Die Klagen werden abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes, des Versicherten, der im Steinkohlenbergbau tätig gewesen ist, die Gewährung von Pflegegeld sowie einer Rente infolge der festgestellten BK 4101.
Mit bestandskräftigem Bescheid der Bergbau-BG, Rechtsvorgängerin der Beklagten, vom 12.07.1994 war die Erkrankung des verstorbenen Versicherten als Berufskrankheit nach Nr. 4101 (Quarzstaublungenerkrankung; Silikose) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkannt, ein Rentenanspruch mangels rentenberechtigender MdE jedoch abgelehnt worden. Diesbezüglich hatte vor dem Sozialgericht Gießen ein Rechtsstreit stattgefunden, in dem die Klage nach Vorlage des für den Kläger negativen internistischen Gutachtens des Prof. F. (vom 11.07.1995) zurückgenommen worden war.
Auf Antrag des Klägers hatte im Jahr 1997 ein erneutes Verwaltungsverfahren stattgefunden, das mit bestandskräftigem Bescheid vom 14.10.1997 geendet hatte, in dem der Rentenanspruch weiterhin abgelehnt wurde. Dasselbe war in den Jahren 1999 (bestandskräftiger Bescheid vom 28.03.2000) und 2004 (Bescheid vom 16.07.2004) geschehen. Nach Widerspruch des Versicherten gegen den letztgenannten Bescheid war von der Bergbau-BG auch das Vorliegen der BK 4111 („chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren [(mg/m hoch 3) x Jahre]“ geprüft worden. Bei Dr. H. war ein internistisch-pneumologisches Gutachten (vom 22.07.2005) eingeholt worden, das zum Ergebnis gekommen war, dass eine BK 4111 aufgrund des von 1942 bis 1964 konkurrierend betriebenen Nikotinkonsums nicht eindeutig nachzuweisen sei und die MdE bezüglich der BK 4101 weiterhin nicht rentenberechtigend sei. Unter dem 30.09.2005 hatte die Bergbau-BG dem Kläger einen weiteren Bescheid über Ablehnung einer Rente infolge der BK 4101 erteilt.
Im Jahr 2009 wurde von der Bergbau-BG von Amts wegen eine Nachuntersuchung bezüglich der BK 4101 eingeleitet. In diesem Zusammenhang erstattete Dr. M., Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde – Allergologie, Umweltmedizin, unter dem 01.03.2011 ein internistisch-pneumologisches Gutachten.
Der Sachverständige klärte darüber auf, dass das Beschwerdebild des Klägers – das keine Veränderungen zu den Vorbefunden zeige – vor dem Hintergrund der „in den letzten Jahren durchgeführten Studien“ sowie der Bochumer Empfehlung (für die Begutachtung von Quarzstaublungenerkrankungen) aus dem Jahr 2009 anders als zuvor einzuschätzen sei, da nun nachgewiesen worden sei, dass die radiologische Beurteilung mittels konventioneller Röntgenbilder die funktionelle Einschränkung bei einer Staublunge nicht abbilde. Der Streuungsgrad im Röntgenbild korreliere nicht mit der Schwere einer Lungenfunktionseinschränkung. Auch bei einem Streuungsgrad von I/I würden deutliche bronchial obstruktive Ventilationsstörungen verursacht, die auf eine Steinstaublungen-Exposition zurückzuführen seien. [Anm. d. Verf.: Für das Vorliegen einer Silikose sprechen kleine rundliche Schatten vom Typ p, q oder r im Röntgenbild des Thorax mit einer gewissen Reichlichkeit und gleichmäßigen Verteilung im Sinne eines Streuungsgrades nach ILO 2000 von 1/1 oder höher; Bochumer Empfehlung, Stand Juni 2011, Seite 23, Ziffer 1.5 erster Absatz. Die Bochumer Empfehlung wurde im Jahr 2009 auf der Grundlage der im Jahr 2008 verabschiedeten AWMF-Leitlinie „Diagnostik und Begutachtung der Berufskrankheit Nr. 4101 (Silikose)“ erarbeitet. Anlass für die Erarbeitung der Leitlinie war, dass die bislang bei geringgradig gestreuten Silikosen angewandte Begutachtungspraxis, die auf der sog. „Moerser Konvention“ beruhte, sich nicht mit der aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Datenlage deckte. „Zwischen Beschwerdebild und Gasaustausch und den Befunden im Röntgenbild, insbesondere den einzelnen Streuungskategorien nach der ILO-Klassifikation, bestehen keine klaren, ausreichend belastbaren Korrelationen. Deshalb ist nunmehr bereits ab einem Streuungsgrad 1/1 nach der ILO-Klassifikation (geringgradig gestreute Silikose) zu prüfen, ob Funktionseinschränkungen feststellbar und auf eine Quarzstaublungenerkrankung zurückzuführen sind.“ Bochumer Empfehlung aa0, Seite 9, erster und zweiter Absatz].
Aufgrund seiner Begutachtung stellte Dr. M. diagnostisch silikotische Lungenveränderungen nach der ILO-Klassifikation mit einem Streuungsgrad von 2/1 vor (sowie Typ q) im Sinne einer Quarzstaublungenerkrankung. Neben der Silikose liege eine COPD sowie der Verdacht auf pulmonale Hypertonie vor. Diesbezüglich führte der Sachverständige aus:
Aufgrund der Anamnese sei eine chronische Bronchitis anzunehmen. Klinisch wie auch funktionsanalytisch hätten sich schon erstmalig bei den Untersuchungen von Dr. E. (22.02.1995) Hinweise auf eine chronische Bronchitis und eine Lungenüberblähung gezeigt. Die Lungenfunktionsprüfung durch Dr. W. vom 22.03.1994 zeige Hinweise auf eine obstruktive Ventilationsstörung. Die gutachterliche Untersuchung des Klägers durch Prof. F. (s.o.) habe die anamnestischen Bezüge einer chronischen Bronchitis bestätigt. Prof. F. habe in seinem Gutachten zudem ein leichtgradiges Lungenemphysem beschrieben. Zum selben Befund sei auch der Sachverständige Dr. H. (s. o.) gekommen. Auch habe er eine nicht obstruktive Bronchitis beschrieben.
