Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 03.03.2022 wird zurückgewiesen.
Kosten des Klägers werden auch im Berufungsverfahren nicht erstattet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.2021.
Der Kläger bezog bis zum 28.02.2021 laufend aufstockende Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II unter Anrechnung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit.
Die Bewilligung der Grundsicherungsleistungen erfolgte zumindest ab dem 01.08.2017 vorläufig.
Mit Bescheid vom 15.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2019 setzte der Beklagte die Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 01.08.2017 bis 31.01.2018 auf 0,00 € gemäß § 41a Abs. 3 SGB II fest. Die Klage des Klägers blieb erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 28.10.2020 – S 4 AS 720/19; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 01.10.2021 - L 21 AS 509/21).
Mit Bescheid vom 13.06.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2019 setzte der Beklagte die Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.02.2018 bis 31.07.2018 auf 0,00 € gemäß § 41a Abs. 3 SGB II fest. Die Klage blieb erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 28.10.2020 – S 4 AS 149/19; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 01.10.2021 - L 21 AS 506/21).
Mit Bescheid vom 06.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2020 setzte der Beklagte die Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.08.2018 bis 28.02.2019 auf 0,00 € gemäß § 41a Abs. 3 SGB II fest. Die Klage des Klägers blieb erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 28.10.2020 – S 4 AS 151/19; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 01.10.2021 - L 21 AS 507/21).
Mit Bescheid vom 06.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2020 setzte der Beklagte die Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 01.03.2019 bis 31.08.2019 auf 0,00 € gemäß § 41a Abs. 3 SGB II fest. Die Klage des Klägers blieb erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 28.10.2020 - S 4 AS 122/19, Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 01.10.2021 - L 21 AS 510/21).
Mit Bescheid vom 14.05.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2020 setzte der Beklagte die Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.09.2019 bis 29.02.2020 auf 0,00 € gemäß § 41a Abs. 3 SGB II fest. Die Klage des Klägers blieb erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 30.10.2020 – S 4 AS 1103/19; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 01.10.2021 - L 21 AS 511/21).
Mit Bescheid vom 08.07.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2020 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.03.2020 bis 31.08.2020 ab. Hiergegen erhob der Kläger Klage (Sozialgericht Aachen - S 9 AS 684/20). Der Kläger hatte in einer im Juli 2020 erstellten EKS angegeben, dass er voraussichtlich in der Zeit von März 2020 bis August 2020 monatlich einen Verlust i.H.v. 164,61 € erzielen werde.
Mit Bescheid vom 07.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2020 bewilligte der Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.09.2020 bis 28.02.2021 vorläufig i.H.v. 660,97 € monatlich unter Anrechnung eines Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit i.H.v. 80,97 €. Hiergegen erhob der Kläger Klage (Sozialgericht Aachen - S 9 AS 717/20). Der Kläger hatte angegeben, dass er voraussichtlich in der Zeit von September 2020 bis Februar 2021 monatlich einen Verlust i.H.v. 551,49 € erzielen werde.
Im Februar 2021 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 01.03.2021. Er gab an, dass er seit dem 01.04.2014 als Einzelunternehmer unter der Anschrift J.-Straße 17, F. tätig sei. Einer Einkommensschätzung sei schwer möglich. Er schätze seine monatlichen Betriebseinnahmen für die Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.2021 auf 1.616,82 € sowie seine durchschnittlichen monatlichen Betriebsausgaben auf 2.109,13 €. Die Einkommenssteuerbescheide für 2018 bis laufend könne er nicht zusenden, da sein Steuerberater wegen ausstehender Vergütungen die Bilanz noch nicht erstellt habe.
Der Kläger reichte eine EKS für die Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.2021 ein, die einen monatlichen Verlust i.H.v. 492,31 € auswies. Er legte einen Mietvertrag über eine Wohnung im J.-Straße 17a, F. vor, wonach sich die Bruttowarmmiete auf 300,00 € monatlich beläuft. Die Warmwassererzeugung erfolgt dezentral. Laut Wasser- und Abwasserabrechnung vom 21.04.2021 war ab dem 01.05.2021 eine Abschlagszahlung für Wasser und Abwasser i.H.v. 5,00 € monatlich zu zahlen und forderte der Vermieter eine Nachzahlung für die Zeit vom 01.03.2014 bis 20.04.2021 i.H.v. insgesamt 194,67 €.
