Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. August 2020 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung von Krankengeld über den 25. Juli 2017 hinaus.
Die bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin war vom 1. Februar 2017 bis zum 20. Juni 2018 arbeitsunfähig erkrankt. Unter dem 1. März 2017 erhielt die Klägerin von der Beklagten ein Informationsschreiben rund um das Krankengeld, insbesondere zur Notwendigkeit des lückenlosen Nachweises der Arbeitsunfähigkeit (AU). Zum 14. März 2017 endete das Arbeitsverhältnis der Klägerin. In der Folge erhielt sie Krankengeld von der Beklagten in Höhe von 37,18 EURO brutto kalendertäglich. Die Fortdauer der AU wurde zunächst bis zum 28. Juni 2017 lückenlos bescheinigt. Am 29. Juni 2017 ging bei der Beklagte eine Folgebescheinigung, ausgestellt am 28. Juni 2017 durch den Facharzt für Neurologie/Psychiatrie C., mit einer Fortdauer der AU voraussichtlich bis 25. Juli 2017 ein. Am 31. Juli 2017 ging bei der Beklagten eine Folgebescheinigung, ausgestellt am 28. Juli 2017, mit einer Fortdauer der AU voraussichtlich bis 24. August 2017 ein.
Die Beklagte teilte der Klägerin darauf am 1. August 2017 telefonisch mit, dass Krankengeld aufgrund der entstandenen Lücke in der AU-Bescheinigung nur bis zum 25. Juli 2017 geleistet werden könne. Daraufhin übersandte die Klägerin der Beklagten eine von Herrn C. ausgestellte AU-Bescheinigung, die auf den 28. Juni 2017 datiert und die Arbeitsunfähigkeit bis zum 28. Juli 2017 bescheinigt.
Mit Bescheid vom 4. August 2017 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld über den 25. Juli 2017 hinaus ab, da die weitere AU erst am 28. Juli 2017 und damit nicht an dem auf das Ende der letzten Krankschreibung folgenden nächsten Werktag festgestellt worden sei. Ab dem 26. Juli 2017 sei die Klägerin nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert gewesen. Ein nachgehender Krankengeldanspruch über § 19 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) scheide aus, da die Klägerin voraussichtlich länger als einen Monat AU sein werde. Hiergegen erhob die Klägerin am 4. August 2017 Widerspruch und führte aus, dass ihr Arzt die Krankmeldung nach dem Anruf der Beklagtenmitarbeiterin korrigiert habe. Eine Lücke sei nicht vorhanden. Sie sei durchgängig AU. Der Fehler läge auf Seiten ihres Arztes.
Herr C. gab in einem Attest vom 7. August 2017 an, dass bei der Klägerin durchgängig AU bestanden habe. Möglicherweise sei auch auf Grund der Urlaubszeiten der Praxis ein Fehler in der Terminvergabe erfolgt, so dass die Klägerin nach der Krankmeldung bis zum 26. Juli 2017 erst am 28. Juli 2017 einen Termin gehabt habe. Hierdurch sei leider formal eine Lücke in den Bescheinigungen der AU entstanden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2017 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück, da die weitere AU nicht spätestens an dem auf den letzten Tag der AU-Bescheinigung folgenden nächsten Werktag (26. Juli 2017) festgestellt worden sei. Eine nachträgliche Korrektur der AU-Bescheinigung vom 28. Juni 2017 könne nicht anerkannt werden, da es an der fristgerechten Feststellung der weiteren AU fehle, was der behandelnde Arzt in seinem Attest bestätigt habe. Unmittelbar im Anschluss an die Krankengeldzahlung sei die Versicherung als Familienversicherung fortgesetzt worden. Diese sei vorrangig und schließe einen Anspruch auf Krankengeld aus.
