1. Zum sozialversicherungsrechtlichen Status eines Kostümbildners bei der Produktion eines Films.
2. Bei Überprüfungsanträgen von Statusfeststellungsbescheiden nach § 7a Abs. 1 SGB IV in der bis zum 31.03.2022 geltenden Fassung ist § 44 Abs. 1 SGB X die einschlägige Rechtsgrundlage.
ENTWURF Sozialgericht Berlin |
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verkündet am
…, Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle |
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…,
- Kläger -
Proz.-Bev.:
gegen
Deutsche Rentenversicherung Bund,
Ruhrstr. 2, 10709 Berlin,
- Beklagte -
… GmbH,
- Beigeladene -
hat die 223. Kammer des Sozialgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung am 24. Mai 2023 durch die Richterin am Sozialgericht … sowie die ehrenamtliche Richterin Frau … und den ehrenamtlichen Richter Herrn … für Recht erkannt:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 08.01.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2021 verurteilt, den Bescheid vom 05.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2020 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger seine Tätigkeit als Kostümbildner für die Beigeladene in der Zeit vom 12.03.2019 bis zum 21.08.2019 als selbstständige Tätigkeit ausgeübt hat.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens über die Frage, ob der Kläger seine Tätigkeit als Kostümbildner bei der Beigeladenen in der Zeit vom 12.03.2019 bis zum 21.09.2019 als selbstständige Tätigkeit oder im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt hat.
Der Kläger ist Kostümbildner, der in der Zeit vom 12.03.2019 bis zum 21.09.2019 für die beigeladene Filmproduktionsfirma für den Film „L …“ tätig war. Der Tätigkeit des Klägers lag ein Werkvertrag von März 2019 zugrunde. Darin wurden unter Ziff. 2.2 (Vertragsgegenstand) die Leistungen des Klägers wie folgt beschrieben: „Zu den beauftragten Leistungen des Vertragspartners gehören die typischen Leistungen, die zum Bereich Kostümbild in der Filmbranche zählen, insbesondere: Vor- und Nachbereitungsarbeiten; Überwachungs-, Beratungs- und sonstige Tätigkeiten, Herstellung von Entwürfen, Zeichnungen, Arbeitsplänen sowie Vorgespräche mit dem Produzenten, Regie, Redaktion, Produktionsleiter etc.; Anfertigung einer Kostenaufstellung; Zusammenstellung des Mitarbeiterteams der Abteilung Kostümbild; Überwachung der Herstellung, Ausführung und Abwicklung aller mit dem Kostümbild zusammenhängender Arbeiten gem. Drehbuch und Drehplan; vollständige Abwicklung und Abrechnung nach den jeweiligen Richtlinien des Produzenten bzw. des Senders; in regelmäßiger Absprache mit dem Produktionsleiter. Die vom Vertragspartner zu erbringenden Leistungen werden nachfolgend auch kurz als „Werk“ bezeichnet“. Unter Ziff. 2.3 heißt es weiter: „Der Vertragspartner ist in seinem Bereich selbstständig tätig, bestimmt insbesondere seinen Tätigkeitsort und die jeweilige Leistungszeit selbst; davon unabhängig ist der Vertragspartner jedoch verpflichtet und garantiert, die ihm mitgeteilten produktionsbedingten terminlichen und inhaltlichen Vorgaben strikt einzuhalten, dies gilt insbesondere sofern und soweit die Anwesenheit des Vertragspartners für die Erbringung des Werkes am Drehort notwendig ist. Auf Wunsch des Produzenten wird der Vertragspartner auch zu Besprechungen und Abnahmen beim, Produzent zur Verfügung stehen.“ Weiter wird der Kläger unter Ziff. 2.4. verpflichtet, seine vertragliche Leistung persönlich zu erbringen. Vertreter, Hilfskräfte oder Mitarbeiter darf der Kläger nur mit einer ausdrücklichen Vereinbarung der Produktionsfirma hinzuziehen. Nach Ziff. 2.5 sind längere Abwesenheitszeiten oder Verhinderungsfälle (zum Beispiel Krankheit) der Produktionsfirma so früh wie möglich mitzuteilen. Die Vergütung erfolgte durch eine Pauschale (i.H.v. 23.000 Euro zuzüglich 8.000 Euro für den Nachdreh, vgl. den wortgleichen Werkvertrag zum Nachdreh vom August 2019). Ziff. 6 des Vertrages enthält die Regelungen zur Presseverlautbarung: Ziff. 6.1: „Der Vertragspartner verpflichtet sich, dem Produzenten während und nach Absprache und nach Ablauf der Vertragszeit für Pressearbeiten (Set-Termine, Foto-Shootings zum Dreh, Studio-Fotoaufnahmen, Interview-Termine u.ä.) sowie zur Bewerbung der Produktion im Rundfunk, Fernsehen und in sonstigen Medien unentgeltlich in angemessenem und branchenüblichen Umfang zur Verfügung zu stehen. Der Produzent übernimmt die Auslagen (Reisekosten, Hotels) für Presse-/Werbetermine“. Weiter heißt es in Ziff. 6.2, dass der Kläger sämtliche öffentlichen Erklärungen im Zusammenhang mit der Produktion mit dem Produzenten abzustimmen hat. Nach Ziff. 8.2 steht der Beigeladenen bei allen strittigen Fragen, die die Produktion betreffen, die Letztentscheidungsbefugnis zu. In Ziff. 10 des Vertrages ist die Nebentätigkeit geregelt: „Dem Vertragspartner steht es frei, außerhalb der Vertragszeit auch für andere Unternehmen tätig zu sein, solange dies nicht zur Folge hat, dass er seine vertraglichen Pflichten aus dieser Vereinbarung nicht erfüllen oder nur eingeschränkt erfüllen kann. Der Vertragspartner verpflichtet sich, bei Vorliegen eines Interessenkonflikts diesen dem Produzenten rechtzeitig vor Aufnahme der Nebentätigkeit anzuzeigen“. In Ziff. 14 (i.V.m. der Anlage A) ist die Rechteübertragung geregelt. Wörtlich heißt es in Ziff. 14.1: „Soweit durch die Mitwirkung des Vertragspartners bzw. die Leistung des Vertragspartners Urheber-, Leistungsschutz-, Persönlichkeits- oder sonstige Schutzrechte entstehen, überträgt der Vertragspartner dem Produzenten sämtliche, zeitlich, räumlich und inhaltlich unbeschränkte, ausschließliche Nutzungsrechte, insbesondere, aber nicht abschließend, im Umfang des Rechtekatalogs (Anlage A). Der anliegende Rechtekatalog des Produzenten ist wesentlicher Bestandteil des Vertrages“.
