Es wird festgestellt, dass das Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 28.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2019 erledigt ist.
Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese Kosten selbst trägt.
Der Streitwert wird auf 13.210 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 18.07.2022 hat das Sozialgericht Duisburg (SG) dem Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen im Betriebsprüfungsbescheid der Beklagten vom 28.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2019 stattgegeben. In dem von der Antragsgegnerin eingeleiteten Beschwerdeverfahren ist von der Beigeladenen als der zuständigen Einzugsstelle erklärt worden, dass sie die Vollstreckung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens aussetze. Der hierauf durch die Antragstellerin erklärten Erledigung des Verfahrens hat sich die Antragsgegnerin nicht angeschlossen. Zur Begründung hat sie angeführt, ihr sei der Ablauf des Beschwerdeverfahrens nicht nachvollziehbar. Nach dem Beschluss des SG habe die Beigeladene im August 2022 Vollstreckungsmaßnahmen trotz des Hinweises auf die Beschwerdeeinlegung abgelehnt und nunmehr im Februar die Vollstreckung unter Bezugnahme auf eine von ihr im Hauptsacheverfahren eingereichte Berechnung der Beiträge unter Berücksichtigung von Mehrfachbeschäftigungen ausgesetzt. Zur Regelung des § 22 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sei dabei keine Stellung genommen oder erläutert worden, inwiefern die Einzugsstelle hier ihre gesetzliche Aufgabe und die Gemeinsamen Grundsätze beachte. Ihr, der Antragsgegnerin erschließe sich nicht, aus welchem Grund die Beigeladene die Berechnung nicht direkt nach Erteilung des Prüfbescheides 2018 oder spätestens des Widerspruchsbescheides 2019 vorgenommen habe. Auch könne sie die Aussetzung der Vollstreckung auf telefonischen Zuruf des Gerichts nicht nachvollziehen. Den Beschluss des SG halte sie weiterhin für unzutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen
II.
Bei gebotener Auslegung (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz – SGG) kann die einseitige Erledigungserklärung der Antragstellerin nicht als Rücknahme verstanden werden (vgl. z.B. BSG Urt. v. 09.04.2019 – B 1 KR 3/18 R – juris Rn. 14 m.w.N.), sondern richtet sich ihr Antrag (nunmehr) auf Feststellung der Erledigung des Eilverfahrens in der Hauptsache (zur Auslegung von Prozesshandlungen vgl. auch BSG Beschl. v. 08.09.2015 – B 1 KR 134/14 B – juris Rn. 10). Mit einer – wie hier – einseitig gebliebenen Erledigungserklärung nimmt die Antragstellerin von ihrem bisherigen Eilrechtsschutzbegehren Abstand. Sie behauptet, ihr ursprünglicher Antrag sei durch ein nachträglich eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden, so dass nur noch über die Kosten entschieden werden müsse.
Der Feststellungsantrag ist zulässig (hierzu unter 1.) und begründet (hierzu unter 2.)
1. Die prozessuale Umstellung unterliegt nicht den Beschränkungen des § 99 Abs. 1 SGG, da es sich nicht um eine Antragsänderung im Rechtssinn dieser Vorschrift handelt (vgl. BSG Urt. v. 09.04.2019 – B 1 KR 3/18 R – juris Rn. 13, 19; BVerwG Urt. v. 01.09.2011 – 5 C 21/10 – juris Rn. 10). Die Antragstellerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des erledigenden Ereignisses, da sie nur hiermit eine ggf. unbillige Kostenlast vermeiden kann. So würde eine Rücknahme des Antrags gem. § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 VwGO zwingend ihre Kostenpflicht auslösen, während das Gericht die Kostenentscheidung bei sonstiger Erledigung des Rechtsstreits gem. § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen trifft (vgl. z.B. BSG Urt. v. 09.04.2019 – B 1 KR 3/18 R – juris Rn. 14; Beschl. v. 15.08.2012 – B 6 KA 97/11 B – juris Rn. 14; Beschl. v. 29.09.2011 – B 1 KR 1/11 R – juris Rn. 5 ff; BVerwG Beschl. v. 19.12.2013 – 8 B 8/13 – juris Rn. 12; Urt. v. 01.09.2011 – 5 C 21/10 – juris Rn. 18; LSG Sachsen-Anhalt Beschl. v. 28.06.2012 – L 8 SO 30/11 B ER – juris Rn. 27).
2. Der Feststellungsantrag ist begründet. Das Eilrechtsschutzbegehren der Antragstellerin hat sich durch die von der beigeladenen Einzugsstelle (§ 28h SGB IV) erklärte Aussetzung der Vollstreckung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens objektiv erledigt.