Aufgrund eigener Untersuchung des Versicherten durch den Sachverständigen M. ergäben sich betreffend die Lungenfunktion unter Berücksichtigung des Alters und des Broca-Indexes und einer wohl altersbedingten wechselnden Mitarbeit des Versicherten in Ruhe am 14.01.2011 und am 18.02.2011 eine leichtgradige, peripher betonte Obstruktion mit deutlicher Überblähung und dadurch bedingter Pseudorestriktion. Eine eindeutige restriktive Ventilationsstörung habe bei normaler totaler Lungenkapazität direkt nicht gesehen werden können. Broncholyse mit Salbutamol habe keine Veränderungen der obstruktiven Ventilationsparameter ergeben. Auch die Überblähungsparameter hätten sich nicht zurückgebildet. Nach fahrradergometrischer Belastung sei es nicht zu einer Verstärkung der Obstruktionsparameter gekommen. Mittels CO Diffusionsmessung habe sich eine mäßiggradig eingeschränkte Diffusionskapazität gezeigt, die jedoch auf die Volumen-Einheit bezogen wieder normal sei. Ein Vergleich zwischen fremdgas-ermittelter FRC und bodyplethysmographisch ermitteltem ITGV habe eine deutliche Differenz im Sinne von gefangener Luft (trapped air) gezeigt. Das konstant erhöhte Residualvolumen müsse somit weiterhin als Ausdruck einer fixierten Überblähung im Sinne eines Lungenemphysems gedeutet werden.
Im Ruhe-EKG habe sich kein Hinweis auf eine Druckerhöhung im kleinen Kreislauf ergeben. Auffällig sei jedoch in Ruhe und unter Belastung (Ergo-Spiro-Oxymetrie) eine vorhandene, am Ende der Belastung sich verstärkende Extrasystolie. Unter Belastung sei es zu einem deutlichen Abfall der Sauerstoffwerte gekommen. Es habe sich somit eine belastungsbedingte Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit gezeigt, wobei nicht entschieden werden könne, inwieweit es primär eine kardiale oder pulmonale Einschränkung gewesen sei.
Zur Kausalität führte der Sachverständige aus:
Die Funktionsstörungen könnten mit Wahrscheinlichkeit [so die von der Beklagten formulierte Beweisfrage; Anm. d.Verf.] auf die Quarzstaub-Lungenerkrankung zurückgeführt werden. Ob die in Vorbefunden beschriebene leichtgradige pulmonale Hypertonie Folge der Silikose sei, könne aufgrund der durchgeführten Untersuchungen (bei denen BNP-Werte und D-Dimer-Werte erhoben wurden) und der vorliegenden Befunde, nicht entschieden werden. Diese Frage könne nur durch eine Rechtsherzkatheter-Untersuchung entschieden werden, auf die jedoch wegen des Alters und der fehlenden Duldungspflicht dieser Untersuchung verzichtet worden sei.
Der Sachverständige M. schätzte vom 22.02.1995 (Untersuchung durch Dr. E., s. o.) bis zum Tag vor der Untersuchung des Versicherten bei Dr. H. (11.11.2004) eine MdE von 20 v. H., sowie ab diesem Datum eine MdE von 30 v. H. ein, da Dr. H. eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität festgestellt habe, die mit Wahrscheinlichkeit auf die feinstaub-induzierte Lungenerkrankung zurückzuführen sei. Ab Untersuchungstag beim ihm (Sachverständigen M.) am 18.02.2011 sei eine MdE von 40 v. H. einzuschätzen, da aufgrund seiner Belastungsuntersuchung nunmehr auch von einer latenten respiratorischen Partialinsuffizienz auszugehen sei.
Im Gutachten äußerte der Sachverständige des Weiteren, dass bei dem Kläger auch eine BK 4111 vorliege, die sich mit der BK 4101 überlappe.
Aufgrund der ablehnenden Stellungnahme des Beratungsarztes der Beklagten Dr. L. vom 24.03.2011 gab der Sachverständige M. unter dem 13.04.2011 eine ergänzende Stellungnahme ab, wonach die gemessenen Werte eine belastungs-induzierte respiratorische Partialinsuffizienz bewiesen. Der Sachverständige bekräftigte diesbezüglich die von ihm eingeschätzte MdE von 40 v. H. Hierzu legte der Beratungsarzt eine weitere Stellungnahme (vom 24.05.2011) vor. Am 20.10.2011 fand deshalb eine weitere gutachtliche Untersuchung des Klägers bei Dr. M. statt, in der geklärt werden sollte, ob rezidivierende Lungenembolien stattgefunden hätten, die differentialdiagnostisch eine Erklärung der von Dr. M. anlässlich seines Gutachtens vom 01.03.2011 gefundenen respiratorischen Partialinsuffizienz unter Belastung sein könnten. Der Sachverständige teilte hierzu in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.10.2011 nach Untersuchung des Klägers mit, dass ein Angio-CT zur Klärung rezidivierender Lungenembolien aus medizinischen Gründen nicht möglich sei. Unabhängig davon halte er rezidivierende Lungenembolien zur Erklärung der latenten respiratorischen Partialinsuffizienz nicht für wahrscheinlich, sondern weiterhin die Silikose primär hierfür verantwortlich.
Aufgrund der weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. L. vom 08.11.2011 holte die Beklagte bei Prof. P. eine Stellungnahme zu dem Gutachten sowie den ergänzenden gutachtlichen Stellungnahmen des Dr. M. ein, der am 08.12.2011 eine Wiederholung der Ergo-Spiro-Oxymetrie empfahl, mit der wiederum Dr. M. beauftragt wurde. Diesbezüglich teilte Dr. M. in der Stellungnahme vom 28.02.2012 mit, dass sich aus der am Vortag erneut durchgeführten Untersuchung keine neuen Anhaltspunkte ergäben, die eine Änderung der vorbefundlichen Bewertung bedingten. Unter einer geringeren Belastung habe sich bei in Ruhe ausreichenden O2-Werten unter Belastung eine signifikante Reduktion der O2-Spannung ergeben, wobei nach Ende der Belastung der Ausgangswert noch nicht vollständig erreicht worden sei.