Am 11.03.2019 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Statusfeststellung mit dem Ziel der Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit. Die Beklagte ermittelte und stellte nach vorheriger Anhörung des Klägers und der Beigeladenen mit Bescheid vom 05.12.2019 fest, dass für den Kläger in dem Auftragsverhältnis als Kostümbildner für die Beigeladene im Rahmen der Produktion „L. …“ vom 12.03.2019 bis zum 21.08.2019 (inklusive Nachdreh), Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprächen, überwögen. Als entsprechende Merkmale sah die Beklagte folgende Punkte an:
- „Tätigkeit musste höchstpersönlich ausgeübt werden. Eine Übertragung an Vertreter, Hilfskräfte oder Mitarbeiter wäre nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Produzenten möglich gewesen.
- Längere Abwesenheitszeiten/Verhinderungsfälle (z.B. Krankheit) hätten dem Produzenten mitgeteilt werden müssen.
- Gemäß des vorliegenden Vertrages musste eine ständige Rufbereitschaft gewährleistet sein.
- Für den Auftragnehmer bestand die Verpflichtung, dem Auftraggeber während und nach Absprache auch nach dem Ablauf der Vertragszeit unentgeltlich zur Verfügung zu stehen.
- Die Rechte am Werk müssen abgetreten werden.
- Es erfolgt eine Zusammenarbeit mit dem Regisseur und dem Kostümbildnerteam des Auftraggebers.
- Der Produzent hatte das Letztentscheidungsrecht.
- Der Auftragnehmer ist in die Ablauforganisation des Auftraggebers eingegliedert.
- Reise- und Unterkunftskosten sowie Materialkosten wurden vom Auftraggeber erstattet.
- Nach dem vorliegenden Vertrag bestand ein umfassendes Weisungsrecht hinsichtlich der Ausübung der Tätigkeit des Auftraggebers.
- Der Auftraggeber hatte nach den vertraglichen Regelungen die Rechtsmacht, die Ausgestaltung der Tätigkeit hinsichtlich Zeit, Ort und Art zu bestimmen.
- Der Auftragnehmer hatte ausdrücklich die Weisungen des Auftraggebers zu beachten“.
Als Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit, die jedoch hinter den o.g. Merkmalen zurückstehen müssten, sah die Beklagte in dem Bescheid folgende Punkte an:
- „Der Auftragnehmer besitzt Angaben gemäß eine eigene Werkstatt und ein eigenes Büro. Er setzte diese im Zusammenhang mit der Tätigkeit für den Auftraggeber ein. Somit bestand ein unternehmerisches Risiko.
- Der Auftragnehmer wurde einzelvertraglich verpflichtet.
- Es bestand keine Ausschließlichkeitsvereinbarung.
- Die Vergütung erfolgte für das gesamte Werk als Pauschalvergütung. Für den Nachdreh wurde ein eigenständiger Vertrag mit weiterer Pauschalvergütung geschlossen.“
Nachdem der gegen den Bescheid vom 05.12.2019 eingelegte Widerspruch nicht begründet wurde, wies die Beklagte diesen mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2020 zurück.
Am 31.08.2020 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag. Er trug vor, die Beklagte habe in dem Bescheid vom 05.12.2019 seine Tätigkeit und seine Art zu arbeiten sowie die Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma unzutreffend erfasst. Es sei von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen.
