Die Rechtzeitigkeit der Erfüllung einer Leistungsverpflichtung iSd. § 104 Abs. 1 S. 2 SGB X hängt nicht von der Fälligkeit der Leistung ab, sodass ein Rentenversicherungsträger dem nachrangigen Grundsicherungsträger auch dann zur Erstattung verpflichtet ist, wenn er die Rentenzahlung für den ersten Monat gemäß § 118 Abs. 1 S. 1 SGB VI zum Monatsende erbringt.
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 8. Juni 2022 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an ihn 359,84 € zu zahlen.
II. Die Beklagte hat für beide Rechtszüge die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 359,84 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) erbrachter Leistungen in Höhe von 359,84 €.
Die Versicherte A., geboren 1961, beantragte zusammen mit dem 1953 geborenen B. (im Folgenden: Leistungsempfänger) beim Kläger am 23. Oktober 2016 Leistungen nach dem SGB II. Während die Versicherte damals eine Witwenrente in Höhe von 513,31 € monatlich und bis zum 3. Januar 2017 Arbeitslosengeld bezog, erhielt der Leistungsempfänger eine Unfallrente in Höhe von 307,85 € monatlich.
Am 27. Dezember 2016 stellte die Versicherte bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI).
Nachdem der Kläger von dem Rentenantrag Kenntnis erlangt hatte, meldete er bei der Beklagten mit Schreiben vom 20. Januar 2017 einen Erstattungsanspruch an. Mit Bescheid vom 26. Januar 2017 bewilligte der Kläger der Versicherten und dem Leistungsempfänger sodann Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 30. September 2017 in Höhe von insgesamt 269,52 € (für Januar 2017) und 359,84 € monatlich (ab Februar 2017). Die Beklagte teilte dem Kläger unter dem 8. Februar 2017 mit, den Erstattungsanspruch dem Grunde nach anzuerkennen.
Mit Bescheid vom 26. April 2017 bewilligte die Beklagte der Versicherten aufgrund eines am 26. Oktober 2016 eingetretenen Leistungsfalles befristet für die Zeit vom 1. Mai 2017 bis 30. April 2020 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem monatlichen Zahlbetrag von 509,25 €. Hierüber setzte die Beklagte den Kläger mit Schreiben ebenfalls vom 26. April 2017 in Kenntnis, wobei sie darauf hinwies, dass die Rente für den jeweiligen Monat am Monatsende ausgezahlt werde.
Im Anschluss an ein Telefonat mit der Beklagten machte der Kläger mit Schreiben vom 4. Mai 2017 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 359,84 € für den Monat Mai 2017 zuzüglich Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung geltend.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 8. Juni 2017 mit, dass aus dem Rentenbescheid vom 26. April 2017 kein Nachzahlungsanspruch zur Verfügung stehe.
Hierauf erwiderte der Kläger mit Schreiben vom 11. Juli 2017, dass der Beklagten bei Rentenauszahlung bekannt gewesen sei, dass ein Erstattungsanspruch bestehe. Im Zeitpunkt der Mitteilung vom 26. April 2017 seien die Leistungen nach dem SGB II für Mai 2017 hingegen bereits „verarbeitet“ gewesen, sodass eine Anrechnung der Rente als Einkommen nicht mehr möglich gewesen sei. Die Mitteilung über die Rentengewährung sei zu kurzfristig erfolgt, weshalb die Beklagte zumindest die Rentenzahlung für Mai 2017 hätte einbehalten müssen.
Mit Schreiben vom 9. August 2017 antwortete die Beklagte, der Versicherten nicht rückwirkend Rente gewährt zu haben, sodass keine Nachzahlung entstanden sei und demgemäß auch keine Erstattung erfolgen könne.
