L 5 KR 440/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 691/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 440/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 23/22 BH
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 19.04.2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten durch Kündigung beendet wurde.

 

Der am 00.00.1988 geborene Kläger war seit 05.10.2013 bei der Beklagten als Student kranken- und pflegeversichert. Auf Grund zahlreicher Unstimmigkeiten zwischen den Beteiligten im Zusammenhang mit dem Beitragseinzug und daraus resultierenden Beitragsrückständen wurde der Kläger auf Grund einer Mitteilung der Beklagten zur fehlenden Krankenversicherung durch die Hochschule R. zum 31.08.2018 exmatrikuliert. Mit Schreiben vom 28.09.2018 kündigte der Kläger daher seine Mitgliedschaft „fristlos“ und bat um sofortige Beendigung der Mitgliedschaft mit Eingang seines Schreibens bei der Beklagten.

 

Die Beklagte bestätigte den Eingang der Kündigung am 28.09.2018 zum 30.11.2018 durch Kündigungsbestätigung vom 01.10.2018. Zuletzt habe eine Pflichtmitgliedschaft bestanden. Sie wies zugleich darauf hin, dass die Kündigung nur wirksam werde, wenn er innerhalb der Kündigungsfrist der zur Meldung verpflichteten Stelle (z.B. dem Arbeitgeber oder der Agentur für Arbeit) eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung nachweise. Sofern keine zur Meldung verpflichtete Stelle vorhanden sei, so sei die Mitgliedsbescheinigung innerhalb der Kündigungsfrist der bisherigen Krankenkasse vorzulegen.

 

In einem weiteren Schreiben vom selben Tag erläuterte die Beklagte noch einmal die Kündigungsfrist (Ablauf des übernächsten Kalendermonats nach Zugang der Kündigung, sofern bereits 18 Monate eine Mitgliedschaft bestand). Sie wies nochmals darauf hin, dass die Kündigung erst wirksam werde, wenn der Kläger bis zum 30.11.2018 eine Mitgliedsbescheinigung der neu gewählten Krankenkasse vorlege.

 

Mit Schreiben vom 05.10.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie Kenntnis von dessen Exmatrikulation erhalten habe und bat um Mitteilung zum aktuellen Versicherungsschutz bzw. beruflichen Status des Klägers. Es bestehe die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung im Anschluss an die studentische Versicherung, wenn der Kläger eine entsprechende Beitrittserklärung abgebe.

 

Gegen die Kündigungsbestätigung legte der Kläger am 10.10.2018 Widerspruch ein. Seine Kündigung sei explizit keine fristgebundene, sondern eine fristlose Kündigung gewesen.

 

Die Beklagte erteilte daraufhin am 12.10.2018 einen Zwischenbescheid und teilte mit, dass sie die Mitgliedschaft des Klägers zum 31.08.2018 beende, wenn er der Beklagten bis zum 30.10.2018 einen Nachweis über eine anderweitige Absicherung (private Krankenversicherung) ab dem 01.09.2018 zusende.

 

Der Kläger teilte daraufhin mit, dass er der Beklagten gegenüber nicht zur Rechenschaft verpflichtet sei, wenn er eine fristlose Kündigung einreiche (Schreiben vom 30.10.2018).

 

Die Beklagte erteilte einen weiteren „Zwischenbescheid“ vom 02.11.2018 und wies auf die Regelung des § 175 Abs. 4 S. 4 SGB V hin. Mit weiterem Schreiben vom 21.11.2018 erläuterte die Beklagte dem Kläger die Rechtslage. Ein außerordentliches Kündigungsrecht mit sofortiger Wirkung gebe es nicht. Eine Kündigung rückwirkend zum 31.08.2018 sei auf Grund der erfolgten Exmatrikulation zu diesem Datum grundsätzlich möglich gewesen. Der Kläger habe jedoch eine anderweitige Absicherung ab dem 01.09.2018 trotz Aufforderung nicht nachgewiesen. Bei dieser Sachlage müsse sie – die Beklagte – an der ausgestellten Kündigungsbestätigung zum 30.11.2018 festhalten. Auch diese werde jedoch nur wirksam, wenn der Kläger bis zu diesem Termin den Nachweis einer Folgeversicherung eingereicht habe. Sofern dies nicht geschehe, sei die Kündigung unwirksam und die Beklagte bleibe auch über den 30.11.2018 hinaus für die Durchführung der Mitgliedschaft zuständig.

