1. Ob ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II wegen Krankenhausunterbringung besteht oder dieser aufgrund der Rückausnahme nach § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II deshalb nicht eingreift, weil die Unterbringung eine Krankenhausversorgung von voraussichtlich weniger als sechs Monaten Dauer betrifft, beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen bei der Aufnahme in die Klinik (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 2015 – B 14 AS 6/15 R, BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 – B 14 AS 66/13 R).
2. Eine Überprüfung der im Rahmen einer Bewilligungsentscheidung getroffenen Prognose über die Dauer der stationären Unterbringung in einem Krankenhaus sieht § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II während eines laufenden Bewilligungszeitraums nicht vor.
3. Eine neue Prognoseentscheidung nach § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II unter Berücksichtigung der aktuellen Umstände ist dann nicht ausgeschlossen, wenn der Träger der Leistungen nach dem SGB II bei andauernder stationärer Unterbringung in einem Krankenhaus über die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II für einen neuen (weiteren) Bewilligungszeitraum zu entscheiden hat. Ein genereller bewilligungsabschnittsübergreifender Ausschluss einer neuen Prognoseentscheidung lässt sich weder dem Wortlaut des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II entnehmen, noch mit dem Zweck der Vorschrift begründen.
4. In die nach § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II zu treffende Prognoseentscheidung ist auch einzubeziehen, ob ein Wechsel vom Leistungssystem des SGB II in das des SGB XII wegen einer sich an den Krankenhausaufenthalt anschließenden unbefristeten stationären Unterbringung im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II bereits konkret absehbar ist.
In Abänderung des Überprüfungsbescheides vom 11. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2019 wird der Beklagte verpflichtet, den Aufhebungsbescheid vom 14. November 2018 für den Monat Dezember 2018 vollständig zurückzunehmen.
Der Beigeladene zu 1 wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Februar 2019 verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis 3. Juli 2019 Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers hat der Beklagte zu 15 vom Hundert und der Beigeladene zu 1 zu 85 vom Hundert zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Berufung zum Thüringer Landessozialgericht wird zugelassen.
Tatbestand
In Streit steht – im sog. Zugunstenverfahren – die Aufhebung bewilligter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Monat Dezember 2018 sowie die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis 3. Juli 2019.
Der 1981 geborene Kläger war ab dem Kalenderjahr 2012 ohne festen Wohnsitz. Er hielt sich regelmäßig im Raum A – im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen zu 2 – auf und war zuletzt (bis 31. März 2014) unter der Adresse des dortigen Obdachlosenheimes im M in A beim Einwohnermeldeamt gemeldet.
Am 14. Februar 2014 wurde der Kläger inhaftiert. Die Entlassung erfolgte nach dem Ende der richterlich angeordneten Freiheitsstrafe aus der Justizvollzugsanstalt T einkommens- und vermögenslos am 19. Juli 2018 unmittelbar in das A Fachklinikum für Psychiatrie und Neurologie in S – welches sich im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und des Beigeladenen zu 1 befindet – zur stationären Behandlung der gesundheitlichen Folgen einer Alkoholabhängigkeit sowie einer psychischen Erkrankung (hebephrene Schizophrenie).
Am 3. Juli 2018 beantragte der für den Kläger bestellte Betreuer beim beklagten Jobcenter für den Kläger die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Datierend auf den 20. August 2018 bescheinigte das A Fachklinikum S mittels einer Verwaltungsbescheinigung, dass die am 19. Juli 2018 begonnene stationäre Behandlung des Klägers voraussichtlich weitere vier bis sechs Wochen andauern werde.
Mit Bescheid vom 24. August 2018 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs in Höhe von 180,27 Euro für Juli 2018 und in Höhe von 416 Euro monatlich für die Zeit vom 1. August 2018 bis 31. Dezember 2018.
Am 7. November 2018 teilte der Betreuer des Klägers dem Beklagten mit, der Kläger verbleibe stationär im A Fachklinikum S bis ein Wohnheimplatz in einer stationären Einrichtung für ihn zur Verfügung stünde. Am 11. November 2018 beantragte er zudem die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab Januar 2019. Die Behandlung des Klägers im A Fachklinikum S dauerte zu dieser Zeit an. Sie war lediglich unterbrochen durch einen stationären Aufenthalt vom 28. August 2018 bis 5. September 2018 zur Behandlung einer Oberschenkelhalsfraktur im Klinikum E.
Mit Bescheid vom 14. November 2018 hob der Beklagte die mit Bescheid vom 24. August 2018 für den Monat Dezember 2018 bewilligten Leistungen auf. Mit einem weiteren Bescheid vom 14. November 2018 lehnte er die Fortzahlung der Leistungen für die Zeit ab Januar 2019 ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger sei vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II ausgeschlossen. Es sei davon auszugehen, dass die stationäre Unterbringung des Klägers auf Dauer angelegt sei, da ein Umzug in ein Wohnheim bevorstehe.
Im Rahmen der Bearbeitung des gegen diese Bescheide eingelegten Widerspruchs wurde eine aktuelle Einschätzung beim A Fachklinikum S angefordert. Mit dieser wurde bescheinigt, dass die stationäre Behandlung voraussichtlich bis Februar 2019 andauern werde (Verwaltungsbescheinigung vom 10. Dezember 2018).