Nach Auswertung der Angaben des Klägers und der vorgelegten Belege berücksichtigte der Beklagte von den geltend gemachten Betriebsausgaben i.H.v. 2.109,13 € einen Betrag i.H.v. 446,52 €. Er berücksichtigte die vom Kläger geltend gemachten Kosten für Büromaterial und Telefonkosten teilweise. Wegen fehlender Nachvollziehbarkeit bzw. Notwendigkeit berücksichtigte der Beklagte die angesetzten Kosten für den Steuerberater, Nebenkosten des Geldverkehrs, Kosten für einen Büroservice, Kosten für einen sonstigen Betriebsbedarf, Zinsen, Kosten für die Anmietung einer zweiten Lagerhalle sowie Kosten des Wareneinkauf bei der Firma X., Luxembourg nicht als Betriebsausgaben.
Mit Bescheid vom 16.04.2021 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Nach den vom Kläger nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sei dieser nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II. Das monatliche Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit werde nach Prüfung der Prognose des Klägers vorläufig auf 1.170,30 € geschätzt. Der Beklagte ging von einem Bedarf i.H.v. insgesamt 756,26 € (446,00 € Regelbedarf + 10,26 € Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II + 300,00 € Kosten für Unterkunft und Heizung) aus. Auf diesen Bedarf rechnete er ein Einkommen i.H.v. 873,27 € (1.170,30 € - 297,03 €) an.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er war der Auffassung, dass nach dem Gleichheitsgrundsatz alle Aufwendungen eines Betriebes, die in der Vergangenheit betriebsnotwendig waren bzw. voraussichtlich auch in Zukunft entstehen werden, die zur Existenzsicherung und zur Gewinnmaximierung notwendig seien, welche vom Finanzamt anerkannt worden seien und Zukunft auch anerkannt würden, gleichermaßen beim Jobcenter absetzbar bzw. anrechenbar seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2021 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das anzurechnende Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit übersteige den Bedarf i.H.v. 756,26 € bzw. 761,26 €. Er schätze das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit auf monatlich 1.170,30 € (1.616,82 € Einnahmen - 446,52 € Ausgaben). Nach Abzug der Absetzbeträge nach § 11b SGB II ergebe sich ein anrechenbares Einkommen i.H.v. 873,27 €. Die Einnahmeprognose des Klägers habe zum Teil nicht nachvollzogen werden können bzw. sei teilweise unschlüssig. Es erschließe sich nicht, wie sich die Angaben sachlich begründen ließen. Offensichtlich seien Ansätze gewählt worden, die unrealistisch seien. Es seien z.B. Buchungen sozusagen mit sich selbst als Kosten des Wareneinkaufs (selbst) gebucht für Warenlieferungen einer Firma, die gar nicht existiere. Es würden Kosten für zwei Lagerhallen geltend gemacht, ohne entsprechende Mietverträge vorzulegen und ohne darzulegen, weshalb zur Betreibung des Geschäfts zwei Lagerhallen betrieben werden müssten, wobei zunächst im Rahmen der vorläufigen Beurteilung die geltend gemachten Kosten einer Lagerhalle berücksichtigt worden seien. Die weitergehende Prüfung und Beurteilung der Anerkennungsfähigkeit werde im Rahmen einer ggf. vorzunehmenden endgültigen Festsetzung erfolgen.
Am 14.05.2021 hat der Kläger Klage erhoben.