Mit Bescheid vom 08.01.2021 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Den dagegen eingelegten – ausführlich begründeten – Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2021, dem Kläger am 29.07.2021 zugegangen, zurück. Der Kläger sei zwar in der räumlichen und zeitlichen Gestaltung seiner Tätigkeit frei gewesen. Auch in der Art und Weise der Tätigkeitsausübung sei er keinen detaillierten Weisungen unterworfen gewesen. Diese Freiheiten seien aber bereits dadurch eingeschränkt worden, dass der Kläger verpflichtet gewesen sei, die ihm mitgeteilten produktionsbedingten terminlichen und inhaltlichen Vorgaben strikt einzuhalten. Das habe insbesondere gegolten, soweit seine Anwesenheit am Drehort erforderlich gewesen sei. Auf Wunsch des Produzenten habe er auch für Besprechungen und Abnahmen beim Produzenten zur Verfügung stehen müssen. Es liege keine programmgestaltende Tätigkeit vor. Zwar sei von einem eigenen schöpferischen Anteil und einem wesentlichen Faktor für das Gelingen und den Erfolg des Filmes auszugehen. Der Kläger habe aber keine Einflussnahme auf den Inhalt der Produktion gehabt. Mithin sei seine Tätigkeit überwiegend durch die Ausgestaltung des technischen Teils geprägt gewesen. Nicht programmgestaltende Mitarbeiter seien nach Ziffer 3.1 des Abgrenzungskatalogs vom 05.07.2005 grundsätzlich abhängig beschäftigt. Nur in Ausnahmefällen könnten nicht programmgestaltende (technische) Mitarbeiter hach Ziffer 3.3 des Abgrenzungskatalogs selbständig tätig sein, nämlich dann, wenn sie für Produktionen einzelvertraglich verpflichtet worden und überwiegend eigenschöpferisch tätig seien. In der Erstellung von Entwürfen, Zeichnungen und Arbeitsplänen könne keine überwiegend eigenschöpferische Tätigkeit erkannt werden. Die Tätigkeit beinhalte auch die Zusammenstellung des Mitarbeiterteams der Abteilung Kostümbild und die Überwachung der Herstellung, Ausführung und Abwicklung aller mit dem Kostümbild zusammenhängenden Arbeiten. Der Kläger habe damit ein Weisungsrecht wahrgenommen, welches regelfällig der Arbeitgeberin zustehe. Es habe für ihn kein Letztentscheidungsrecht bestanden. Dieses stehe ausschließlich dem Produzenten zu. Änderungswünsche habe der Kläger zu berücksichtigen gehabt. Einer detaillierten Arbeitsanweisung habe er nicht bedurft, da er aufgrund der fachlichen Qualifikation zur ordnungsgemäßen Ausführung in der Lage gewesen sei. Außerdem werde eigenständiges Arbeiten von jedem leitenden Mitarbeiter erwartet und sei nicht zwangsläufig ein Merkmal einer selbstständigen Tätigkeit. An einer Filmproduktion sei eine Vielzahl von Mitarbeitern beteiligt, deren Tätigkeiten miteinander verzahnt seien. Alle an der Produktion Beteiligten seien darauf angewiesen, dass jede Person im Sinne einer gelungenen Produktion ihre Arbeitsleistung fehlerfrei erbringe. Aus der Tatsache, dass das Gesamtergebnis von jedem Einzelnen abhänge, könne nicht auf das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit geschlossen werden. Hinsichtlich der Arbeitszeit sei dem Kläger vertraglich keine konkreten Weisungen erteilt worden. Allerdings erfahre die Wahl der Arbeitszeit nicht nur in den Fällen eine Einschränkung, in denen die Vorgaben durch den Auftraggeber erfolgten, sondern auch, wenn der zeitliche Rahmen durch die Notwendigkeit eines verzahnten Zusammenarbeitens bestimmt werde. Eine Produktion mit mehreren Mitwirkenden bedürfe in der Vorbereitung einer Vielzahl von Mitarbeitern. Deren Zusammenstellung und Überwachung im Bereich Kostümbild durch den Kläger auf der einen Seite und die Absprachen und Besprechungen mit dem Produzenten, Regie, Redaktion und Produktionsleiter auf der anderen Seite führten zu einer zeitlichen Eingliederung in die betriebliche Organisation. Der Kläger sei Teil des Produktionsapparates und habe den Mitarbeiterstamm der Produktion personell um seine Arbeitskraft verstärkt. Er habe sich nicht von leitenden Mitarbeitern bei großen Projekten unterschieden.
Am 30.08.2021 hat der Kläger Klage erhoben. Es sei festzustellen, dass der Widerspruchsbescheid zum einen auf erhebliche Weise von unzutreffenden Tatsachen ausgehe und zum anderen insbesondere seine Tätigkeit als Kostümbildner fehlerhaft – vor allem was die programmgestaltende Tätigkeit betreffe – einordne. Die Feststellung der Beklagten, dass seine Anwesenheit am Drehort erforderlich gewesen sei, sei zunächst widersprüchlich zu der eigenen Feststellung, wonach er „in der räumlichen und zeitlichen Gestaltung der Tätigkeit frei“ sei, insbesondere sei sie aber schlicht unzutreffend. Zutreffend sei hingegen zwar zunächst, dass er nach dem Vertrag auf Wunsch des Produzenten auch für Besprechungen und Abnahmen dem Grunde nach zur Verfügung gestanden habe. Jedoch seien diese Termine nicht etwa einseitig durch terminliche Vorgaben, sondern jeweils – auf Augenhöhe – abgestimmt erfolgt. Zudem hätten sie nicht mit dem Produzenten, sondern mit dem Regisseur stattgefunden. Insbesondere sei es aber gerade auch ein Kennzeichen eines Werkvertrages, dass Besprechungen und nicht zuletzt auch Abnahmen des zu erstellenden Werkes erfolgten. Im hier vorliegenden Fall des Kostümbildes erfolge die Abnahme insbesondere bei der Kostümprobe. Hierzu sei festzustellen, dass z.B. auch ein Architekt, dessen Werk sowohl in den jeweiligen Phasen der Planung als auch zum Schluss mit der Fertigstellung des Gebäudes eine Abnahme erfahre, nicht zum Angestellten des Bauherrn werde. Nicht nachvollziehbar sei, dass die Beklagte, obgleich sie zugestehe, dass er einen „eigenschöpferischen Anteil“ und „seine eigene Handschrift bei der Erstellung des Kostümbildes“ einbringe, nicht davon ausgehe, dass er programmgestaltend tätig sei. Die Beklagte unterliege hier offensichtlich einem Missverständnis. Er schulde nicht etwa die gesamte Filmproduktion, sondern nur die Erstellung des Kostümbildes zur Filmproduktion. Insofern handele es sich, urheberrechtlich betrachtet, um ein sog. „vorbestehendes Werk“ im Sinne von § 90 UrhG. Unverständlich sei auch, warum die Beklagte sich nicht an den Abgrenzungskatalog insoweit halte, als darin die Kostümbildner ausdrücklich als selbstständig Tätige eingestuft würden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 08.01.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2021 verurteilt, den Bescheid vom 05.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2020 aufzuheben und festzustellen, dass er seine Tätigkeit als Kostümbildner für die Beigeladene in der Zeit vom 12.03.2019 bis zum 21.08.2019 als selbstständige Tätigkeit ausgeübt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die angefochtenen Bescheide.
Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte und die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist zulässig. Statthafte Klageart ist vorliegend die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 4, § 56 Sozialgerichtsgesetz, SGG). Zu beachten ist dabei, dass es sich hier um die Sondersituation eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) handelt. Die Anfechtungsklage zielt auf die Aufhebung des Überprüfungsbescheids (Bescheid vom 08.01.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2021), die Verpflichtungsklage auf die Verpflichtung zur Aufhebung des Ausgangsbescheids (Bescheid vom 05.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2020) verbunden mit der Feststellung des Nichtbestehens der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung durch die Beklagte (vgl. zur statthaften Klageart LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. April 2023 – L 1 BA 103/19 –, Rn. 27, juris).
II. Die Klage ist auch begründet. Der Überprüfungsbescheid vom 08.01.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat Anspruch darauf, dass die Beklagte den ursprünglichen Statusfeststellungsbescheid vom 05.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2020 aufhebt und feststellt, dass er seine Tätigkeit als Kostümbildner für die Beigeladene in der Zeit vom 12.03.2019 bis zum 21.08.2019 als selbstständige Tätigkeit ausgeübt hat.
Dabei geht die Kammer davon aus, dass vorliegend § 44 Abs. 1 SGB X Anwendung findet (vgl. hierzu unter 1.). Entgegen der Auffassung der Beklagten war nicht von einer abhängigen Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV des Klägers bei der Beigeladenen auszugehen (vgl. hierzu unter 2.).
1.) Rechtsgrundlage für die Überprüfung der Zurücknahme des bestandskräftig gewordenen Statusfeststellungsbescheids ist vorliegend § 44 Abs. 1 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Satz 2 gibt vor, dass dies nicht gilt, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Im Übrigen ist nach § 44 Abs. 2 SGB X ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Satz 1). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 2).
Die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der die rückwirkende Aufhebung des Verwaltungsaktes – als gebundene Entscheidung – ermöglicht, ist hinsichtlich der Feststellungen nach § 7a SGB IV bislang höchstrichterlich nicht umfassend geklärt (die Anwendbarkeit des § 44 SGB X grundsätzlich verneinend vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 13. Januar 2021 – L 2 KR 202/16 –, Rn. 84 f., juris). Bei Bescheiden, mit denen das Nichtbestehen der Versicherungspflicht festgestellt wurde, wird überwiegend von der Anwendbarkeit des § 44 Abs. 2 SGB X ausgegangen. Insofern stellt sich in diesen Konstellationen die anschließende Frage, ob es sich bei der Feststellung des Nichtbestehens der Versicherungspflicht um einen begünstigenden oder nicht begünstigenden Verwaltungsakt handelt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 1999 – B 12 KR 12/99 R –, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2019 – L 10 BA 1824/18 –, Rn. 26 ff; offengelassen in: BSG, Urteil vom 8. Juli 2020 – B 12 R 1/19 R –, Rn. 16, juris; zuletzt aber von der Anwendbarkeit des § 44 Abs. 2 SGB X ausgehend: BSG, Urteil vom 29. März 2022 – B 12 R 2/20 R –,Rn. 14 juris).