Mit bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2019 wies der Beklagte die gegen die Bescheide vom 14. November 2018 eingelegten Widersprüche als unbegründet zurück.
Den daraufhin beim Beigeladenen zu 1 gestellten Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII lehnte dieser mit Bescheid vom 25. Februar 2019 mit der Begründung ab, der Kläger sei gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II leistungsberechtigt nach dem SGB II. Der in § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II vorgesehene Leistungsausschluss greife nicht ein, weil die Voraussetzungen der Rückausnahme des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II erfüllt seien. Ob eine stationäre Maßnahme weniger als 6 Monate andauere beurteile sich ausschließlich nach den Umständen bei Aufnahme in die Klinik. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Das Widerspruchsverfahren wurde im Hinblick auf eine avisierte Überprüfung der Bescheide des Beklagten Jobcenters ruhend gestellt.
Unter Verweis auf die ablehnende Entscheidung des Beigeladenen zu 1 beantragte der Kläger am 4. März 2019 die Überprüfung der bestandskräftig gewordenen Bescheide des Beklagten vom 14. November 2018 und bat um Wiederaufnahme der laufenden Zahlungen.
Mit Bescheid vom 11. März 2019 lehnte der Beklagte die Rücknahme und Abänderung der Bescheide vom 14. November 2018 ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 3. April 2019). Der Kläger sei für die Zeit ab Dezember 2018 nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Er habe sich seit 19. Juli 2018 in einer stationären Einrichtung befunden. Bereits im Dezember 2018 sei bekannt gewesen, dass der Aufenthalt bis Februar 2019 andauern und somit die voraussichtliche Dauer von 6 Monaten übersteigen werde. Zudem warte der Kläger auf einen Wohnheimplatz, so dass davon ausgegangen werden könne, dass sich eine stationäre Unterbringung an den Klinikaufenthalt anschließen werde.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Kläger mit seiner am 9. Mai 2019 bei Gericht eingegangenen Klage.
Am 4. Juli 2019 wurde der Kläger aus dem A Fachklinikum S in das sozialtherapeutische Wohnheim T in E / OT T, L-Platz, eine stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe, entlassen. Mit Bescheid vom 13. August 2019 bewilligte der Beigeladene zu 2 dem Kläger Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt und Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der ungedeckten Heimkosten nach den Vorschriften des SGB XII beginnend ab 4. Juli 2019.
Der Kläger trägt vor, der Beklagte habe bei Erlass der Bescheide vom 14. November 2018 das Recht unrichtig angewandt. Der vom Beklagten ab 1. Dezember 2018 angenommene Ausschluss von den Leistungen nach dem SGB II greife nicht. Ob der Leistungsausschluss eingreife beurteile sich nach der Rechtsprechung des BSG nach den Umständen bei Aufnahme in eine stationäre Einrichtung, nicht nach den Umständen zum Zeitpunkt einer möglicherweise späteren Beantragung von Leistungen nach dem SGB II. Im Zeitpunkt der Aufnahme im A Fachklinikum S am 19. Juli 2018 habe die Klinik einen stationären Aufenthalt von weniger als 6 Monaten avisiert. Dies sei durch die Bescheinigung vom 20. August 2018, wonach eine weitere Behandlungsdauer von vier bis sechs Wochen erforderlich sei, hinreichend belegt.
Sofern der Leistungsausschluss dem entgegen greife, sei der Beigeladene zu 1 verpflichtet, Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des SGB XII zu erbringen.
Der Kläger beantragt zuletzt,
den Bescheid vom 11. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2019 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Aufhebungsbescheid vom 14. November 2018 für den Monat Dezember 2018 zurückzunehmen, sowie
den Beigeladenen zu 1 zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Februar 2019 dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis 3. Juli 2019 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladenen zu 1 beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit sie ihn betrifft.
Der Beigeladene zu 2 hat keinen Antrag gestellt.
Der Beklagte hält an seinen im Verwaltungsverfahren getroffenen Entscheidungen fest. Zur Begründung hat er zunächst auf seine Ausführungen in den angegriffenen Ausgangs- und Widerspruchsbescheiden verwiesen. Ergänzend trägt er vor, der Ansicht der Klägerseite, wonach für die zukünftigen Leistungen nach dem SGB II immer auf die ursprüngliche Prognose abzustellen sei, könne nicht gefolgt werden. Für die Zukunft könne eine neue Prognose angestellt werden, mit dem Ergebnis, dass entweder die ursprüngliche Prognoseentscheidung für die Zukunft zu korrigieren oder aufgrund einer aktuellen Prognose über den Leistungsausschluss im nächsten Bewilligungszeitraum neu zu entscheiden sei. In jedem Fall ende der Leistungsanspruch nach dem SGB II nach Ablauf von sechs Monaten beginnend ab der Aufnahme in das Krankenhaus. Werde ein weniger als sechsmonatiger Krankenhausaufenthalt prognostiziert, der sich später als langwieriger erweise, so seien ab dem Beginn des siebten Monats der Unterbringung die Leistungen nach dem SGB II einzustellen. Das Gesetz enthalte insofern zwar keine ausdrückliche Regelung, gleichwohl ergebe sich diese Verfahrensweise aus der teleologischen und historischen Auslegung des Gesetzes. Im Ausgangspunkt schließe § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II Personen, die stationär untergebracht seien, vom ersten Tag an von den Leistungen nach dem SGB II aus. Die Rückausnahme des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II soll den Leistungsempfänger vor einem Wechsel des Leistungssystems schützen, wenn sich die stationäre Unterbringung auf einen kurzen Zeitraum beschränke. Dieser Schutz sei nicht mehr notwendig, wenn sich ein Leistungsberechtigter tatsächlich mindestens sechs Monate in einer Einrichtung aufhalte. Aus Sinn und Zweck der Rückausnahme ergebe sich, dass deren gewollter Anwendungsbereich eng auszulegen und die Vorschrift jedenfalls nach sechs Monaten nicht mehr anzuwenden sei. Entsprechendes ergebe sich aus der Gesetzesbegründung.
