L 6 VM 3577/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 VM 4807/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VM 3577/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Eine Verbitterungsstörung als Sonderform der Verbitterungsreaktion (ICD-10: F43.8 bzw. ICD-11: 6B43) wegen der vermeintlich unberechtigten Nichtanerkennung einer Schädigungsfolge ist selbst weder unmittelbare noch mittelbare Schädigungsfolge, da sie auf der eigenverantwortlichen, den Zurechnungszusammenhang unterbrechenden Entscheidung des Sozialleistungsträgers beruht.
2. Das Nichtdurchdringen (selbst mit einem berechtigten) Begehren gegenüber einem Sozi-alleistungsträger ist ein allgemeines Lebensrisiko und nicht vom Schutzzweck des sozialen Entschädigungsrechts umfasst; das soziale Entschädigungsrecht beinhaltet keine Anspruchsgrundlage für die Entschädigung von jeglichen Folgen exekutiven Unrechts.

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.




Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 60 statt 40 aufgrund des Gesetz über die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Personen (Anti-D-Hilfegesetz – AntiDHG).

Sie ist 1952 in Polen geboren und siedelte 1957 in die ehemalige DDR über. Am 9. August 1989 reiste sie in die Bundesrepublik ein. 1966 bis 1969 machte sie eine Ausbildung zur Schleiferin in einem Automobilwerk, 1973 bis 1974 war sie als angelernte Tierpflegerin beschäftigt, 1977 bis 1978 als Kartiererin, 1981 bis 1982 als Arbeiterin in einer Wäscherei, 1982 bis 1986 als Telefonistin, 1990 bis 1991 als Küchenhilfe und 1992 bis 1993 als Versandmitarbeiterin. Seitdem übte sie keine Beschäftigung mehr aus. Die Klägerin ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern, ihr Ehemann, mit dem sie seit 1972 verheiratet war, ist im November 2018 verstorben. Sie lebt in einer Sozialwohnung (vgl. Rehabilitationsentlassungsbericht der W1-Klinik B1 und Gutachten des B2).

Nach der Geburt ihres Sohnes 1978 erhielt die Klägerin eine Anti-D-Immunprophylaxe. Die hieraus resultierende Hepatitis-C-Infektion erkannte der Rat des Kreises         P1, Kreis-Hygieneinspektion, am 29. Mai 1979 als Gesundheitsschädigung auf der Grundlage der 2. Durchführungsbestimmung zum Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (Bundes-Seuchengesetz – BSeuchG) an.

Auf ihren Antrag vom 13. Juni 1995 stellte das Amt für Soziales und Versorgung P1 durch Bescheid vom 27. Juni 1996 in der Gestalt des Abhilfe-Bescheides vom 14. Oktober 1997 nach dem BSeuchG i. V. m. dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz – BVG) als Schädigungsfolge i. S. d. § 51 BSeuchG eine Hepatitis-C-Infektion mit geringer Aktivität fest und gewährte der Klägerin eine Beschädigtengrundrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vom Hundert (v. H.).

Zugrunde lag diesem Bescheid die versorgungsärztliche Stellungnahme des N1, der nach Auswertung der zur Vorlage gekommenen medizinischen Unterlagen eine Hepatitis-C-Infektion mit geringer Aktivität mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 (gemeint wohl MdE von 30 v. H.) bewertet hatte.

Als medizinische Unterlagen war u. a. das histologische Gutachten des Klinikums der                         Albert-Ludwigs-Universität F1 vom 27. Mai 1997 zur Vorlage gekommen, aus dem sich einen chronische Hepatitis bei HVVC-Infektion (nach klinischen Angaben) mit entzündlicher Aktivität Grad I sowie einer Fibrose im Stadium I ergab. Die Veränderungen seien sehr gering ausgeprägt gewesen und hätten nur knapp das Ausmaß der für die Einstufung notwendigen Veränderungen erreicht.

Am 2. Dezember 1997 machte die Klägerin als weitere Schädigungsfolgen Beschwerden an der Halswirbelsäule (HWS) und in den Fingergelenken, eine Depression sowie Nervosität geltend.

Versorgungsärztlich führte M1 aus, die Beschwerden der HWS seien degenerativ bedingt. Zwischen den angegebenen nervösen Beschwerden, der Neigung zu Depressionen und der als Schädigungsfolge anerkannten Hepatitis-C-Infektion bestehe kein ursächlicher Zusammenhang. Die Belastung, Träger des Hepatitis-Virus zu sein, sei in der MdE von 30 v. H. bereits mitberücksichtigt.

Das Amt für Soziales und Versorgung P1 lehnte deshalb durch Bescheid vom 15. Mai 1998 den Antrag der Klägerin ab.

Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin zusätzlich geltend, unmittelbar nach der Schädigung einen fast totalen Haarausfall (Alopezie) erlitten zu haben. Auch sei eine Weißfleckenkrankheit (Vitiligo) aufgetreten, die zwischenzeitlich 40 % ihres Körpers beträfe. Hierdurch sei sie auch psychisch stark belastet.

S1 ging in dem von ihm aufgrund ambulanter Untersuchungen der Klägerin am 22., 24. und 25. Februar 1999 erstellten dermatologischen Gutachten und in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 2. Juli 1999 von einem ursächlichen Zusammenhang der Vitiligo und der Alopezie mit der anerkannten Schädigung aus.

Daraufhin stellte der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 14. März 2000 neben einer Hepatitis-C-Infektion mit geringer Aktivität als weitere Schädigungsfolgen eine Vitiligo und eine Alopezie (Weißfleckenkrankheit und Haarausfall) fest. Die MdE wurde nunmehr mit 40 v. H. bewertet.

Von Amts wegen stellte der Beklagte durch Bescheid vom 22. September 2000 fest, dass die Klägerin wegen der gesundheitlichen Folgen der Hepatitis-C-Infektion nach § 3 AntiDHG einen Anspruch auf finanzielle Hilfe habe, dass die MdE 40 v. H. betrage und dass die Klägerin eine Einmalzahlung nach § 3 Abs. 1 und 3 AntiDHG in Höhe von 15.000 DM erhalte. Über weitere Ansprüche nach dem AntiDHG erhalte sie einen gesonderten Bescheid.

Der weitere Bescheid vom 16. Oktober 2000 traf die Feststellungen, dass die Klägerin wegen der gesundheitlichen Folgen der Hepatitis-C-Infektion, die als chronische Hepatitis-C mit geringer entzündlicher Aktivität sowie als Vitiligo und Alopezie (Weißfleckenkrankheit und Haarausfall) zu bezeichnen seien, einen Anspruch auf Krankenbehandlung und finanzielle Hilfe nach dem         AntiDHG habe, dass die MdE 40 v. H. betrage und dass sich hieraus eine monatliche Rente i. H. v. 800 DM ab dem 1. Januar 2000 und i. H. v. 805 DM ab dem 1. Juli 2000 ergebe. Der Anspruch auf Versorgungsleistungen nach dem BSeuchG sei mit dem 31. Dezember 1999 erloschen.

Den streitgegenständlichen Neufeststellungsantrag vom 19. März 2014 begründete die Klägerin mit der Verschlimmerung des Zustands ihrer Haut und Haare. Dies sei für sie eine sehr große psychische Belastung, sie habe auch schon des Öfteren unter Suizidgedanken gelitten. Ständig müsse sie sich vor der Sonne schützen und könne deshalb niemals an den Strand gehen, wodurch ihre Lebensqualität stark eingeschränkt sei. Die speziellen Kosmetikartikel, die für sie lebensnotwendig seien, verursachten erhebliche Kosten. Wegen ihrer sehr empfindlichen Haut könne sie auch nicht alle Produkte verwenden.

Nachfolgend teilte die Klägerin mit, nur bei ihrem Hausarzt in Behandlung zu sein.

Der Arzt B3 gab an, die Klägerin seit Jahren hausärztlich zu behandeln. Als Diagnosen habe er eine Hepatitis-C-Infektion, chronisch (Aktivität Grad I und Fibrose Stadium I), eine Vitiligo und eine Anpassungsstörung/Depression gestellt. Die Klägerin leide unter den Folgen ihrer langjährigen Hepatitis-C-Infektion. Sie empfinde eine allgemeine Schwäche, eine fehlende Leistungsbereitschaft und sei oft herabgestimmt. Immer wieder vermeide sie auf die Straße zu gehen, da sie unter einer ausgeprägten Vitiligo leide und dadurch sehr gefleckt aussehe. Im Gesicht verwende sie zur Abdeckung stark deckendes Make-up, an den Armen seien die Veränderungen ebenso ausgeprägt sichtbar und für sie stark beeinträchtigend.

Versorgungsärztlich führte der A1 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 7. Juli 2014 aus, dass die Kopfhaut komplett mit Haupthaar bedeckt gewesen sei und die Klägerin eine Kurzhaarfrisur getragen habe. Die Haardichte sei gering wie auch die Haare von geringem Durchmesser bei nicht sichtbarer Kopfhaut gewesen. Eine Alopezia areata (lokaler, kreisrunder Haarausfall) habe nicht vorgelegen. Im Gesicht habe eine Depigmentation direkt unter dem Haaransatz, perioculär und perioral am Kinn bestanden, nahezu der gesamte Hals und das Dekolleté seien pigmentfrei gewesen. Die Hände und Unterarme seien bis auf Höhe der Ellenbogen bei am Übergang zum Ellenbogen noch vereinzelten Pigmentinseln depigmentiert gewesen, ebenso die Oberarminnenseiten, die Fußrücken und die Unterschenkel bis zur Wade. Auch am Bauch sowie am Rücken hätten nur noch vereinzelte Pigmentinseln bestanden. Im Vergleich zur Fotodokumentation aus dem Jahr 1998 habe eine deutliche Größenzunahme der depigmentierten Hautareale imponiert. Die Vitiligo und die Alopezie seien fortan mit einem GdS von 20 zu bewerten, ohne sich erhöhend auf den Gesamt-GdS auszuwirken, da dieser mit 40 nach wie vor ausreichend bemessen gewesen sei.

In einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme legte der A1 dar, dass die von der Klägerin geltend gemachten psychischen Störungen nicht als Schädigungsfolge anzuerkennen seien. Aus dem Befundbericht des B3 habe sich ergeben, dass die Klägerin es immer wieder vermeide auf die Straße zu gehen, da sie unter der Vitiligo leide. Die von B3 postulierte Anpassungsstörung/Depression sei hingegen weder klinisch noch fachärztlich belegt gewesen; auch eine fachspezifische Behandlung (Psychiatrie/Psychotherapie) habe nicht stattgefunden. Die üblichen seelischen Begleiterscheinungen seien in der GdS-Bewertung bereits berücksichtigt worden. Darüber hinaus habe bei der Inaugenscheinnahme der Klägerin am 7. Juli 2014 eine das übliche Maß überschreitende psychische Beeinträchtigung nicht verifiziert werden können.

Der Beklagte lehnte, gestützt auf diese versorgungsärztlichen Stellungnahmen, durch Bescheid vom 30. Oktober 2014 den Neufeststellungsantrag der Klägerin ab. Eine wesentliche Änderung i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei nicht eingetreten. Der bisher anerkannte GdS von 40 sei auch weiterhin ausreichend bemessen.

Die Klägerin erhob deshalb Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführte, dass sich die Vitiligo von Jahr zu Jahr verschlimmere. Daneben leide sie unter einer chronischen Hepatitis und Haarausfall. Entgegen den Feststellungen des A1 sei ihre Kopfhaut sichtbar. Jetzt sei sie auch in psychiatrischer Behandlung bei B4. Vor der Schädigung sei sie kerngesund und lebenslustig gewesen, das liege aber lange zurück; sie werde nie mehr so sein wie vor der Schädigung.

B4 teilte die Diagnose einer Anpassungsstörung mit. Die Klägerin habe berichtet, wegen des Haarausfalls und den weißen Flecken sehr belastet zu sein; im Sommer traue sie sich kaum raus, könne nicht ins Schwimmbad gehen. Unter der psychischen Belastung leide sie schon sehr lange; habe aber immer versucht, dies mit sich selbst auszumachen. Im psychischen Befund hätten Schlafunregelmäßigkeiten, Appetit- und Konzentrationsschwierigkeiten, eine gedrückte Stimmungslage, die aber auch auflockerbar gewesen sei, und ein schwankender Antrieb imponiert. Die Klägerin gehe mit ihrem Mann aber auch raus und treffe sich mit Freunden, was ihr guttue. Es habe eine spürbare Belastung bestanden, gleichwohl seien die Kriterien für eine separate depressive Episode nicht erfüllt gewesen. Ein Behandlungsversuch mit Quetiapin sei unternommen, psychotherapeutische Maßnahmen für sinnvoll erachtet worden.

Nachfolgend teilte B4 mit, die Klägerin lediglich einmalig am 18. November 2014 behandelt zu haben. Seitdem sei sie nicht mehr in seiner Praxis vorstellig gewesen.

Die Klägerin gab an, bisher keinen Psychotherapeuten gefunden zu haben.

Durch Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2016 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Nach dem Ergebnis der medizinischen Sachverhaltsermittlung sei eine Verschlimmerung der Vitiligo zwar hinreichend belegt, eine Erhöhung des Gesamt-GdS ergebe sich hieraus jedoch nicht, da der bereits festgestellte Gesamt-GdS von 40 als hoch anzusehen sei. Aufgrund der lediglich einmaligen Vorstellung bei B4 und der Nichtinanspruchnahme einer Psychotherapie sei eine psychische Störung als weitere Schädigungsfolge nicht objektiviert. Auch bei der versorgungsärztlichen Inaugenscheinnahme am 7. Juli 2014 habe eine das übliche Maß überschreitende psychische Beeinträchtigung nicht verifiziert werden können. Die üblichen seelischen Begleiterscheinungen der anerkannten Schädigungsfolgen seien in die GdS-Bewertung bereits eingeflossen.

Am 22. Februar 2016 hat die Klägerin beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben (S 5 VM 560/16). Durch Beschluss vom 22. April 2016 ist das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.

Die Klägerin stellte am 6. November 2017 einen weiteren – streitgegenständlichen – Neufeststellungsantrag. Sie machte eine Verschlimmerung ihrer psychischen Störungen geltend, deshalb sei auch eine stationäre Behandlung erfolgt. Sehr häufig weine sie und grübele über ihre Krankheit. Zudem leide sie unter Juckreiz.

Nach dem Bericht der W1-Klinik B1 habe sich die Klägerin mit den Diagnosen rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, und Hepatitis-C-Infektion dort vom 27. September bis zum 17. Oktober 2017 in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme befunden. Bei der Aufnahme habe sie eine zunehmend gedrückte Stimmung, Lust- und Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen wie Ein- und Durchschlafstörungen berichtet. Alle ihre Beschwerden seien nach ihren Angaben auf die Hepatitis-C-Infektion zurückzuführen gewesen. Ihr Leben sei nicht mehr wie früher, sie sei ständig krank, sei oft im Krankenhaus gewesen, habe sich nicht richtig erholt und immer nur wenig arbeiten können. Auch leide sie unter der Vitiligo. Als Hobbys übe sie zusammen mit ihrem Ehemann Walken und Spazierengehen aus.    

Der Allgemeinzustand sei gut, die orientierende neurologische Untersuchung unauffällig gewesen. Im psychischen Befund habe sich die Klägerin wach, örtlich und zeitlich orientiert bei beeinträchtigter Auffassung, Konzentration und Merkfähigkeit präsentiert. In der Affektivität hätten depressiv getönte Stimmungen überwogen. Das Verhalten sei sozial und situativ adäquat ohne Beeinträchtigung der Psychomotorik gewesen, es habe eine mittelgradige Antriebslosigkeit bestanden. Die zum Zeitpunkt der Aufnahme erhobenen Laborwerte, auch der GPT-Wert, hätten im Normbereich gelegen.
  
Dem Bericht des K1 ließ sich eine ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung der Klägerin seit dem 2. Juni 2017 entnehmen. Bei der Klägerin habe ein chronisch rezidivierender Krankheitsverlauf seit dem Suizid eines Cousins, mit dem sie aufgewachsen sei, vor zehn Jahren bestanden. Ferner habe sie seit der Geburt ihres Sohnes im Jahr 1978 an Hepatitis-C gelitten. Wegen dieser sei eine effiziente thymoleptische Behandlung erschwert gewesen, ein Therapieversuch mit Milnacipran sei wegen unerwünschter Arzneimittelnebenwirkungen abgebrochen worden. Eine Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2017 habe lediglich zur vorübergehenden Besserung geführt. Die Intensität der depressiven Symptomatik habe das Leistungsvermögen im Alltag eingeschränkt und eine regelmäßige psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung erfordert.

Der A1 legte versorgungsärztlich dar, dass der Rehabilitationsentlassungsbericht der W1-Klinik B1 im psychopathologischen Befund bis auf eine depressiv getönte Grundstimmung und eine mittelgradige Antriebslosigkeit keine pathologischen Veränderungen beschrieben hätten. Aus der Abschlussbefundung habe sich nicht ergeben, ob therapeutische Erfolge hätten erreicht werden können. Allerdings ließen sich der Anamneseerhebung und dem Rehabilitationsverlauf keine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit entnehmen. Die von der Klägerin beklagte Grübelneigung und die dadurch verursachten Ein- und Durchschlafstörungen seien übliche seelische Begleiterscheinungen, die mit der Organerkrankung, der Hepatitis-C-Infektion, einhergingen. Der zusätzlich beklagte Juckreiz sei bislang nicht ärztlich behandelt worden, er sei damit nicht belegt. Zusammenfassend sei die von der Klägerin geltend gemachte Verschlimmerung der Schädigungsfolgen nicht nachgewiesen.

Daraufhin lehnte der Beklagte den Neufeststellungsantrag vom 6. November 2017 durch Bescheid vom 13. Juli 2018 ab.

Die Klägerin begründete den von ihr deshalb erhobenen Widerspruch mit der Unterbewertung des GdS aufgrund der bislang nicht berücksichtigten psychischen Schädigungsfolgen. Sie verwies auf den Bericht der W1-Klinik B1. Auch habe sie sich bei der A2 in Behandlung begeben.

Ergänzend legte sie den Bericht der A2 vor. Diese gab an, die Klägerin seit dem 6. April 2018 psychotherapeutisch zu behandeln. Gesicherte Diagnosen seien eine mittelgradige rezidivierende depressive Episode, eine somatoforme Schmerzstörung und eine Verbitterungsstörung aufgrund der Hepatitis-C-Infektion. Infolge der Chronifizierung der Erkrankung träten zunehmende Schmerzen, vor allem durch dünner werdende Haut, insbesondere am Gesäß, auf, die wiederum der aufrechterhaltende Faktor der Depression seien. Aufgrund der Entzündungen der Haut komme es zu einem verstärkten Juckreiz und einem Gefühl des Unwohlseins, was zu einem sozialen Rückzug, Lustlosigkeit und Selbstabwertung führe. Hieraus habe sich nun zusätzlich, bedingt durch die fehlende Anerkennung durch den Beklagten, eine Verbitterungsstörung entwickelt.