Er ist der Auffassung gewesen, dass der Ablehnungsbescheid des Beklagten rechtswidrig sei und gegen seine Grundrechte verstoße. Er begehre im Rahmen seines berechtigten Weiterbewilligungsantrags zur Gewährung von vorläufigen Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts die Ablehnung für die Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.2021 rückabzuwickeln und die Leistungen umgehend nachzuzahlen.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 16.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.05.2021 zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für den Zeitraum vom 01.03.2021 bis 31.08.2021 ohne Anrechnung von Einkommen aus seiner selbstständigen Tätigkeit zu gewähren.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 18.05.2021 hat Sozialgericht den Kläger um Darlegung gebeten, wie er ein Gewerbe finanziert, welches nach eigenen Angaben monatlich ca. 500,00 € Verlust mache. Eine Reaktion des Klägers hierauf ist nicht erfolgt.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 23.09.2021 hat das Sozialgericht gemäß § 106a SGG den Kläger unter Fristsetzung bis zum 31.10.2021 aufgefordert, Tatsachen anzugeben bzw. Beweismittel zu bezeichnen bezüglich der Frage, wie er seit März 2021 seinen Lebensunterhalt bestreitet und ein Gewerbe betreibt, welches nach eigenen Angaben im Monat ca. 500,00 € Verlust mache.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Aachen mit Gerichtsbescheid vom 03.03.2022 die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass es an der gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II für den Leistungsbezug erforderlichen Hilfebedürftigkeit i.S.d. § 9 Abs. 1 SGB II fehle. Für das Gericht sei nach Ausschöpfung der Amtsermittlung nicht ersichtlich, ob dem Kläger ausreichend Einkommen oder Vermögen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung stehe, da es ihm entsprechend seiner eigenen Angaben möglich sei, sein Gewerbe trotz Verlusten in Höhe von 492,31 € monatlich zu führen. Die Prognose des Klägers, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum ein Verlusteinkommen erziele, werfe die Frage auf, wie es dem Kläger gelungen sei, ein Verlustgeschäft über die streitgegenständlichen Monate hinweg in Betrieb zu halten, zumal er Leistungen nach dem SGB II bis zum 28.02.2021 bezogen habe. Das Gericht sei auf substantiierten Tatsachenvortrag und Benennung von Beweismitteln seitens des Klägers angewiesen gewesen, um insbesondere ermitteln zu können, ob Einkommen oder Vermögen zur Deckung des Verlustes vorhanden gewesen sei oder der Verlust im Ergebnis einen Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II begründet habe, da bei der Berechnung dann kein Einkommen zu berücksichtigen gewesen wäre. Aufgrund der ausgebliebenen Reaktion des Klägers auf die gerichtlichen Anfragen vom 18.05.2021 und 23.09.2021 – die nach Auffassung des Gerichts zumutbar und verhältnismäßig mit Blick auf die erfragten Informationen waren – sei es dem Gericht nicht möglich gewesen, den Sachverhalt hinsichtlich der Einkommens- bzw. Vermögenssituation und somit der Hilfebedürftigkeit weiter zu ermitteln.
Entsprechend sei das Gericht gehalten, eine Entscheidung unter Berücksichtigung der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu treffen. Den Kläger treffe insofern die objektive Beweislast hinsichtlich der positiven Tatbestandsvoraussetzung der Hilfebedürftigkeit gem. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II.
Gegen den ihm am 05.03.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28.03.2022 Berufung eingelegt.
Er verfolgt sein Begehren weiter.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 03.03.2022 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2021 zu verurteilen, ihm Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den Zeitraum März bis einschließlich August 2021 ohne Anrechnung von Einkommen aus seiner selbstständigen Tätigkeit zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Der Kläger habe lediglich am 07.04.2021 eine Anlage EKS für den Zeitraum vom 01.03.2021 bis 31.08.2021 eingereicht. Eine abschließende Auswertung der Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit für den Zeitraum vom 01.03.2021 bis 31.08.2021 sei vom Kläger nicht beantragt worden. Es seien auch keine weiteren Unterlagen eingereicht worden. Ein Antrag für die Zeit nach dem 31.08.2021 sei nicht gestellt worden.