 

Mit Schreiben vom 23.11.2018 erinnerte die Beklagte den Kläger an ihr Schreiben vom 08.10.2018 (gemeint wohl: 05.10.2018) und teilte mit, dass die bisherige Versicherung ggf. ab dem 01.09.2018 als freiwillige Mitgliedschaft zum Höchstbeitrag weitergeführt werde. Sofern dies nicht gewollt sei, müsse der Kläger binnen zwei Wochen seinen Austritt erklären und einen Nachweis der Absicherung im Krankheitsfall zusenden.

 

Nachdem auch diesbezüglich keine weitere Reaktion des Klägers erfolgte, teilte die Beklagte mit Bescheid vom 18.12.2018 mit, dass die bisherige Versicherung ab dem 01.09.2018 als freiwillige Mitgliedschaft fortgeführt werde. Es handele sich um eine obligatorische Anschlussversicherung. Da keine Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen des Klägers vorlägen, sei der Höchstbeitrag zu erheben. Für die Zeit ab dem 01.09.2018 seien daher insgesamt 792,08 Euro monatlich als Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen.

 

Schließlich wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2019 zurück. Die Beendigung der Mitgliedschaft sei auf Grund der Kündigung vom 28.09.2018 grundsätzlich zum 30.11.2018 möglich gewesen. Der Kläger habe jedoch bis zum letztgenannten Datum weder eine Mitgliedsbescheinigung einer neu gewählten Krankenkasse noch einen Nachweis eines anderweitigen Versicherungsschutzes vorgelegt.

 

Am 29.04.2019 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Köln Klage erhoben. Es gebe ausreichend Gründe, warum seine fristlose Kündigung wirksam sei. So habe die Beklagte, weil er der Ausstellung einer elektronischen Gesundheitskarte widersprochen habe, immer nur Mitgliedsbescheinigungen mit einer Gültigkeit von wenigen Tagen ausgestellt. Er habe sich so nicht spontan bei einem Arzt behandeln lassen können. Auch habe sich die Beklagte geweigert Kosten zu erstatten, wenn er auf Grund der vorstehenden Problematik für eine ärztliche Behandlung in Vorleistung gegangen sei. Schließlich habe es zahlreiche Probleme bei Beitragseinzug per Lastschrift gegeben. Auf Grund dessen sei er durch seine Hochschule exmatrikuliert worden. Er sei auch nicht verpflichtet, der Beklagten Nachweise über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall vorzulegen.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

  1. festzustellen, dass seine fristlose Kündigung mit Eingang 28.09.2018 bei der Beklagten wirksam geworden ist,

 

  1. festzustellen, dass, falls die Kündigung aus welchen Gründen auch immer laut dem Gericht am 28.09.2019 nicht gültig geworden sein sollte, sie jedoch allerspätestens Ende November 2018 gültig wurde.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat zur Begründung ihres Antrags auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2019 verwiesen.

 

Am 04.09.2019 hat der Kläger das Sozialgericht Köln aufgesucht und Akteneinsicht genommen. Mit am 19.04.2021 eingegangenen Schreiben hat der Kläger erneut Akteneinsicht beantragt.