Der Kläger wies mit Schreiben vom 19. Dezember 2017 darauf hin, anlässlich des Telefonats am 4. Mai 2017 von der Beklagten die Information erhalten zu haben, dass die Rente erst am Monatsende gezahlt würde und daher ein Erstattungsanspruch noch beziffert werden könne. Für das Bestehen eines Erstattungsanspruchs komme es nicht auf eine rückwirkende Leistungsbewilligung an, sondern auf übereinstimmende Anspruchszeiträume. Als er die SGB II-Leistungen für Mai 2017 gezahlt habe, habe er keine Kenntnis von der Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente gehabt. Demgegenüber sei der Beklagten mit der Anmeldung des Erstattungsanspruchs bekannt gewesen, dass die Versicherte Leistungen nach dem SGB II beziehe. Die Beklagte habe die Erstattung am 4. Mai 2017 zugesichert. Sie sei daher berechtigt und verpflichtet gewesen, dem Rentenanspruch der Versicherten für den Monat Mai 2017 die Erfüllungswirkung entgegenzuhalten. Des Weiteren hätte die Möglichkeit bestanden, ihn mit angemessenem zeitlichen Vorlauf über den Rentenbeginn in Kenntnis zu setzen, um ihm die Möglichkeit zu geben, die finanzielle Lücke für die Versicherte im Monat Mai 2017 durch Zahlung eines Darlehens zu schließen. Ohne diese Kenntnis habe keine konkrete Aussicht auf die erwartete Einnahme bestanden, weshalb für eine Darlehensgewährung kein Raum gewesen sei.
Dem entgegnete die Beklagte mit Schreiben vom 25. Januar 2018, indem sie auf ihre Mitteilung vom 9. August 2017 verwies. Es ergebe sich keine Änderung ihrer Auffassung.
Am 14. März 2019 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Fulda Klage erhoben, die ausschließlich auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 359,84 € gerichtet gewesen ist. Zwischen den Leistungen nach dem SGB II und den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung bestehe kein Ausschließlichkeitsverhältnis, sondern ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis dergestalt, dass SGB II-Leistungen nachrangig seien. Hätte er Kenntnis von der Rentenzahlung für Mai 2017 gehabt, hätte diese laufende Leistung für den gesamten Monat berücksichtigt werden können mit der Folge, dass die SGB II-Leistungen dann entsprechend geringer ausgefallen wären. Der Beklagten sei eine Zahlung der Rente mit befreiender Wirkung nicht mehr möglich gewesen, weil sie im Zeitpunkt der Rentenzahlung positive Kenntnis von der Zahlung der SGB II-Leistungen für den Monat Mai 2017 gehabt habe. Ausgehend von der Zugangsvermutung sei die Mitteilung der Beklagten über die Rentenanerkennung erst am 29. April 2017 bei ihm eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt habe die SGB II-Leistung für den Monat Mai 2017 nicht mehr storniert werden können. Auch habe er darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte ihrer Erstattungsverpflichtung nachkommen werde.
Die Beklagte hat erwidert, es sei keine Nachzahlung entstanden, weshalb die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nicht erfüllt seien. Der Erstattungsanspruch setze voraus, dass der vorrangige Leistungsträger die ihm obliegende Leistung nicht rechtzeitig erbracht habe. Sie habe die Rentenleistung allerdings rechtzeitig erfüllt, sodass der Kläger kein nachrangig verpflichteter Leistungsträger sei. Die Notlage, die durch die nachschüssige Rentenzahlung entstehe, sei durch Leistungen nach dem SGB II abzuwenden. Daraus erwachse jedoch kein Erstattungsanspruch zugunsten des Klägers, zumal eine darlehensweise Leistungsgewährung möglich gewesen wäre. Es stehe nicht fest, dass der Kläger die Auszahlung für den Monat Mai 2017 nicht mehr hätte verhindern können.
Durch Urteil vom 8. Juni 2022 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Dem Kläger stehe kein Erstattungsanspruch für den Monat Mai 2017 zu. Es fehle an einer nicht rechtzeitigen Leistungserbringung der Beklagten. Die Bedarfslücke, die beim Übergang vom Leistungsbezug nach dem SGB II zum Rentenbezug entstehen könne, sei durch eine Darlehensgewährung zu schließen. Dieser Weg sei vorzugswürdig, da die Annahme eines Erstattungsanspruchs im Übergangszeitraum zu erheblichen praktischen Problemen als Folge einer Bedarfslücke in den Folgemonaten führen könne. Dass für einen Monat zu Unrecht Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss gezahlt würden, könne durch eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung korrigiert werden. Dass die Beklagte einen Erstattungsanspruch dem Grunde nach anerkannt habe, ändere nichts. Es handelte sich hierbei nicht um ein außergerichtliches Anerkenntnis im Sinne einer vorbehaltlosen Bestätigung der streitigen Erstattungsforderung. Das Anerkenntnis dem Grunde nach habe lediglich zur Folge gehabt, dass sich die Beklagte nicht mehr auf einen Anspruchsuntergang für in Kenntnis bereits erbrachter Leistungen hätte berufen können.