B5 führte versorgungsärztlich aus, dass sich laborchemisch weiterhin seit 1983 normwertige Leber- und Cholestaseparameter zeigten, einzig und allein wegen der geringen entzündlichen Aktivität im histologischen Befund sei der maximal hohe GdS von 30 vergeben worden. Eine Objektivierung der angegebenen Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit sei den Unterlagen nicht zu entnehmen. Aus diesen ergebe sich aber, dass die Klägerin nach dem Abgangszeugnis der achten Klasse nicht den benötigten Fleiß und die notwendige Ausdauer habe aufbringen können. Auch aus dem Lehrabschlusszeugnis lasse sich entnehmen, dass während der gesamten Ausbildungszeit die Aufgaben zwar verrichtet worden seien, jedoch ohne hierbei besonderen Eifer und Selbständigkeit zu entwickeln. Die Klägerin sollte an ihre Mitwirkungspflichten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass nunmehr seit Jahren eine hocheffektive antivirale Therapie der Hepatitis-C-Infektion zur Verfügung stehe, die zur Ausheilung führe, erinnert werden. Nach nochmaliger Prüfung der Akte sei die Ursächlichkeit der Hepatitis-C-Infektion für die Vitiligo und die Alopezie zweifelhaft, nämlich der Haarausfall bereits vorbestehend seit der Pubertät (Bl. 48 Bd. 1 V-Akte), damit vor der Prophylaxe, und die Pigmentverschiebung (Bl. 50 f. Bd. 1 V-Akte) hingegen berichtet erst nach einem Urlaub mit starker Sonneneinstrahlung entweder 1980 oder 1981, also schon zeitlich fraglich. Aus dem Rehabilitationsentlassungsbericht der W1-Klinik B1, den Ausführungen des B4 wie denen des K1 hätten sich keine Hinweise für eine Schmerz- oder Verbitterungsstörung ergeben. Auch ein Juckreiz oder offene Hautwunden seien bislang nicht Anlass für eine ärztliche Behandlung gewesen und damit nicht belegt. Dem Bericht der A2 seien keine aussagekräftigen Verlaufs- und Befundfakten zu entnehmen; es seien nur die Angaben der Klägerin wiedergegeben worden. Zusammenfassend hätten die bestehenden psychischen Störungen nicht mindestens gleichwertig auf die sehr gut behandelbare Hepatitis-C-Infektion zurückgeführt werden können.

A2 teilte mit, dass sich keine Veränderungen in den festgestellten Befunden ergeben hätten.

Aus dem ärztlichen Befundbericht des K1 ließ sich eine Verschlechterung der depressiven Symptomatik der Klägerin nach dem Tod ihres Ehemanns entnehmen. Ihr sei alles zu viel geworden und sie habe nur noch unter starken Anstrengungen ihre Alltagsanforderungen bewältigen können. Es hätten ein soziales Rückzugsverhalten, eine Tagesmüdigkeit und Ein- und Durchschlafstörungen imponiert. Die Stimmung sei niedergeschlagen und die Klägerin antriebslos gewesen. Sie habe viel gegrübelt und habe nach eigener Aussage hin und wieder passive Todeswünsche gehabt. Aufgrund der Hepatitis-C-Infektion sei die Einstellung auf Antidepressiva erschwert gewesen. Trotz stützender Einzelgespräche und einer stationären Behandlung in der W1-Klinik B1 sei eine Stabilisierung nicht erreicht worden. Eine Besserung des Zustands sei in absehbarer Zeit nicht zu erwarten gewesen.

B5 legte versorgungsärztlich dar, dass sich aus dem ärztlichen Befundbericht des K1 ergebe, dass den Nichtschädigungsfolgen eine überragende Bedeutung zukomme. Auf die Mitwirkungspflicht bezüglich der Therapie der chronischen Hepatitis-C-Infektion wurde erneut hingewiesen.

Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 12. November 2019 zurück. Nach Auswertung der zur Vorlage gekommenen ärztlichen Unterlagen und unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin bestünden im Vergleich zu den Verhältnissen, die für den Bescheid vom 16. Oktober 2000 maßgebend gewesen seien, keine Anhaltspunkte für die Annahme einer wesentlichen Verschlimmerung der schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen. Insofern stützte sich der Beklagte zur weiteren Begründung auf die erhobenen versorgungsärztlichen Stellungnahmen.

Am 2. Dezember 2019 hat die Klägerin beim SG das ruhende Verfahren S 5 VM 560/16 wieder angerufen und hilfsweise Klage gegen den Bescheid vom 13. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2019 erhoben. Die beiden Sachverhalte seien identisch, womit vorrangig des Verfahren S 5 VM 560/16 wieder anzurufen sei.

Sie hat den bereits aktenkundigen Bericht der A2 und den Rehabilitationsentlassungsbericht der W1-Klinik B1 vorgelegt.

Nachfolgend hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Bescheid vom 13. Juli 2018 nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des ruhenden Verfahrens S 5 VM 560/16 geworden sei.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen.

B3 hat angegeben, die Klägerin seit 1995 hausärztlich zu behandeln. Im Mai 2014 habe sie unter einem Schwächegefühl, einer Herabgestimmtheit und einer Vitiligo, die mehr als 50 % der Körperfläche betroffen habe, gelitten. Im November 2014 habe die Klägerin wegen ihrer Verstimmtheit, die sie auf die Hepatitis-C-Infektion zurückgeführt habe, B4 aufgesucht und im September 2015 beklagt, dass sie keinen Termin bei einem Psychotherapeuten bekomme. Im Mai 2016 seien die Kriterien für eine zumindest mittelgradige Depression erfüllt gewesen, bei dem Folgetermin im Juni 2016 sei aufgrund der Behandlung mit Citalopram eine deutliche Stimmungsverbesserung eingetreten gewesen. Nach einer Überweisung in die Psychiatrie im Juli 2016 habe die Klägerin im August 2017 eine Psychotherapie begonnen. Im September 2018 sei eine familiäre Konfliktsituation aufgetreten, im November 2018 sei der Ehemann der Klägerin plötzlich verstorben, die vergebliche Reanimation in der Wohnung sei vor ihren Augen erfolgt, es habe sich eine Trauerreaktion entwickelt. Im Februar 2019 habe die Klägerin von einem sehr oberflächlichen und unbefriedigenden Kontakt zum K1 berichtet und von der Aufnahme einer Gesprächstherapie bei der A2. Im Mai 2019 seien von der Klägerin als Folgen der langjährigen Hepatitis-C-Infektion der Haarausfall, die Vitiligo und die Depression gesehen worden. Sie habe unter Schlafstörungen, trockener Haut mit Juckreiz und einem mangelnden Selbstwertgefühl gelitten.

Aus dem der Zeugensausage beigefügen Berichten der Endoskopie D1 (H1) hat sich am 2. September 2020 der Beginn der antiviralen Therapie der Hepatitis-C-Infektion entnehmen lassen.

Der ebenso beigefügte Bericht des B4 vom 5. April 2017 hat eine erneute Vorstellung der Klägerin seit 2014 und 2016 wie die Diagnose einer gesicherten Anpassungsstörung aufgeführt. Der Grund der erneuten Vorstellung sei nicht ganz klar geworden. Die Klägerin habe berichtet, dass sie immer noch keinen Psychotherapeuten gefunden habe und angedeutet, dass es Auseinandersetzungen bezüglich einer Entschädigung und Schwerbehinderung gebe. Insgesamt habe sie den Eindruck gemacht, dass es ihr besser gehe als 2014. Sie habe berichtet, mit ihrem Mann in eine neue, sehr schöne Wohnung umgezogen zu sein; dort fühle sie sich sehr wohl. Regelmäßig gehe sie raus, betreibe Nordic Walking, treffe sich teilweise mit einer Freundin oder mit ihrer Tochter und gehe dann Kaffeetrinken. Das Hauptproblem habe der Schlaf dargestellt, diverse Medikamente habe sie nicht vertragen, versuche es jetzt mit Baldrian.

Aus einem weiteren Bericht des B4 vom 3. November 2016 hat sich ergeben, dass die Klägerin einen Zusammenhang zwischen der Hepatitis-C-Infektion und ihrer inneren Unruhe wie den Schlafstörungen gesehen habe. Diese Einschränkungen hätten aber auch als evolutionsdepressive Symptomatik interpretiert werden können.

Als sachverständige Zeugin hat die A2 eine fortlaufende Therapie der Klägerin seit dem 6. April 2018 wegen einer mittelgradigen rezidivierenden depressiven Episode, einer somatoformen Schmerzstörung und einer sonstigen Reaktion auf schwere Belastungen bzw. einer Verbitterungsstörung berichtet. Daneben habe sie unter einer chronischen Hepatitis-C-Infektion mit deutlicher entzündlicher Aktivität, einer Vitiligo und einer Alopezie gelitten. Seit Therapiebeginn habe sie eine schnelle Erschöpfbarkeit, eine soziale Unsicherheit durch ihr Äußeres, hierdurch Einschränkungen im Alltag, und Angst vor der Verschlimmerung der körperlichen Zustände beklagt. Die Nichtanerkennung der Leidensverursachung verletze sie in ihrem Selbstwertgefühl massiv und habe zu einer Verbitterungsstörung geführt. Hierzu hätten auch die Verarbeitung der traumatischen Lebensereignisse (Angst zu sterben, fehlender Erstkontakt zu ihrem neugeborenen Sohn, stationäre Aufenthalte während ihre Kinder klein gewesen seien und geringe körperliche Belastbarkeit) beigetragen. Im psychopathologischen Befund sei die Klägerin freundlich zugewandt, immer sehr modisch gekleidet, unsicher im sozialen Kontakt mit starker Fixierung auf ihre Tochter, spürbarem Leidensdruck, negativ getöntem Vitalgefühl, Rückzugstendenzen bei sozialen Konflikten, unsicherem, ängstlichem und aufgeregtem Affekt, trauriger und verbitterter Stimmung, geringer Stresstoleranz und schnellem Überforderungsgefühl gewesen. Die Psychomotorik habe angespannt und der Antrieb vermindert imponiert; leichte Merk- und Konzentrationsstörungen wie eine eingeschränkte Aufmerksamkeitsspanne hätten bestanden. Inhaltlich sei das Denken in Form von Grübeln über die Schädigung sowie die fehlende Anerkennung eingeengt gewesen. Infolge der Hauterkrankung hätten multiple Schmerzen bestanden. Ein- und Durchschlafstörungen hätten vorgelegen.

Die Therapie sei wegen einer Überforderungssituation bezüglich der Pflege ihres Ehemanns nach einem Schlaganfall aufgenommen worden, es habe eine deutliche Entlastung erreicht werden können. Nach dem überraschenden Tod ihres Ehemanns im November 2018 sei ein erneuter psychischer Einbruch erfolgt. Diese Akutereignisse seien in die chronische Rechtsauseinandersetzung eingebettet gewesen. Gemäß eines Störungsmodells sei die Schädigung der grundlegende Faktor für die immer wieder aufbrechende Depression.

