L 1 KR 461/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 208 KR 1557/20
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 461/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Zwingende Voraussetzung einer ärztlichen Krankenhausbehandlung ist es, das der Behandler Arzt im berufrechtlichen Sinne ist. Dieser Arztvorbehalt beinhaltet einen generellen Ausschluss nichtärztlicher Heilbehandler von der nicht ärztlich angeleiteten selbstständigen und eigenverantwortlichen Behandlung der Versicherten. 

2. Eine Heilpraktikerin, in der Volkrepublik China ein Studium der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) absolviert hat, jedoch nicht über eine ärztliche Approbation nach deutschen Vorschriften verfügt, ist nicht "Arzt" i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB V

Die Berufung wird zurückgewiesen.

 

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

 

 

Tatbestand

 

Streitig ist die Erstattung von Behandlungskosten.

 

Der  Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Seit dem 1. Januar 2014 hat er das Verfahren der Kostenerstattung anstelle des Sachleistungsprinzips gewählt.

 

Mit Schreiben vom 18. Februar 2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenerstattung für vier Behandlungen durch Frau B D, die über eine Heilpraktikererlaubnis verfügt. Die vom Kläger beglichenen Rechnungen wiesen Beträge in Höhe von dreimal 80,00 € (Behandlungen am 23. Januar 2020, 31. Januar 2020 und 6. Februar 2020) und einmal 105,00 € (Behandlung am 13. Februar 2020) auf, wobei jeweils 50,00 € auf eine Akupunkturbehandlung und der Restbetrag auf eine Massage entfielen.

 

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20. Februar 2020 die Erstattung der Kosten für die Behandlung bei der Heilpraktikerin ab, da nur anerkannte Vertragsärzte ambulante Behandlung durchführen dürften. Sie könnten mit Verordnungen zwar verschiedene Therapeuten in die Behandlung einbinden, dies gelte aber nicht für Heilpraktiker.

 

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2021 als unbegründet zurück. Im System der gesetzlichen Krankenversicherung gelte der Arztvorbehalt, der einen Anspruch auf eigenverantwortliche Behandlung der Versicherten durch nichtärztliche Behandler ausschließe. Im Übrigen sei gemäß dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) die Akupunktur nur bei zwei Diagnosen als vertragsärztliche Leistung anerkannt: Chronische Schmerzen der Lendenwirbelsäule, die seit mindestens sechs Monaten bestehen und gegebenenfalls nicht-segmental bis maximal zum Kniegelenk ausstrahlen (pseudoradikulärer Schmerz), und chronische Schmerzen in mindestens einem Kniegelenk durch Gonarthrose, die seit mindestens sechs Monate bestehen. Alle anderen Indikationen habe der GBA ausgeschlossen.

 

Mit Schreiben vom 1. März 2021 beantragte der Kläger die Kostenerstattung für zehn weitere Behandlungen durch Frau D. Die von dem Kläger ebenfalls beglichenen Rechnungen wiesen Beträge i.H.v. 70,00 € (Behandlung am 5. November 2020), sechsmal 80,00 € (Behandlungen am 10. Dezember 2020, 17. Dezember 2020, 14. Januar 2021, 4. Februar 2021, 11. Februar 2021 sowie 25. Februar 2021) und dreimal 105,00 € (Behandlungen am 26. November 2020, 1. Dezember 2020 sowie 28. Januar 2021) aus, wobei jeweils 50,00 € auf eine Akupunkturbehandlung und der Restbetrag jeweils auf eine Massage entfielen. Die Beklagte lehnte auch diesen Antrag mit Bescheid vom 8. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2021 ab.