Gegen das ihm am 4. Juli 2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Juli 2022 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Er ist der Auffassung, dass die Rechtzeitigkeit der Leistung nicht von der Fälligkeit oder vom Verzug des erstattungspflichtigen Leistungsträgers abhänge. Entscheidend sei die Übereinstimmung der Ansprüche bzw. Bezugszeiträume. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts bestünden auch keine erheblichen Probleme als Folge einer Bedarfslücke in den Folgemonaten, weil bei gesicherter Kenntnis, dass am Monatsende eine Rentenzahlung erfolgen werde, dann ein Darlehen gewährt werden könne. Eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung sei nicht umsetzbar, weil die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs vorrangig sei. Der Erstattungsanspruch bestehe nicht zuletzt aus Gründen des Vertrauensschutzes.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 8. Juni 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 359,84 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und betont, die Rente rechtzeitig erbracht zu haben, sodass kein Erstattungsanspruch bestehe. Auch wenn noch keine sichere Kenntnis von der Rentengewährung bestehe und nur die voraussichtlich zufließenden Einnahmen bekannt seien, könnten gleichwohl Leistungen als Darlehen für den Monat des Rentenbeginns erbracht werden. Die Ansicht des Klägers würde zu einer mehrmonatigen Kaskade von Erstattungsansprüchen führen, die durch einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vermieden werden könne. Ein derartiger Bescheid wäre auch nicht nachrangig gegenüber einem Erstattungsanspruch. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Mangels Schriftform liege keine Zusicherung vor.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Klägers und der Rentenakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die nach Zulassung durch das Sozialgericht (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) statthafte und im Übrigen zulässige, insbesondere gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 8. Juni 2022 kann keinen Bestand haben. Zu Unrecht hat das Sozialgericht einen Erstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte in Höhe von 359,84 € verneint.
Für den Erstattungsstreit zwischen Sozialleistungsträgern, die nicht in einem Über- und Unterordnungsverhältnis stehen, ist eine allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG die statthafte Klageart.
Einer notwendigen Beiladung der Versicherten und des Leistungsempfängers gemäß § 75 Abs. 2, 1. Alt. SGG bedurfte es nicht. Im Erstattungsstreitverfahren zwischen zwei Leistungsträgern ist der Leistungsempfänger nicht notwendig beizuladen, wenn er die Leistung bereits erhalten hat, er diese nicht nochmals beanspruchen kann und die Entscheidung über die Erstattungsforderung keine Auswirkungen auf seine Rechtsposition hat (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2010, B 1 KR 21/09 R – SozR 3-1300 § 104 Nr. 4). So verhält es sich hier. Die Versicherte und der Leistungsempfänger haben für den Monat Mai 2017 bereits Sozialleistungen erhalten, die sie nicht nochmals beanspruchen können. Obwohl sie für diesen Monat sogar doppelt Sozialleistungen - sowohl von dem Kläger als auch von der Beklagten - erhalten haben, kommt eine Erstattung dieser Leistungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr in Betracht. Das folgt aus den in der Sache bindend gewordenen Bescheiden vom 26. Januar 2017 und 26. April 2017 (§ 77 SGG), die weder über § 45 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) zurückgenommen noch über § 48 SGB X aufgehoben werden können, sodass eine Erstattung überzahlter Sozialleistungen (§ 50 SGB X) ausscheidet. Denn eine Rücknahme würde jedenfalls an der einjährigen Handlungsfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X scheitern, die über § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X ebenso für die Aufhebung gilt und auch bei einer Erstattung zu Unrecht ohne Verwaltungsakt erbrachter Leistungen gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X zu wahren ist. Daher hat der Ausgang des Erstattungsstreitverfahrens keine Auswirkungen auf die Rechtspositionen der Versicherten und des Leistungsempfängers. Es geht lediglich um die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen zwischen zwei Sozialleistungsträgern.
Dem Kläger steht ein Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten hinsichtlich seiner Erbringung von Leistungen nach dem SGB II an die Versicherte und den Leistungsempfänger für die Zeit vom 1. Mai 2017 bis 31. Mai 2017 zu.
Der Erstattungsanspruch des Klägers stützt sich auf § 104 SGB X, der entweder originär oder über § 40a SGB II, eingefügt durch Art. 1 Nr. 2 des Achten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Ergänzung personalrechtlicher Bestimmungen vom 28. Juli 2014 (BGBl. I, S. 1306) mit Wirkung zum 1. Januar 2009, zur Anwendung gelangt.
