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.

 

Rechtskraft
Aus
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