Der H1, Endoskopie D1, hat als sachverständiger Zeuge berichtet, am 1. September 2020 sei eine Therapie der Hepatitis-C-Infektion für die Dauer von zwölf Wochen eingeleitet worden. Eine Kontrolle des Therapieerfolgs sei für den 5. Januar 2021 vorgesehen. 

Zuletzt hat K1 als sachverständiger Zeuge eine seit dem 2. Juni 2017 erfolgende Behandlung der Klägerin angegeben. Diese habe von depressiven Symptomen wie einer bedrückten Stimmungslage, einer reduzierten Freude und Lust sowie Antriebsstörungen berichtet. Eine Verschlechterung der Symptomatik sei infolge des Todes ihres Ehemanns eingetreten. Die reduzierte psychophysische Belastbarkeit sei wahrscheinlich indirekt auf die Hepatitis-C-Infektion zurückzuführen gewesen, da die Klägerin deswegen starke Zukunftsängste entwickelt habe. Auch habe die Hepatitis-C-Infektion eine thymoleptische Behandlung erschwert; Folge sei, dass sich die Symptome noch weiter chronifizieren würden.   

Der Beklagte hat die sachverständigen Zeugenaussagen von W2 versorgungsärztlich auswerten lassen. Demnach habe H1 zum weiteren Verlauf nochmals befragt werden sollen. Mit der erfolgreichen Viruselimination gelte die chronische Hepatitis-C-Infektion als geheilt und könnte als Schädigungsfolge nicht mehr zur Anerkennung kommen. Zur sachverständigen Zeugenaussage K1 ist angemerkt worden, dass hinsichtlich einer medikamentösen Behandlung genügend Ausweichpräparate existierten, die z. B. auch bei anderen Erkrankungen der Leber eingesetzt würden. Auch aus den weiteren sachverständigen Zeugenaussagen hätten sich keine neuen Aspekte ergeben. Der A2 dürfte die geringe entzündliche Aktivität der Hepatitis C-Infektion nicht bekannt gewesen sein, wenn sie von einer chronischen Hepatitis mit deutlicher entzündlicher Aktivität spreche. Die nicht schädigungsbedingten familiären Belastungssituationen (Pflege des Ehemanns und dessen Tod mit anschließender ausgeprägter Trauerreaktion) seien bereits bekannt gewesen und versorgungsärztlich berücksichtigt worden.

H1 hat mitgeteilt, dass seit Januar 2021 eine komplette Remission der Hepatitis-C-Infektion eingetreten sei. Ein Virusnachweis bestehe nicht mehr, die Leberwerte seien völlig unauffällig.  

Nochmals als sachverständige Zeugin befragt hat A2 auf ihre bisherige Aussage verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass infolge der erfolgreichen Behandlung die Angst vor einer Verschlimmerung der Hepatitis-C-Infektion nicht mehr bestehe. Dennoch seien aufgrund der chronischen, langwährenden und nicht heilenden Krankheitsfolgen wie der Vitiligo, der Hautempfindlichkeit, des Haarausfalles und der Verbitterung in der Verarbeitung der Krankheitsgeschichte weiterhin die Diagnosen sonstige Reaktion auf schwere Belastung und soziale Phobien zu stellen.

Der Beklagte hat hierzu ausgeführt, die weiteren sachverständigen Zeugenaussagen stützten die Ausheilung der Hepatitis-C-Infektion. Die Hauterkrankung sei bereits als Schädigungsfolge berücksichtigt. Hinsichtlich der psychischen Beschwerden ergäben sich keine neuen Aspekte.

Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass zwar die Hepatitis-C-Infektion, nicht aber die Folgen derselben ausgeheilt seien. Sie hat auf die sachverständige Zeugenaussage der A2 verwiesen.

Mit Verfügung vom 28. Juli 2021 hat das SG angeregt, die Klage zurückzunehmen. Die ausgeheilte Hepatitis-C-Infektion dürfte keinen zu berücksichtigenden GdS mehr bedingen. Auch unter Berücksichtigung der psychischen Folgen, der Vitiligo und der Alopezie komme ein höherer Gesamt-GdS als 40, wie er bereits berücksichtigt sei, wohl nicht in Betracht.

Hierauf hat die Klägerin erwidert, dass die nach wie vor bestehenden Schädigungsfolgen einen Gesamt-GdS von mindestens 60 begründeten. Der Bescheid vom 14. März 2000, in dem von einem Gesamt-GdS von 40 ausgegangen worden sei, liege mehr als 20 Jahre zurück. Die psychischen Schädigungsfolgen und die Verschlimmerung der Vitiligo wie der Alopezie seien nicht berücksichtigt. Aus den Ausführung der A2 ergebe sich das Vorliegen einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, sodass alleine hierfür ein GdS von 30 bis 40 angemessen sei. Zusätzlich sei die Vitiligo mit einem GdS von 10 bis 20 und die Alopezie mit einem GdS von 10 bis 30 zu bewerten. Der Gesamt-GdS sei damit jedenfalls höher als 40.   

Mit weiterer Verfügung vom 15. September 2021 hat das SG ausgeführt, dass ein Einzel-GdS von 10 und auch von 20 nur bei schweren Funktionsbeeinträchtigungen zur Erhöhung des Gesamt-GdS führe. Demnach dürfte auch ein Einzel-GdS von 30 bis 40 für die psychischen Funktionsstörungen den Gesamt-GdS unter Berücksichtigung der Einzel-GdS für die Vitiligo und die Alopezie nicht erhöhen, zumal Überschneidungen vorlägen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage durch Gerichtsbescheid vom 20. Oktober 2021 abgewiesen. Die Klage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Im Wege einer zulässigen Klageerweiterung habe die Klägerin in die zunächst gegen den Bescheid vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2016 erhobene Klage auch den Bescheid vom 13. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2019 einbezogen. Ein höherer Gesamt-GdS als 40 werde jedoch nicht erreicht, da eine Verschlimmerung im Vergleich zum Bescheid vom 16. Oktober 2000 nicht eingetreten sei.

Die Hepatitis-C-Infektion befinde sich seit Januar 2021 aufgrund der antiviralen Therapie in vollständiger Remission, damit liege ein relevanter Einzel-GdS nicht mehr vor. Zuvor habe der Beklagte diese zutreffend mit einem Einzel-GdS von 30 bewertet. Die bei der Klägerin ausweislich der versorgungsärztlichen Inaugenscheinnahme am 7. Juli 2014 bestehende ausgedehnte Vitiligo und die beschriebene geringe Haardichte ohne sichtbare Kopfhaut erscheine vom Beklagten mit einem Einzel-GdS von 20 angemessen und ausreichend bewertet.

Die rezidivierende Störung, unter der die Klägerin ausweislich des Berichts der W1-Klinik B1 leide, sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Hepatitis-C-Infektion zurückzuführen. B4 habe nach der erstmaligen Vorstellung der Klägerin am 18. November 2014 eine depressive Episode nicht feststellen können. Aus dem Bericht der W1-Klinik B1, in der sich die Klägerin vom 27. September bis zum 17. Oktober 2017 zur stationären Behandlung befunden habe, habe sich erstmals eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig mittelgradiger Episode ergeben. Als Auslöser hierfür habe K1 aber den Tod eines Cousins der Klägerin beschrieben. Bei A2 habe die Klägerin eine Behandlung wegen der Überforderungssituation im Hinblick auf die Pflege ihres Ehemanns begonnen, diese habe bereits eine Verschlechterung nach dem Tod des Ehemanns festgestellt. Zudem habe A2 die fehlende Anerkennung durch den Beklagten als zusätzlichen Faktor für das Bestehen und die Verfestigung der Depression mitgeteilt. Allerdings führe der Wunsch nach Anerkennung nicht zu einer Kausalität in dem Sinne, dass die Hepatitis-C-Infektion dadurch ursächlich für die Depression werde. Die psychische Belastung durch die Hepatitis-C-Infektion selbst sei bereits bei deren Bewertung mitberücksichtigt. Allein im Bericht der
W1 -Klinik B1 sei als Auslöser für sämtliche Beschwerden die Hepatitis-C-Infektion genannt worden, dies aber nicht im Rahmen der Diagnostik, sondern nur in der Anamnese und damit allein auf den Angaben der Klägerin beruhend. Es spreche daher mehr dagegen als dafür, dass die Hepatitis-C-Infektion der überwiegende Auslöser für die über 35 Jahre nach der Infektion aufgetretene Depression sei.

Es verbleibt somit bei einem Gesamt-GdS von 40 unter Berücksichtigung eines Teil-GdS von 30 für die Hepatitis-C-Infektion bis Ende 2020 und unter Berücksichtigung eines Teil-GdS von 20 für die Vitiligo und die Alopezie. Eine Verschlechterung gegenüber dem Bescheid vom 16. Oktober 2000, die einen höheren Gesamt-GdS rechtfertige, sei nicht eingetreten. Im Gegenteil sei seit Januar 2021 die Hepatitis-C-Infektion in Remission, so dass ab diesem Zeitpunkt von einer Verbesserung des Gesundheitszustands der Klägerin ausgegangen werden müsse.

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigen am 20. Oktober 2021 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat die Klägerin am 16. November 2021 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
 
Zur Berufungsbegründung führt sie aus, ihr Gesundheitszustand, insbesondere der psychische, habe sich seit 2000 drastisch verschlechtert, dies auch trotz der vollständigen Elimination der Hepatitis-C-Infektion im Jahr 2021. Bislang seien die psychischen Schädigungsfolgen – eine mittelgradige rezidivierende depressive Störung, eine Verbitterungsstörung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung – nicht berücksichtigt worden. Entgegen den Ausführungen des SG könne allein wegen des zwischenzeitlichen Todes ihres Ehemanns nicht die wesentliche Ursächlichkeit der Hepatitis-C-Infektion für ihre psychischen Erkrankungen in Abrede gestellt werden. Denn bereits zuvor hätten die psychischen Erkrankungen, wie A2 und auch K1 bestätigt hätten, bestanden. Auch sei zwischenzeitlich eine Millionenförderung für die Forschung zu den gesundheitlichen Folgen des SED-Unrechts, u. a. auch zum Ursachenzusammenhang zwischen der durch die Anti-D-Prophylaxe verursachten Hepatitis-C-Infektion und den psychischen Folgen bewilligt worden. Das SG habe verkannt, dass für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Schädigung und ihren psychischen Erkrankungen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend sei.   