Mit Verfügung vom 05.05.2022 hat der Senat den Kläger unter Fristsetzung bis zum 20.06.2022 nach § 106a SGG aufgefordert:
- mitzuteilen
- welche Einnahmen er in der Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.2021, aufgeschlüsselt nach Monaten, aus seinem Gewerbe erzielt hat und den Zufluss der Einnahmen durch Unterlagen zu belegen
- ob und gfls. welche Betriebsausgaben in der Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.2021, aufgeschlüsselt nach Monaten, angefallen sind und den Anfall der Kosten durch Unterlagen zu belegen
- ob er sonstige Einnahmen, die nicht aus dem Gewerbe stammen, in der Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.2021 erzielt hat und gfls. dies durch Unterlagen zu belegen
- ob er in der Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.2021 krankenversichert war, gfls. wie hoch die Krankenversicherungsbeiträge waren
- vorzulegen: Kontoauszüge sämtlicher Konten für die Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.202, eine ordnungsgemäß ausgefüllte EKS für die Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.2021
Der Kläger hat auf diese Aufforderung, die ihm am 18.05.2022 laut Postzustellungsurkunde zugestellt wurde, nicht reagiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten sowie der beigezogenen Akten des Sozialgerichts Aachen S 4 AS 149/19, S 4 AS 151/19, S 4 AS 720/19, S 4 AS 722/19, S 4 AS 1103/19, S 9 AS 684/20 und S 9 AS 717/20 Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat in Abwesenheit des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden. Auf diese, sich aus dem Regelungsgehalt der §§ 110 Abs. 1 S. 2, 111 Abs. 1, 124 Abs. 2, 126, 153 Abs. 1 SGG ergebende Möglichkeit ist der Kläger mit der ordnungsgemäß zugestellten Ladung hingewiesen worden.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 16.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2021, mit dem der Beklagte die Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 01.03.2021 abgelehnt hat. Es handelt sich nicht – wovon der Beklagte anscheinend ausgeht – um eine vorläufige Ablehnung, sondern um eine endgültige Ablehnung (siehe zur Unzulässigkeit einer vorläufigen Ablehnung: Kemper in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 41a Rn. 10 m.w.N.; Grote-Seifert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 41a (Stand: 05.04.2022), Rn. 35; Hengelhaupt in: Hauck/Noftz SGB II, Stand Juni 2022, § 41a, Rn. 203; vgl. auch BSG, Urteil vom 02.05.2021 – B 11 AL 23/10). Der Kläger hat sein Begehren zeitlich auf den Zeitraum vom 01.03.2021 bis 31.08.2021 beschränkt, so dass der Zeitraum vom 01.03.2021 bis 31.08.2021 streitbefangen ist. (vgl. zur Zulässigkeit einer zeitlichen Beschränkung des Streitgegenstandes: BSG, Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 52/09 R).
Das Sozialgericht hat zutreffend die Klage abgewiesen.
Der Kläger ist nicht beschwert i.S.v. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen für den streitbefangen Zeitraum gegenüber dem Beklagten zu.
Der Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.2021 Grundsicherungsleistungen zu gewähren.
Zwar hat der Kläger im streitbefangenen Zeitraum die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 2 und 4 SGB II dem Grunde nach insofern erfüllt, als er in diesem Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik gehabt hat und erwerbsfähig i.S.v. § 8 SGB II gewesen ist. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nicht in der Lage gewesen ist, eine Erwerbstätigkeit mit einer Dauer von mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu verrichten.
Zur Überzeugung des Senats ist jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum hilfebedürftig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II (i.d. F. des Gesetzes vom 09.1.2.2020, BGBl I 2855) gewesen ist. Nach §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
- Den sich aus den Vorschriften des SGB II ergebenden Bedarf des Klägers schätzt der Senat auf folgende monatliche Beträge:
- vom 01.02.2021 bis 30.04.2021 956,40 € (446,00 € + 10,26 € + 300,00 € + 200,14 €)
- vom 01.05.2021 bis 31.05.2021 1085,40 € (446,00 € + 10,26 € + 429,00 € + 200,14 €)
- vom 01.06.2021 bis 31.08.2021 961,40 € (446,00 € + 10,26 € + 305,00 € + 200,14 €)
Der Bedarf setzt sich aus dem Regelbedarf für Alleinstehende nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II (i.d.F. Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie weiterer Gesetze vom 09.12.2020, BGBl. I 2855), dem Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II, den Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sowie den Mindestbeiträgen von Selbständigen zur freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach § 26 SGB II zusammen. Der Senat berücksichtigt den Mindestbeitrag zur freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, da der Kläger je nach Höhe des anzurechnenden Einkommens allein durch diese Beiträge hilfebedürftig werden könnte (§ 26 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 sowie Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 26.07.2016, BGBl. I 1824). Da der Kläger auch nach Aufforderung des Senats nach § 106 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht mitgeteilt hat, ob er in der Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.2021 krankenversichert war, gfls. wie hoch die Krankenversicherungsbeiträge waren, legt der Senat seiner Schätzung des Bedarfs des Klägers den Mindestbeitrag von Selbständigen zur freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung im Jahr 2021 - basierend auf den Beitragssatz der Techniker Krankenkasse und der Mindestbemessungsgrundlage 166,69 € Krankenkassenbeitrag und 33,45 € Pflegekassenbeitrag - zu Grunde (zur Zulässigkeit der Schätzung im sozialgerichtlichen Verfahren: BSG, Urteil vom 15.06.2016 – B 4 AS 41/15 R m.w.N.).