Mit Beschluss vom 21. Juni 2021 wurde der Saale-Holzland-Kreis als Sozialhilfeträger als Beigeladener zu 1 zu dem Rechtsstreit beigeladen.
Der Beigeladene zu 1 trägt vor, sofern die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII in Betracht käme, sei er für deren Erbringung örtlich nicht zuständig. Nach § 98 Abs. 2 iVm § 98 Abs. 4 SGB XII sei der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung oder in den zwei Monaten vor Aufnahme zuletzt gehabt habe. Der Kläger habe sich zuletzt zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe tatsächlich in einer Justizvollzugsanstalt aufgehalten. In einer solchen könne ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht begründet werden. Es sei daher der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers im Raum A mit Meldeadresse im M vor Einzug in die Justizvollzugsanstalt maßgeblich, der sich nicht in seinem Zuständigkeitsbereich befinde. Als örtlich zuständiger Träger etwaiger Leistungen nach dem SGB XII komme danach der Ilm-Kreis in Betracht. Ungeachtet dessen greife der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II nicht ein. Mit keiner der vom A Fachklinikum S ausgestellten Verwaltungsbescheinigungen sei ein stationärer Aufenthalt von mehr als sechs Monaten prognostiziert worden. Dass bereits im November 2018 von einer dauerhaften stationären Unterbringung des Klägers auszugehen war, könne den übersandten Bescheinigungen nicht entnommen werden.
Mit Beschluss vom 27. September 2022 wurde der Ilm-Kreis als Sozialhilfeträger als Beigeladener zu 2 zu dem Rechtsstreit beigeladen.
Der Beigeladene zu 2 trägt vor, die vom Beklagten mit den Bescheiden vom 14. November 2018 getroffenen Entscheidungen seien fehlerhaft. Ausgangspunkt der für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II maßgeblichen Prognoseentscheidung sei der Zeitpunkt der Aufnahme in der stationären Einrichtung, auch wenn sich die Prognose später als unrichtig erweisen sollte. Auf die objektive Dauer des Aufenthaltes komme es nicht an. Den vorliegenden Verwaltungsbescheinigungen des A Fachklinikums S lasse sich jeweils eine prognostizierte Behandlungsdauer von weniger als sechs Monaten entnehmen. Ein Automatismus, wonach nach Ablauf von sechs Monaten ein Wechsel in das Leistungssystem des SGB XII erfolgen müsse, lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen. Da sowohl im August 2018 als auch im Dezember 2018 ein stationärer Aufenthalt von weniger als sechs Monaten prognostiziert worden sei, greife der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II im Fall des Klägers – jedenfalls bis zum Ende der Krankenbehandlung zum 30. April 2019 – nicht ein. Selbst wenn dem nicht zu folgen sei, bestehe keine zu seinen Lasten gehende Leistungspflicht für die vom Kläger begehrte Hilfe zum Lebensunterhalt. Insofern sei der Beigeladene zu 1 der örtlich zuständige Träger für etwaige Leistungen nach dem SGB XII. Entgegen der Ansicht des Beigeladenen zu 1 richte sich die örtliche Zuständigkeit nicht nach § 98 Abs. 2 SGB XII, sondern nach § 98 Abs. 1 SGB XII, denn – jedenfalls bis zum 30. April 2019 – habe das A Fachklinikum S medizinische Leistungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erbracht. Dass die Krankenbehandlung des Klägers im A Fachklinikum S mit Wirkung zum 30. April 2019 beendet wurde und er nachträglich mit Bescheid vom 18. August 2020 für die Kosten des stationären Aufenthalts des Klägers im A Fachklinikum S in der Zeit vom 1. Mai 2019 bis 3. Juli 2019 aufgekommen sei, sei nicht geeignet, eine örtliche Zuständigkeit für die Hilfe zum Lebensunterhalt zu begründen.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten des Beklagten sowie des Beigeladenen zu 2 beigezogen.