§ 40a Satz 1 SGB II ordnet an, dass dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter den Voraussetzungen des § 104 SGB X ein Erstattungsanspruch gegen den anderen Sozialleistungsträger zusteht, wenn einer leistungsberechtigten Person für denselben Zeitraum, für den ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen nach diesem Buch erbracht hat, eine andere Sozialleistung bewilligt wird. Der Erstattungsanspruch besteht gemäß § 40a Satz 2 SGB II auch, soweit die Erbringung des Arbeitslosengeldes II allein auf Grund einer nachträglich festgestellten vollen Erwerbsminderung rechtswidrig war oder rückwirkend eine Rente wegen Alters oder eine Knappschaftsausgleichsleistung zuerkannt wird.
§ 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger, wenn er Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, gegenüber dem Leistungsträger einen Erstattungsanspruch hat, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit dieser nicht bereits selbst in Unkenntnis der Leistung des anderen Leistungsträgers geleistet hat. Gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nach § 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (§ 104 Abs. 3 SGB X).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend für den Monat Mai 2017 erfüllt.
Der Kläger ist als zugelassener kommunaler Träger von Leistungen nach dem SGB II und damit als Leistungsträger im Sinne von § 12 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) tätig geworden (§ 19a Abs. 2 Satz 2 SGB I; § 6a SGB II), indem er der Versicherten und dem Leistungsempfänger Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 359,84 €, mithin eine Sozialleistung in Geld (§ 11 Satz 1 SGB I), für den Monat Mai 2017 gezahlt und folglich im Sinne von § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X erbracht hat. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte geht der Senat davon aus, dass diese Zahlung monatlich im Voraus erbracht wurde (§ 42 Abs. 1 SGB II in der Fassung von Art. 1 Nr. 37 des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26. Juli 2016 <BGBl. I, S. 1824>) und damit der Versicherten und dem Leistungsempfänger am 1. Mai 2017 zur Verfügung stand. Dies hat die Beklagte auch nicht in Abrede gestellt. Sie hat lediglich geltend gemacht, es stehe nicht fest, ob der Kläger, nachdem er von der Rentengewährung ab 1. Mai 2017 durch ihre Mitteilung vom 26. April 2017 Kenntnis erlangt hatte, die Zahlung der SGB II-Leistungen noch hätte zurückhalten können.
Der Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X ist nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil er nicht entstehen kann, wenn der nachrangig verpflichtete Leistungsträger materiell-rechtswidrige Leistungen erbracht hat („ungeschriebenes Tatbestandsmerkmals des § 104 SGB X“, vgl. statt vieler: BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012, B 13 R 11/11 R - juris Rdnr. 38 m.w.N.). In Abgrenzung zu den Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs des unzuständigen Leistungsträgers nach § 105 SGB X muss der nachrangig verpflichtete Leistungsträger im Rahmen des § 104 SGB X seine Leistung als zuständiger Träger entsprechend dem für ihn geltenden Leistungsrecht, also ungeachtet des Nachrangs seiner Leistungsverpflichtung, mit Rechtsgrund und damit rechtmäßig erbracht haben (vgl. BSG, Urteil vom 22. Mai 1985, 1 RA 33/84 - juris Rdnr. 23 m.w.N.). Dabei entfällt der gegenüber dem Leistungsberechtigten bestehende Rechtsgrund der Vorleistung nicht durch den Eintritt des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers (vgl. BeckOGK/Kater, Stand: 1. August 2022, SGB X § 104 Rdnr. 32) mit der Folge, dass der nachrangig verpflichtete Leistungsträger durch die Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers nicht endgültig von seiner Leistungspflicht befreit wird. Stattdessen entsteht seine Leistungspflicht gegebenenfalls erneut bzw. sogar in noch größerem Umfang, wenn sich bei unveränderter Leistung des vorrangigen Leistungsträgers der Bedarf des Berechtigten erhöht. Das Argument, dass der nachrangig verpflichtete Leistungsträger materiell-rechtmäßige Leistungen erbracht haben muss, trifft somit nur dem Grunde nach rechtswidrige Leistungen (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 1997, 8 RKn 29/95 - juris Rdnr. 26).