Nach einer weiteren diagnostischen Untersuchung des Versicherten (HR-CT des Thorax vom 24.04.2012) ließ die Beklagte bei Prof. N., Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, eine gutachtliche Stellungnahme nach Aktenlage (insbesondere zur Schlüssigkeit des Gutachtens des Dr. M.) erstellen.
Unter dem 16.07.2012 führte Prof. N. in Auswertung der von Dr. M. erhobenen Messdaten der Ganzkörperplethysmographie, Spirometrie, Diffusionsmessung, Blutgasanalyse, und der Spiroergometrie zusammenfassend aus, dass im Rahmen des M.´schen Gutachtens weder eine Ventilationsstörung mit gutachterlich ausreichender Sicherheit festgestellt worden sei, noch sei die körperliche Leistungsfähigkeit des Versicherten alterskorrigiert signifikant eingeschränkt. Die von Dr. M. vorgebrachte Argumentationskette, wonach eine Silikose-bedingte Belastungshypoxämie eine MdE von 40 v. H. begründe, sei insofern nicht schlüssig. Es sei vielmehr festzustellen, dass die Silikose weder zu einer relevanten Ventilationsstörung noch zu einer Diffusionsstörung geführt habe, noch eine Belastungshypoxämie oder eine pulmonale Hypertonie begründen könne. Soweit Dr. M. in diesem Zusammenhang auf ein EKG von Prof. Sievert (Bericht vom 11.02.2008) verwiesen habe, in dem eine pulmonale Hypertonie festgestellt worden sei, werde dort allerdings auch eine beginnende diastolische Relaxationsstörung und eine Hypertrophie des Ventrikelseptums auf 12 mm berichtet, so dass eine pulmonale Hypertonie in diesem Zusammenhang mit höchster Wahrscheinlichkeit auf eine diastolische Funktionsstörung des linken Ventrikels bei hypertensiver Herzerkrankung und Wandhypertrophie des linken Ventrikels zurückzuführen sei. Letztere begründe auch zwanglos die unter Belastung beschriebene geringgradige Hypoxämie. An der gutachterlichen Beurteilung des Dr. M. bestünden daher begründete Zweifel. Entgegen dem Sachverständigengutachten des Dr. M. schätzte Prof. N. die der BK 4101 zuzuordnende MdE mit 10 v. H. ab der Begutachtung des Versicherten bei Dr. M. am 14.01.2011 ein.
Dr. M. nahm zur gutachtlichen Stellungnahme des Prof. N. unter dem 30.07.2012 Stellung. Hierin verwies er darauf, dass es lungenfunktionsanalytische Vergleichswerte für die Altersgruppe des Versicherten nicht gebe, dass bei dem Versicherten gleichwohl eine langjährige chronische Bronchitis bestehe und dass es eine Vermutung sei, die pulmonale Hypertonie auf eine diastolische Funktionsstörung des linken Ventrikels zurückzuführen. Auf die CT des Thorax (s. o.) sei Prof. N. gar nicht eingegangen. Nach Anschauung des Dr. M. sei hier ein Emphysem zu sehen, wobei die Untersuchung eingeschränkt gewesen sei durch die zwischenzeitlich erfolgte Implantation eines Herzschrittmachers mit entsprechenden Störphänomenen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass sich beim Versicherten die BKen 4101 und 4111 überlappten, wobei die Silikose in der Regel für fibrotische Veränderungen im Sinne einer Restriktion verantwortlich sei, während die chronische Bronchitis mit Emphysem bei Bergarbeitern mehr die obstruktive Funktionsbeschränkung begünstige. Für die Bildung der MdE und damit für die Höhe einer Rente seien daher sowohl die Funktionseinschränkungen zu berücksichtigen, die als typische Folge der Fibrosierung anzusehen seien, als auch jene, die sich aus dem komplexen Krankheitsbild bei chronischen obstruktiver Bronchitis und Emphysem herausbilden könnten. Er bleibe daher bei seiner MdE-Einschätzung.
Unter dem 20.08.2012 erteilte die Beklagte dem Kläger einen Bescheid, in dem sie den Anspruch auf Rentengewährung infolge der BK 4101 weiterhin ablehnte. Zur Begründung führte sie aus, dass sie dem Gutachten des Dr. M. sowie seinen ergänzenden Stellungnahmen nicht folgen könne. Vielmehr schließe sie sich den gutachtlichen Äußerungen des Prof. N. an.
Gegen den Bescheid vom 20.08.2012 legte der Prozessbevollmächtigte des Versicherten Widerspruch ein, eine wie von Dr. M. eingeschätzte gestaffelte MdE beantragend. Hilfsweise regte er die Einholung eines Obergutachtens an.
Den Widerspruch des Versicherten wies die Beklagte ohne weitere Sachverhaltsermittlungen mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2012 zurück, in dem sie sich darauf bezog, dass zur Widerspruchsbegründung keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen vorgetragen worden seien.
Gegen den Bescheid vom 20.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.11.2012 hat der Versicherte, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, am 10.12.2012 Klage zum Sozialgericht Frankfurt erhoben.
Mit Schriftsatz vom 19.02.2014 beantragte die Klägervertreterin unter Bezugnahme auf die festgestellte BK 4101 die Gewährung von Pflegegeld (§ 44 SGB VII). Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.04.2014 ab. Zur Begründung berief sie sich darauf, dass die Silikose bisher keine leistungsberechtigenden Folgen habe, so dass eine eventuell vorliegende Hilflosigkeit des Klägers nicht auf die BK 4101 zurückzuführen sei. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2014 mit gleichlautender Begründung zurück.
Gegen den Bescheid vom 14.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2014 hat der Versicherte, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, am 14.07.2014 Klage zum Sozialgericht Frankfurt erhoben (ursprüngliches Aktenzeichen S 23 U 90/14). Durch gerichtlichen Beschluss vom 25.08.2014 war das Verfahren ausgesetzt worden.