- Nach den Gesamtumständen sieht es der Senat nicht als erwiesen an, dass der Kläger die dargestellten Bedarfe in dem streitbefangenen Zeitraum nicht durch Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II decken konnte. Grundsätzlich ist für den Nachweis einer Tatsache – vorliegend der Hilfebedürftigkeit – der sog. Vollbeweis erforderlich. Hierfür muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsachen verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen (BSG, Urteile vom 27.06.2006 – B 2 U 20/04 R und vom 17.04.2013 – B 9 V 1/12 R). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Tatsache in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B; BSG, Urteil vom 05.05.2009 – B 13 R 55/08 R). Gewisse Zweifel sind unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (BSG, Urteil vom 31.01.2012 – B 2 U 2/11 R).
Nach eigenen Angaben übt der Kläger eine selbständige Tätigkeit aus. Auf den Hilfebedarf des Klägers ist dessen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit nach §§ 9 Abs. 1, 11 SGB II anzurechnen. Maßgebend für die Bestimmung des bei selbständiger Tätigkeit zu berücksichtigenden Einkommens sind neben den Regeln der §§ 11, 11a, 11b SGB II (i.d.F. vom 01.08.2016, BGBl I 1824) die Vorgaben von § 3 Alg II-V (i.d.F. der Zehnten Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 16.03.2021, BGBl I 358, in Kraft ab dem 01.02.2021). Hiernach ist bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit von den Betriebseinnahmen auszugehen, welche alle aus selbständiger Arbeit erzielten Einnahmen sind, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen (§ 3 Abs. 1 S. 1 und 2 Alg II-V). Hiervon sind die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen (§ 3 Abs. 2 Alg II-V).
Die Feststellung der Höhe der im streitbefangenen Zeitraum zugeflossenen Betriebseinnahmen ist nicht möglich. Der Kläger hat weder im erstinstanzlichen Verfahren noch gegenüber dem Senat – auch nach dessen Aufklärungsverfügung nach § 106 Abs. 3 Nr. 3 SGG mit Fristsetzung nach § 106a SGG - Angaben gemacht, ob und gfls. in welcher Höhe ihm in der Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.2021 Einnahmen, aufgeschlüsselt nach Monaten, aus seinem Gewerbe zugeflossen sind. In Hinblick auf diese fehlenden Angaben zu den Betriebseinnahmen ist eine Ermittlung des anrechenbaren Einkommens entsprechend den Vorgaben des § 3 AlgII-V nicht möglich. Denn dem Senat stehen keine weiteren Aufklärungsmöglichkeiten zur Verfügung. Allein der Kläger ist in der Lage, die Höhe der zugeflossenen Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit anzugeben und zu belegen, da er nach eigenen Angaben Einzelunternehmer ist und kein Dritter an seiner Buchhaltung beteiligt ist. Es sind keine Hinderungsgründe vorgetragen bzw. ersichtlich, die der Angabe der tatsächlichen Betriebseinnahmen in der Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.2021 entgegenstehen.
Auch sind keine Grundlagen für eine realistische Schätzung der Betriebseinnahmen und -ausgaben im streitbefangenen Zeitraum vorhanden. Die Angaben des Klägers in der von ihm vorgelegten EKS betreffend den voraussichtlichen Betriebseinnahmen und - ausgaben im streitbefangenen Zeitraum bilden keine geeignete Anknüpfungstatsachen, um sein anrechenbares Einkommen zu schätzen. Zu einem hat der Kläger weder im außergerichtlichen Verfahren noch im gerichtlichen Verfahren sich ansatzweise mit den Einwänden des Beklagten gegen die von ihm angesetzten Betriebsausgaben für den Steuerberater, den Geldverkehr, einen Büroservice, einen sonstigen Betriebsbedarf, die Anmietung einer zweiten Lagerhalle, den Wareneinkauf bei der Firma X., Luxembourg auseinandergesetzt bzw. nachvollziehbar die Notwendigkeit dieser Betriebsausgaben dargelegt bzw. belegt. Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass alle von ihm geltend gemachten, von der Finanzbehörde in der Vergangenheit berücksichtigten Betriebsausgaben vom Beklagten anzusetzen seien, sieht § 3 Abs. 2 S. 1 Alg II-V ausdrücklich eine Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften vor. Notwendig im Sinne des Grundsicherungsrechts sind Ausgaben nur, soweit sie im Rahmen einer vernünftigen Wirtschaftsführung anfallen, das heißt nicht außer Verhältnis zu den Einnahmen stehen (BSG, Urteil vom 15.06.2016 – B 4 AS 41/15 R m.w.N.).