Die Klägerin beantragt – sinngemäß –,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Oktober 2021 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2016 und des Bescheides vom 13. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2019 zu verurteilen, ihr unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 16. Oktober 2000 ab dem 19. März 2014 eine Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 60 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat bei B2 aufgrund der ambulanten Untersuchungen der Klägerin am 18. Juli und am 1. August 2022 ein psychiatrisches Gutachten erhoben. Demnach hätten bei der Klägerin ein Z. n. Hepatitis-C-Infektion, inzwischen Virus-Elimination durch moderne Behandlungsmethoden, eine Leberfibrose Grad 1, ein HWS- und Brustwirbelsäulen (BWS)-Syndrom, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, eine Vitiligo, eine Alopezie, ein Tinnitus und olfaktorische Halluzinationen vorgelegen.

Zum Untersuchungszeitpunkt sei die Klägerin leicht depressiv gewesen, die abweichenden Befunde aus der testpsychologischen Untersuchung müssten kritisch reflektiert werden. Die seit der Therapie der Hepatitis-C-Infektion bestehenden quälenden Geruchshalluzinationen seien für ganz neue und ganz anders gelagerte Beeinträchtigungen und Ängste verantwortlich. Zum Teil sei auch die rezidivierende depressive Entwicklung auf die Hepatitis-C-Infektion zurückzuführen gewesen, hierfür seien aber auch andere Faktoren, wie das frühzeitigen Herausgerissenwerden aus dem vertrauten Umfeld im Kindesalter, die Ängste um das eigene Leben infolge der Impfung, der Verlust eines nahen Angehörigen, eines Cousins, und der Tod des Ehemanns in der jüngeren Vergangenheit ursächlich. Es sei rein hypothetisch anzunehmen, dass der depressive Verlauf allein durch die Hepatitis-C-Infektion getriggert worden sei, hiergegen sprächen eindeutig das klinische Bild und die Lebenserfahrung. Allerdings seien in Zusammenhang mit der antiviralen Therapie der Hepatitis-C-Infektion in jüngerer Vergangenheit belastende Geruchshalluzinationen aufgetreten; der zeitliche Zusammenhang bestehe, andere Ursachen seien nicht erkennbar. Unter Berücksichtigung derselben sei wegen der Beeinträchtigung der Lebensqualität ein Gesamt-GdS von 50 noch vertretbar. Der in der Vergangenheit festgestellte Gesamt-GdS von 40 könne Bestand haben. Man müsse berücksichtigen, dass die Klägerin in verschiedenen Branchen berufstätig gewesen sei und zwei Kinder habe großziehen können. Die nun neu aufgetretenen Geruchshalluzinationen rechtfertigen aber ab Beginn der Therapie mit Elbasvir und Grazoprevir, dem 1. September 2020, einen GdS von 50.    

Die Klägerin habe mitgeteilt, sie sei je zu einem Drittel durch die Erkrankung ihrer Haare, die Hauterkrankung und die Depression belastet. Die Haare seien dünn, wofür sie sich schäme. Ebenso schäme sie sich wegen der Vitiligo, sie müsse sich – egal welches Wetter – immer bedecken und könne nicht ins Schwimmbad gehen. Seit der Therapie der Hepatitis-C-Infektion leide sie zusätzlich unter lästigen Geruchshalluzinationen. Aufgrund der körperlichen Erkrankungen fühle sie sich anhaltend depressiv und minderwertig. Es bestünden Ein- und Durchschlafstörungen, pro Nacht schlafe sie ungefähr sechs Stunden, fühle sich aber nicht erholt. Seit der Therapie der Hepatitis-C-Infektion mit Zepatier belaste sie neben der Geruchsstörung auch ein Zischen in den Ohren. In psychischer Hinsicht leide sie unter Konzentrationsstörungen, sie könne nicht einmal mehr die Zeitung lesen, ihre Daueraufmerksamkeit sei schlecht, es bestünden Wortfindungsstörungen, Unbehagen bei Menschenansammlungen, Schamgefühle, Selbstvorwürfe, Grübeln, Reizbarkeit und Niedergeschlagenheit. Tagesschwankungen träten in der Stimmung und im Antrieb auf. Sie habe das Gefühl des Kontrollverlustes, könne ihr Leben nicht mehr so genießen wie früher, leide unter einer Entscheidungsschwäche und einem Wertlosigkeitserleben.

Täglicher Kontakt bestünde zu ihrer Tochter, wofür sie sehr dankbar sei. Noch immer leide sie sehr unter dem Tod ihres Ehemanns. Sie habe einen Freundeskreis, gehe gern spazieren, telefoniere mit Angehörigen, höre Radio und schaue fern. Zuletzt sie sie 2022 mit dem Bus in Italien im Urlaub gewesen, ihre Tochter und deren Lebensgefährte nähmen sie teilweise mit in den Urlaub.

Vor circa sechs Jahren sei sie erstmals bei K1 in Behandlung gewesen; sehr enttäuscht hätten sie aber die nur möglichen Kurztermine. Er habe sie jedoch in die stationäre Behandlung in die W1-Klinik B1 vermittelt. Die Therapie bei A2 erfolge seit April 2018 und tue ihr gut.

Bei der körperlichen Untersuchung habe eine Vitiligo am ganzen Körper imponiert, die Kopfbehaarung sei spärlich und sehr dünn gewesen. Die durchgeführten Tests hätten auf eine mangelnde Konzentrationsleistung, ausgeprägte körperliche Beeinträchtigungen, multiple psychische Beeinträchtigungen und einen nicht stark ausgeprägten Persönlichkeitsstil i. S. einer Persönlichkeitsstörung hingedeutet. Im psychischen Befund sei die Klägerin wach, bewusstseinsklar und voll orientiert mit immer wieder auftretenden affektiven Einbrüchen gewesen. Ein deutliches Remanenzerleben und Benachteiligungsgefühl hätten sich gezeigt. Die Aufmerksamkeit und Konzentration seien bei intaktem Gedächtnis gemindert gewesen, auch der Antrieb habe sich leicht gemindert präsentiert.

Der Beklagte ist dem Gutachten des B2 unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme der W2 entgegengetreten. Diese hat darauf hingewiesen, dass den Befundberichten zur Therapie der Hepatitis-C-Infektion keine Nebenwirkungen zu entnehmen seien. Auch im Befundbericht der A2 vom 21. Juni 2021 seien keine Geruchssensationen genannt. B2 sei zusammenfassend von einer leichten depressiven Beeinträchtigung ausgegangen. Aus der Sozialanamnese habe sich in Anbetracht der inner- und außerfamiliären sozialen Kontakte der Klägerin keine Beeinträchtigung ergeben. Ebenso habe die Freizeit- und Urlaubsgestaltung nicht auf einen sozialen Rückzug schließen lassen. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bestehe demnach nicht, die subjektiven Beschwerden stünden im Widerspruch zu den sozialen Aktivitäten. Ob die Klägerin tatsächlich an Geruchshalluzinationen leide, könne nicht verifiziert werden. Eine Überprüfung des Geruchsorgans sei im Rahmen der Begutachtung nicht erfolgt. Die Hirnnerven, die auch den Geruchssinn einschlössen, seien bei der neurologischen Untersuchung unbeeinträchtigt gewesen. Das antivirale Präparat, welches bei der Klägerin Anwendung gefunden habe (Zepatier, Kombinationspräparat aus Elbasvir und Grazopvir), sei seit 2016 für die Therapie einer Hepatitis-C-Infektion zugelassen. Als Nebenwirkung sei eine Beeinträchtigung von peripheren und zentralen Nerven, insbesondere des Geruchssinns, nicht bekannt. Zusammenfassend ließen sich demnach weder die beklagten Geruchshalluzinationen noch die psychischen Beschwerden kausal auf die durchgemachte Hepatitis-C-Infektion zurückführen. Nach Ausheilung der Hepatitis-C-Infektion entfalle der bisher hierfür anerkannte GdS von 30. Der GdS von 20 für die Alopezie und die Vitiligo verbleibe unverändert. Es sei damit eine Verbesserung und keine Verschlechterung eingetreten.

Die Klägerin hat auf das Gutachten des B2 verwiesen, aus dem sich trotz der Therapie der Hepatitis-C-Infektion ein Gesamt-GdS von 50 ergebe. Nach dessen Ausführungen seien die Geruchshalluzinationen und zum Teil auch ihre rezidivierende depressive Störung auf die Hepatitis-C-Infektion zurückzuführen. Die versorgungsärztliche Stellungnahme des Beklagten sei demnach nicht überzeugend. Insbesondere handele es sich bei dem antiviralen Präparat um eine moderne Behandlungsmethode, womit wahrscheinlich sei, dass noch nicht alle Nebenwirkungen bekannt seien. Da B2 auch eine Leberfibrose Grad 1 festgestellt und diese mit einem Einzel-GdS von 10 bewertet habe, sei er ergänzend zu befragen, ob auch diese auf die Hepatitis-C-Infektion zurückzuführen sei. Rein vorsorglich werde auf § 7a AntiDHG hingewiesen, wonach für einen einmal anerkannten GdS Bestandsschutz gelte.

Mit Verfügung vom 6. Dezember 2022 hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass eine nochmalige Befragung des B2 vom Amts wegen nicht beabsichtigt sei. Die Leberfibrose dürfte, selbst wenn sie Schädigungsfolge sei, maximal mit einem Einzel-GdS von 10 zu bewerten sein. Dieser Einzel-GdS wirke sich aber nicht erhöhend auf den Gesamt-GdS aus.  

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
  
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 20. Oktober 2021, durch den das SG die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) der Klägerin auf Aufhebung des Bescheides vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2016 (§ 95 SGG) und des Bescheides vom 13. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2019 sowie auf Verurteilung des Beklagten, ihr unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 16. Oktober 2000 ab dem Zeitpunkt des Neufeststellungsantrags, dem 19. März 2014, eine Beschädigtengrundrente nach einem GdS von 60 zu gewähren, abgewiesen hat.

Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der vorliegenden Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54, Rz. 34), ohne eine solche der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, demnach der 25. Mai 2023.

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der teilweisen Unzulässigkeit und teilweisen Unbegründetheit der Klage.
Die Klage ist insoweit unzulässig, wie sie sich gegen den Bescheid vom 13. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2019, der auf den zweiten Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 6. November 2017 ergangen ist, richtet. Denn nach den obigen Ausführungen ist im Klageverfahren gegen den, den ersten Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 19. März 2014 ablehnenden Bescheid vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2016 streitgegenständlich der gesamte Zeitraum bis zur gerichtlichen Entscheidung. Mithin besteht hinsichtlich des Zeitraums ab dem zweiten Neufeststellungsantrag vom 6. November 2017 doppelte Rechtshängigkeit (§ 94 Satz 1 SGG), die zur Unzulässigkeit der Klage führt (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 94, Rz. 7).

Entgegen den Ausführungen der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren ist der den zweiten Neufeststellungsantrag vom 6. November 2017 ablehnende Bescheid vom 13. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2019 nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des ursprünglichen Klageverfahrens S 5 VM 560/16 geworden, da er den Bescheid vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2016 weder abgeändert noch ersetzt hat. Der vorgenannte Bescheid ist kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da er nur den Neufeststellungsantrag vom 19. März 2014 abgelehnt hat (vgl. Senatsurteil vom 3. August 2017 – L 6 VS 1447/16 –, juris, Rz. 51; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Oktober 2014 – L 3 SB 3881/13 –, juris, Rz. 29; Schmidt, a. a. O., § 96, Rz. 4a).

Soweit sich die Berufung gegen den Bescheid vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2016 richtet, ist sie zulässig, aber unbegründet. Ihre Unbegründetheit folgt aus der Unbegründetheit der Klage.    

Der vorgenannte Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dieser auf ihren Neufeststellungsantrag vom 19. März 2014 einen höhere Beschädigtengrundrente als nach einem GdS von 40 zu gewähren. Der Senat konnte sich, ebenso wie das SG, nach Auswertung der im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren zur Vorlage gekommenen medizinischen Unterlagen und ärztlichen Meinungsäußerungen nicht davon überzeugen, dass die Klägerin infolge des schädigenden Ereignisses i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 AntiDHG unter Schädigungsfolgen leidet, die ab dem maßgeblichen Zeitpunkt des Neufeststellungsantrags vom 19. März 2014 mit einem höheren GdS als 40 zu bewerten sind. Soweit B2 den GdS ab dem 1. September 2020 mit 50 eingeschätzt hat, hat sich der Senat dem nicht anschließen können. 

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrunde liegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist auszugehen, wenn aus dieser eine Veränderung des Gesamt-GdS um wenigstens 10 folgt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt – teilweise – aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 – 9a RVs 55/85 –, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des – teilweise – aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 V 2/10 R –, SozR 4-3100 § 35 Nr. 5, Rz. 38 m. w. N.).


Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Im Vergleich zum maßgeblichen Vergleichsbescheid, dem Bescheid vom 16. Oktober 2000, ist eine wesentliche Änderung i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X wegen der der bisherige GdS von 40 um mindestens 10 zu erhöhen wäre, zur Überzeugung des erkennenden Spruchkörpers nicht eingetreten. Im Gegenteil ist infolge der Therapie der Hepatitis-C-Infektion und deren kompletten Remission seit Januar 2021 eine Verbesserung erfolgt.  
  
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AntiDHG erhalten Frauen, die in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet infolge einer in den Jahren 1978 und 1979 durchgeführten Anti-D-Immunprophylaxe mit den Chargen des Bezirksinstituts für Blutspende- und Transfusionswesen des Bezirkes Halle Nrn. 080578, 090578, 100678, 110678, 120778, 130778, 140778, 150878, 160978, 171078, 181078, 191078, 201178, 211178 und 221278 mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert wurden, sowie Kontaktpersonen, die von ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert wurden, aus humanitären und sozialen Gründen Krankenbehandlung und eine finanzielle Hilfe. Berechtigte nach § 1 Abs. 1 S. 1 AntiDHG erhalten als finanzielle Hilfe eine monatliche Rente und eine Einmalzahlung (§ 3 Abs. 1 AntiDHG).

Die monatliche Rente beträgt nach § 3 Abs. 2 AntiDHG bei einem GdS infolge der Hepatitis-C-Virus-Infektion von 30 272 Euro, von 40 434 Euro, von 50 598 Euro, von 60 815 Euro und von 70 oder mehr 1.088 Euro.


Nach § 3 Abs. 4 AntiDHG bestimmt sich der GdS nach § 30 Abs. 1 und § 31 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS – bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als MdE bezeichnet – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25 besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2014 – L 6 VS 413/13 –, juris, Rz. 42; Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2).

Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das AntiDHG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Das AntiDHG enthält insoweit eine Lücke, weil der Gesetzgeber vorausgesetzt hat, dass die „durch die Hepatitis-C-Virus-Infektion verursachten gesundheitlichen Folgen“ den gesundheitlichen Folgen der Schädigung i. S. d. § 1 Abs. 1 BVG entsprechen, ohne aber die Beweisanforderungen an den Ursachenzusammenhang zu regeln. Diese Lücke ist durch die entsprechende Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG zu schließen, weil diese Vorschrift einen im gesamten sozialen Entschädigungsrecht als Normalfall geltenden Grundsatz zum Ausdruck bringt (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 16. Februar 2017 – L 9 VE 25/13 –, juris, Rz. 81). Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 11 Abs. 2 AntiDHG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.

Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a. a. O., § 128, Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 – B 11 AL 35/09 R –, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).

Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 m. w. N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 6/13 R –, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein „deutliches" Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.

Bei dem „Glaubhafterscheinen“ i. S. d. § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., § 128, Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8.
August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3 3900 § 15 Nr. 4, S. 14 f. m. w. N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a. a. O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 15).

Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend – seit Juli 2004 – den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008, den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), (VG, Teil C, Nrn. 1 bis 3; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 6/13 R –, juris, Rz. 17).
Gemessen an diesen gesetzlichen Vorgaben und der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, hat der Beklagte zu Recht durch Bescheid vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2016 den Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 19. März 2014 auf Bewilligung einer Beschädigtengrundrente nach einem höheren GdS als 40 abgelehnt.

Durch Bescheid vom 16. Oktober 2000 hat der Beklagte (sinngemäß) bestandskräftigt (§ 77 SGG) eine Schädigung der Klägerin i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 AntiDHG und als Schädigungsfolgen eine chronische Hepatitis-C-Infektion mit geringer entzündlicher Aktivität, eine Vitiligo und eine Alopezie anerkannt. Diese Schädigungsfolgen hat er damals mit einer Gesamt-MdE von 40 v. H., zwischenzeitlich einem Gesamt-GdS von 40, bewertet. Grundlage hierfür war die versorgungsärztliche Stellungnahme des
N1, aus der sich für die chronische Hepatitis-C-Infektion ein Teil-GdS von 30 ergeben hat, und die versorgungsärztlichen Ausführungen des A1 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 7. Juli 2014, wonach die Alopezie und die Vitiligo einen Teil-GdS von 20 begründet haben.

Die im Funktionssystem „Verdauung“ zu berücksichtigende Hepatitis-C-Infektion der Klägerin war jedoch auch vor dem Eintritt ihrer kompletten Remission seit Januar 2021, wie sie der Senat dem im Wegen des Urkundsbeweises verwerteten (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung <ZPO>) Bericht des
H1 entnimmt, nicht mit einem höheren Teil-GdS als 20 zu bewerten. Der vom Beklagten angenommene Teil-GdS von 30 war demnach von Anfang an überhöht.

Nach den VG, Teil B, Nr. 10.3.1 führt eine chronische Hepatitis ohne (klinisch-)entzündliche Aktivität (ehemals: chronische Hepatitis ohne Progression) zu einem Einzel-GdS von 20. Bei geringer (klinisch-)entzündlicher Aktivität (ehemals: chronische Hepatitis mit Progression, geringe entzündliche Aktivität) beträgt der Einzel-GdS 30. Bei Vorliegen eines histologischen Befundes gelten für die Virus-Hepatitiden folgende Besonderheiten: Die histopathologische Bewertung der chronischen Virushepatitis umfasst die nekroinflammatorische Aktivität (Grading) und den Grad der Fibrose (Staging). Bei geringer nekro-inflammatorischen Aktivität und einer Fibrose mit einem Grad von null bis gering beträgt der Einzel-GdS 20. Für die Virushepatitis C gelten bei fehlender Histologie im Hinblick auf die chemischen Laborparameter folgende Besonderheiten: ALAT-/GPT-Werte im Referenzbereich entsprechen bei nachgewiesener Hepatitis-C-Virus-Replikation einer chronischen Hepatitis ohne (klinisch-)entzündliche Aktivität.

Orientiert an diesen Vorgaben wurde zu keinem Zeitpunkt ein höherer Einzel-GdS als 20 erreicht. Aus dem urkundsbeweislich verwerteten histologischen Gutachten des Klinikums der Albert-   Ludwigs-Universität
F1 vom 27. Mai 1997 hat sich eine entzündliche Aktivität der Heptatitis-C-Infektion im Grad I sowie eine Fibrose im Stadium I ergeben. Die Veränderungen waren nur sehr gering ausgeprägt und haben überhaupt nur knapp das Ausmaß der für die Einstufung notwendigen Veränderungen erreicht. Im Verfahren auf den streitgegenständlichen Neufeststellungsantrag vom 19. März 2014 hat der die Klägerin behandelnde Arzt B3 ebenso von einer Hepatitis-C-Infektion mit einer Aktivität Grad I und Fibrose Stadium I, also einen unveränderten Befund berichtet. Dem im Weiteren urkundsbeweislich verwerteten Bericht der W1-Klinik B1 über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 27. September bis zum 17. Oktober 2017 lassen sich ein GPT-Wert und auch andere Laborwerte im Normbereich entnehmen.