 

Mit den am 7. September 2020 und 19. Juli 2021 bei dem Sozialgericht Berlin (SG) eingegangenen und von diesem mit Beschluss vom 8. Oktober 2021 verbundenen Klagen hat der Kläger sein Begehren auf Erstattung der Kosten für die Behandlungen durch Frau D, wie von ihm unter dem 18. Februar 2020 und 1. März 2021 bei der Beklagten beantragt, weiterverfolgt. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte lasse außer acht, dass es sich bei der Heilpraktikerin Frau D um eine Ärztin mit einem Medizinstudium an einer Universität in China und anschließender ärztlicher Tätigkeit in China sowie einer Akupunkturausbildung in China mit Diplomabschluss handele. Der Arztbegriff dürfe nicht auf Ärzte mit deutscher Approbation verengt werden. Dies verböten alle Diskriminierungsverbote. Die Beklagte könne keinen Vertragsarzt benennen, der auch nur annähernd solche Leistungen zu erbringen vermöge wie Frau D. Wegen § 76 Abs. 1 S. 2 SGB Fünftes Buch (SGB V) sei er berechtigt, sich durch Frau Di zulasten der Beklagten behandeln zu lassen. Überdies seien die Behandlungen in enger Abstimmung mit dem Arzt Dr. T erfolgt, der die Akupunkturbehandlungen als Unterstützung seiner homöopathischen Behandlungen angesehen habe. Im Weiteren hat sich der Kläger auf sein Selbstbestimmungsrecht bezogen. Er leide unter chronischen Schmerzen im Bereich des linken Fußes. Diese Schmerzen seien in die Leistungspflicht einzubeziehen. Die kassenärztlichen Leistungspflichten seien geradezu willkürlich auf zwei chronische Schmerztatbestände verengt worden. Aus Gründen der Gleichbehandlung sei auch die Akupunkturbehandlung bei anderen chronischen Schmerzen einzubeziehen. Die demokratische Legitimation des GBA werde bezweifelt.

 

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 5. November 2021 abgewiesen. Die Klage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten bei Frau D.

Aufgrund der rechtswirksamen Wahl des Anspruchs auf Kostenerstattung anstelle der Sach- und Dienstleistungen stehe ihm kein anderer Leistungskatalog als im Naturalleistungssystem zur Verfügung. Auch dieser Kostenerstattungsanspruch setze voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehöre, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen habe. Bei Frau D handele es sich unstreitig nicht um eine zugelassene Leistungserbringerin, weder als Ärztin (§ 95 SGB V) noch als Leistungserbringerin von Heilmitteln (§ 124 SGB V). Nicht im Vierten Kapitel des SGB V genannte Leistungserbringer dürften nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden (§ 13 Abs. 2 S. 5 SGB V). Eine solche Zustimmung könne erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigten und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet sei (S. 6). Eine solche Zustimmung vor den infrage stehenden Behandlungen habe der Kläger weder erbeten noch sei eine solche von der Beklagten erteilt worden. Sofern dem Kläger seitens der Beklagten die generelle Zustimmung hinsichtlich der Behandlungen des nicht zugelassenen Arztes Dr. T erteilt worden sein sollte, entbinde ihn dies nicht von der Pflicht, eine Zustimmung vor der Behandlung bei anderen nicht zugelassenen Leistungserbringern einzuholen.

Eine Kostenerstattung scheide ohne dies unabhängig von der fehlenden Zustimmung aus. Denn jedenfalls der Arztvorbehalt schließe einen Anspruch auf die begehrte Akupunkturbehandlung durch nichtärztliche Leistungserbringer aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aus. Nach § 15 Abs. 1 S. 1 SGB V werde die ärztliche Behandlung von Ärzten erbracht. Hieraus folge, dass nur Ärzte Leistungen der ärztlichen Krankenbehandlung erbringen dürften. Der Arztvorbehalt enthalte einen generellen Ausschluss nichtärztlicher Heilbehandler von der nichtärztlich eingeleiteten selbstständigen und eigenverantwortlichen Behandlung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies gelte auch im Fall der Kostenerstattung. Arzt im Sinne dieser gesetzlichen Vorschrift sei nur der approbierte Heilbehandler, auch wenn dies nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt werde. Denn nur die staatliche Approbation als Arzt, die nach Beendigung einer qualifizierenden wissenschaftlichen Ausbildung erteilt werde, biete eine ausreichende Gewähr für die Ausübung einer auf den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft beruhenden Sachkunde, die für eine effektive und wirtschaftliche Behandlung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erforderlich sei. Bei approbierten Ärzten sei in generalisierender Betrachtungsweise davon auszugehen, dass sie aufgrund ihrer langjährigen theoretischen und praktischen Ausbildung und der Ablegung staatlicher Prüfungen den Anforderungen entsprechen, die für eine effektive, den Wirtschaftlichkeitsmaximen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechende Krankenbehandlung erforderlich seien. Frau D sei keine approbierte Ärztin im Sinne des Gesetzes. Die ausreichende Gewähr einer Sachkunde könne der deutsche Gesetzgeber generalisierend nur bei einer durch deutsche staatliche Stellen vergebenen Approbation annehmen, nicht bei im Ausland erteilten Approbationen nach ausländischem Recht. Der generelle Ausschluss nichtärztlicher Heilbehandler von der selbstständigen und eigenverantwortlichen Behandlung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich.