 

Am selben Tag (19.04.2021) hat das Sozialgericht die Klage nach vorausgegangener Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid abgewiesen. Es könne offen bleiben, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt die studentische Pflichtversicherung in Folge der Exmatrikulation zum 31.08.2018 oder wegen Überschreiten der Grenze von 30 Lebensjahren beendet worden sei. Denn bei Beendigung der Pflichtversicherung sei § 188 Abs. 4 SGB V zu beachten. Ein Austritt sei nicht wirksam geworden, weil der Kläger eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nicht nachgewiesen habe. Aber auch bei Fortbestehen der studentischen Pflichtversicherung ergebe sich keine andere Beurteilung. Denn die Voraussetzungen des § 175 Abs. 4 SGB V seien nicht erfüllt, weil der Kläger weder eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse noch eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen habe.

 

Gegen den ihm am 22.04.2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25.05.2021 Berufung (Pfingstdienstag) eingelegt. Die Pflichten aus dem Vertragsverhältnis zu der Beklagten ergäben sich aus dem VVG, nicht aber aus dem SGB V. Es sei unzulässig, dass er für den Rest seines Lebens in ein Vertragsverhältnis mit der Beklagten gezwungen werde, solange er der Beklagten nicht irgendwelche personenbezogenen Daten mitteile. Es gehe die Beklagte nichts an, mit wem er irgendwelche Verträge schließe. Dies folge aus seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Er sei gehindert, bestimmte Beweismittel vor Gericht vorzulegen, weil er dann der Beklagten gleichzeitig personenbezogene Daten offenbaren müsse. Wenn die Beklagte selbst beschließe, dass sie kein Geld von seinem Konto abbuchen wolle, so stehe ihr für die Folgezeit auch kein Geld mehr zu. Zudem sei ihm die Fortführung seiner Mitgliedschaft bei der Beklagten nicht zumutbar, weil sie wiederholt seine Rechte aus der DSGVO verletzt habe und nach einem Urteil des EuGH auch unlautere Geschäftspraktiken anwende. Der Gerichtsbescheid und auch das vorausgegangene Anhörungsschreiben seien vermutlich nicht von dem zuständigen Richter, sondern von der Geschäftsstellenverwalterin verfasst worden. Durch die verweigerte Akteneinsicht sei sein Grundrecht aus Art. 103 GG verletzt.

 

Der Kläger beantragt wörtlich,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 19.04.2021 aufzuheben und festzustellen, dass

 

  1. die Beklagte verpflichtet ist, ihn aus der Krankenversicherung ohne jegliche weitere Forderungen von irgendwelchen personenbezogenen Daten zu entlassen. Erst recht, wenn sie zuerst durch ihre Eigenentscheidung das Geld vom Konto nicht mehr abbuchte, anschließend Leistungen einstellte und den Kläger aus dessen Studium durch entsprechende Meldung an die Hochschule exmatrikulierte;

 

2. das Sozialgericht Köln seine Grundrechte verletzt hat, indem es sein Recht auf Akteneinsicht grundlos ignoriert hat. Dadurch wurde ihm unmöglich gemacht, seine Rechte beim Sozialgericht Köln vorschriftsmäßig vertreten zu können;

 

3. das Sozialgericht Köln seine Grundrechte verletzt hat, indem behauptet wurde, dass die Beteiligten zuvor gehört worden wären und der Sachverhalt geklärt sei, obwohl er schriftlich erklärt habe, dass er nach erfolgter Akteneinsicht vorhabe, Unterlagen zwecks Beweisaufnahme vorzulegen;

 

4. das Sozialgericht Köln seine Grundrechte verletzt hat, indem es ihm zu Unrecht das von ihm geforderte mündliche Verfahren verweigert hat, obwohl die Voraussetzungen dafür vorlagen;

 

5. das Sozialgericht Köln seine Grundrechte verletzt hat, indem der Richter weder die Ankündigung der Beabsichtigung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden noch den späteren Gerichtsbescheid unterschrieben hat;

 

6. die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten des Verfahrens zu tragen;

 

7. eine Fortführung des Vertragsverhältnisses keinen positiven Gemeinwohlbeitrag darstellt.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

 

Am 11.11.2021 hat der Kläger in den Räumlichkeiten des Landessozialgerichts Einsicht in die Prozess- und Verwaltungsakten genommen.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der Beratung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

 