Die Verwaltungsakte des Beigeladenen zu 2 beinhaltet u. a. einen Zwischenbericht des A Fachklinikums S vom 12. März 2019, wonach die stationäre Behandlung wegen einer hebepheren Schizophrenie, Psychischen und Verhaltensstörungen durch Alkohol (Abhängigkeitssyndrom) und generalisierter idiopathischer Epilepsie erfolgte, aufgrund derer eine Aufnahme in eine geeignete Einrichtung dringend empfohlen wurde. Ferner ergibt sich aus der Verwaltungsakte des Beigeladenen zu 2, dass die A1 als Krankenkasse des Klägers auf der Basis einer vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) am 8. April 2019 erstellten sozialmedizinischen Stellungnahme die medizinische Behandlung des Klägers ab 30. April 2019 als abgeschlossen betrachtete und ab 1. Mai 2019 keine Kosten für Leistungen nach dem SGB V mehr erbracht hat, woraufhin der Betreuer des Klägers am 20. April 2019 bei dem Beigeladenen zu 2 einen Antrag auf Übernahme der Kosten für den weiteren Aufenthalt des Klägers im A Fachklinikum S gestellt hat. Nachfolgend hat der Beigeladene zu 2 mit Bescheid vom 18. August 2020 dem Kläger für die Zeit vom 1. Mai 2019 bis 3. Juli 2019 Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in der Einrichtung A Fachklinikum S in Form der Unterkunfts- und Verpflegungskosten bewilligt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2023, die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten und des Beigeladenen zu 2 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Gegenstand des Verfahrens ist der Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 11. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2019, mit dem der Beklagte die Überprüfung der beiden Bescheide vom 14. November 2018 über die Aufhebung der für den Monat Dezember 2018 bewilligten Leistungen nach dem SGB II sowie die Ablehnung der Fortzahlung der Leistungen für die Zeit ab 1. Januar 2019 abgelehnt hat sowie das gegen die Beigeladenen gerichtete hilfsweise Begehren auf Leistungen nach dem SGB XII.
Die Klage des Klägers gegen den Beklagten ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 iVm § 56 SGG statthaft und zulässig. Konkret ist sie (zuletzt) gerichtet auf teilweise Aufhebung des ablehnenden Überprüfungsbescheids vom 11. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2019 sowie die Aufhebung des Aufhebungsbescheides vom 14. November 2018 für den Monat Dezember 2018 mit der Folge, dass die ursprünglich mit Bescheid vom 24. August 2018 für diesen Monat bewilligten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von 418 Euro zur Auszahlung kommen. Sofern der Kläger zunächst auch das Ziel verfolgt hat, Leistungen nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis 3. Juli 2019 zu erhalten, hat er zuletzt von einer entsprechenden Antragstellung gegen den Beklagten abgesehen und insofern nur noch seinen ursprünglichen Hilfsantrag auf Verurteilung des Beigeladenen zu 1 zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB XII in Form einer Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) verfolgt, wobei sich das Begehren des Klägers auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII, d. h. die Zahlung eines Geldbetrages zur Bestreitung des Lebensunterhaltes beschränkt.
Die Beiladung der Beigeladenen zu 1 und 2 erfolgte als notwendige Beiladung gemäß § 75 Abs. 2 SGG.
In der Sache hat die Klage insofern Erfolg, als sich die Aufhebungsentscheidung des Beklagten vom 14. November 2018 in Bezug auf den Monat Dezember 2018 und insofern der klagegegenständliche Überprüfungsbescheid vom 11. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2019 als rechtswidrig erweisen (hierzu im Folgenden 1.) sowie der Beigeladene zu 1 zur Erbringung von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis 3. Juli 2019 zu verpflichten war (hierzu im Folgenden 2.)
1.
Rechtsgrundlage für den klägerseitig gemachten Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 14. November 2018, mit dem der Beklagte die mit Bescheid vom 24. August 2018 für den Monat Dezember 2018 bewilligten Leistungen aufgehoben hat, ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X; jeweils in der im streitbefangenen Zeitraum geltenden Fassung, Geltungszeitraumprinzip, vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 53/15 R). Hiernach ist auch nach Unanfechtbarkeit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 40 Abs. 1 SGB II iVm § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGB X).
So liegt der Fall hier. Der Beklagte war nicht berechtigt, die für den Monat Dezember 2018 bewilligten Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 418 Euro aufzuheben. Der diesbezügliche Bescheid vom 14. November 2018 ist rechtswidrig.
Der Beklagte stützt seine Aufhebungsentscheidung auf § 40 Abs. 1 und 2 SGB II iVm § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) iVm § 48 Abs. 1 SGB X und § 7 Abs. 4 SGB II.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Diese Voraussetzungen liegen bezogen auf die Bewilligungsentscheidung vom 24. August 2018 für den Monat Dezember 2018 nicht vor. Wesentliche Änderungen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind im Fall des Klägers weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht eingetreten. Im November 2018 stellten sich lediglich die Umstände anders dar, die der vom Beklagten im Zusammenhang mit der Anwendung des § 7 Abs. 4 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 SGB II getroffenen Prognoseentscheidung zur Dauer der stationären Krankenhausbehandlung des Klägers zugrunde lagen.
Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II erhält Leistungen nach dem SGB II u. a. nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. In Ausnahme von diesem grundsätzlichen Leistungsausschluss erhält gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II Leistungen nach dem SGB II gleichwohl, wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches – SGB V) untergebracht ist. Der Zweck dieser (Rück-) Ausnahme besteht darin, zur klaren Abgrenzung der Existenzsicherungssysteme des SGB II und des SGB XII einen Wechsel aus dem Leistungssystem des SGB II in das des SGB XII bei einer nur absehbar kurzzeitigen Krankenhausunterbringung zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 2015 – B 14 AS 6/15 R). Ob der Aufenthalt in einem Krankenhaus sechs Monate über- oder unterschreitet, erfordert eine Prognoseentscheidung.