Eine Hilfeleistung im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 2 SGB V habe vorliegend nicht im Raum gestanden, denn Frau D sei selbstständig und eigenverantwortlich tätig geworden und habe nicht in einem Unterordnungsverhältnis mit Anleitung durch den Arzt gestanden. Auch habe sie selbstständig ihre Leistungen liquidiert.

Die Akupunktur könne ferner nicht als Heilmittel beansprucht werden. Welche Heilmittel verordnungsfähig seien, regele der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V. Neue Heilmittel dürften die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte nur verordnen, wenn der GBA zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben habe. Hieran fehle es hier. Da die Akupunktur durch Nichtärzte bisher nicht als verordnungsfähig in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V aufgeführt und vom GBA anerkannt worden sei, dürfe sie nach § 138 SGB V nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden.

Im Übrigen dürften Heilpraktiker nicht als Leistungserbringer zugelassen werden. Die nach § 124 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V als Zulassungsbedingung für die Leistungserbringung erforderliche Ausbildung ergebe sich bei Erwerb der in den einzelnen Gesetzen geforderten Qualifikationen. Heilpraktiker könnten danach die Zulassung als Heilmittelerbringer nicht erreichen. Der Ausschluss der Heilpraktiker von der selbstständigen Leistungserbringung in der gesetzlichen Krankenversicherung verstoße nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auch nicht gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen.

Schließlich fehle es an der notwendigen vertragsärztlichen Verordnung sowohl für die Akupunkturbehandlungen als auch für die Massagen. Ein Sachleistungsanspruch, hier auf Heilmittel, könne grundsätzlich nur dadurch begründet werden, dass ein Vertragsarzt das Mittel auf Kassenrezept verordne und damit die Verantwortung für die Behandlung übernehme.

 

Gegen das ihm am 19. November 2021 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. Dezember 2021 beim SG eingegangene Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens fortführt. Ergänzend macht er unter anderem geltend, das LSG verkenne, dass auch in China ausgebildete Ärzte eine „ausreichende Gewähr einer Sachkunde“ auswiesen. Dies ergebe sich bereits aus dem Ausbildungsinhalt und -verlauf von Frau D. Die Qualität ihrer Ausbildung in China mit anschließender Krankenhaus Tätigkeit und Zusatzausbildung am „International Akupunkture Training Center“ mit Diplomabschluss belege die Gleichwertigkeit ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse mit denjenigen einer ärztlichen Approbation in Deutschland. Frau D werde daher den Anforderungen des § 15 Abs. 1 S. 1 SGB V gerecht. Weder das BSG noch das Bundesverwaltungsgericht hätten bislang einen Vorgang behandelt, bei dem Heilpraktiker – wie vorliegend Frau D - mit qualifizierter ärztlicher Ausbildung beteiligt gewesen seien. Solchen Heilpraktikern könne und dürfe der Arztvorbehalt nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. Die kasuistische Aufzählung in § 69 Abs. 1 S. 1 SGB V sei nicht abschließend, sondern um die Generalbestimmung „sonstige Leistungserbringer“ erweitert. Dieser Gesetzesbegriff verlange geradezu nach der Einbeziehung von Heilpraktikern; jedenfalls von solchen, die über eine qualifizierte medizinische Ausbildung verfügten und den Heilkundeberuf aufgrund der Regelungen des Heilpraktikergesetzes ausübten.