Aus dem urkundsbeweislich verwerteten Bericht des
H1 nach kompletter Remission der Hepatitis-C-Infektion im Januar 2021 ergeben sich aktuell völlig unauffällige Leberwerte. Nach der Remission führt die stattgehabte Hepatitis-C-Infektion demnach zu gar keinem Einzel-GdS mehr. Die vom B2 – fachfremd – gutachterlich festgestellte Leberfibrose Grad I begründet ohne Komplikationen nach den VG, Teil B, Nr. 10.3.2 maximal einen Einzel-GdS von 10.

Die im Funktionssystem „Haut“ zu berücksichtigende Vitiligo und Alopezie, die der Beklagte durch Bescheid vom 16. Oktober 2000 bindend als Schädigungsfolgen anerkannt hat, sind mit einem Teil-GdS von 20 zu bewerten. Das gilt, auch wenn der Haarausfall bereits vorbestehend seit der Pubertät (Bl. 48 Bd. 1 V-Akte), damit vor der Prophylaxe war, die Pigmentverschiebung (Bl. 50 f. Bd. 1 V-Akte) hingegen erst nach einem Urlaub mit starker Sonneneinstrahlung entweder 1980 oder 1981 berichtet wurde, also schon zeitlich der Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis mehr als fraglich ist, was der Senat der versorgungsärztlichen Auswertung der Arztberichte durch
B5 entnimmt. Die Anerkennung ist damit bereits rechtswidrig, aber nicht zum Nachteil der Klägerin, jedenfalls aber führen die Folgen nur zu einem Teil-GdS von 20.

Nach den VG, Teil B, Nr. 17.11 führt ein totaler Haarausfall (mit Fehlen von Augenbrauen und Wimpern) zu einem Einzel-GdS von 30.

Bei einem Naevus richtet sich der Einzel-GdS allein nach dem Ausmaß einer eventuellen Entstellung. Pigmentstörungen (z. B. Vitiligo) an Händen und/oder Gesicht werden bei einem geringen Ausmaß mit einem Einzel-GdS von 10, bei einem ausgedehnten Umfang mit einem Einzel-GdS von 20, sonst mit einem Einzel-GdS von 0 bewertet.

Hiernach wird nach dem Ergebnis der versorgungsärztlichen Untersuchung der Klägerin durch
A1 am 7. Juli 2014, den Bericht verwertet der erkennende Spruchkörper urkundsbeweislich, ein höherer Teil-GdS als 20 im vorliegenden Funktionssystem, damit der maximale Teil-GdS, nicht erreicht. Bei der ambulanten Untersuchung war die Kopfhaut komplett mit Haupthaar bedeckt, die Klägerin hat eine Kurzhaarfrisur getragen. Bei einer geringen Haardichte und Haaren von geringem Durchmesser war die Kopfhaut nicht sichtbar. Eine Alopezia areata (lokaler, kreisrunder Haarausfall) hat nicht vorgelegen. Im Gesicht hat eine Depigmentation direkt unter dem Haaransatz, perioculär, perioral am Kinn bestanden, nahezu der gesamte Hals und das Dekolleté waren pigmentfrei. Die Hände und Unterarme waren bis auf Höhe der Ellenbogen bei am Übergang zum Ellenbogen noch vereinzelten Pigmentinseln depigmentiert, ebenso die Oberarminnenseiten, die Fußrücken und die Unterschenkel bis zur Wade. Auch am Bauch sowie am Rücken haben nur noch vereinzelte Pigmentinseln bestanden.

Eine Zunahme der Vitiligo und der Alopezie in einem GdS-relevanten Ausmaß hat der Senat den im Weiteren zur Vorlage gekommenen ärztlichen Berichten nicht entnehmen können. Auch
B2 hat bei seiner gutachterlichen Untersuchung eine solche nicht beschrieben.  

Den im Neufeststellungsantrag vom 6. November 2017 geltend gemachten Juckreiz hat die Klägerin bei der gutachterlichen Untersuchung durch
B2 nicht mehr berichtet. Zudem hat sie sich wegen diesem und den weiteren Beschwerden ihrer Hauterkrankung zu keinem Zeitpunkt in fachärztlicher Behandlung befunden, woraus der Senat auf einen Leidensdruck in einem Umfang schließt, der gegen eine GdS-Relevanz spricht.

Zuletzt besteht auch im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ kein höherer Teil-GdS als 20. Die Klägerin leidet in diesem Funktionssystem, wie der Senat dem Gutachten des
B2 entnimmt, an einer rezidivieren depressiven Störung, die zum Zeitpunkt der Begutachtung mittelgradig ausgeprägt war, an Geruchshalluzinationen und einem Tinnitus. Aus den urkundsbeweislich verwerteten Ausführungen der A2 ergibt sich, dass die Klägerin zusätzlich an einer somatoformen Schmerzstörung und einer Verbitterungsstörung leidet.

Nach den insoweit maßgeblichen VG, Teil B, Nr. 3.7 begründen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen GdS von 0 bis 20, stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdS von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdS von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdS von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das BSG in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdS-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher oder der gleichgestellten (§§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 28 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung <SGB V>) psychotherapeutischen Behandlung durch – bei gesetzlich Versicherten zugelassene – Psychologische Psychotherapeuten in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdS-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris, Rz. 42; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).

Hieran orientiert leidet die Klägerin nicht an im vorliegenden Funktionssystem zu berücksichtigenden Funktionsstörungen, die wesentlich ursächlich durch die Schädigung i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 AntiDHG verursacht worden, mithin als Schädigungsfolgen zu berücksichtigen sind, die als stärkere Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdS von 30 bis 40 einzuschätzen sind.

Gegen die Bewertung mit einem höheren GdS als 20 spricht, dass nach den VG, Teil A, Nr. 2, i) bei der Beurteilung des GdS zwar auch seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu beachten sind; die in der GdS-Tabelle niedergelegten Sätze aber bereits die üblichen seelischen Begleiterscheinungen (z. B. bei Entstellung des Gesichts, Verlust der weiblichen Brust) berücksichtigen, worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat. Demnach sind die von der Klägerin gegenüber
B2, B4 und auch gegenüber der A2 angegebenen Gründe für ihre psychischen Beschwerden, die Angst vor einer Zunahme der Schädigungsfolgen und die Scham wegen der Alopezie und der Vitiligo typische Folgen der als Schädigungsfolgen anerkennten Funktionsstörungen und können damit grundsätzlich nicht zusätzlich als weitere Schädigungsfolgen im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ Berücksichtigung finden.

Auch der zeitliche Verlauf spricht gegen eine durch die Schädigung i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 AntiDHG wesentlich verursachte stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Die Hepatitis-C-Infektion hat im Jahr 1978 stattgefunden und die Schädigungsfolge Vitiligo ist im Jahr 1998 aufgetreten. Bereits zum damaligen Zeitpunkt waren nach den Angaben der Klägerin im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 15. Mai 1998 40 % ihres Körpers von der Vitiligo betroffen. Nach den weiteren Ausführungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 30. Oktober 2014 hat sie auch unmittelbar nach der Hepatitis-C-Infektion einen fast totalen Haarausfall erlitten. Psychische Schädigungsfolgen hat die Klägerin hingegen erstmals mit dem streitgegenständlichen Neufeststellungsantrag vom 19. März 2014 geltend gemacht und damit zu einem Zeitpunkt, als sie unter den von ihr als maßgeblich für die psychischen Schädigungsfolgen genannten physischen Schädigungsfolgen schon weit mehr als 10 Jahre gelitten haben will. Eine derartige zeitliche Verzögerung des erstmaligen Auftretens der psychischen Funktionsstörungen spricht zur Überzeugung des Senats gegen einen ursächlichen Zusammenhang, was
M1 bereits 1998 versorgungärztlich darlegte.

Darüber hinaus hat sich die Klägerin zum Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung von psychischen Schädigungsfolgen im Rahmen des Neufeststellungsantrags vom 19. März 2014 weder in psychiatrischer noch in psychotherapeutischer Behandlung befunden, sie war lediglich bei
B3 in hausärztlicher Behandlung. Nach den obigen Ausführungen äußert sich die Stärke des empfundenen Leidensdrucks nach ständiger Rechtsprechung des Senats aber auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher oder der gleichgestellten (§§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 28 Abs. 3 SGB V) psychotherapeutischen Behandlung durch – bei gesetzlich Versicherten zugelassene – Psychologische Psychotherapeuten in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdS-Bewertungsgrundsätze darstellt, die einen GdS-Bewertungsrahmen von 30 bis 40 eröffnet.

Auch bei der nachfolgend bei
B4 lediglich zunächst einmaligen Vorstellung am 18. November 2014 hat dieser, wie der Senat dessen urkundsbeweislich verwerteten Bericht entnimmt, keine depressive Episode diagnostizieren können. Eine psychotherapeutische Behandlung hat zu diesem Zeitpunkt weiterhin nicht stattgefunden.
Eine nachfolgende schädigungsbedingte Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustands der Klägerin ist trotz der Behandlung bei
K1, dem Rehabilitationsaufenthalt in der W1-Klinik S2 und der bei der A2 aufgenommenen Psychotherapie nicht objektiviert. So hat B3 im Juni 2016 aufgrund der Behandlung mit Citalopram eine deutliche Stimmungsverbesserung beschrieben. Aus dem urkundsbeweislich verwerteten Bericht des B4 nach ambulanter Vorstellung der Klägerin am 5. April 2017 ergibt sich, dass diese den Eindruck hinterlassen hat, dass es ihr besser als im Jahr 2014 geht. Sie berichtete, mit ihrem Mann in eine neue, sehr schöne Wohnung umgezogen zu sein und sich sehr wohl zu fühlen. Sie ist regelmäßig rausgegangen, hat Nordic Walking betrieben, sich teilweise mit einer Freundin oder mit ihrer Tochter getroffen und ist mit diesen Kaffeetrinken gegangen. Mithin war die Klägerin zu damaligen Zeitpunkt nicht in ihrer Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wesentlich schädigungsbedingt eingeschränkt und ist damit ein höherer GdS als 20 nicht begründet. Nach den Angaben der A2 besteht darüber hinaus nach der erfolgreichen Behandlung der Hepatitis-C-Infektion nachvollziehbar keine Angst mehr vor einer Verschlimmerung derselben.