Eine Erledigung liegt vor, wenn ein nach der Antragstellung eingetretenes Ereignis dem Antragsbegehren rechtlich oder tatsächlich die Grundlage entzogen hat und der Eilantrag deshalb für den Antragsteller gegenstandslos geworden ist. Es muss eine Lage eingetreten sein, die eine Entscheidung über den Streitgegenstand erübrigt oder ausschließt (vgl. BSG Urt. v. 09.04.2019 – B 1 KR 3/18 R – juris Rn. 21 m.w.N.; BVerwG Beschl. vom 03.07.2006 – 7 B 18/06 – juris Rn. 11; Urt. v. 31.10.1990 – 4 C 7/88 – juris Rn. 19).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Das auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gerichtete Begehren der Antragstellerin hatte (allein) zum Ziel, sich bis zum Abschluss der Hauptsache trotz fehlender Zahlung auf die Beitragsfestsetzung keinen Vollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt zu sehen. Dem ist durch die Aussetzungsentscheidung der Beigeladenen vollumfänglich Rechnung getragen worden und – entsprechend – das Bedürfnis zur Fortführung des gegen die Antragsgegnerin gerichteten Verfahrens damit entfallen (vgl. auch BSG Urt. v. 17.10.2007 – B 6 KA 4/07 R – juris Rn. 20; Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, Stand: 03/2023, § 86b SGG, Rn. 155). Ob die Antragsgegnerin das Vorgehen der Beigeladenen bzw. den Ablauf des Beschwerdeverfahrens dabei nachvollziehen kann, ist im Hinblick auf den Eintritt der Erledigung ohne Relevanz.
Soweit die Antragsgegnerin (weiter) an ihrem Antrag festhält, den Beschluss des SG zu ändern und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen ihren Beitragsbescheid abzulehnen, ist dieser aufgrund der eingetretenen Erledigung prozessual überholt. Einen anderen Antrag hat die Antragsgegnerin nicht gestellt.
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin im Übrigen auch keinen Anspruch auf eine Sachentscheidung darüber hätte, ob der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bis zu seiner Erledigung abzulehnen gewesen wäre. Die Änderung eines Antrages in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag ist im Eilverfahren unzulässig, weil sich insoweit der Feststellungscharakter und der Vorläufigkeitscharakter ausschließen. Das Eilverfahren hat nicht den Sinn das Hauptsacheverfahren zu präjudizieren, sondern ist auf eine Zwischenregelung bis zu dessen Abschluss gerichtet (vgl. z.B. LSG NRW Beschl. vom 19.03.2012 – L 11 KA 15/12 B ER – juris Rn. 19 m.w.N.; Bayerisches LSG Beschl. v. 25.06.2018 – L 8 SO 49/18 B ER – juris Rn. 23; LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 23.11.2015 – L 1 AS 4375/15 ER-B – juris Rn. 6; LSG Sachsen-Anhalt Beschl. v. 05.09.2011 – L 5 AS 332/11 B ER – juris Rn. 23; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 86b Rn. 7, § 131 Rn. 7c; Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, Stand: 03/2023, § 86b SGG Rn. 137; Harks in: Hennig, SGG, Stand: 01/2020, § 86b, Rn. 117).
Die Antragsgegnerin hat ohnedies ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht einmal geltend gemacht, sondern allein ihr Unverständnis über den Ablauf des Beschwerdeverfahrens und die Entscheidung der Beigeladenen zum Ausdruck gebracht. Dabei erschließt sich ihre Kritik an deren Aussetzung der Vollstreckung dem Senat nicht. Den Einzugsstellen obliegt – worauf auch die Antragsgegnerin hinweist – u.a. die anteilige Beitragsberechnung nach § 22 Abs. 2 SGB IV (vgl. § 22 Abs. 4 S. 1 SGB IV; Senatsurt. v. 26.01.2022 – L 8 BA 51/20 – juris Rn. 49). Da die Beigeladene nunmehr im Klageverfahren durch das Sozialgericht zu Berechnungen im Rahmen des § 22 Abs. 2 SGB IV herangezogen worden ist, erscheint deren Entscheidung zweckmäßig, bis zur Beendigung der Hauptsache Vollstreckungen zu unterlassen, die ggfs. nachträglich über eine Erstattung korrigiert werden müssten (§ 26 SGB IV). Noch während des Widerspruchsverfahrens hatte im Übrigen sogar die Antragsgegnerin selbst die Antragstellerin darauf verwiesen, sich an die (insoweit allein) zuständige Einzugsstelle zu wenden, um den Aufschub von Zahlungspflichten, „ggfs. auch unter Berücksichtigung der Regelung zur Mehrfachbeschäftigung“, zu erreichen (Telefonvermerk der Antragsgegnerin vom 18.12.2018).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Antragsgegnerin keine Erledigungserklärung abgegeben hat, musste im Beschwerderechtszug eine streitige Sachentscheidung über die Erledigung ergehen. Die Kostenpflicht der Antragsgegnerin folgt dabei aus ihrem Unterliegen (vgl. z.B. BVerwG Urt. v. 01.09.2011 – 5 C 21/10 – juris Rn. 18; Beschl. v. 19.12.2013 – 8 B 8/13 – juris Rn. 6, 12). Allein im Fall des von der Rechtsordnung erwarteten, prozessökonomischen Anschlusses der Antragsgegnerin an die Erledigungserklärung der Antragstellerin hätte die (ggf. für die Antragsgegnerin günstigere) Regelung des § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 161 Abs. 2 S. 1 VwGO mit einer Entscheidung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes Anwendung finden können (vgl. BSG Urt. v. 09.04.2019 – B 1 KR 3/18 R – juris Rn. 14; BVerwG Beschl. v. 19.12.2013 – 8 B 8/13 – juris Rn. 12; Urt. v. 01.09.2011 – 5 C 21/10 – juris Rn. 18).
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52, 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (vgl. zur Streitwertfestsetzung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren z.B. Senatsbeschl. v. 22.04.2020 – L 8 BA 266/19 B ER – juris Rn. 30 m.w.N.).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).