Ausgehend hiervon gewährte der Kläger der Versicherten und dem Leistungsempfänger dem Grunde nach rechtmäßige Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger ist infolge der Gewährung der Erwerbsminderungsrente ab 1. Mai 2017 nicht endgültig von seiner Leistungspflicht im vorstehenden Sinne befreit worden. Denn die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung führt grundsätzlich nur dazu, dass die am Bedarf zu orientierende, den Lebensunterhalt des Betroffenen sichernde Leistung nach dem SGB II wegfällt oder sich auf den nach Anrechnung verbleibenden Restbedarf vermindert, weil die Rente als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen ist (§ 9 Abs. 1, § 11 Abs. 1 SGB II). Leistungsansprüche nach dem Grundsicherungsrecht - hier SGB II - und aus dem Sozialversicherungsrecht - hier SGB VI - schließen sich nicht aus. Vielmehr besteht zwischen ihnen ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis dergestalt, dass soziale Grundsicherungsansprüche nachrangig gegenüber den regelmäßig als Einkommen anrechenbaren Sozialversicherungsleistungen sind. Dies impliziert, dass der Kläger wieder leistungspflichtig werden würde, sofern auf Seiten der Versicherten und des Leistungsempfängers ein erhöhter Bedarf entstehen bzw. Einkommen - Witwenrente oder Unfallrente - wegfallen sollte.
Ebenfalls erfüllt ist die weitere Voraussetzung des § 104 SGB X, dass es einen Anspruch für eine kongruente Leistung gegen einen anderen Leistungsträger gibt. Aus dem Erfordernis des Nachrangs der erbrachten Leistung gegenüber der Leistung, auf die ein vorrangiger Anspruch besteht, folgt, dass beide Leistungen in personeller, zeitlicher und sachlicher Hinsicht kongruent sein müssen (vgl. Becker in Hauck/Noftz, SGB X, 1. Erg.-Lfg. 2023, § 104 Rdnr. 32). Dem steht mit Blick auf die personelle Kongruenz vor allem nicht entgegen, dass der Kläger SGB II-Leistungen nicht nur gegenüber der Versicherten als derjenigen, der gegen die Beklagte ein Rentenanspruch zusteht, erbracht hat, sondern auch gegenüber dem Leistungsempfänger. Denn der Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X verlangt keine Personenidentität des Leistungsempfängers, wenn dies im Rahmen gesetzlicher Vorschriften so vorgesehen ist (vgl. Roos in Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 104 Rdnr. 14). Eben das ist mit Blick auf § 34c SGB II (in der Fassung von Art. 1 Nr. 30 des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26. Juli 2016 <BGBl. I, S. 1824>) zu bejahen. Nach dieser Vorschrift gelten nämlich als Aufwendungen des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch solche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die an die mit der leistungsberechtigten Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Personen erbracht wurden. § 34c SGB II entbindet daher ausdrücklich vom Erfordernis der Personenidentität und erweitert damit die zu erstattenden Leistungen (vgl. Pattar in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 104 Rdnr. 35 m.w.N.). In Anbetracht dessen werden die vom Kläger an den Leistungsempfänger für Mai 2017 erbrachten SGB II-Leistungen in Höhe von 179,92 € ebenfalls vom Erstattungsanspruch des § 104 SGB X erfasst. Denn der Leistungsempfänger und die Versicherte bildeten in jenem Monat eine Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c i. V. m. Abs. 3a SGB II.
Dass im Zuge der Rentengewährung keine Nachzahlung entstanden ist und deshalb keine Erstattung erfolgen könne, wie die Beklagte vorgerichtlich und erstinstanzlich eingewandt hat, ändert gleichwohl nichts daran, dass es einen Anspruch der Versicherten gegen einen anderen Leistungsträger gibt. Denn ein Erstattungsanspruch wegen Nachrangigkeit gemäß § 104 SGB X kann, mit Bezug zur gesetzlichen Rentenversicherung, neben einer Rentennachzahlung gegebenenfalls auch eine laufende Rente (ganz oder teilweise) erfassen (vgl. Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung - Teil I: Allgemeine Grundlagen – SGB I, IV, X -, 3. Band, Stand: November 2018, § 104 SGB X, V.1. <S. 10>). Im Rahmen des § 104 SGB X ist nicht danach zu differenzieren, ob der vorrangig verpflichtete Leistungsträger eine Nachzahlung oder eine laufende Leistung erbringt.
Der Erstattungsanspruch des Klägers aus § 104 SGB X scheitert auch nicht daran, dass die Voraussetzungen des § 103 SGB X erfüllt sind. Diese Vorschrift ist nur bei institutionell gleichrangigen Leistungsträgern anwendbar (vgl. statt vieler: BSG, Urteil vom 14. September 1994, 3/1 RK 56/93 - juris Rdnr. 10). Dies ist im Verhältnis des Klägers als Grundsicherungsträger und der Beklagten als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung nicht der Fall. Denn § 5 Abs. 1 SGB II ordnet den Nachrang der Grundsicherung nach dem SGB II gegenüber den Sozialleistungen aller anderen Träger an.