Auch B2 hat nach den ambulanten gutachterlichen Untersuchungen der Klägerin am 18. Juli und am 1. August 2022 eine Verschlimmerung der psychischen Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund der Geruchshalluzinationen erst ab dem Beginn der nach seiner Ansicht hierfür ursächlichen antiviralen Therapie der Hepatitis-C-Infektion am 1. September 2020 angenommen. Erst ab diesem Zeitpunkt hat er die Schädigungsfolgen mit einen Gesamt-GdS von 50 bewertet. Für den Zeitraum davor hat er den vom Beklagten angenommenen Gesamt-GdS von 40 für ausreichend erachtet und darauf hingewiesen, dass die Klägerin trotz ihrer Funktionsstörungen in der Lage war, mehrere Beschäftigungen auszuüben und ihrer Kinder zu erziehen. Damit ist auch B2 nicht von einer wesentlichen Verschlimmerung im psychischen Gesundheitszustand der Klägerin vor dem 1. September 2020 ausgegangen.

Zudem bestehen in erheblichem Umfang schädigungsunabhängige Ursachen für die psychischen Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin. Aus den urkundsbeweislich verwerteten Berichten des K1, des Arztes B3 und der A2 lassen sich insoweit der Tod eines Cousins, mit dem die Klägerin aufgewachsen ist, eine familiäre Konfliktsituation im September 2018, eine Überforderungssituation wegen der Pflege des Ehemanns und der plötzliche Tod des Ehemanns nach einer erfolglosen Reanimation in der gemeinsamen Wohnung vor den Augen der Klägerin entnehmen. Zudem hat B4, wie der Senat dessen urkundsbeweislich verwerteten Bericht über die Vorstellung der Klägerin am 3. November 2016 entnimmt, eine Interpretation der inneren Unruhe und der Schlafstörungen der Klägerin als evolutionsdepressive Symptomatik, und damit ebenso schädigungsunabhängig, für wahrscheinlich gehalten. Auch B2 hat gutachterlich dargelegt, dass die rezidivierende depressive Entwicklung nur zum Teil auf die Hepatitis-C-Infektion zurückgeführt werden kann und hierfür auch, wie bereits sämtliche damit befassten Therapeuten davor, andere Faktoren wie das frühzeitige Herausgerissenwerden aus dem vertrauten Umfeld im Kindesalter, der Verlust eines nahen Angehörigen, eines Cousins, und des Ehemanns in der jüngeren Vergangenheit ursächlich sind. Er hat es als rein hypothetische Annahme gewertet, dass der depressive Verlauf allein durch die Hepatitis-C-Infektion getriggert worden ist, hiergegen habe eindeutig das klinische Bild und die Lebenserfahrung gesprochen.

Die von A2 diagnostizierte Verbitterungsstörung als Sonderform der Verbitterungsreaktion (ICD-10: F43.8 bzw. ICD-11: 6B43) aufgrund der nach Ansicht der Klägerin unberechtigten Verweigerung der Anerkennung ihrer Schädigungsfolgen durch den Beklagten liegt schon deswegen denknotwendig nicht vor, weil dieser vielmehr im Gegenteil zu Unrecht mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2000 als weitere Schädigungsfolgen eine Vitiligo und eine Alopezie festgestellt und daher die MdE mit 40 v. H. bewertet hat (s.o.). Das stellt einen Umstand dar, der der Klägerin bewusst gewesen sein muss, sie hat die ihr nicht zustehende Versorgung ausdrücklich im Widerspruchsverfahren geltend gemacht. Sie bekommt damit eine Entschädigung, die ihr so nicht zusteht. Deswegen fehlt es an jeglicher reellen Grundlage, mit der eine Verbitterung begründet werden könnte. Dessen ungeachtet ist eine solche jedenfalls zur Überzeugung des Senats nicht rechtlich ursächlich auf die Schädigung i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 AntiDHG zurückzuführen. Sie resultiert nicht unmittelbar aus der Hepatitis-C-Infektion und ist auch nicht mittelbar durch diese verursacht worden. Vielmehr beruht sie auf der eigenverantwortlichen, den Zurechnungszusammenhang unterbrechenden Entscheidung des Beklagten, die sich zudem zur Überzeugung des Senats, wie auch des SG, als rechtmäßig erwiesen hat. Das nicht Durchdringen (selbst mit einem berechtigten) Begehren gegenüber einem Sozialleistungsträger ist ein allgemeines Lebensrisiko und nicht vom Schutzzweck des sozialen Entschädigungsrechts, damit auch nicht vom AntiDHG, umfasst. Das soziale Entschädigungsrecht beinhaltet keine Anspruchsgrundlage für die Entschädigung von jeglichen Folgen exekutiven Unrechts.

Soweit B2 von einer den Gesamt-GdS auf 50 erhöhenden Wirkung der von ihm als Nebenwirkungen der antiviralen Therapie der Hepatitis-C-Infektion gewerteten Geruchshalluzinationen und auch des Tinnitus ausgegangen ist, hat dies den Senat nicht überzeugen können. Für den erkennenden Spruchkörper schlüssig und überzeugend hat W2 versorgungsärztlich dargelegt, dass B2 sich insofern allein auf die anamnestischen Angaben der Klägerin gestützt und nicht einmal ansatzweise den Versuch unternommen hat, diese beschriebenen Geruchshalluzinationen zu objektivieren. Im Gegenteil haben sich die Hirnnerven, die auch den Geruchssinn beinhalten, bei der neurologischen Untersuchung unbeeinträchtigt dargestellt. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Klägerin sowohl die Geruchshalluzinationen als auch den Tinnitus als Therapienebenwirkungen erstmals gegenüber B2 beschrieben und sich aus den Berichten des sachkundigen
H1, der die Therapie durchgeführt hat, solche Nebenwirkungen gerade nicht ergeben haben.

Darüber hinaus hat W2 überzeugend darauf hingewiesen, dass als Nebenwirkung des antiviralen Präparats Zepatier, einem Kombinationspräparat aus Elbasvir und Grazopvir, das seit 2016 für die Therapie einer Hepatitis-C-Infektion zugelassen ist, keine Beeinträchtigungen von peripheren und zentralen Nerven, insbesondere des Geruchssinns, bekannt sind. Soweit die Klägerin insofern im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgebracht hat, dass die antivirale Therapie ihrer Hepatitis-C-Infektion eine moderne Behandlungsmethode sei und deshalb nicht alle Nebenwirkungen bekannt seien, damit auch durchaus die Geruchshalluzinationen und auch der Tinnitus eine Nebenwirkung darstellen könnten, handelt es sich hierbei um eine reine Mutmaßung, für die ihr das notwendige medizinische Fachwissen fehlt und die wissenschaftlich nicht ansatzweise belegt ist.


Letztlich begründen zur Überzeugung des Senats aber auch die Geruchshalluzination und der Tinnitus, selbst wenn sie Nebenwirkungen der antiviralen Therapie sein sollten, keine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit der Klägerin i. S. d. VG, Teil B, Nr. 3.7 und damit keine Erhöhung des Teil-GdS für die im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ zu berücksichtigenden Funktionsstörungen. Hiergegen sprechen die von der Klägerin bei der gutachterlichen Untersuchung durch B2 angegebenen familiären und außerfamiliären sozialen Kontakte und Aktivitäten, die auf eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht schließen lassen. So hat die Klägerin neben dem täglichen Kontakt zu ihrer Tochter auch einen Freundeskreis, ihrer sozialen Kontakte reichen demnach über das familiäre Umfeld hinaus. Gerne geht sie spazieren, ist also auch trotz der beschriebenen Schamgefühle wegen der Vitiligo und der Alopezie nicht an ihre Wohnung gebunden. Sie telefoniert gerne mit Angehörigen, hört Radio und schaut fern, was eine mögliche Mediennutzung belegt. Zuletzt ist sie im Jahr 2022 mit dem Bus in Italien im Urlaub gewesen und auch ihre Tochter und deren Lebensgefährten nehmen sie teilweise mit in den Urlaub, was ebenso gegen eine Bindung an die Wohnung aufgrund der im Funktionssystem „Haut“ anerkannten Schädigungsfolgen spricht.

Aufgrund der vorgenannten Erwägungen wirkt sich die von A2 zusätzlich diagnostizierte somatoforme Schmerzstörung, ungeachtet dessen, dass eine solche nicht fachärztlich gesichert ist, in Ermangelung tatsächlicher Einschränkungen nicht erhöhend auf den Teil-GdS im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ aus.

Die
vorliegenden medizinischen Unterlagen, ärztlichen Meinungsäußerungen, sachverständigen Zeugenaussagen und das bei B2 erhobene Sachverständigengutachten haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen Grundlagen vermittelt. Weitere Ermittlungen waren deshalb nicht vorzunehmen. Es würde sich hierbei um Ermittlungen ins Blaue hinein handeln, mithin um eine Ausforschung des Sachverhaltes, zu der der Senat nicht verpflichtet ist (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Oktober 2018 – B 9 V 20/18 B –, juris, Rz. 19). Insbesondere war entgegen dem Vorbringen der Klägerin B2 nicht nochmals hinsichtlich der von ihm diagnostizierten Leberfibrose zu befragen, da sich diese, selbst wenn sie Schädigungsfolge ist, nicht erhöhend auf den Gesamt-GdS auswirkt.

Nach den Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdS dürfen einzelne Teil-GdS-Werte nicht addiert werden (VG, Teil A, Nr. 3, a). Von Ausnahmefällen (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdS von 10 bedingen, nicht zur Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdS von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG, Teil A, Nr. 3, d), ee). Demnach wird ausgehend von den vorliegenden Teil-GdS-Werten von jeweils 20 in den Funktionssystemen „Verdauung“, „Haut“ und „Gehirn einschließlich Psyche“ ein höherer Gesamt-GdS als 40, wie ihn der Beklagte bereits durch Bescheid vom 16. Oktober 2000 berücksichtigt hat, nicht erreicht.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 20. Oktober 2021 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.





 

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