Unmittelbar im Anschluss an die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe wurde der Kläger am 19. Juli 2018 zur stationären medizinischen Behandlung in das A Fachklinikum S aufgenommen. Zweifelsfrei war er damit ab diesem Zeitpunkt fortlaufend, im Besonderen auch in dem hier streitbefangenen Monat Dezember 2018, in einer stationären Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II untergebracht und im Ausgangspunkt von dem gesetzlich normierten Ausschluss von den Leistungen nach dem SGB II betroffen. Zutreffend ist der Beklagte bei seiner Entscheidung über den am 7. Juli 2018 gestellten Leistungsantrag mit Bescheid vom 24. August 2018 zu dem Ergebnis gelangt, dass wegen des Eingreifens der in § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II normierten Ausnahme dennoch Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen sind. Grundlage dafür war im Wesentlichen die Verwaltungsbescheinigung des A Fachkrankenhaus S vom 20. August 2018, die – bei bescheinigter voraussichtlicher Behandlungsdauer von weiteren vier bis sechs Wochen – die Prognose rechtfertigte, dass die stationäre Unterbringung des Klägers im Krankenhaus voraussichtlich weniger als sechs Monate andauern werde.
Eine Überprüfung der im Rahmen einer Bewilligungsentscheidung getroffenen Prognoseentscheidung während eines laufenden Bewilligungsabschnitts, wie sie der Beklagte hier im November 2018 vorgenommen hat, sieht § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II indessen nicht vor.
Ob ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II wegen Krankenhausunterbringung besteht oder dieser aufgrund der Rückausnahme nach § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II deshalb nicht eingreift, weil die Unterbringung eine Krankenhausversorgung von voraussichtlich weniger als sechs Monaten Dauer betrifft, beurteilt sich nach der Rechtsprechung des BSG nach den Umständen bei der Aufnahme in die Klinik (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 2015 – B 14 AS 6/15 R, BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 – B 14 AS 66/13 R). Maßgebend für den Leistungsausschluss ist danach grundsätzlich die Lage bei Beginn der Unterbringung, ohne dass es auf ihre tatsächliche Dauer ankommt. Die zu treffende Prognoseentscheidung über die Dauer der voraussichtlichen Krankenhausunterbringung ist allein am Zeitpunkt der Aufnahme in das Krankenhaus auszurichten und nur aus der Perspektive bei der Aufnahme in das Krankenhaus anzustellen. Nur bei einer Unterbringung von voraussichtlich mindestens sechs Monaten Dauer soll der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II von Beginn an eingreifen und damit verbunden ggf. ein Wechsel in das Leistungssystem des SGB XII stattfinden (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 2015 – B 14 AS 6/15 R, BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 – B 14 AS 66/13 R).
Dieser Rechtsprechung folgend kann sich auf eine bereits getroffene Prognoseentscheidung iSv § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II und eine darauf beruhende Leistungsbewilligung weder auswirken, dass sich die ursprüngliche Prognose im Nachhinein betrachtet nicht realisiert hat, weil der Hilfebedürftige tatsächlich länger als sechs Monate in einem Krankenhaus stationär untergebracht war, noch, dass im weiteren zeitlichen Verlauf aufgrund geänderter Umstände oder aktueller medizinischer Erkenntnisse für die Zukunft eine andere Prognoseentscheidung zu treffen wäre. Im Fall des Klägers ist es daher für die mit Bescheid vom 24. August 2018 für den Monat Dezember 2018 getroffene Leistungsbewilligung unbeachtlich, dass aufgrund der Verwaltungsbescheinigung vom 10. Dezember 2018 bereits Anhaltspunkte vorlagen, die darauf hindeuteten, dass die Dauer der stationären Unterbringung in einem Krankenhaus insgesamt den Zeitrahmen von sechs Monaten überschreiten werde. Gleiches gilt für den Umstand der bereits seit November 2018 geplanten stationären Unterbringung des Klägers in einer besonderen Wohnform nach Abschluss der Behandlung im Krankenhaus.