Der Kläger ist 2016 verstorben. Beide Rechtsstreitigkeiten werden durch seine Ehefrau fortgeführt.
Nach Wiederaufruf des ausgesetzten Rechtsstreits S 23 U 90/14 bei der mittlerweile zuständigen 8. Kammer (Aktenzeichen S 8 U 9/19) ist das Verfahren durch Beschluss der erkennenden Kammer am 15.01.2019 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit dem Rechtsstreit S 23 U 207/12 verbunden worden.
Bezüglich des Rentenanspruchs verweist die Klägervertreterin auf die Atemlosigkeit des Klägers nach 5 bis 6 Treppenstufen infolge eines Lungenemphysems sowie einer chronischen Bronchitis. Auch das bestehende cor pulmonale (hierunter versteht man eine Vergrößerung und Schwächung der rechten Herzkammer aufgrund einer Druckerhöhung innerhalb der nachgelagerten Lungenarterien mit der Folge eingeschränkter Belastbarkeit; Internetrecherche der Kammervorsitzenden vom 09.01.2018 unter https://www.mdgp.de/wichtige-lungenerkrankungen/cor-pulmonale/) sei auf die Silikose und nicht auf eine BK-unabhängige Herzerkrankung zurückzuführen. Bei jahrzehntelanger Nikotinkarenz, der Versicherte sei seit 1980 Nichtraucher, verbiete sich Rauchkonsum als konkurrierende Ursache der vorliegenden Erkrankung. Der Versicherte sei nie ein starker Raucher gewesen. Bei der 18jährigen Tätigkeit unter Tage im Bergbau habe er überhaupt nicht rauchen dürfen.
Bezüglich des Pflegegeldanspruchs trägt die Klägervertreterin vor, dass der Versicherte wegen Herzbeschwerden (mit der Notwendigkeit eines Herzschrittmachers), Rückenschmerzen und Luftmangel derart geschwächt (gewesen) sei, dass er nur schwer zu bewegen (gewesen) sei, ein paar Schritte mit seiner Ehefrau zu laufen. Er sei zudem schleichend blind geworden. Die Pflegebedürftigkeit sei silikosebedingt. Von der gesetzlichen Krankenversicherung habe der ursprüngliche Kläger offenbar die Pflegestufe II zuerkannt bekommen.
Die Klägervertreterin beantragt,
den Bescheid vom 20.8.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.11.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten eine Rente infolge der BK 4101 zu gewähren sowie den Bescheid vom 14.4.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten Pflegegeld infolge der BK 4101 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält ihre Rechtsauffassung für zutreffend.
Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen die Verwaltungsakten der Beklagten zu beiden Rechtsstreitigkeiten beigezogen. Außerdem hat es in dem Renten-Rechtsstreit Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Prof. T., Komm. Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin am Universitätsklinikum Gießen, der dieses unter dem 27.08.2014 vorgelegt hat. Es geht auf die Auswertung der Verwaltungs- und Gerichtsakten, die arbeitsmedizinisch-fachinternistische ambulante Untersuchung vom 19.08.2014 sowie die vom Versicherten mitgebrachten Befunde sowie die vom Sachverständigen angefertigten Röntgen- und CT-Aufnahmen zurück. Prof. T. schloss sich den Begutachtungen und Stellungnahmen von Prof. F. vom 11.07.1995, Herrn Dr. H. vom 11.11.2004 sowie Herrn Prof. N. vom 16.07.2012 betreffend die Einschätzung des medizinisch-funktionellen Anteils der MdE der BK 4101 an und schätzte die MdE somit auf unter 20 v. H. ein. Bei seiner gutachtlichen Untersuchung des Klägers sei aufgrund des hohen Alters des Klägers von 90 Jahren und bei Vorliegen multipler konkurrierender Erkrankungen eine Belastungsuntersuchung nicht durchführbar gewesen. Auch die Durchführung der Lungenfunktionsanalyse habe sich schwierig gestaltet, da der Versicherte während der Untersuchung mehrfach eingeschlafen sei. In Ruhe sei weder eine Diffusions- noch eine Gasaustauschstörung festgestellt worden. Es habe sich eine mitarbeitsbedingte Einschränkung der Vitalkapazität und des Atemgrenzwertes ergeben. Die lungenfunktionsanalytisch gemessene Überblähung habe CT-morphologisch kein Korrelat. Es sei kein Emphysem nachgewiesen. Daher sei dieser lungenfunktionsanalytische Befund auf eine mangelnde Ausatmung mit eingeschränkter Vitalkapazität zurückzuführen. Die Flussminderung in den kleinen Atemwegen könne auf einen ehemaligen Rauchkonsum mit kumulativ 22 Packungsjahren zurückgeführt werden. Eine auf die silikotischen Granulome zurückführbare funktionelle Einschränkung sei bei regelrechter Diffusionskapazität und regelrechter Blutgasanalyse nicht nachweisbar. Der erhöhte pulmonale Druck werde als Folge der chronischen (Links-)Herzinsuffizienz angesehen.