A. Die zulässige, insbesondere fristgerecht i.S.d. § 151 Abs. 1 SGG erhobene Berufung ist nicht begründet. Die Berufungsanträge zu 2.) bis 5.) des Klägers führen nicht zu einer Feststellung der Nichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Die darin gerügten Verfahrensfehler führen – soweit sie überhaupt bestehen – auch nicht zu einer Zurückverweisung an das Sozialgericht (dazu unter I.). Hinsichtlich seines Antrages zu 1.) ist die Klage unbegründet (dazu unter II.). Hinsichtlich des Antrages zu 7.) ist die Klage bereits unzulässig (dazu unter III.).

 

I. 1.) Soweit der Kläger mit seinen Berufungsanträgen zu 2.) bis 5.) diverse Verfahrensfehler des Sozialgerichts rügt, führen diese nicht zu einer Nichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Nichtig ist ein Urteil bzw. ein Gerichtsbescheid nur dann, wenn es bzw. er an einem schweren Verfahrensmangel leidet. Dies ist etwa der Fall bei einem Urteil gegen Exterritoriale, bei ausgesprochenen Rechtsfolgen, die nach der geltenden Rechtslage völlig ausgeschlossen sind, bei einem Urteil gegen nicht existierende Beteiligte, bei Aufhebung eines nicht mehr bestehenden Verwaltungsaktes, bei Urteilen in einem bereits abgeschlossenen Verfahren sowie bei Urteilen, bei denen auch bei Heranziehung der Entscheidungsgründe nicht erkennbar ist, was das Gericht entschieden hat (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Auflage 2020, § 125 Rn. 5b). Einen solchen schweren oder vergleichbaren Verfahrensmangel hat der Kläger aber vorliegend schon nicht geltend gemacht und er ist auch nicht ersichtlich.

 

2.) Die gerügten Verfahrensfehler führen – soweit sie überhaupt bestehen – auch nicht zu einer Zurückverweisung an das Sozialgericht, weil diesbezüglich die Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere machen sämtliche „Verfahrensfehler“ keine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich.

 

a) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers liegt nicht (mehr) vor. Soweit der Kläger eine fehlende Akteneinsicht rügt, so könnte dies allenfalls aus seinem erneuten Antrag vom 19.04.2021 resultieren. Denn zuvor hatte der Kläger bereits am 04.09.2019 Akteneinsicht i.S.d. § 120 SGG erhalten. Eine etwaige Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör wurde aber durch die zwischenzeitlich stattgehabte Akteneinsicht im Berufungsverfahren (am 11.11.2021) geheilt. Im Anschluss hatte er ausreichend Zeit, sich weiter zum Verfahren zu äußern.

 

b) Auch die nicht erfolgte mündliche Verhandlung im erstinstanzlichen Verfahren stellt schon keine Verletzung seines Rechtes auf rechtliches Gehör dar. § 105 SGG sieht diese Möglichkeit bei Vorliegen der dortigen Voraussetzungen vielmehr ausdrücklich vor. Das Sozialgericht ist insofern auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Sachverhalt geklärt war und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher aufwies. Zudem wurden ausweislich des Akteninhalts sowohl die Anhörung als auch der Gerichtsbescheid ordnungsgemäß und mit vollem Namen durch den Kammervorsitzenden unterschrieben, so dass auch diesbezüglich kein Verstoß gegen die §§ 105 Abs. 1 S. 2, 134 Abs. 1 SGG vorlag.