Bezogen auf die Bescheide, mit denen – ausgehend von der Annahme einer abhängigen Beschäftigung – das Bestehen der Versicherungspflichten festgestellt wurde, stellt sich die Frage, ob das Tatbestandsmerkmal des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, ob „Beiträge zu Unrecht erhoben“ wurden, erfüllt ist. Gegen eine Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 SGB X wird insbesondere vorgebracht, dass mit der Feststellung des Status unmittelbar weder über die Nichterbringung von Sozialleistungen noch über die Erhebung von Beiträgen befunden wird (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. April 2023 – L 1 BA 103/19 –, Rn. 31, juris, m.w.N.). Nach Auffassung der Kammer ist aber dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich der Betroffene in dem Fall, in dem Versicherungspflichten im Statusfeststellungsverfahren bestandskräftig festgestellt wurden, gegen eine Beitragserhebung nicht mehr „zur Wehr setzen“ kann. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Bescheide, die auf der Grundlage des § 7a Abs. 1 SGB IV in der bis zum 31.03.2022 geltenden Fassung beruhen. In diesen Fällen wurde auch über die Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung entschieden, d.h. es erfolgte zugleich eine Entscheidung über das Vorliegen bzw. das Nichtvorliegen von Versicherungsfreiheitstatbeständen. Damit fehlt es letztlich nur noch an der konkreten Bezifferung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Einzugsstelle. Im Zusammenhang mit einem Bescheid über die Abgabepflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) hatte das BSG Folgendes entschieden: „Der Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst damit auch Beitrags- bzw Abgabebescheide sowie alle Verwaltungsakte, soweit die vollständige oder teilweise Erhebung eines Beitrags auf ihm beruht. Dafür ist die Feststellung der grundsätzlichen Beitrags- bzw Abgabepflicht in einem Erfassungsbescheid ausreichend (vgl auch BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 14 RdNr 12; BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 11 S 44), so dass der Anwendungsbereich von § 44 Abs 1 S 1 SGB X hier eröffnet ist“ (BSG, Urteil vom 28. März 2019 – B 3 KS 1/18 R –, Rn. 14, juris). Die Kammer geht davon aus, dass diese Rechtsprechung auch auf die vorliegende Konstellation zu übertragen ist, so dass § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X als Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Statusfeststellungsbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit einschlägig ist. Die zukünftige Beitragserhebung beruht auf dem Statusfeststellungsbescheid. Die Einzugsstelle ist an diese Feststellung gebunden (für die Anwendbarkeit vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Oktober 2017 – L 8 R 288/17 –, Rn. 133, juris, allerdings ohne weitere Begründung). Dabei kann hier offen bleiben, ob die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 SGB X auch für die Bescheide zu bejahen ist, mit denen auf der Grundlage des neuen § 7a Abs. 1 AGB IV das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung festgestellt wird. Dagegen könnte angeführt werden, dass mit der nunmehr zulässigen Elementenfeststellung noch nicht die Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung feststeht. Es bleibt dann noch zu prüfen, ob ggf. Versicherungsfreiheitstatbestände in den einzelnen Sozialversicherungszweigen greifen. Die Statusfeststellung erfolgte vorliegend noch nach Maßgabe des § 7a Abs. 1 SGB IV in der bis zum 31.03.2022 geltenden Fassung.
2.) Der Bescheid vom 05.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte ist zu Unrecht von einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen und hat entsprechend zu Unrecht die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt.
Die Rechtswidrigkeit nach § 44 SGB X beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage bei Erlass des Verwaltungsaktes, jedoch aus heutiger Sicht ("geläuterte Rechtsauffassung" (vgl. SG Hamburg, Urteil vom 10. Mai 2004 – S 16 RJ 112/03 –, Rn. 21, juris, m.w.N.). Entsprechend ist die Rechtmäßigkeit des zu überprüfenden Bescheids vom 05.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2020 an § 7a Abs. 1 SGB IV in der bis zum 31.03.2022 geltenden Fassung zu messen. Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV (a.F.) können die Beteiligten schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftig sind, unterliegen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V, § 20 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – SGB XI) und der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – SGB VI) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III) der Versicherungspflicht. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund seiner Tätigkeit als Kostümbildner für die beigeladene Produktionsfirma nicht abhängig beschäftigt.
Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl. zum Ganzen z.B. BSG Urteil vom 16. August 2017 – B 12 KR 14/16 R, Rn. 17 m.w.N. und BSG Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R, Rn. 21 m.w.N., BSG Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R, Rn. 13 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG <Kammer> Beschluss vom 20.Mai 1996 - 1 BvR 21/96; jeweils zit. Nach juris). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG Urteil vom 23.Mai 2017 – B 12 KR 9/16 R, juris, Rn. 24 m.w.N.).
Dabei ist bei der Statusbeurteilung regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der u.U. als Scheingeschäft i.S. des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf. den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 3/17 R, juris, Rn. 14 m.w.N.).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze war der Kläger nicht abhängig beschäftigt. Die Merkmale, die für ein Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV sprechen, überwiegen vorliegend nicht.
