L 11 KA 9/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 303/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 9/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 35/22 B
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 8. Februar 2017 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Honorarabrechnungsbescheides für das Quartal 1/2010.

Der seit 1994 im Arztregister eingetragene Kläger ist Facharzt für Allgemeinmedizin und Dipl.-Osteopath, im hausärztlichen Versorgungssektor tätig und seit dem 15. Dezember 1994 in L. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Mit Bescheid vom 27. November 2009 setzte die Beklagte das Regelleistungsvolumen (RLV) des Klägers für das Quartal 1/2010 in Höhe von 4.997,48 € fest. Sie berücksichtigte einen Fallwert von 31,28 € und eine individuelle RLV-relevante Fallzahl von 170.

Mit dem am 27. Juli 2010 erteilten Abrechnungsbescheid für das Quartal 1/2010 stellte die Beklagte einen Gesamthonorar-Saldo in Höhe von 6.224,34 € fest und berücksichtigte hierbei u.a. folgende Punktwerte:

Primärkassen

Leistungsbedarf

Punktwert

54.391,2

3,5048

6.154,9

3,5048

13.223,9

0,3116

 

Ersatzkassen

Leistungsbedarf

Punktwert

88.198,5

3,5048

9.321,6

3,5048

20.919,9

0,3116

Der Kläger erhob am 24. August 2010 Widerspruch und führte aus, dieser erfasse auch die Festsetzung des RLV für das Quartal 1/2010. Gegenüber dem Quartal 1/2009 sei seine Fallzahl nur um 20 % gesunken, das Honorar aber um 46 %. Die Kostenstruktur habe sich hingegen nicht geändert. Dadurch werde seine Existenz gefährdet. Er halte den im Bereich der Beklagten geltenden Honorarverteilungsvertrag (HVV) im Zusammenhang mit unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen im Quartal 1/2010 für lückenhaft. Die Lücke sei durch die Grundsätze des Bundessozialgerichts (BSG) für Wachstumsmöglichkeiten für unterdurchschnittlich abrechnende Praxen zu schließen.

Mit entsprechender Begründung beantragte der Kläger unter dem 7. November 2011 eine Konvergenzzahlung gemäß § 6 Ziff. 4 HVV, die ihm i.H.v. 1.961,04 € mit Bescheid vom 2. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 25. September 2012 bewilligt wurde. Die Auszahlung erfolgte mit Abrechnungsbescheid vom 26. April 2011 (Quartal 4/2010).

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Für die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen seien RLV vorgegeben. Deren Berechnung und Anpassung ergäben sich aus § 5 Abs. 1, 2 HVV in Verbindung mit Anlage B 4. Zugrunde lägen entsprechende Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses. Diesbezüglich habe sie keine Verwerfungskompetenz.

Am 20. März 2013 hat der Kläger Klage erhoben und die Ansicht vertreten, ihm seien die erbrachten Leistungen ohne Abzüge zu vergüten. Die Verringerung der Vergütung pro Behandlungsfall von 70,85 € im Quartal IV/2008 auf 48,59 € im Quartal II/2011 sei nicht zu rechtfertigen.

 

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.2.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat unter Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Einverständnis der Beteiligten hat das Verfahren gemäß Beschluss vom 25. November 2013 im Hinblick auf das Verfahren B 6 KA 4/13 R des BSG geruht. Das Verfahren ist am 22. Juli 2014 fortgeführt worden.

Das SG hat mit Urteil vom 8. Februar 2017 die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Verfahrens auferlegt. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen. Der Streitwert wurde erstinstanzlich endgültig auf 534,42 € festgesetzt.

Gegen das am 7. April 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, 8. Mai 2017 Berufung eingelegt (Az. L 11 KA 26/17): Die Berufung sei statthaft. Der Beschwerdewert betrage 1.029,28 € [Summe der abgestaffelten Leistungen 34.143,8 Punkte x (3,5048 ct. – 0,3116 ct.)]. Die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung sei offensichtlich fehlerhaft. Die Klage sei zulässig. Es fehle insbesondere nicht am Rechtschutzbedürfnis. Die vertragsärztliche Vergütung, auf die der Vertragsarzt einen Rechtsanspruch habe, sei von etwaigen Konvergenzzahlungen, die seitens der Beklagten nur auf Antrag und nach „Gutdünken“ verteilt würden und auf die nach dem HVV gerade kein Rechtsanspruch bestehe (§ 6 Abs. 4 HVV spreche insoweit von „können“), zu trennen. Die Konvergenzzahlungen könnten entgegen der Auffassung des SG nicht auf die vertragsärztliche Vergütung verrechnet werden. Beides folge unterschiedlichen rechtlichen Regimen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wieso sich die Konvergenzzahlungen verringern sollten, wenn sich die reguläre vertragsärztliche Vergütung erhöhe. Die Beklagte habe ihm auch auf ausdrückliche Nachfrage nie mitgeteilt, wie sie die Höhe der Konvergenzzahlungen berechnet habe. Vielmehr habe er Anspruch darauf, dass seine Leistungen nicht abgestaffelt, sondern voll vergütet werden.