 

Der Kläger beantragt sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. November 2021 aufzuheben und

1. die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 20. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2021 zu verurteilen, ihm für Behandlungen durch die Heilpraktikerin und Ärztin B D die Kosten i.H.v. 345,00 € zu zahlen sowie

2. die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 8. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2021 zu verurteilen, ihm für Behandlungen durch die Heilpraktikerin und Ärztin B D die Kosten i.H.v. 865,00 € zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

 

Die Beteiligten haben jeweils unter dem 2. Mai 2023 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende und Berichterstatterin erteilt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil durch die Vorsitzende und Berichterstatterin entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

 

Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 143 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).

 

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 5. November 2021 sowie der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2021 und der Bescheid der Beklagten vom 8. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2021, mit denen die Beklagte die Erstattung von Behandlungskosten i.H.v. insgesamt 1.210,00 € abgelehnt hat.

 

Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das SG die Klagen abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 20. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2021 und vom 8. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2021 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der angefallenen Kosten für die Behandlungen (Akupunktur und Massage) durch Frau D am 23. Januar 2020, 31. Januar 2020, 6. Februar 2020, 13. Februar 2020, 5. November 2020, 26. November 2020, 1. Dezember 2020, 10. Dezember 2020, 17. Dezember 2020, 14. Januar 2021, 28. Januar 2021, 4. Februar 2021, 11. Februar 2021 sowie 25. Februar 2021.

 

Das SG hat die maßgeblichen Rechtsgrundlagen herangezogen, richtig angewendet, die Aktenlage überzeugend gewürdigt und ist nach alledem zum richtigen Ergebnis gelangt, dass die begehrte Kostenerstattung (§ 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V) für Akupunkturbehandlungen (abrechenbare ärztliche Leistung nach EBM Ziffer 30791) am sog. Arztvorbehalt scheitert (Heilpraktiker). Hinsichtlich der Massagen fehlt es jedenfalls an der notwendigen ärztlichen Verordnung; eine solche ist vom Kläger nicht vorgelegt worden. Wegen der Einzelheiten der Begründung, der sich der erkennende Senat insoweit anschließt, wird zum Zwecke der Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

 

Lediglich ergänzend gilt folgendes:

 

Entgegen der Auffassung des Klägers wird Frau D den Vorgaben des Arztvorbehaltes nicht gerecht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist "Arzt" i.S.d. § 15 Abs. 1 SGB V ist nur der approbierte Heilbehandler, auch wenn dies - im Gegensatz zur Rechtslage unter der RVO - nicht ausdrücklich im SGB V erwähnt wird (vgl. nur BSG vom 18.12.2018 - B 1 KR 34/17 R - SozR 4-2500 § 28 Nr. 9 Rn. 14 m.w.N.). Nur die staatliche Approbation als Arzt, die nach Beendigung einer qualifizierenden wissenschaftlichen Ausbildung erteilt wird, bietet eine ausreichende Gewähr für die Ausübung einer auf den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft beruhenden Sachkunde, die für eine effektive und wirtschaftliche Behandlung im Rahmen der GKV erforderlich ist (zuletzt BSG, Urteile vom 17. Dezember 2020 – B 1 KR 6/20 R –, B 1 KR 19/20 R und B 1 KR 28/20 R -). Für Ärzte sind die Bundesärzteordnung (BÄO) und die Approbationsordnung für Ärzte maßgebend. Für Ärzte aus Mitgliedsstaaten der EU, des Europäischen Wirtschaftsraumes und anderer Staaten sind ebenso wie für Ärzte, die ihre Approbation in der ehemaligen DDR erhalten haben, im ärztlichen Berufsrecht Sonderregelungen vorgesehen, die ihnen die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland erlauben (Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 15 SGB V (Stand: 15.06.2020), Rn. 19).