Dabei kann letztlich dahinstehen, ob die Tätigkeit des Klägers als „programmgestaltend“ anzusehen ist. Bezogen auf die Berufsgruppen rund um Film und Fernsehen hat das BVerfG klargestellt, dass sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ein Recht der Rundfunkanstalten ergibt, frei von fremder Einflussnahme über Auswahl, Einstellung und Beschäftigung solcher Rundfunkmitarbeiter zu bestimmen, die programmgestaltend tätig sind (BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1982 – 1 BvR 848/77 –, juris). Entsprechend wird in der sozialgerichtlichen und auch in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung in besonderer Weise auf die Art der ausgeübten Tätigkeit abgestellt und zwischen programmgestaltender Tätigkeit einerseits und rundfunk- bzw. fernsehtypischer Mitarbeit an Sendungen andererseits unterschieden (vgl. für viele Sächsisches LSG, Urteil vom 31. Juli 2015 – L 1 KR 73/10 –, Rn. 26 - 29, juris). Die neuere Rechtsprechung geht jedoch zunehmend davon aus, dass es unerheblich ist, ob eine Programmgestaltung vorliegt. So hat das LSG Berlin-Brandenburg zuletzt wie folgt ausgeführt: „Ob der Kläger programmgestaltend tätig war, ist unerheblich. Gesichtspunkte der Kunst- oder Rundfunkfreiheit gebieten in diesem Zusammenhang keinerlei Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen für die Statuseinstufung als Beschäftigter; weder die künstlerische Freiheit der Mitwirkenden noch ein möglicher Schutz bei der Herstellung von Kunstwerken, Rundfunksendungen oder Film(beiträg)en nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 3 Grundgesetz (Film- bzw. Kunstfreiheit) stehen dem entgegen (BSG, Beschluss vom 27. April 2016 – B 12 KR 16/14 R –; Senat, Urteil vom 7. Dezember 2016 – L 9 KR 434/14 –; jeweils juris). Eine Bewertung der künstlerischen Tätigkeit ist mit der Statuseinstufung nicht verbunden“ (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. November 2022 – L 4 BA 33/18 –, Rn. 86, juris). Ob eine programmgestaltende Tätigkeit gegeben ist, kann auch dann dahin stehen, wenn es sich bei der zu beurteilenden Tätigkeit bereits nach allgemeinen Grundsätzen um eine selbständige Tätigkeit und nicht um eine Beschäftigung handelt (Sächsisches LSG, Urteil vom 17. September 2015 – L 1 KR 10/11 –, juris). Dies ist nach Überzeugung der Kammer hier der Fall. Dennoch teilt die Kammer die Einschätzung der Beklagten, der technische Teil der Tätigkeit des Klägers überwiege, nicht. Dies wird nach Auffassung der Kammer der Tätigkeit des Klägers nicht gerecht. Insbesondere im Rahmen der mündlichen Verhandlung haben der Kläger und der Geschäftsführer der Beigeladenen glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass der künstlerische Anteil an der Arbeit des Kostümbildners sehr hoch ist. Der Kläger hat aufgezeigt, wie er die Vorgaben des Drehbuches umsetzt und wie er seine Ideen und Vorstellungen dabei einsetzt. Gerade die Art der eigenschöpferischen Tätigkeit und die Ideen des Klägers veranlassten die Beigeladene, den Kläger mit der Erstellung des Kostümbildes zu beauftragen.
Vorliegend haben der Kläger und die Beigeladene vertraglich vereinbart, dass der Kläger selbstständig tätig ist und insbesondere seinen Tätigkeitsort und die jeweilige Leistungszeit selbst bestimmt. Ausdrücklich wird der Vertrag als Werkvertrag bezeichnet. Dies wurde nach Überzeugung der Kammer auch so gelebt. Dabei hält die Kammer es für die Gesamtwürdigung entscheidend, dass die für die Erstellung eines Filmes erforderlichen Gewerke wie Szenenbild, Kostüme, Kamera, Schauspiel usw. durchaus abgrenzbar und einer eigenständigen Betrachtung zugänglich sind. In diesen Bereichen sind jeweils künstlerische und eigenschöpferische Leistungen zu erbringen, die von der Produktionsfirma, hier der Beigeladenen, zusammenzuführen sind (vgl. zur Tätigkeit des Szenenbildners, SG Lüneburg, Urteil vom 12. Dezember 2019 – S 29 BA 18/18 –, Rn. 37, juris). Die Erstellung des Kostümbildes erachtet die Kammer als eigenständige künstlerische Leistung, die als Werk im Sinne des Werkvertragsrechts einzuordnen ist. Dass dieses Werk nur in der Zusammenführung mit den anderen Gewerken ein Produkt ergibt, das einer wirtschaftlichen Verwertung zugänglich ist, steht der Wertung des Werkes „Kostümbild“ als eigenständige Leistung nach Auffassung der Kammer nicht entgegen. Dafür spricht auch, dass es in der Filmbranche gesonderte Preise für den Bereich Kostümbild gibt (z.B. den Oscar für das Kostümbild) und der Kläger als Kostümbildner – wie üblich – auch gesondert im Vorspann des hier streitgegenständlichen Films („L. …“) genannt wurde. Dieser Aspekt ist bei der Gesamtabwägung im Blick zu halten.
Für eine Selbstständigkeit des Klägers spricht – neben der vertraglichen Vereinbarung – zunächst, dass er vorliegend inhaltlich vollständig frei agieren konnte. Nach der glaubhaften Darstellung des Klägers liegt der Hauptanteil der künstlerischen Tätigkeit im Vorfeld der Dreharbeiten. Der Kläger erstellt den Entwurf des Kostümbildes in seinem häuslichen Atelier. Dabei nutzt er ausschließlich eigene Arbeitsmittel, wie u.a. einen PC. Die eigentliche Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma bzw. dem Regisseur beginnt dann ab den Zeitpunkt der Kostümprobe, also ein paar Tage vor Drehbeginn. Ab diesem Zeitpunkt bekam der Kläger auch ein Büro sowie eine Assistentin von der Beigeladenen gestellt. Der inhaltlichen künstlerischen Freiheit des Klägers steht nicht entgegen, dass die Beigeladene ein Vetorecht hat und ihr auch vertraglich das Letztentscheidungsrecht eingeräumt ist. Die Abnahme des Werkes ist ein üblicher Vorgang sowohl im künstlerischen Bereich als auch z.B. bei Handwerkern oder bei Architekten. Dass der Auftraggeber diesbezüglich ein Letztentscheidungsrecht hat, liegt in der Natur der Sache. Dies darf nicht mit einer Weisung verwechselt werden. Dem Kläger werden mit dem Auftrag keine konkreten Instruktionen erteilt. Seine Aufgabe liegt genau darin, das Kostümbild eigenständig zu erstellen. Ob dies dann – im Ergebnis – auch den Vorstellungen des Auftraggebers entspricht, ist ein Risiko, das der Kläger eingeht und dass er mit einkalkulieren muss. Denn die entsprechende Mehrarbeit durch die Änderungswünsche des Auftraggebers werden ihm nicht gesondert vergütet.