Hiergegen erhob die Klägerin am 11. Dezember 2017 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main. Sie trug vor, dass aufgrund der vom 28. Juni 2017 bis zum 28. Juli 2017 reichenden Folgebescheinigung keine Lücke in den bescheinigten Zeiträumen bestehe. Am 28. Juni 2017 seien zwei Folgebescheinigungen ausgestellt worden, und die falsche Bescheinigung sei zur Vorlage bei der Beklagten an die Klägerin ausgehändigt worden. Zudem sei durch fachärztliches Attest die durchgehende AU festgestellt worden. Die Klägerin habe daher alles ihr Zumutbare unternommen, um ihre AU lückenlos ärztlich feststellen zu lassen. Sie habe alle an sie vergebenen Termine wahrgenommen. Etwaige Fehler des Vertragsarztes bzw. seiner Mitarbeiter seien der Beklagten zuzurechnen. Sie sei schließlich auch nicht durch ein Merkblatt der Beklagten auf Meldepflichten bei AU hingewiesen worden. Zum Beleg ihres Vortrags reichte die Klägerin ein an ihre Prozessbevollmächtigten adressiertes Schreiben des Herrn C. vom 9. Februar 2018 vor, in dem dieser ausführte, dass die initiale Krankmeldung der Klägerin vom 28. Juni 2017 vermutlich bis zum 25. Juli 2017 datiert gewesen sei. Der Folgetermin sei jedoch erst am 28. Juli 2017 gewesen, so dass die Krankmeldung umdatiert worden sei. Laut der EDV-unterstützten Krankenunterlagen der Praxis existiere eine Krankmeldung bis zum 28. Juli 2017. Hier könne es möglich sein, dass das ursprüngliche Datum korrigiert und der Klägerin versehentlich die falsche Krankmeldung mitgegeben worden sei. Der genaue Hergang sei aus seiner Sicht seitens der Praxis nicht mehr zu rekonstruieren.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. August 2020 wies das Sozialgericht die Klage als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus: Der Bescheid der Beklagten vom 4. August 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2017 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Weitergewährung von Krankengeld über den 25. Juli 2017 hinaus, weil die Arbeitsunfähigkeit nicht lückenlos festgestellt worden sei. Voraussetzung für einen Krankengeldanspruch gemäß § 44 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses mit Krankengeldanspruch. Dabei müsse dieses Versicherungsverhältnis zu dem Zeitpunkt bestehen, in dem der Krankengeldanspruch entstehe (unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG], etwa Urteil vom 16. Dezember 2014, B 1 KR 31/14 R, juris). Gemäß § 190 Abs. 2 SGB V ende die (zum Krankengeldanspruch berechtigende, vgl. § 44 Abs. 1, 2 SGB V) Mitgliedschaft eines versicherungspflichtig Beschäftigten mit Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt ende. Darüber hinaus bleibe sie nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V u.a. erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld bestehe. Der Anspruch auf Krankengeld entstehe gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Der Anspruch auf Krankengeld bleibe gemäß § 46 Satz 2 SGB V jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt werde, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolge; Samstage gälten insoweit nicht als Werktage. Der Anspruch auf Krankengeld nach Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses und des daran anknüpfenden Versicherungsstatus setze mithin das Vorliegen einer nahtlosen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung voraus. Der Versicherte müsse die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich rechtzeitig vor Fristablauf ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, wolle er das Erlöschen von Krankengeldansprüchen verhindern (unter Verweis auf BSG, Urteil vom 8. Februar 2000 - B 1 KR 11/99 R -; Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 37/14 R -, juris, Hessisches Landessozialgericht [HLSG], Urteil vom 20. Dezember 2018 -L 8 KR 65/18 -; Urteil vom 17. Januar 2019 - L 8 KR 153/18 -; Beschluss vom 18. September 2017 - L 8 KR 513/16 -; Beschluss vom 21. Januar 2019 - L 8 KR 321/17 -). Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung seien grundsätzlich von ihm zu tragen. Maßgebend für den Krankengeldbeginn sei dabei nicht der „wirkliche“ oder der „ärztlich attestierte“ Beginn der Arbeitsunfähigkeit, sondern der Tag der ärztlichen Feststellung. Es obliege allein dem Versicherten, die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit herbeizuführen und ggf. fortgesetzt rechtzeitig feststellen zu lassen (unter Verweis auf BSG, Urteile vom 16. Dezember 2014, B 1 KR 37/14 R; vom 4. März 2014, B 1 KR 17/13 R; vom 10. Mai 2012, B 1 KR 20/11 R, jeweils in juris). Notfalls bestehe auch die Möglichkeit, im Falle der Praxisschließung den Arzt vorzeitig aufzusuchen oder aber den hausärztlichen Notfalldienst in Anspruch zu nehmen (unter Verweis auf BSG, Urteil vom 4. März 2014, a.a.O., sowie HLSG, Urteil vom 20. Dezember 