In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 20.04.2015 äußerte sich der Sachverständige T. dahingehend, dass ihm bei der Beurteilung im Gutachten vom 27.08.2014 die Staubbelastungsdosis von kumulativ 150,2 mg Feinstaubjahren entgangen sei. Diese sei bei einer 18jährigen Tätigkeit unter Tage ausreichend, um eine Flussminderung der kleinen Atemwege zu verursachen. Die berufliche Feinstaubexposition stelle somit eine wesentliche Teilursächlichkeit für die Flussminderung der kleinen Atemwege dar, so dass sich eine wesentliche Änderung in der Kausalzusammenhangsbeurteilung ergebe. Da arbeitstechnisch die Voraussetzungen der BK 4111 mit Sicherheit gegeben seien, sei eine BK 4111 wahrscheinlich zu machen. Dies gründe sich auch auf die Angabe, dass eine chronische Bronchitis seit mindestens 1995 bestehe. Es sei daher von einer rentenberechtigenden MdE hinsichtlich der BK 4111 auszugehen. Schwierig gestalte sich aber die Einschätzung der MdE bei Vorliegen sowohl der BK 4101 als auch der BK 4111. Maßgeblich für die Verursachung einer chronischen Bronchitis, von Lungenfunktionsstörungen mit restriktiver und/oder obstruktiver Komponente, einem Lungenemphysem mit radiologisch nachweisbaren intrapulmonalen silikotischen Läsionen durch langjährige Einwirkung von Stäuben mit kristallinen Kieselsäuren seien die Diffusionskapazität sowie die Spiro-Ergometrie mit Blutgasanalyse. Die Diffusionskapazität sei im Falle des Versicherten regelrecht gewesen. Auch eine Gasaustauschstörung habe nicht nachgewiesen werden können. CT-morphologisch habe kein zentrilobuläres Emphysem und auch keine zentrale obstruktive Ventilationsstörung bestanden. Daher seien Rückwirkungen der Silikose auf das Herz nicht zu erwarten. Aufgrund dessen schätze Prof. T. den medizinisch-funktionellen Anteil der MdE bezüglich der BK 4101 weiterhin auf unter 20 v. H. ein.
Vor dem Hintergrund der ergänzenden Stellungnahme des Prof. T. vom 20.04.2015 fand parallel zum hiesigen Klageverfahren ein Feststellungsverfahren betreffend die BK 4111 bei der Beklagten statt. Diesbezüglich erteilte die Beklagte der Rechtsnachfolgerin des ursprünglichen Klägers unter dem 11.05.2016 einen Bescheid, in dem sie die Feststellung der BK 4111 und von Hinterbliebenenleistungen ablehnte. Diese Entscheidung in der Gestalt des Widerspruchsverfahrens ist Gegenstand des weiteren Rechtsstreits zwischen den Beteiligten, der vor dem erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen S 23 U 151/16 geführt wird. Das Gericht hat auch die diesbezüglichen Verwaltungsakten und die Gerichtsakte S 23 U 151/16 zu dem vorliegenden Rechtsstreit beigezogen. Hieraus ergibt sich das Nachfolgende:
Im dortigen Klageverfahren hat das erkennende Gericht bei Prof. T. eine gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage (vom 20.12.2016, s. sogleich) eingeholt, nachdem die Beklagte sich bei ihrer ablehnenden Entscheidung im Hinblick auf die BK 4111 auf das von ihr bei Prof. Q. eingeholte arbeitsmedizinische Zusammenhangsgutachten nach Aktenlage vom 11.03.2016 gestützt hatte.
Prof. Q. war hierin zu dem Ergebnis gelangt, dass das Vorliegen einer chronischen Bronchitis seit mindestens 1995 gesichert sei, eine obstruktive Ventilationsstörung sich jedoch in den Messungen von 1995 bis 2012 nicht gezeigt habe und der sichere Nachweis auch in der Messung 2014 nicht erbracht worden sei. Ebenso wenig bestehe ein Lungenemphysem. Für die wiederholt gezeigte leichte Lungenüberblähung habe sich morphologisch im Jahr 2014 kein Korrelat im Sinne eines Emphysems gefunden. Eine Gasaustauschstörung sei nicht nachgewesen und die Diffusionsmesswerte hätten normgerechte Werte gezeigt. Damit seien die medizinischen Voraussetzungen der BK 4111 nicht erfüllt.
In seiner o. g. Stellungnahme vom 20.12.2016 zum Rechtsstreit S 23 U 151/16 hat Prof. T. ausgeführt, dass eine umfassende lungenfunktionsanalytische Begutachtung bei Dr. H. am 11.11.2004 erfolgt sei. Hier sei eine obstruktive Ventilationsstörung mit Flussminderung der kleinen und großen Atemwege im Vollbeweis gesichert worden. Auch im weiteren Krankheitsverlauf sei eine periphere obstruktive Ventilationsstörung feststellbar gewesen. Die Parameter einer Lungenüberblähung seien lungenfunktionsanalytisch eindeutig pathologisch. Als Folge hiervon habe auch eine beginnende Diffusionsstörung bestanden. Zwar sei es richtig, dass sich röntgenologisch inklusive CT kein Hinweis für ein Emphysem ergeben habe, hierbei sei jedoch zu bedenken, dass sich ausschließlich histologisch durch ein Mikroskop detektierbare Lungenemphyseme einer Bildgebung auch mittels hochauflösender CT-Untersuchung entziehen könnten. Zur Anerkennung einer BK 4111 sei jedoch der histologische oder radiologische Nachweis eines Lungenemphysems nicht erforderlich, vielmehr komme der lungenfunktionsanalytischen Untersuchung die entscheidende Bedeutung zu (diesbezüglich verweist der Sachverständige auf die wissenschaftliche Begründung für die BK 4111, Bekanntmachung des BMA vom 01.08.1995, BArbBl. 10/1995, S. 39 sowie auf das Merkblatt zur BK 4111, Bekanntmachung des BMA vom 01.12.1997 – Iva 4-45206, BArblBl 12/197, S. 35). Die BK 4111 liege spätestens seit dem Gutachten des Dr. H. vom 22.07.2005 vor. Trotz des Rauchkonsums des Versicherten von kumulativ etwa 22 Packungsjahren sei die ermittelte Staubdosis von mehr als 150 Feinstaubjahren wesentlich teilursächlich für die Erkrankung. Hierzu beruft sich Prof. T. neben seinen Ausführungen in der gutachterlichen Stellungnahme vom 20.04.2015 auf die Bekanntmachung des BMAS vom 01.10.2006, IVa 4-45222-4111/26, BArbBl. 12-2006, S. 149), wonach sich unter Berücksichtigung des Raucherstatus mit einer Unsicherheit der Messwerte von 5 % bei Nichtrauchern ein unterer Grenzwert der Ermittlungsdosis für das Erkrankungsrisiko von 86 Feinstaubjahren und für Raucher ein Grenzwert von 100 Feinstaubjahren ergebe, den der Versicherte mit 150,2 Feinstaubjahren deutlich überschreite. Schwierig gestalte sich allerdings weiterhin die Einschätzung der MdE beim Vorliegen sowohl der BK 4101 als auch der BK 4111. Auf diesbezügliche Abgrenzungsschwierigkeiten habe bereits Dr. M. in seinem Gutachten vom 01.03.2011 hingewiesen. Da sich anlässlich seiner (des Sachverständigen T.) Begutachtung die Durchführung der Lungenfunktionsanalyse schwierig gestaltet habe, seien die Voruntersuchungen von Dr. M. und von Dr. H. der Einschätzung zugrunde zu legen. Prof. T. schließe sich dem gestaffelten MdE-Vorschlag des Dr. M. an. Vor dem Hintergrund der am 19.08.2014 feststellbaren Rechtsherzbelastung mit einem cor pulmonale, für die konkurrierende Ursachen nicht nachweisbar seien, sei der medizinisch-funktionelle Anteil der MdE ab diesem Zeitpunkt auf 50 v. H. einzuschätzen.