Soweit die Beklagte darauf verweist, es habe die vertragliche Verpflichtung bestanden, der Beigeladenen während und nach Absprache auch nach Ablauf der Vertragszeit zur Verfügung zu stehen und dass von einer Art Rufbereitschaft auszugehen sei, mag dies zwar im Ergebnis zutreffen. Dabei misst die Beklagte diesem Aspekt jedoch zu viel Gewicht bei. Denn nach der Darstellung des Klägers war seine Anwesenheit am Drehort nicht ständig erforderlich. Er war auch – anders als z.B. die Garderobieren – nicht zeitlich fest am Drehort eingeplant. Dies ergibt sich deutlich aus den vom Kläger eingereichten Tagesplanungen für den Film. Es oblag vielmehr dem Kläger, einzuschätzen, wann seine Anwesenheit vor Ort erforderlich war. Dass er erreichbar sein musste und bei Problemen am Set zu erscheinen hatte, spricht nicht gegen eine selbstständige Tätigkeit. Denn ersichtlich kann bei einem Gesamtwerk wie einem Film auf eine Zusammenarbeit mit allen Gewerken nicht verzichtet werden. Aus diesem Grund ist die Erreichbarkeit des Klägers auch entsprechend vertraglich vereinbart worden.
Eine Eingliederung in den Betrieb der Beigeladenen liegt nach Auffassung der Kammer nicht vor. Zwar ist es zutreffend, dass der Kläger eng mit den Mitarbeitern der Beigeladenen und mit anderen selbstständig Tätigen zusammenarbeiten musste. Er war auch dafür verantwortlich, dass seine Entwürfe entsprechend seinen Vorstellungen umgesetzt wurden. Dafür musste er in der Lage sein, z.B. den Garderobieren entsprechende Anweisungen zu geben. Aus der erforderlichen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern ergibt sich jedoch noch nicht zwangsläufig eine betriebliche Eingliederung, die zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung führt. Die betriebliche Eingliederung, die auch mit einer zeitlichen Festlegung (wie z.B. einem Dienstplan) einhergeht, ist zu unterscheiden von der vorliegenden Konstellation. Der Kläger entschied jeweils selbst, wann er am Drehort erscheinen musste und in welchem Umfang er einzugreifen hatte. Insoweit war seine Einbindung tatsächlich ein wenig mit der eines Architekten auf einer Baustelle zu vergleichen. Auch der Architekt muss immer wieder vor Ort erscheinen und sicherstellen, dass die am Bau tätigen Handwerker seine Vorgaben nach seinen Vorstellungen und denen seines Auftraggebers umsetzten. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Architekten zum Bauherrn wird in diesem Zusammenhang unstreitig nicht begründet.
Für eine selbstständige Tätigkeit spricht weiter die Art der Vergütung. Vereinbart wurde eine Pauschalvergütung für den gesamten Film. Angesichts des Todes der Hauptdarstellerin und der damit verbundenen Probleme für den Dreh, war vorliegend eine weitere Pauschale für den Nachdreh vereinbart worden. Davon abgesehen oblag es aber dem Kläger, wie viel Zeit er in das Entwerfen und Umsetzen des Kostümbildes steckte. Er war auch nicht verpflichtet, seine gesamte Arbeitskraft der Beigeladenen zur Verfügung zu stellen, sondern konnte – soweit dies zeitlich möglich war – sich parallel anderen Projekten widmen. In der Art der Vergütung und der Form der Arbeit liegt für den Kläger auch ein nicht unerhebliches Unternehmensrisiko, welches bereits mit der Entscheidung, ob er den Auftrag übernimmt, beginnt. Denn dafür hat der Kläger das gesamte Drehbuch zu lesen, was einige Zeit in Anspruch nimmt. Lehnt er den Auftrag ab, bekommt er diese Zeit auch nicht vergütet. Gleiches gilt, wenn Nacharbeiten anfallen, weil der Entwurf nicht den Vorstellungen der Produktionsfirma entspricht. Dass es vorliegend zu keinen Beanstandungen durch die Beigeladene gekommen ist, spricht nicht gegen ein Unternehmensrisiko. Denn ein Risiko besteht auch dann, wenn es sich in der Rückschau nicht realisiert hat. Der Kläger musste also im Rahmen seiner unternehmerischen Freiheit selbst kalkulieren, wie viel Zeit er auf das Projekt verwendet. Dabei spielen auch die Pressetermine etc. eine Rolle. Entgegen der Auffassung der Beklagten hatte der Kläger diese Termine nicht „unentgeltlich“ zu absolvieren. Sie sind vielmehr kalkulatorisch in die Pauschale eingeflossen. Der Umfang dieser Termine lässt sich im Vorfeld nicht absehen. Fallen mehr Termin als geplant an, geht dies zu Lasten des Klägers, weil die Termine nicht gesondert neben der Pauschale vergütet werden.