2018 - L 8 KR 65/18 -; Urteil vom 17. Januar 2019 - L 8 KR 153/18 -; Beschluss vom 18. September 2017 - L 8 KR 513/16 -; Beschluss vom 21. Januar 2019 - L 8 KR 321/17 -). Vorliegend scheitere der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld ab dem 26. Juli 2017 daran, dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen sei, weil es an einer fortlaufend bescheinigten lückenlosen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit fehle. Eine den Anspruch auf Krankengeld umfassende Mitgliedschaft habe nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bis zum 25. Juli 2017 bestanden. Es sei grundsätzlich die Pflicht der Klägerin gewesen, die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig, spätestens am nächsten Werktag, dem 26. Juli 2017, ärztlich feststellen zu lassen. Dieser Pflicht sei die Klägerin nicht nachgekommen, da sie unstreitig erst am 28. Juli 2017 ihren Arzt aufgesucht habe. Es liege auch kein durch das Verhalten der Beklagten begründeter oder ihr zuzurechnender, von der Rechtsprechung des BSG anerkannter Ausnahmefall vor. Trotz der gebotenen grundsätzlich strikten Anwendung der gesetzlichen Regelungen habe die Rechtsprechung des BSG in engen Grenzen bestimmte Ausnahmen von den Vorgaben und Grundsätzen anerkannt. So seien dem Versicherten gleichwohl Krankengeldansprüche zuerkannt worden, wenn die ärztliche Feststellung (oder die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) durch Umstände verhindert oder verzögert worden sei, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuzurechnen seien (unter Verweis auf BSG, Urteil vom 8. November 2005 - B 1 KR 30/04 R -). Derartiges habe das BSG bejaht bei Fristversäumnissen wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit des Versicherten, im Falle des verspäteten Zugangs der Arbeitsunfähigkeitsmeldung bei der Krankenkasse aufgrund von Organisationsmängeln, die diese selbst zu vertreten habe, für Fälle einer irrtümlichen Verneinung der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten aufgrund ärztlicher Fehlbeurteilung sowie bei einem von der Krankenkasse rechtsfehlerhaft bewerteten Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nach Aufgabe des letzten Arbeitsplatzes. Als entscheidend für die Anerkennung solcher Ausnahmen habe es das BSG angesehen, dass der Versicherte die ihm vom Gesetz übertragene Obliegenheit, für eine zeitgerechte ärztliche Feststellung der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit Sorge zu tragen, erfülle, wenn er alles in seiner Macht Stehende tue, um die ärztliche Feststellung zu erhalten: Er habe dazu den Arzt aufzusuchen und ihm seine Beschwerden vorzutragen. Unterbleibe die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung dann gleichwohl aus Gründen, die dem Verantwortungsbereich des Arztes zuzuordnen seien, dürfe sich das nicht zum Nachteil des Versicherten auswirken, wenn er seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan habe, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert worden sei. Für diesen Ausnahmefall spreche vor allem, dass die Mitwirkungsobliegenheit des Versicherten an der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auf das ihm Zumutbare beschränkt sei. Verneine der behandelnde Vertragsarzt die (medizinischen) Voraussetzungen für das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit zu Unrecht, müsse sich der Versicherte daher nicht so lange um (vertrags-)ärztliche Diagnostik bemühen, bis ihm (endlich) ein anderer Arzt die Arbeitsunfähigkeit bescheinige (unter Verweis auf BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R -, juris, Rn. 22 - 24, 34; Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 37/14 -, juris, Rn. 26 – 28; HLSG, Urteile vom 20. Dezember 2018 - L 8 KR 65/18 -, vom 14. März 2019 - L 8 KR 455/17 - sowie vom 23. Mai 2017 - L 8 KR 492/17 -). Im Falle der Klägerin liege ein der Beklagten zurechenbares Fehlverhalten eines Arztes nicht vor. Denn am 26. Juli 2017 habe keinerlei Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden. Die Klägerin habe unstreitig erst am 28. Juli 2017 ihren Arzt Herrn C. aufgesucht. Der Einwand der Klägerin, von der Beklagten ein Informationsblatt nicht erhalten zu haben bzw. nicht informiert worden zu sein, greife nicht durch, da die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, die Klägerin auf ihre Obliegenheiten, nämlich die Notwendigkeit der rechtzeitigen, erneuten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsfeststellung und die eventuell gravierenden Folgen hinzuweisen (unter Verweis auf BSG, Urteile vom 16.12.2014 - B 1 KR 37/14 R -, juris, Rn. 25 und - B 1 KR 25/14 R, juris, Rn. 16). Die Klägerin habe damit am 26. Juli 2017 nicht alles in ihrer Macht Stehende und Zumutbare unternommen, um die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig verlängern zu lassen. Wäre die Klägerin am 26. Juli 2017 zu (irgend-)einem Arzt gegangen und hätte dort ihre Beschwerden geschildert, wäre die Weigerung der Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei tatsächlich vorliegender Arbeitsunfähigkeit dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzurechnen gewesen. So ein Fall sei aber weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