§ 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X, wonach ein Erstattungsanspruch nicht besteht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistung auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen, kommt vorliegend nicht zum Tragen. Bei Kenntnis der Rentenzahlung für und im Mai 2017 hätte nach § 11 Abs. 2 SGB II eine laufende Leistung für den gesamten Monat berücksichtigt werden müssen, was dazu geführt hätte, dass die Versicherte und der Leistungsempfänger keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen mehr gehabt hätten. Der Kläger hätte seine Leistung in Höhe von insgesamt 359,84 € also nicht erbringen müssen.
Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist ein Leistungsträger - nur dann - nachrangig verpflichtet, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Diese Gesetzesformulierung beinhaltet im Umkehrschluss, dass bei tatsächlich erfolgter rechtzeitiger Leistung des anderen Leistungsträgers keine oder nur eine geringere - und damit auch keine nachrangige - Verpflichtung des erstattungsberechtigten Leistungsträgers besteht.
Nach Auffassung des erkennenden Senats hat die Beklagte die Rentenzahlung für Mai 2017 „nicht rechtzeitig geleistet“ im Sinne von § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Denn insoweit hängt die Rechtzeitigkeit der Erfüllung einer Leistungsverpflichtung nicht von der Fälligkeit der Leistung oder dem Verzug der Behörde ab, sondern entscheidend ist allein die Übereinstimmung der Anspruchs- und Bezugszeiträume (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 1997, 14/10 RKg 11/96 = SozR 3-1300 § 104 Nr. 2; so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Dezember 2013, L 3 R 707/13 NZB - juris Rdnr. 25). Dieses Verständnis entspricht der Zweckbestimmung des Erstattungsrechts zur Vermeidung zweckidentischer Doppelleistungen für gleiche Bezugszeiträume und der nachträglichen Entlastung des rechtmäßig vorleistenden Trägers durch den vorrangig zuständigen Träger. „Rechtzeitig“ bedeutet also nur, dass der Anspruch zu Beginn des jeweiligen Zeitraums, für den er gesetzlich vorgesehen ist, auch erfüllt wird, sodass keine Notlage im Sinne des Grundsicherungsrechts eintreten kann. Vorliegend liegt keine rechtzeitige Leistung in diesem Sinne vor, weil die Beklagte die Rentenzahlung für Mai 2017 erst am Monatsende erbracht hat. Dass die Versicherte und der Leistungsempfänger sich hierdurch in einer grundsicherungsrelevanten Notlage befanden, bestätigt dabei die Vorschrift des § 24 Abs. 4 Satz 1 SGB II, die bestimmt, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden können, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Auch für diesen Fall ist somit die Gewährung von SGB II-Leistungen - obwohl nur darlehensweise und im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers stehend (§ 39 SGB I) - vorgesehen, um den Bedarf der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu decken und so deren Hilfebedürftigkeit zu beseitigen (§ 3 Abs. 3 SGB II).
Vor diesem Hintergrund kann die Beklagte nicht damit gehört werden, die Rentenzahlung für Mai 2017 an die Versicherte entsprechend der Vorgabe des § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI und damit rechtzeitig im Sinne von § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X gezahlt zu haben, sodass ein Erstattungsanspruch nicht besteht (aA BSG, Urteil vom 25. Januar 1994, 7 RAr 42/93 = SozR 3-1300 § 104 Nr. 8; BSG, Urteil vom 19. März 1992, 7 RAr 26/91 = SozR 3-1300 § 104 Nr. 5; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. März 2021, L 33 R 703/20 NZB - juris Rdnr. 26; Bayerisches LSG, Urteil vom 16. Juli 2019, L 11 AS 317/19 - juris Rdnr. 14 m.w.N.; Bayerisches LSG, Urteil vom 30. März 2017, L 19 R 940/15 - juris Rdnr. 38 m.w.N.; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 19. Januar 2016, L 7 R 181/15 - juris Rdnr. 33).