Richtig ist, dass der Kläger während des Drehs von der Beigeladenen ein Büro und eine Assistentin zur Verfügung gestellt bekam. Dies kann zwar als ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung gewertet werden, fällt aber vor dem Hintergrund der o.g. Indizien, die für eine Selbstständigkeit sprechen, nicht entscheidend ins Gewicht. Darüber hinaus erledigte der Kläger einen großen Teil seiner Arbeit – nämlich den Entwurf des Kostümbildes – in seinem häuslichen Atelier, für das er vollständig allein aufkommen musste.
Der Aspekt, dass der Kläger sich vertraglich verpflichtet hat, die Rechte an seinem Werk „Kostümbild“ an die Beigeladene abzutreten, spricht weder für noch gegen eine Selbstständigkeit. In der Regel sind abhängig Beschäftigte im Rahmen ihres Arbeitsvertrages verpflichtet, u.a. die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den Arbeitgeber abzutreten. Es ist jedoch gerade in Bereichen wie der Filmindustrie üblich, dass in dem Fall, in dem mehrere einzelne Gewerke zu einem Werk zusammengefügt werden, die entsprechenden Nutzungsrechte ebenfalls abgetreten werden. Vor diesem Hintergrund kann die Rechteabtretung nicht als entscheidendes Indiz für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung herangezogen werden.
Dass der Kläger die Leistung persönlich zu erbringen hatte und nur mit Zustimmung der Beigeladenen eigene Mitarbeiter einsetzen durfte, spricht ebenfalls nicht für eine abhängige Beschäftigung. Zum einen war der Einsatz eigener Mitarbeiter vertraglich prinzipiell möglich. Zum anderen hatte die Beigeladene den Kläger wegen dessen konkreter künstlerischer Fähigkeiten beauftragt. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass vertraglich vereinbart wurde, dass dann auch der Kläger die Leistung persönlich erbringt. Dass der Kläger verpflichtet war, z.B. krankheitsbedingte Abwesenheiten möglichst früh mitzuteilen, spricht auch nicht gegen eine Selbstständigkeit. Der Kläger war nicht verpflichtet, ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen. Die Mitteilung der Abwesenheit dürfte in einem Bereich, in dem mehrere Gewerke zusammenarbeiten müssen und es auf zeitliche Abstimmungen ankommt, eine Selbstverständlichkeit darstellen.
Die Wertung der Kammer, dass die Merkmale, die für das Vorliegen einer Selbstständigkeit sprechen, überwiegen, stimmt auch mit dem von den Spitzenverbänden der Versicherungsträger erarbeiteten Abgrenzungskatalog für im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätige Personen vom 05.07.2005 überein. Zwar entfaltet dieser Abgrenzungskatalog für das Gericht keine Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 12 R 13/10 R –, Rn. 20, juris). Jedoch heißt es in dem Abgrenzungskatalog in Ziff. 3.3.: „Darüber hinaus sind die folgenden Gruppen von freien Mitarbeitern selbständig tätig, wenn sie für Produktionen einzelvertraglich verpflichtet werden. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die freien Mitarbeiter wiederholt, d.h. für verschiedene oder ähnliche Produktionen im Jahr – jedoch nicht für Sendereihen, für die ständige Dienstbereitschaft erwartet wird - verpflichtet werden“. Neben den Architekten, Bühnenbildnern und Regisseuren ist dort ausdrücklich auch das Berufsbild des Kostümbildners genannt. Inwieweit die Tätigkeit des Klägers vorliegend von der anderer Kostümbildner abwich, so dass hier eine andere Statuseinstufung erforderlich war, erläutert die Beklagte nicht weiter.
Die Einschätzung der Kammer deckt sich auch mit der der Künstlersozialversicherung, die den Kläger als selbständigen Künstler nach § 1 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) eingestuft hat, mit der Folge, dass für diesen über das KSVG Versicherungspflicht in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung besteht. Auch für § 1 KSVG stellt sich die Frage, ob eine Selbstständigkeit oder eine abhängige Beschäftigung vorliegt. Diesbezüglich wird für die Abgrenzung auf § 7 Abs. 1 SGB IV zurückgegriffen (vgl. u.a. Nordhausen in: Finke/Brachmann/Nordhausen, 5. Aufl. 2019, KSVG § 1 Rn. 25). Zwar wird vertreten, dass ein Bescheid nach § 1 KSVG keine Bindungswirkung für das Statusfeststellungsverfahren entfalten kann, weil die Künstlersozialkasse weder Einzugsstelle noch ein anderer Versicherungsträger im Sinne von § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Juni 2021 – L 28 BA 110/18 –, Rn. 89, juris, unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 12 R 1/18 R – Rn. 14 ff., juris, welches aber den Fall betrifft, dass die selbstständige künstlerische Tätigkeit zwischenzeitlich aufgegeben wurde). Da das Gericht vorliegend jedoch die Einschätzung der Künstlersozialversicherung teilt, kommt es auf die Frage der Bindungswirkung hier nicht an.
3.) Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen ist festzustellen, dass der Kläger in der Zeit vom 12.03.2019 bis zum 21.08.2019 hinsichtlich seiner Tätigkeit als Kostümbildner für die Beigeladene selbstständig tätig war. Die Beklagte war deshalb zu verpflichten, den Bescheid vom 05.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2020 aufzuheben und – dann unter Zugrundelegung des § 7a Abs. 1 SGB IV in der ab dem 01.04.2022 geltenden Fassung – die Selbstständigkeit des Klägers hinsichtlich der streitgegenständlichen Tätigkeit festzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 SGG.