Schließlich führe auch die unter dem 28. Juni 2017 bis zum 28. Juli 2017 ausgestellte und am 4. August 2017 bei der Beklagten eingegangene AU-Bescheinigung zu keiner anderen Bewertung. Die Klägerin habe in ihrer Widerspruchsbegründung vom 4. August 2017 angegeben, von der Beklagtenmitarbeiterin Frau K. am 1. August telefonisch auf die Lücke am 26. und 27. Juli 2017 hingewiesen worden zu sein. Ihr Arzt Herr C. habe die Krankmeldung korrigiert. Die Klägerin habe diese dann am 3. August 2017 bei der Beklagten eingereicht und um Anerkennung der Korrektur gebeten. Ihr behandelnder Arzt Herr C. habe zeitnah unter dem 7. August 2017 bestätigt, dass die Klägerin nach der Krankmeldung bis zum 26. Juli 2017 erst am 28. Juli 2017 einen Termin gehabt habe. Möglicherweise sei aufgrund der Urlaubszeiten ein Fehler in der Terminvergabe erfolgt. Hierdurch sei leider formal eine Lücke in den Bescheinigungen der AU entstanden. Durch diese Angaben der Klägerin und ihres behandelnden Arztes sei es – so das Sozialgericht – vom Ablauf her nachvollziehbar (vgl. Eingangstempel) und glaubhaft zu einer Lücke zwischen den Bescheinigungen vom 28. Juni 2017 und 28. Juli 2017 gekommen. Darauf, ob die Klägerin tatsächlich AU gewesen sei, komme es daneben nicht mehr an. Der neue Vortrag im Klageverfahren, am 28. Juni 2017 seien zwei AU-Bescheinigungen ausgestellt und die falsche Bescheinigung sei an die Klägerin überreicht worden, vermöge dagegen nicht zu überzeugen. Herr C. habe unter dem 9. Februar 2018 den Hergang nicht mehr zu rekonstruieren vermocht, was zu Lasten der Klägerin gehe. Er habe es lediglich für möglich gehalten, dass bereits am 28. Juni 2017 zwei AU-Bescheinigungen ausgestellt worden seien und der Klägerin die falsche Krankmeldung mitgegeben worden sei. An diesem Hergang habe das Gericht erhebliche Zweifel, da ein derartiges Versehen – unterstellt es habe sich so zugetragen - unmittelbar im Juli oder August 2017 (nach dem Telefonat mit der Beklagten) hätte auffallen und ausgeräumt werden können. Schließlich bestehe auch kein nachgehender Krankengeldanspruch vom 26. Juli 2017 bis 25. August 2017 gemäß §§ 19 Abs. 2 Satz 1, 44 SGB V, weil die durchgeführte Familienversicherung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SGB V Vorrang habe, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt habe.
Gegen den am 18. August 2020 zugegangenen Gerichtsbescheid hat die Klägerin anwaltlich vertreten am 16. September 2020 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Ergänzend zu ihren Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren hat sie vorgetragen, am 28. Juni 2017 wegen Depressionen und Panikattacken nach Mobbingereignissen am Arbeitsplatz in Behandlung bei Herrn C. gewesen zu sein, wo man ihr erklärt habe, dass sie in jedem Fall weiter arbeitsunfähig sein werde. Arbeitsunfähigkeit würde zunächst bis zum 28. Juli 2017 bescheinigt werden. Dies habe der Arzt auch entsprechend festgehalten. Entscheidend sei, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 28. Juli 2017 vorliege, nicht, wann diese bei der Beklagten eingegangen sei. Offenbar sei es in der Praxis am 28. Juni 2017 zu einer Fehlleistung gekommen, weil zwei AU-Bescheinigungen ausgestellt worden seien und der Klägerin versehentlich die falsche Bescheinigung mitgegeben worden sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. August 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld über den 25. Juli 2017 hinaus nach gesetzlicher Maßgabe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die erstinstanzliche Entscheidung zutreffend sei.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte und der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung war.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die gem. § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 4. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen weiteren Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld über den 25. Juli 2017 hinaus. Denn sie war ab dem 26. Juli 2017 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Krankengeld sind §§ 44, 46 SGB V in der vom 23. Juli 2015 bis zum 10. Mai 2019 geltenden und vorliegend anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Art. 20 Abs. 1 GKV-Versorgungsstärkungsgesetz <GKV-VSG> vom 16. Juli 2015, BGBl I S. 1211; im Folgenden: a.F.) in Verbindung mit § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V.