 

c) Eine mündliche Verhandlung hat zudem am 24.05.2022 vor dem erkennenden Senat stattgefunden. Der Kläger hatte in deren Rahmen etwa 40 Minuten Gelegenheit, seine rechtliche Sichtweise darzustellen. Zudem war er nach seinem etwa 30 Minuten andauernden Vortrag darauf hingewiesen worden, dass er nunmehr innerhalb weiterer zehn Minuten seine Rechtsauffassung abschließend darstellen müsse. Eine solche Begrenzung der Redezeit ist grundsätzlich zulässig (vgl. schon BVerwG, Beschluss vom 22.09.1961 – VIII B 61.61 und daran anschließend Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Auflage 2020, § 62 Rn. 6). Sie war vorliegend auch geboten, weil der Kläger keine neuen Tatsachen vorbringen oder Beweismittel vorlegen konnte, sondern sich seine Ausführungen vielmehr auf die Darstellung von Gründen, die nach seiner Rechtsauffassung zu einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung einer Mitgliedschaft führen würden, beschränkten. Auf eine Unzumutbarkeit kommt es jedoch vorliegend schon nicht an (dazu sogleich).

 

Insgesamt war der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör i.S.d. § 62 SGG i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG daher gewahrt.

 

II. Der Antrag zu 1.) des Klägers war nach Würdigung des klägerseitigen Vorbringens meistbegünstigend dahingehend auszulegen, dass der Kläger sich gegen den Zeitpunkt der Beendigung seiner Mitgliedschaft sowie gegen die weiteren, von ihm zu erfüllenden Voraussetzungen zur Beendigung seiner Mitgliedschaft wendet, wie sie in den Bescheiden vom 01.10.2018 und 12.10.2018 niedergelegt wurden. Der Kläger begehrt statt dessen eine Beendigung seiner Mitgliedschaft zum 28.09.2018, dem Tag des Zugangs seines Kündigungsschreibens, ohne weitere Bedingungen. Eine reine Feststellungsklage – entsprechend dem wörtlichen Antrag des Klägers – würde dem so verstandenen Rechtschutzziel des Klägers daher auf Grund der ergangenen Bescheide nicht gerecht. Die Klage war daher als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 S. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) gegen den Bescheid vom 01.10.2018 in der Fassung des Bescheides vom 12.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2019 auszulegen.

 

Nicht Gegenstand des Verfahrens sind demgegenüber der „Zwischenbescheid“ vom 02.11.2018 sowie der Bescheid vom 18.12.2018. Dem „Zwischenbescheid“ vom 02.11.2018 fehlt es bereits an dem nach § 31 S. 1 SGB X erforderlichen Regelungscharakter. Denn die Beklagte informiere darin den Kläger ausschließlich über die Rechtslage, ohne eine Rechtsfolge zu setzen. Demgegenüber handelt es sich bei dem Bescheid vom 18.12.2018 zwar um einen Verwaltungsakt. Dieser ist aber nicht gemäß § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden. Denn er hat den ursprünglichen Verwaltungsakt, dessen Gegenstand die Kündigungserklärung des Klägers war, weder abgeändert noch ersetzt. Der Bescheid vom 18.12.2018 stellt lediglich als Folge der nicht wirksam gewordenen Kündigung die Fortsetzung der Versicherung als freiwillige Mitgliedschaft sowie die Beitragshöhe fest.

 

Die so verstandene Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten ist nicht durch einen wirksamen Austritt im Zusammenhang mit der erfolgten Exmatrikulation (dazu unter 1.) beendet worden. Die ab dem 01.09.2018 bestehende freiwillige Mitgliedschaft des Klägers ist auch nicht durch dessen Kündigung am 28.09.2018 beendet worden (§ 191 Nr. 3 i.V.m. § 175 Abs. 4 SGB V, dazu unter 2.). Auch die sonstigen, in § 191 SGB V abschließend aufgelisteten Beendigungsgründe liegen nicht vor (dazu unter 3.). Das fristlose Kündigungsrecht nach § 19 Abs. 6 VVG findet auf die Mitgliedschaft des Klägers keine Anwendung (dazu unter 4.).