Im Klageverfahren S 23 U 151/16 hat die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. P. vom 07.02.2017 vorgelegt, in der sich dieser zu den Ausführungen des Prof. T. geäußert hat. Angesichts der Variabilität der Befunde (fragliche pulmonale Hypertonie bzw. Lungenüberblähung aufgrund eines bildgebend nicht darstellbaren Lungenemphysems bei einem normalen CO-Transferkoeffizienten; starke Schwankung der Einsekundenkapazität, Frage der Verwertbarkeit der Spirometrie und des Quotienten RV%TLC) stellte Prof. P. hierin das Vorliegen der BK 4101 in Frage. Die Argumentation des Prof. T. (auch zur BK 4111) überzeuge ihn wegen Widersprüchlichkeiten nicht. Mit einer offensichtlichen Linksherzinsuffizienz, die zum Tode des Versicherten geführt habe, liege ein bk-unabhängiges Leiden vor, das dessen Beschwerden erklären könne. Die Anerkennung der BK 4111 sei ohnehin ausgeschlossen, wenn die Latenz zwischen Abkehr von der beruflichen Tätigkeit und dem Beginn von Brückensymptomen mehr als 20 Jahre betrage (vgl. auch diesbezügliche Stellungnahme des Sachverständigen T. vom 10.10.2017).
Die Beklagte hat im Klageverfahren S 23 U 151/16 ein als „beratungsärztliche Stellungnahme BK 4101, 4111“ überschriebenes Schriftstück des Dr. K. vom 15.12.2017 vorgelegt. Hierin wird ausgeführt, dass bei dem Versicherten weder eine chronisch obstruktive Bronchitis noch ein Lungenemphysem vorgelegen habe. Es bedeute eine nicht akzeptable Überstrapazierung der Untersuchungsmethode „Lungenfunktion“, wenn bei bekannt unzureichender Kooperation der Vollbeweis der Erkrankung aus einer oder mehreren Lungenfunktionsbefunden abgeleitet werde. Denn es habe bei dem Versicherten eine erhebliche Limitierung der Verwertbarkeit der Lungenfunktion insgesamt vorgelegen, so dass verlässliche Aussagen mit dieser Untersuchungsmethode nicht hätten gewonnen werden können. Bereits 1995 werde in dem Arztbericht des Dr. E. (vom 22.02.1995) explizit festgehalten, dass die Messung der Lungenfunktion sich schwierig gestaltet habe. Der Patient sei teilweise nicht in der Lage gewesen, die Spirometriemanöver exakt auszuführen. Es habe sich teilweise eine exspiratorische Pressatmung mit entsprechender Verminderung der 1-Sekundenkapazität gezeigt, auch sei keine optimale maximale Inspiration erzielbar gewesen. Es gebe keinen Grund, so Dr. K., anzunehmen, dass sich die Kooperation des Versicherten im Laufe der letzten 20 Jahre verbessert habe, eher sei das Gegenteil anzunehmen. Bis auf die Messung der Lungenfunktion aus dem Jahr 2004 mit Prüfung der unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität genüge keine der durchgeführten Messungen den Qualitätsanforderungen (starke Schwankungen der Messwerte einzelner Parameter, keine Reproduzierbarkeit von Auffälligkeiten, Flussvolumenkurven ohne ausreichende Mitarbeit bzw. mit inakzeptablen Schwankungen der Messwerte). Hinzu komme, dass sämtliche der in Rede stehenden Messwerte ab einem Alter von 70 Jahren wegen der insoweit nicht validierten Sollwerte EGKS hoch spekulativ seien. Aus den ohnehin nicht verlässlichen spirometrischen Parametern könne die Diagnose einer obstruktiven Ventilationsstörung nicht gewonnen werden. Aus den Daten der Bodyplethysmografie könne abgeleitet werden, dass bei dem Versicherten eine wechselhaft ausgeprägte, reversible, obstruktive Ventilationsstörung bestanden haben könne bei einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität. Derartige Befunden fänden sich vorrangig bei Personen mit Asthma, könnten jedoch auch im Rahmen einer Linksherzinsuffizienz (vorliegend) oder auch in fortgeschrittenem Lebensalter ohne zwingend pathologisches Korrelat auftreten. Eine dauerhafte, irreversible, obstruktive Ventilationsstörung, die den Tatbestand der BK 4111 erfülle, liege damit nicht im Vollbeweis vor. Dies führe dazu, dass die im Vollbeweis gesicherte und unstreitig vorliegende Silikose nicht mit einer MdE einhergehe, da keine dauerhafte obstruktive Ventilationsstörung und keine pulmonale Gasaustauschstörung gesichert sei, und dass der Tatbestand der BK 4111 mangels einer vollbeweislich gesicherten dauerhaft vorhandenen obstruktiven Ventilationsstörung im Sinne einer COPD nicht erfüllt sei.
Was die Diagnose Lungenemphysem anbetreffe, so sei diese weder radiologisch, noch durch die Lungenfunktionsprüfungen (s. o.), noch durch die Bodyplethysmografie nachweisbar, da in der Gesamtschau der von 2004 bis 2014 gemessenen Werte ein Normalbefund mit gelegentlich dokumentierter Lungenüberblähung vorliege.