 

Wer den ärztlichen Beruf ausüben will, bedarf nach § 2 Abs. 1 BÄO der Approbation. Die für die Approbation erforderlichen Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Berufsrechts dienen dazu, alle Patienten vor fachlich oder persönlich ungeeigneten Behandlern zu schützen und möglichen, sich daraus für die Gesundheit der Patienten und die finanziellen Mittel der Kostenträger ergebenden Gefahren vorzubeugen. Die gesetzliche Krankenversicherung prüft dies nicht eigenständig, sondern knüpft an die Approbation als Ergebnis des Prüfungsvorgangs der zuständigen Landesbehörden an. Die Krankenkassen sind weder befugt, diese Grundqualifikation erneut zu überprüfen noch die Approbation durch eine eigene berufsrechtliche Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016 - B 1 KR 4/16 R - juris Rn. 15). Die Approbation ist notwendige Voraussetzung für die Ausübung des Arztberufs. Mit ihr werden u.a. die fachliche Befähigung zur Ausübung eines akademischen Heilberufs, die berufsrechtliche Würdigkeit und die gesundheitliche Eignung belegt. Sie spricht im Sinne einer widerlegbaren Vermutung dafür, dass der Betreffende über die durch das Bestehen der ärztlichen Prüfung nachzuweisende medizinische Mindestqualifikation verfügt. Sie fingiert diese aber nicht. Fehlt es an der durch ein Studium der Medizin im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO und durch die bestandene ärztliche Prüfung nachgewiesenen medizinischen Grundqualifikation, verletzt dies den Arztvorbehalt. Denn soweit es um die fachliche Befähigung geht, setzt § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB V ebenso wie die BÄO voraus, dass diese Befähigung tatsächlich erworben wurde und durch eine tatsächlich abgelegte und erfolgreich bestandene Prüfung nachgewiesen ist (BSG, Urteil vom 26. April 2022 – B 1 KR 26/21 R – juris Rn. 18).

 

Unstreitig verfügt Frau D, die ausweislich ihres in den Akten enthaltenen Informationsflyers in der Volksrepublik China ausschließlich ein Studium der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) absolviert hat, nicht über eine solche Approbation nach der Approbationsordnung für Ärzte – unabhängig von der Frage, ob sie eine solche nach § 3 Abs. 3 und 3a BÄO (nach Ablegung einer Gleichwertigkeitsprüfung) möglicherweise erlangen könnte. Sie ist daher kein Arzt im Sinne der gesetzlichen Vorschriften des SGB V.

 

Das BSG hat mehrfach bestätigt, dass der Arztvorbehalt einen Anspruch auf Behandlung durch nichtärztliche Leistungserbringer ausschließt. Der Arztvorbehalt enthält einen generellen Ausschluss nichtärztlicher Heilbehandler von der nicht ärztlich angeleiteten selbstständigen und eigenverantwortlichen Behandlung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies gilt auch im Fall der Kostenerstattung. „Arzt“ ist nur der approbierte Heilbehandler (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember - B 1 KR 19/20 R - juris Rn. 11 f.). Auch das Vorliegen eines so genannten Systemversagens (d.h. eine notwendige Behandlung ist nicht zu erlangen) wegen einer Versorgungslücke lässt den Arztvorbehalt nicht entfallen. Unter Geltung des SGB V ist selbst in dringenden Fällen keine selbstständige Behandlung durch nichtärztliche Behandler zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung möglich (vgl. BSG, a.a.O. Rn. 27). Der Ausschluss einer Behandlung durch einen nichtärztlichen Leistungserbringer infolge des Arztvorbehalts steht auch mit Verfassungsrecht in Einklang (vgl. zuletzt BSG, a.a.O. Rn. 29 ff.; Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. A., § 95 SGB V, Stand Februar 2023, Rn. 138.1; zur Verfassungsmäßigkeit des Arztvorbehaltes vgl. schon BVerfG, Entscheidung vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 111/77 - juris Rn. 21; BSG, Urteil vom 17. September1997 - 6 BKa 33/96 - juris; BSG, Urteil vom 02. September 1997 - 1 BK 8/97 - juris; BSG, Urteil vom 10. Juni 1997 - 1 BK 47/96 - juris; BSG, Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 26/92 - juris Rn. 18 ff.; BSG, Urteil vom 12. Mai 1993 - 6 RKa 21/91 - juris Rn. 22 ff.; BSG, Urteil vom 01. März 1979 - 6 RKa 13/77 – juris; zur Heilpraktikererlaubnis vgl. auch BVerfG, Entscheidung vom 10. Mai1988 - 1 BvR 482/84 u.a. - BVerfGE 78, 179 = SozR § 368 Nr. 11)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
Saved