Sofern der Beklagte vorgetragen hat, für zukünftige Leistungen müsse es möglich sein, eine neue Prognose anzustellen, kann die Kammer dem in der vorliegenden Fallgestaltung für den Zeitpunkt des Beginns des neuen Bewilligungszeitraums ab 1. Januar 2019 folgen (vgl. dazu im Folgenden unter 2). Während eines laufenden Bewilligungszeitraums – hier von Juli 2018 bis einschließlich Dezember 2018 – ist jedoch eine Korrektur der ursprünglichen Prognoseentscheidung für die Zukunft ausgeschlossen, selbst wenn sich – wie hier – die getroffene Prognose über die Dauer der Unterbringung in einem Krankenhaus bereits im Verlauf des Bewilligungsabschnitts als unzutreffend bzw. wegen neuer Erkenntnisse überholt herausstellt. Der Leistungsträger hat im Rahmen seiner Entscheidung über einen Leistungsantrag – hier den des Klägers vom 7. Juli 2018 – zu prüfen, ob der Leistungsausschlussgrund des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II eingreift. Die in diesem Zusammenhang mit der Bewertung der in § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II normierten Ausnahme regelmäßig zu treffende Prognoseentscheidung bezieht sich dabei auf die Dauer des gesamten Bewilligungszeitraums. Treten in dessen Verlauf Umstände hinzu, die für die Zukunft eine abweichende Prognose nahelegen, kann sich dies – orientiert am Wortlaut des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II sowie dem Zweck der Rückausnahme, einen kurzfristigen Wechsel zwischen den Leistungssystemen des SGB II und SGB XII zu vermeiden – auf eine laufende Leistungsbewilligung nicht auswirken. Eine Prognose beinhaltet naturgemäß Unwägbarkeiten und die Möglichkeit, dass sich der Geschehensablauf tatsächlich abweichend gestaltet. Daraus folgt, dass Umstände, die lediglich die von § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II erforderliche Prognose bezüglich der Dauer einer stationären Unterbringung in einem Krankenhaus tangieren, den Leistungsträger nicht zu einer Aufhebung bereits bewilligter Leistungen in Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X berechtigten. Die Änderung einzelner Umstände in Bezug auf die Prognose iSv § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II begründet keine wesentliche Änderung von Tatsachen im Sinne dieser Vorschrift. Die Aufhebung einer auf der Basis einer Prognoseentscheidung nach § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II getroffenen laufenden Bewilligungsentscheidung kommt vielmehr nur in Betracht, wenn nachweislich Tatsachen hinzutreten, die – wie bspw. der Nachweis einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit im Sinne von § 8 SGB II – die Voraussetzungen für die Annahme es dauerhaften Leistungsausschlusses begründen.
Eine wesentliche Änderung der Tatsachenbasis im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X lag im Zeitpunkt der Aufhebung der ursprünglich für den Monat Dezember 2018 bewilligten Leistungen am 14. November 2018 bzw. 15. Januar 2019 (Zeitpunkt des nachfolgenden Widerspruchsbescheides) nicht vor. Dem Beklagten war aufgrund einer Mitteilung des Betreuers des Klägers am 7. November 2018 lediglich bekannt geworden, dass im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt im A Fachklinikum S eine zuvor nicht absehbare weitergehende stationäre Unterbringung in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe angedacht war und, aufgrund der im Widerspruchsverfahren eingeholten aktuellen Einschätzung des A Fachklinikums S vom 10. Dezember 2018, dass sich die ursprünglich im Zusammenhang mit dem Erlass des Bescheides vom 24. August 2018 angestellte Prognoseentscheidung als überholt darstellte. Diese lediglich prognosebezogenen Umstände allein berechtigten jedoch nicht zur Aufhebung der mit Bescheid vom 24. August 2018 für den Monat Dezember 2018 bewilligten Leistungen nach dem SGB II.
Sofern der Beklagte die Ansicht vertritt, der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II greife zwingend ein, sobald die stationäre Unterbringung in einem Krankenhaus die zeitliche Grenze von sechs Monaten überschritten habe, kann er insofern in Bezug auf den Monat Dezember 2018 schon deshalb keinen Erfolg haben, weil ausgehend von der stationären Aufnahme des Klägers am 19. Juli 2018 der Sechsmonatszeitraum erst am 18. Januar 2019 endete.
Da der Beklagte somit bei Erlass des Aufhebungsbescheides vom 14. November 2018 die rechtlichen Vorschriften des § 7 Abs. 4 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 SGB II fehlerhaft angewendet hat, war er in Abänderung des Überprüfungsbescheides vom 11. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2019 zu einer entsprechenden Rücknahme des rechtswidrigen Bescheides zu verpflichten.
2.
Für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis 3. Juli 2019 konnte die zunächst gegen den Beklagten gerichtete Klage keinen Erfolg haben, denn der Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 11. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2019 war insofern nicht zu beanstanden, als der Beklagte mit Bescheid vom 14. November 2018 die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab 1. Januar 2019 abgelehnt hat (dazu im Folgenden unter a). Der Kläger hat stattdessen für diese Zeit einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt (dazu im Folgenden unter b), so dass – seinem zuletzt gestellten Antrag entsprechend – der Beigeladenen zu 1 gemäß § 75 Abs. 5 SGG unter Aufhebung seiner ablehnenden Entscheidung vom 25. Februar 2019 dem Grunde nach zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu verurteilen war.
a)
Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben nach § 19 Abs. 1 SGB II erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die nach den Vorgaben der §§ 7, 9 SGB II nicht vom Leistungsbezug ausgeschlossen und hilfebedürftig sind.
Zutreffend ist der Beklagte im Ablehnungsbescheid vom 14. November 2018 davon ausgegangen, dass der Kläger ab 1. Januar 2019 gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Der Kläger war nach wie vor im A Fachklinikum S zur stationären medizinischen Behandlung untergebracht. Die Voraussetzungen der in § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II normierten Rückausnahme lagen im Zeitpunkt der Beantragung der Fortzahlung der Leistungen nicht (mehr) vor. Aufgrund der zu dieser Zeit gegebenen Umstände und neuen medizinischen Erkenntnissen, war im November 2018 prognostisch davon auszugehen, dass sich die stationäre Unterbringung des Klägers im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II nicht auf einen kurzzeitigen, d. h. weniger als sechs Monate dauernden, Krankenhausaufenthalt beschränken wird.