Die in den Jahren 2004 und 2011 durchgeführten Spiroergometrien ließen eine kardiale Limitierung der körperlichen Belastbarkeit erkennen, Hinweise auf eine pulmonale Limitierung der körperlichen Belastbarkeit (insbesondere durch eine obstruktive Ventilationsstörung) ließen sich nicht erkennen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe
Die Klagen sind zulässig. Sie sind als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen statthaft (§ 54 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative, Abs. 4 SGG).
Die Klagen führen indes in der Sache nicht zum Erfolg.
Die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten (§ 56 SGB I) hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente nach § 56 SGB VII infolge der bei ihrem Ehemann festgestellten BK 4101, denn dessen Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) war nicht rentenberechtigend. Darüber hinaus hat sie auch keinen Anspruch auf Gewährung von Pflegegeld nach § 44 SGB VII, denn die Hilflosigkeit des Klägers ist nicht BK-bedingt.
Zunächst zum Rentenanspruch:
Das Gericht schließt sich, betreffend die MdE der BK 4101, aus eigener Überzeugung dem Gutachten des Prof. T. vom 27.08.2014 sowie seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.04.2015 an, der sich wiederum den Sachverständigengutachten des Prof. F. vom 11.07.1995, des Dr. H. vom 11.11.2004 sowie des Prof. N. vom 16.07.2012 angeschlossen hat.
Dieses Gutachten des Prof. T. sowie seine ergänzende Stellungnahme hierzu stehen in Einklang mit der maßgeblichen Bochumer Empfehlung sowie der S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin „Diagnostik und Begutachtung der Berufskrankheit Nr. 4101 Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) der Berufskrankheiten-Verordnung, letzter Stand Juni 2016, auf die die Bochumer Empfehlung ergänzend verweist.
In den genannten Werken bildet sich die medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnis ab, dass die BK 4101 Beschwerden und Befunde im Sinne einer chronischen (obstruktiven) Bronchitis und/oder eines Lungenemphysems verursacht mit den Hauptsymptomen der Belastungsluftnot und/oder des Hustens und Auswurfs. Im Merkblatt zur BK 4101 (Bek. des BMA vom 05.02.1998 – Iva 4-45206-4101/4102, Bundesarbeitsblatt 4/1998, S. 61, Ziffer 3 vorletzter und letzter Absatz von unten) ist zu lesen, dass sich aus einer anfänglichen restriktiven Ventilationsstörung durch bronchitische Komplikationen eine chronische obstruktive Atemwegserkrankung entwickelt.
Die funktionellen Folgen der Silikose, die für die MdE-Einschätzung relevant sind, bestehen nach der Bochumer Empfehlung (aa0, Seite 18 Ziffer 3.2) im Wesentlichen in einer obstruktiven Ventilationsstörung im Sinne einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung. Da Quarzstaublungenerkrankungen mit einer respiratorischen Insuffizienz einhergehen, können in deren Folge eine pulmonale Hypertonie und ein Cor pulmonale mit Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz auftreten, die ebenfalls MdE-relevante funktionelle Einschränkungen nach sich ziehen.
Die Erfassung und Qualifizierung von Funktionseinschränkungen erfordert eine qualitätsgesicherte, vollständige Lungenfunktionsprüfung unter Spirometrie mit Flussvolumenkurve, Ganzkörperplethysmographie (bei Obstruktion und/oder Blähung mit Reversibilitätstest), Bestimmung der CO-Diffusionskapazität, Blutgasanalyse in Ruhe und Ergometrie mit submaximaler Belastung im steady state und möglichst Spiroergometrie mit Blutgasanalyse bei maximaler Belastung (Leitlinie zur BK 4101, aa0, Seite 26, Ziffer 6.2.3 sowie Bochumer Empfehlung, aa0, Seite 24 Ziffer 5.2).
Prof. T. hat anhand seiner, auf dieser Diagnostik basierenden, Untersuchungen zum Gutachten vom 27.08.2014 bei dem Versicherten weder eine Diffusions- noch eine Gasaustauschstörung festgestellt, sondern eine mitarbeitsbedingte Einschränkung der Vitalkapazität und des Atemgrenzwertes. Die lungenfunktionsanalytisch gemessene Überblähung habe CT-morphologisch kein Korrelat gehabt. Es seien somit kein Lungenemphysem und auch keine zentrale obstruktive Ventilationsstörung nachgewiesen. Den erhöhten pulmonalen Druck sah der Sachverständige daher auch nicht als Rückwirkung der Silikose auf das Herz (cor pulmonale), sondern als BK-unabhängige Folge der chronischen (Links-)Herzinsuffizienz an. Auf dieser Grundlage ergibt sich – wie von Prof. T. eingeschätzt – weiterhin eine nicht rentenberechtigende MdE von unter 20 v. H. (vgl. auch Tabelle 1, Seite 31 der Bochumer Empfehlung).
Soweit der Sachverständige T. in seiner gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 20.12.2016 im Klageverfahren S 23 U 151/16 die bestehende Aktenlage dahingehend ausgewertet hat, dass bei dem Versicherten – entgegen seinem vorherigen Gutachten vom 27.08.2014 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.04.2015 – eine obstruktive Ventilationsstörung, eine Lungenüberblähung sowie eine beginnende Diffusionsstörung bestanden habe und ein Lungenemphysems lungenfunktionsanalytisch nachgewiesen sei, kann dies gerichtlicherseits nicht nachvollzogen werden. Zur Begründung dient dem Sachverständigen hierbei die Überlegung, dass wegen der schwierigen Gestaltung der bei ihm durchgeführten Lungenfunktionsanalyse nicht diese Messwerte, sondern die Messwerte der Voruntersuchungen von Dr. M. und von Dr. H. zugrunde zu legen seien.