 

1.) Die Mitgliedschaft des Klägers hat zunächst nicht durch den Umstand ihr Ende gefunden, dass der Kläger durch die Hochschule, bei der er zuvor eingeschrieben gewesen war, zum 31.08.2018 exmatrikuliert wurde. Denn zwar endete die gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V bestehende studentische Pflichtmitgliedschaft nach § 190 Abs. 9 SGB V (in der bis zum 10.05.2019 geltenden Fassung) am 30.09.2018. Sie setzte sich jedoch gemäß § 188 Abs. 4 SGB V als freiwillige Pflichtmitgliedschaft fort. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Kläger durch sein Schreiben vom 28.09.2018 seinen Austritt rechtzeitig und wirksam erklärt hätte, so hatte er es jedenfalls versäumt, die nach § 188 Abs. 4 S. 2 SGB V erforderliche anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nachzuweisen.

 

2.) Die somit ab dem 01.09.2018 bestehende freiwillige Versicherung des Klägers endete auch nicht durch die von ihm am 28.09.2018 ausgesprochene Kündigung. Nach § 191 Nr. 3 SGB V endet die freiwillige Mitgliedschaft mit dem Wirksamwerden der Kündigung. Dabei verweist die Norm ausdrücklich auf § 175 Abs. 4 SGB V. Nach dessen Satz 2 ist eine Kündigung der Mitgliedschaft zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats möglich, gerechnet von dem Monat, in dem das Mitglied die Kündigung erklärt. Ergänzend bestimmt Satz 4, dass die Kündigung nur dann wirksam wird, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung oder das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall nachweist. Einen solchen Nachweis hat der Kläger trotz ausdrücklichen Hinweises der Beklagten jedoch bis heute nicht vorgelegt.

 

3.) Die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers endete auch nicht automatisch mit Ablauf eines Zeitraums von mindestens sechs Monaten gemäß § 191 Nr. 4 SGB V. Denn selbst, wenn man annähme, dass der Kläger in der Folgezeit seiner Kündigungserklärung die Mitgliedschaft in dem Sinne nicht mehr gelebt hätte, dass er keine Leistungen der Beklagten mehr in Anspruch genommen hätte, so wäre doch weitere Voraussetzung, dass der Beklagten weder Wohnsitz noch gewöhnlicher Aufenthalt des Klägers bekannt gewesen wären. Der Kläger war jedoch durchgehend postalisch durch die Beklagte bzw. das Gericht erreichbar, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Ende der freiwilligen Mitgliedschaft nicht vorlagen.

 

4.) Anders als der Kläger meint, ist auch das fristlose Kündigungsrecht gemäß § 19 Abs. 6 VVG auf seine Mitgliedschaft der Beklagten nicht anwendbar. Der Anwendungsbereich des VVG ist auf private Versicherungsverhältnisse beschränkt. Für die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten als gesetzlicher Krankenversicherung sind hingegen ausschließlich die Maßstäbe des SGB V anzuwenden.

 

Nach dem zuvor Gesagten besteht daher die Mitgliedschaft des Klägers bis heute fort und kann auch nicht ohne Nachweis eines anderweitigen Krankenversicherungsschutzes beendet werden. Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, zu welchem Datum seine Mitgliedschaft beendet werden konnte, kommt es daher ebenso wenig an wie auf die vom Kläger vorgetragene Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Mitgliedschaft.

 

III. Soweit der Kläger mit seinem Antrag zu 7.) die Feststellung begehrt, dass eine Fortführung des Vertragsverhältnisses mit der Beklagten keinen positiven Gemeinwohlbeitrag darstelle, ist die diesbezügliche Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresse bereits unzulässig. Nach § 55 SGG ist ein berechtigtes Interesse des Klägers an einer baldigen Feststellung erforderlich. Ausreichend, aber auch erforderlich, ist jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse wirtschaftlicher oder ideeller Art. Vorliegend ist ein solches jedoch nicht ersichtlich. Es ist schon nicht erkennbar, welche (positiven) Rechtsfolgen der Kläger aus der begehrten Feststellung für sich ableiten könnte. Der bloße Wunsch nach einer Feststellung allgemeiner rechtspolitischer Erwägungen reicht für die Bejahung eines Feststellungsinteresses nicht aus.

 

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

C. Gründe für eine Zulassung der Revision i.S.d. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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