Zwar hat das BSG in seinen bisherigen Entscheidungen zu § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II für die Prognoseentscheidung hinsichtlich der Dauer einer stationären Krankenhausbehandlung regelmäßig auf den Zeitpunkt der Aufnahme im Krankenhaus abgestellt und nicht auf den einer möglichen späteren Beantragung von Leistungen nach dem SGB II (vgl. die bereits zitierten Entscheidungen BSG, Urteil vom 12. November 2015 – B 14 AS 6/15 R, BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 – B 14 AS 66/13 R), den Entscheidungen lagen allerdings jeweils Sachverhalte zugrunde, in denen eine erste Leistungs- und Prognoseentscheidung nach dem Beginn der stationären Unterbringung im Krankenhaus zu treffen war. Dass eine neue Prognoseentscheidung unter Berücksichtigung der aktuellen Umstände und neuen medizinischen Erkenntnissen generell, im Besonderen dann ausgeschlossen ist, wenn der Träger der Leistungen nach dem SGB II bei andauernder stationärer Unterbringung in einem Krankenhaus über die Fortzahlung von Leistungen nach dem SGB II für einen neuen (weiteren) Bewilligungsabschnitt zu entscheiden hat, ergibt sich aus der bisherigen Rechtsprechung des BSG nicht. Ein solcher genereller bewilligungsabschnittsübergreifender Ausschluss einer neuen Prognoseentscheidung lässt sich auch weder dem Wortlaut des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II entnehmen, noch mit dem Zweck der Vorschrift begründen. Die in § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II normierte Rückausnahme soll den Empfänger von Leistungen nach dem SGB II lediglich davor bewahren, aufgrund stationärer Behandlung in einem Krankenhaus kurzzeitig in das Leistungssystem des SGB XII wechseln zu müssen (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 – B 14 AS 66/13 R). Sie zielt dagegen nicht darauf ab, den Leistungsbezug nach dem SGB II unabhängig vom weiteren Geschehensablauf auf der Grundlage einer bei Aufnahme in eine Klinik unzutreffenden oder zwischenzeitlich überholten Prognose langfristig bzw. dauerhaft zu garantieren (in diesem Sinne jurisPK-SGB II/ Leopold, § 7 Rn. 300).
Die – in Fallgestaltungen, wie der vorliegenden – auf den Zeitpunkt eines Fortzahlungsantrages bezogene (neue) Prognoseentscheidung nach § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II ist nach Überzeugung der Kammer unabhängig von einer zuvor getroffenen Prognose und ohne Einbezug bereits zurückliegender Zeiten der stationären Unterbringung in einer Klinik, ausschließlich mit Blick auf die voraussichtliche künftige Dauer der stationären Krankenhausbehandlung zu treffen. Dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II immer und zwingend eingreift, wenn eine stationäre Krankenhausbehandlung tatsächlich einen Zeitraum von sechs Monaten überschritten hat bzw. die Anwendung der Rückausnahme des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II nach sechs Monaten ausgeschlossen ist, ergibt sich aus dem maßgeblichen Wortlaut der gesetzlichen Regelungen nicht. Dem mit der in § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II geregelten Rückausnahme verfolgten Zweck der Vermeidung eines Wechsels in das Leistungssystem des SGB XII bei einer absehbar kurzzeitigen Krankenhausunterbringung kommt im Fall der Entscheidung über einen Fortzahlungsantrag gleichermaßen Bedeutung zu, wenn eine andauernde stationäre Unterbringung zur Behandlung in einem Krankenhaus prognostisch nur noch kurze Zeit in den neuen Bewilligungszeitraum hineinreichen wird.
Ausweislich der Verwaltungsbescheinigung des A Fachklinikums S vom 10. Dezember 2018 gingen die behandelnden Ärzte zu dieser Zeit von einer weiteren Behandlungsdauer „bis voraussichtlich bis Mitte Februar 2019“ aus, also weniger als sechs Monaten, was im Ausgangspunkt für das Eingreifen der Rückausnahme des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II für den Leistungszeitraum ab 1. Januar 2019 sprechen würde. Im Fall des Klägers tritt jedoch die Besonderheit hinzu, dass im Zeitpunkt der Beantragung der Fortzahlung der Leistungen im November 2018 – unabhängig von der Bewertung der (weiteren) Dauer der stationären medizinischen Behandlung im A Fachklinikum S – eine sich unmittelbar an den Krankenhausaufenthalt anschließende unbefristete stationäre Unterbringung im Sinne von § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II in einer betreuten Wohnform bereits konkret absehbar war. Gleichsam absehbar war damit der bevorstehende Wechsel des Klägers in das Leistungssystem des SGB XII. Der mit der Rückausnahme des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II verfolgte Zweck des Schutzes des Klägers vor einem kurzzeitigen Wechsel vom Leistungssystem des SGB II in das des SGB XII war somit weder realisierbar noch erforderlich. So wie, gemessen am Zweck des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II, bei der Prognoseentscheidung auch in den Blick zu nehmen ist, ob sich die betreffende Person schon vor der Aufnahme in das Krankenhaus im Leistungssystem des SGB XII befand (vgl. insofern die Fallkonstellation in BSG, Urteil vom 12. November 2015 – B 14 AS 6/15 R), ist im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung zu berücksichtigen, wenn konkret absehbar ist, dass die stationäre Unterbringung im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II nicht mit dem Krankenhausaufenthalt enden wird.