Dies lässt sich zum einen nicht damit begründen, dass ein Erstattungsanspruch in Konstellationen wie der vorliegenden nicht probat sei, weil § 24 Abs. 4 SGB II eine Bedarfssicherung im Übergang vom Grundsicherungsbezug zum Rentenbezug ermögliche und hiernach jedenfalls bei bedarfsüberschreitendem Rentenbezug die nachträgliche Herstellung des Nachrangs der Grundsicherung durch Tilgung des Darlehens gesichert sei (so aber Schleswig-Holsteinisches LSG, a.a.O. - juris Rdnr. 34). Diese Sichtweise überzeugt schon deshalb nicht, weil über eine Darlehensgewährung gemäß § 24 Abs. 4 Satz 1 SGB II der Nachrang des SGB II lediglich in den Fällen sofort wiederhergestellt werden kann, in denen durch die Rentenzahlung der Leistungsbezug nach dem SGB II beendet wird. Denn nur dann wird der noch nicht getilgte Darlehensbetrag sofort fällig (§ 42a Abs. 4 Satz 1 SGB II). Andernfalls werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs getilgt (§ 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II), die allerdings nicht für Zeiträume zulässig ist, in denen der Auszahlungsanspruch nach § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II um mindestens 30 Prozent des maßgebenden Regelsatzes gemindert ist (§ 42a Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 43 Abs. 3 SGB II). Bei fortlaufendem Leistungsbezug erfolgt also lediglich eine monatsweise Wiederherstellung des Nachrangs, die noch dazu ausgesetzt werden kann, was nach Ansicht des erkennenden Senats nicht als probat bezeichnet werden kann. Darauf verweisen lassen muss sich der SGB II-Leistungsträger jedenfalls nicht. Das gilt umso mehr, sofern ihm eine Rentengewährung - wie hier - derart kurzfristig zur Kenntnis gebracht wird, dass er nicht mehr in der Lage ist, bei einem laufenden, auf einem wirksamen und bindenden Verwaltungsakt (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 39 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 SGB X; § 77 SGG) beruhenden Bewilligungsfall im Korrekturwege über § 48 SGB X bereits zum Beginn des Leistungszeitraums ein Darlehen zu gewähren. Denn eine derartige Korrektur greift in die Rechte des Betroffenen ein, der deshalb gemäß § 24 Abs. 1 SGB X angehört werden müsste, ohne dass hiervon ausnahmsweise abgesehen werden könnte (§ 24 Abs. 2 SGB X). Das gilt vor allem auch mit Blick auf § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X, weil durch die Anhörung nicht die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde. Eine Anhörung des Betroffenen wird im Regelfall aber schon mit Blick auf die erforderliche Anhörungsfrist von jedenfalls zwei Wochen zuzüglich Postlaufzeiten (vgl. BSG, Beschluss vom 12. Februar 2009, B 5 R 386/07 B - juris Rdnr. 15 m.w.N.) kaum ordnungsgemäß durchführbar sein, sofern die Umstellung der Zuschuss- in eine Darlehensgewährung binnen Monatsfrist erfolgen muss. Auf ein verfahrenswidriges Handeln braucht sich der SGB II-Leistungsträger jedoch nicht verweisen lassen. Dies gilt erst Recht in Bezug auf einen Verstoß gegen die Pflicht zur Anhörung, der - im Falle nicht rechtzeitiger Nachholung (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 SGB X) - gemäß § 42 Satz 2 SGB X sogar zur Aufhebung des dann formell rechtswidrig, belastenden Verwaltungsaktes führen würde. Letztlich bliebe dem SGB II-Leistungsträger somit lediglich die Möglichkeit, die ursprüngliche Leistungsgewährung über § 48 SGB X aufzuheben, um vom Bürger die Erstattung überzahlter Grundsicherungsleistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X verlangen zu können. Eben diese Vorgehensweise würde aber der ratio der §§ 102 ff. SGB X widersprechen, die neben der Vermeidung von Doppelleistungen an den Bürger (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 24 <Vor §§ 108 ff.>) auch die Vermeidung einer komplizierten Rückabwicklung unter Einbeziehung des Bürgers sowie die Verminderung von Rückforderungsrisiken seitens der Leistungsträger bezwecken (vgl. Becker in Hauck/Noftz, SGB X, 1. Erg.-Lfg. 2023, Vorbem zu §§ 102-114 Rdnr. 6).