Allerdings hatte Dr. M. bei seinen Untersuchungen vom 14.01.2011 und vom 18.02.2011 nur eine leichtgradige, peripher betonte Obstruktion bei normaler Diffusionskapazität gesehen und in der Krankengeschichte fand sich keine obstruktive Ventilationsstörung (im Jahr 1995 waren sowohl durch den behandelnden Arzt Dr. E. als auch durch den Sachverständigen Prof. F. und im Jahr 2005 durch den Sachverständigen Dr. H. keine obstruktiven Bronchitiden nachgewiesen worden, was Dr. M. selbst ausführt), womit die von Dr. M. gestellte Diagnose einer chronischen obstruktiven Atemwegserkrankung (COPD) nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts nicht vollbeweislich nachgewiesen ist (denn hierfür wäre die zweifelsfreie Feststellung einer obstruktiven Ventilationsstörung erforderlich gewesen; vgl. Ziffer 4.4 der Reichenhaller Empfehlung, die sich zwar auf die BKen 1315, 4301 und 4302 bezieht, aber den medizinischen Erkenntnisstand zur COPD und zur Begutachtung beinhaltet und insoweit hier anwendbar ist). Dr. M. hatte zudem offen gelassen, inwieweit der in der Ergo-Spiro-Oxymetrie zutage getretenen belastungsbedingten Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit eine primär kardiale (mithin nicht BK-relevante) oder pulmonale Einschränkung zugrunde liegt (und diese Befunde hierzu wiederum widersprüchlich und zudem fachlich unzutreffend, s. sogleich, der MdE-Einschätzung bezüglich der BK 4101 zugeschlagen). Und Dr. H. hatte, wie soeben bereits dargestellt, bei seiner Untersuchung des Versicherten am 11.11.2004 (für sein Gutachten vom 22.07.2005) lungenfunktionsanalytisch keine fixierte Obstruktion festgestellt. Auch sei die Belastungsuntersuchung beendet worden, weil der Versicherte die Belastungsgrenze erreicht habe und nicht, weil Dyspnoe oder Erschöpfung ihn zum Abbruch gezwungen hätten (Gutachten H., aa0, Seite 14, 2. Absatz von oben).
Die T.´sche Stellungnahme vom 20.12.2016 kann damit seine vorherigen, anlässlich des Gutachtens vom 27.08.2014 erhobenen, Befunde (s. o.) und deren Bewertung nicht in Zweifel ziehen, zumal diese sich auf einer Linie bewegen mit den Feststellungen der Sachverständigen F., H. und N. Auch Prof. Q. hat in seinem Gutachten vom 11.03.2016 unter Auswertung des Akteninhalts bestätigt, dass bei dem Versicherten keine obstruktive Ventilationsstörung und kein Lungenemphysem nachgewiesen ist, was er mit der Auswertung weiterer Messungen aus dem Jahr 2014 untermauert hat. Daher kann Prof. T. weder in seinem nunmehrigen Anschluss an die MdE-Staffelung des Dr. M. (in dessen Gutachten vom 01.03.2011) gefolgt werden, noch in seiner eigenen weiteren MdE-Erhöhung um 10 v. H. auf 50 v. H., begründet mit der anlässlich seines Gutachtens vom 27.08.2014 am 19.08.2014 festgestellten Rechtsherzbelastung mit einem cor pulmonale, das er – entgegen seinem vorherigen Gutachten – nunmehr, auch dies ohne Begründung, der Silikose zuordnet.
Das Gutachten des Dr. M. vom 11.03.2011 sowie seine ergänzenden gutachtlichen Stellungnahmen konnten das Gericht nicht davon überzeugen, dass die MdE des Versicherten in Bezug auf die BK 4101 rentenberechtigend ist, wie sich bereits zwanglos aus dem oben Ausgeführt ergibt. Hinzu kommt noch, dass der Sachverständige fachlich unstatthaft die Tatbestandsvoraussetzungen der BK 4101 und der BK 4111 miteinander vermischt und sodann in der Sache eine integrative MdE gebildet hat, obwohl die BK 4101 von der BK 4111 abgegrenzt werden muss, da es sich trotz möglicher kausaler Wechselbeziehungen um eigenständige Berufskrankheiten handelt, und eine integrative MdE nur gebildet werden darf, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für beide Versicherungsfälle vorliegen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Seite 1073 Ziffer 17.5.9). Dies ist ab er nicht der Fall, da bei dem Versicherten die Voraussetzungen für die Feststellung der BK 4111 nicht vorlagen (vgl. heutiges Urteil in dem Rechtsstreits S 23 U 151/16).
Was das von der Beklagten in dem Rechtsstreit S 23 U 151/16 als „beratungsärztliche Stellungnahme BK 4101, 4111“ überschriebene Schriftstück des Dr. K. vom 15.12.2017 anbelangt, bezüglich dessen von dem Klägervertreter sinngemäß ein Antrag auf Löschung aus der Gerichtsakte gestellt worden ist, war dem im dortigen Rechtsstreit (vgl. Urteil vom selben Tag) nicht zu entsprechen. Die o. g. Stellungnahme des Dr. K. durfte daher als Bestandteil der Gerichtsakte S 23 U 151/16 auch im vorliegenden Rechtsstreit verwertet werden (allerdings merkt das erkennende Gericht an, dass es sie zur Entscheidungsfindung nicht benötigt hat).
Da infolge der BK 4101 keine rentenberechtigende MdE bei dem verstorbenen Versicherten bestand, konnte die Klage seiner Rechtsnachfolgerin auf Rentengewährung keinen Erfolg haben und war abzuweisen.
Zum Pflegegeldanspruch:
Da weder Lungenemphysem noch zentrale obstruktive Ventilationsstörung noch cor pulmonale nachgewiesen sind, können die geltend gemachten Herzschmerzen und der Luftmangel nicht BK-bedingt sein, womit die sich hieraus ergebende Hilflosigkeit des ursprünglichen Klägers keine Leistungspflicht der Beklagten nach § 44 SGB VII auszulösen vermag. Soweit Rückenbeschwerden und Blindheit als BK-bedingt geltend gemacht werden, ist ein medizinischer Zusammenhang mit der BK 4101 bzw. deren Folgen weder vorgetragen noch erkennbar.
Nach alledem konnten die Klagen keinen Erfolg haben und waren abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.