Vorsorglich hat der Kläger – wegen der strittigen Höhe des Streitwertes - am 29. März 2018 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben (Az. L 11 KA 30/18 NZB). Mit Beschluss vom 24. Januar 2019 hat der Senat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers die Berufung zugelassen (neues Az. L 11 KA 9/19). Die am 8. Mai 2017 eingelegte Berufung hat der Kläger am 2. Mai 2019 zurückgenommen. Mit Beschluss des Senats vom 28. Mai 2019 wurden die Kosten des Berufungsverfahrens L 11 KA 26/17 nach § 21 Abs. 1 GKG niedergeschlagen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 8.2.2017 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Honorarabrechnungsbescheides vom 27.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.2.2013 zu verpflichten, über den Honoraranspruch für das Abrechnungsquartal 1/2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte nimmt auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug und führt ergänzend aus, dass insbesondere richtig sei, dass die unstreitige Konvergenzzahlung in Höhe von 1.961,04 € selbst die höhere Differenz übersteige, die dem bezifferten Interesse des Klägers entspreche. Eine weitergehende Vergütung komme nicht in Betracht.

In dem vor dem Senat unter dem Az. L 11 KA 54/18 zwischen den Beteiligten geführten Verfahren waren die Abrechnungsquartale 3/2010 bis 2/2011 streitbefangen. Mit Beschluss des Senats vom 10. Mai 2021 wurde die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers (BSG, Az. B 6 KA 21/21 B) wurde zurückgenommen.

Nach vorheriger Anhörung hat der Senat den Beteiligten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen (Beschluss vom 8. August 2022). Davon hat die Beklagte Gebrauch gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

A. Die Anträge im Berufungsverfahren sind wirksam im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gestellt worden. Soweit die Vertreterin der Beklagten nicht persönlich im Gerichtssaal anwesend war, sondern von ihrem Behördensitz aus per Video- und Tonübertragung an der Verhandlung teilgenommen hat, war dies gemäß § 110a Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 8. August 2022 zulässig.

B. I. Gegenstand des Verfahrens ist der dem Kläger bekanntgegebene Honorarabrechnungsbescheid vom 27. Juli 2010 (Abrechnungsquartal 1/2010). Soweit die Beklagte dem Kläger für das Quartal 1/2010 eine Konvergenzzahlung geleistet hat, ist dies einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. Diesbezüglich hat die Beklagte mit Bescheid vom 2. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 25. September 2012 eine eigenständige Verwaltungsentscheidung getroffen, die in Bestandskraft erwachsen ist.

Nicht verfahrensgegenständlich ist der RLV-Bescheid vom 27. November 2009, der mit der Klage nicht angegriffen worden ist. Hierfür bestand auch kein Anlass, da die Beklagte im Bescheid vom 27. November 2009 darauf hinwies, dass es eines gesonderten Widerspruchs gegen den RLV-Bescheid nicht bedürfe, wenn der Honorarbescheid angefochten werde.

II. Die Berufung ist jedenfalls zulässig, nachdem sie durch Beschluss des Senats vom 24. Januar 2019 (Az. L 11 KA 30/18 NZB) zugelassen worden ist (§ 144 Abs. 1 SGG). Die vorgeschaltete Nichtzulassungsbeschwerde – auf die fehlerhaft in der Rechtsmittelbelehrung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht hingewiesen worden war – wurde binnen eines Jahres nach Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung (am 7. April 2017) am 29. März 2018 erhoben (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Einlegung einer gesonderten Berufung bedurfte es gemäß § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG nicht. Auf die Frage, ob der Berufung nicht auch ohne Zulassung zulässig gewesen wäre, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 € überstieg, kommt es daher nicht an.

III. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die auf die Aufhebung des Honorarabrechnungsbescheides vom 27. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2013 und Neubescheidung des Honoraranspruchs für das Quartal I/2010 gerichtete Klage ist zulässig, aber unbegründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die im Wesentlichen inhaltsgleichen Entscheidungsgründe des zwischen denselben Beteiligten ergangenen Beschlusses vom 10. Mai 2021 in dem Verfahren L 11 KA 54/18 (veröffentlicht in juris) Bezug genommen, in dem die Abrechnungsquartale 3/2010 bis 2/2011 streitbefangen waren. Das Vorbringen des Klägers im hiesigen Verfahren, welches im Wesentlichen aus Wiederholungen seines Vortrages im Parallelverfahren besteht, ist nicht ansatzweise geeignet, eine ihm günstigere Entscheidung herbeizuführen.

C. Die Kostenentscheidung folgt § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

D. Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG zur Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

 

 

Rechtskraft
Aus
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