Zum anderen darf nicht übersehen werden, dass ohne die zum 1. März 2004 in Kraft getretene Verschiebung des Rentenauszahltermins erst zum Monatsende (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der Fassung von Art. 1 Nr. 4 Buchst. b des Dritten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I, S. 3019) ein Erstattungsanspruch des Klägers und eine damit korrespondierende Erstattungspflicht der Beklagten zweifelsohne bestehen würde. Hieran sollte aber die Verschiebung der Rentenzahlung gerade nichts ändern. Vielmehr hatte sie zum Ziel, infolge haushälterischer Ersparnisse auf Seiten der gesetzlichen Rentenversicherung eine Beitragssatzentlastung herbeizuführen, von der letztlich auch der Bund beim allgemeinen Beitragszuschuss, bei seinen Beiträgen für Kindererziehungszeiten sowie bei den Rentenzahlungen bei den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen und in der knappschaftlichen Rentenversicherung profitieren sollte (vgl. BT-Drs. 15/1831, S. 2).
Die Bedenken der Beklagten, dass die Annahme eines Erstattungsanspruchs im Übergangszeitraum zu erheblichen praktischen Problemen bei der Sicherstellung des Lebensunterhalts des Versicherten in den Folgemonaten und zu einer Kaskade an Erstattungsansprüchen führen würde, teilt der Senat nicht. Zumindest erscheint diese Problematik nicht zwingend. Zwar ist es zutreffend, dass der Leistungsempfänger zu Beginn des Folgemonats faktisch erneut hilfebedürftig sein würde, sofern der Rentenversicherungsträger die Rentenzahlung im Monat des Rentenbeginns nicht in voller Höhe, sondern nur abzüglich des vom Grundsicherungsträger geltend gemachten Erstattungsanspruchs leisten würde. Denn jedenfalls bei dann gesicherter Kenntnis der Tatsache, dass am Monatsende eine Rentenzahlung erfolgen wird, müsste der Grundsicherungsträger den Leistungsanspruch nach § 7 SGB II mangels Hilfebedürftigkeit ablehnen und erforderlichenfalls ein Darlehen nach § 24 Abs. 4 SGB II zwischenschalten (so auch Bayerisches LSG, Urteil vom 30. März 2017, L 19 R 940/15 - juris Rdnr. 42).
Der Erstattungsanspruch ist schlussendlich auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte in Unkenntnis der Zahlung des Klägers bereits mit befreiender Wirkung an die Versicherte geleistet hätte (§ 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X a.E.: „<…> ist erstattungspflichtig, <…> soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.“). Die Beklagte hatte bereits durch das Schreiben des Klägers vom 4. Mai 2017 Kenntnis von dessen Zahlung an die Versicherte und den Leistungsempfänger und somit vor ihrer eigenen Rentenzahlung Ende Mai 2017 erlangt. Mit befreiende Wirkung konnte sie daher die Rente für Mai 2017 nicht mehr an die Versicherte zahlen.
Nach alledem sind die Voraussetzungen des § 104 SGB X erfüllt und steht dem Kläger ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten in Höhe der geltend gemachten 359,84 € zu. Eine Erstattung der mit Schreiben vom 4. Mai 2017 ebenfalls noch geltend gemachten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung hat der Kläger gerichtlich nicht mehr weiterverfolgt.
Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich der streitige Erstattungsanspruch nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte stützen lässt. Insbesondere hat die Beklagte nicht zugesagt, an den Kläger 359,84 € zu erstatten. Denn eine Zusage ist die einseitige Selbstverpflichtung der Behörde zu einem späteren Tun oder Unterlassen gegenüber einem Erklärungsempfänger (vgl. Littmann in: Hauck/Noftz, SGB X, 1. Erg.-Lfg. 2023, § 34 Rdnr. 1 m.w.N.). Daran fehlt es, weil der Beklagten eine solche Selbstverpflichtung frühestens mit der Bezifferung des konkreten Erstattungsanspruchs möglich gewesen wäre, die allerdings erst im Nachgang zu dem - vom Kläger behaupteten - Telefonat am 4. Mai 2017 erfolgte. Weder mit ihrem Schreiben vom 8. Februar 2017 noch mit ihren fernmündlichen Äußerungen am 4. Mai 2017 kann die Beklagte somit die Erstattung von 359,84 € zugesagt haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wonach die Beklagte als unterliegender Teil für beide Instanzen die Kosten des Verfahrens trägt.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Der Senat misst der Frage, ob der Erstattungsanspruch nach (§ 40a Satz 1 SGB II i. V. m.) § 104 SGB X auch dann besteht, sofern der Rentenversicherungsträger die beginnende Rentenleistung im Sinne von § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI rechtzeitig erbringt, grundsätzliche Bedeutung zu.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).