Zum anderen bestehen erhebliche Zweifel an den Angaben des Klägers zur Höhe der voraussichtlichen Betriebseinnahmen bzw. sonstigen Einkommen. Denn das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass aus den Angaben des Klägers nicht nachvollziehbar ist, wie er ein Gewerbe mit einem voraussichtlichen monatlichen Verlust von 500,00 € betreiben kann, zumal der Kläger schon in den vorausgegangenen Bewilligungszeiträumen angegeben hat, dass er mit seinem Gewerbe durchgehend Verluste erwirtschaftet. Der Senat kann auch keine abschließenden Erklärungen des Klägers zu den Betriebseinahmen und -ausgaben aus vorausgegangenen Bewilligungszeiträumen zur Schätzung des Einkommens heranziehen, da der Kläger solche Erklärungen zumindest für den Zeitraum ab dem 01.08.2017 nicht abgegeben hat. Des Weiteren ergeben sich erhebliche Zweifel an den Angaben des Klägers über sein Einkommen aus den vorlegten Kontenauszügen für den Zeitraum Dezember 2020 bis Februar 2021. Die Kontoauszüge weisen bis auf einen geringen Spielgewinn nur Gutschriften von Leistungen des Beklagten auf, Barabhebungen von dem Konto erfolgten nicht, vielmehr wurden die Leistungen des Beklagten fast vollständig auf ein Konto der Firma Q98 S. A. überwiesen. Abbuchungen für die Miete, Lebensmitteleinkäufe, Abschlagszahlungen für Strom oder Zahlungen für Benzin sind von dem Konto nicht erfolgt. Insoweit ist offen, aus welchen Mitteln der Kläger seinen Lebensunterhalt bestritten hat.
Der Kläger trägt die objektive Beweislast für die Feststellung seiner Hilfebedürftigkeit (BSG, Urteile vom 15.06.2016 – B 4 AS 41/15 R, vom 18.02.2010 – B 14 AS 32/08 R und vom 19.02.2009 – B 4 AS 10/08 R; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010 – 1 BvR 20/10). Denn die Unerweislichkeit einer Tatsache – vorliegend der Hilfebedürftigkeit – geht zu Lasten desjenigen Beteiligten, der aus ihr eine günstige Rechtsfolge herleitet (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.2006 – B 11a AL 7/05 R). Auch derjenige, der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II beantragt, trägt die Folgen der objektiven Beweislosigkeit, wenn sich nach Ausschöpfung der verfügbaren Beweismittel die Leistungsvoraussetzungen nicht feststellen lassen. Weigert sich der Antragsteller im Rahmen der ihn treffenden Obliegenheit, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, geht dieses materiell-rechtlich zu seinen Lasten, wenn das Vorliegen seiner Bedürftigkeit und damit seine Leistungsberechtigung nicht festgestellt werden kann (BSG, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 10/08 R). Ist nicht feststellbar, dass der Bedarf nicht durch den Zufluss von Einkommen gedeckt ist, kann ein Kläger plausibel weder darlegen noch belegen, wie er seinen Bedarf gedeckt haben will, sind seine Angaben zu Einkommen oder Vermögen unvollständig geblieben und hat er an der Sachverhaltsaufklärung nicht in der erforderlichen Weise mitgewirkt, sind Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II mangels nachgewiesener Hilfebedürftigkeit nicht zu bewilligen (Urteil des Senats vom 30.08.2018 – L 19 AS 2436/16 und 14.09.2012 – L 19 AS 937/12).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zulassen, besteht nicht.