Nach alle dem hat der Kläger für die Zeit ab 1. Januar 2019 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Das beklagte Jobcenter hat somit im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X die Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 14. November 2018 zutreffend abgelehnt.
b)
Der Kläger hat für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis 3. Juli 2019 Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Er erfüllte im streitigen Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 19 Abs. 1, 27 Abs. 1 SGB XII, insbesondere war er hilfebedürftig, da er weder über Einkommen noch Vermögen verfügte.
Als örtlich zuständiger Leistungsträger war im streitbefangenen Zeitraum der Beigeladene zu 1 zur Leistungserbringung verpflichtet.
Maßgeblich für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist hier § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Danach ist für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Die allgemeine am tatsächlichen Aufenthalt gemessene Zuständigkeit erfasst alle Sozialhilfeleistungen, die in § 8 SGB XII genannt werden, soweit nicht in den folgenden Regelungen des § 98 SGB XII oder in den Leistungsvorschriften selbst Abweichendes geregelt ist. Unter dem tatsächlichen Aufenthalt ist die körperliche, physische Anwesenheit zu verstehen, wobei es unerheblich ist, aus welchem Grund der Berechtigte anwesend ist, ob er sich dauernd oder vorübergehend, erlaubt oder unerlaubt, polizeilich gemeldet oder nicht, in einer eigenen Wohnung, zu Besuch oder ohne Obdach an diesem räumlichen Ort aufhält (vgl. jurisPK-SGB XII/Söhngen, § 98 Rn. 28).
In der Zeit vom 1. Januar 2019 bis 3. Juli 2019 hielt sich der Kläger tatsächlich im A Fachklinikum S und damit im Bereich der örtlichen Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1 auf.
Entgegen der Ansicht des Beigeladenen zu 1 bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit für die vom Kläger geltend gemachten Leistungen vorliegend nicht abweichend nach § 98 Abs. 2 SGB II. § 98 Abs. 2 Satz 1 bestimmt, dass für die stationäre Leistung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Wäre die Vorschrift einschlägig, wäre die örtliche Zuständigkeit des Beigeladenen zu 2 begründet, denn der Kläger hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im rechtlichen Sinne vor seiner Inhaftierung nachweislich in dessen Zuständigkeitsbereich in A1.
Eine Sonderzuständigkeit nach § 98 Abs. 2 SGB XII ist vorliegend jedoch nicht begründet, denn der Anwendungsbereich der Vorschrift beschränkt sich auf die stationären Leistungen einer Maßnahme selbst, er erfasst nicht den weiteren notwendigen Lebensunterhalt nach den §§ 27 ff SGB XII (BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 8 SO 11/12 R). Stationäre Leistungen im Sinne des § 98 Abs. 2 SGB XII sind nur Leistungen, die entsprechend dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII (vgl. § 13 SGB XII) in Einrichtungen erbracht werden. Leistungen für die stationäre Maßnahme, hier die Behandlung und Unterbringung im A Fachklinikum S in der Zeit vom 1. Januar 2019 bis 3. Juli 2019, macht der Kläger jedoch nicht geltend. Sein Begehren beschränkt sich auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Da nach der gesetzlichen Konzeption die stationären Maßnahmenleistungen und die Deckung des notwendigen Lebensunterhalts nicht zwingend als eine einheitliche Leistung gelten, ist es nicht ausgeschlossen, dass es mit Blick auf die betreffenden Leistungen zu einer (ggf. unerwünschten) örtlichen Zuständigkeit von zwei verschiedenen Sozialhilfeträgern kommen kann (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juni 2016 – L 7 SO 1741/12). Im vorliegenden Fall kommt jedoch hinzu, dass die stationären Leistungen im A Fachklinikum S vornehmlich nicht von einem Sozialhilfeträger als Leistungen nach dem SGB XII, sondern als Leistungen nach dem SGB V unter der Kostenträgerschaft der Krankenkasse erbracht wurden. Jedenfalls für die Zeit bis einschließlich April 2019 wurden damit stationäre Leistungen im Sinne des § 98 Abs. 2 SGB XII nicht erbracht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juni 2016 – L 7 SO 1741/12 bei abweichenden Kostenträgerschaft durch den Rentenversicherungsträger). Der Umstand, dass der Beigeladene zu 2 mit Bescheid vom 20. August 2020 die Kosten für die stationäre Unterbringung des Klägers im A Fachklinikum S in der Zeit vom 1. Mai 2019 bis 3. Juli 2019 tatsächlich übernommen hat, führt nicht dazu, dass er gleichsam zu Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für diese Zeit verpflichtet ist. Die Kostenübernahme erfolgte nachträglich, weit nach Ablauf des streitbefangenen Leistungszeitraums und ist daher nicht geeignet, die originär nach § 98 Abs. 1 SGB XII begründete Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1 für die Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII entfallen zu lassen.
Im Ergebnis war somit der Beigeladene zu 1 nach § 75 Abs. 5 SGG unter Aufhebung seines nicht bestandskräftig gewordenen Ablehnungsbescheides vom 25. Februar 2019 dem Grunde nach zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB XII in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt zu verpflichten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Zulassung der Berufung erfolgte nach § 144 Abs. 2 SGG.