Nach § 44 Abs. 1 1. Alt. SGB V a.F. haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld unter anderem dann, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für das Krankengeld vorliegt (stRspr, vgl. nur BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R -, juris, Rn. 15). Nach § 46 SGB V a.F. entsteht der Anspruch auf Krankengeld (erst) von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (Satz 1 Nr. 2). Dies gilt auch für an die ärztliche Erstfeststellung von Arbeitsunfähigkeit anschließende Folgefeststellungen (BSG, Urteil vom 26. März 2020 - B 3 KR 9/19 R -, juris, Rn. 14 m.w.N.). § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bestimmt, dass die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger über das Ende des Versicherungstatbestandes hinaus erhalten bleibt, solange ein Anspruch auf Krankengeld besteht oder diese Leistung bezogen wird. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V verweist damit zurück auf den Entstehungstatbestand des Krankengeldanspruchs.
Dies zugrunde gelegt endete der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld trotz der über diesen Tag hinaus bestehenden AU mit dem 25. Juli 2017. Ein Krankengeldanspruch ab dem 26. Juli 2017, einem Mittwoch, bestand nicht, weil die AU nicht spätestens an diesem Tag ärztlicherseits festgestellt wurde. Mit dem Ende des Krankengeldanspruchs endet auch das eben diesen Anspruch vermittelnde Versicherungsverhältnis.
Der Senat konnte sich auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin in der Berufungsinstanz nicht davon überzeugen, dass der die Klägerin behandelnde Arzt Herr C. bereits am 28. Juni 2017 eine (zweite) AU-Feststellung getroffen und eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt hat, die das voraussichtliche Ende der AU auf den 28. Juli 2017 bestimmte, und der Klägerin an diesem Tag nur versehentlich die falsche Bescheinigung mitgegeben wurde, so dass es zu einer Lücke in der (rechtzeitigen) AU-Feststellung nicht gekommen ist. Der Senat folgt vielmehr der Einschätzung des Sozialgerichts, wonach davon auszugehen ist, dass eine korrigierte AU-Bescheinigung mit Datum vom 28. Juni 2017 für den Zeitraum vom 28. Juni 2017 bis zum 28. Juli 2017 erst im August 2017 nach dem telefonischen Hinweis der Beklagten erstellt wurde. Der Senat verweist insoweit vollumfänglich auf die ausführlichen und überzeugenden Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach eigener Prüfung zu eigen macht, § 153 Abs. 2 SGG. Die Klägerin hat mit der Berufung nichts vorgetragen, was diese Überzeugung in Frage stellen könnte. Insbesondere ihre Behauptung, der behandelnde Arzt habe ihr am 28. Juni 2017 bereits die Auskunft erteilt, eine AU-Bescheinigung bis zum 28. Juli 2017 auszustellen, wird, wie schon die Darlegungen in der erstinstanzlichen Entscheidung belegen, weder durch den objektiven Befund in der Akte noch durch die Erklärungen des Herrn C. vom 7. August 2017 und vom 9. Februar 2018 gestützt.
Damit war die Klägerin auch am 28. Juli 2017, dem Ausstellungstag der Folgebescheinigung der AU, aufgrund der zwischenzeitlich entstandenen Lücke in den AU-Bescheinigungen nicht mehr gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 44 Abs. 1, 2 SGB V mit Anspruch auf Krankengeld versichert, so dass – trotz bestehender und festgestellter AU – auch an diesem Tag kein (neuer) Krankengeldanspruch entstand.
Vorliegend greift auch keiner der in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelten Ausnahmetatbestände, nach denen eine Nachholung der Arbeitsunfähigkeitsfeststellung ausnahmsweise möglich ist.
Rechtlich hat grundsätzlich der Versicherte im Sinne einer Obliegenheit dafür Sorge zu tragen, dass eine rechtzeitige ärztliche AU-Feststellung erfolgt (stRspr, vgl. nur BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R -, juris, Rn. 17 m.w.N.). Sinn und Zweck der Forderung nach lückenloser AU-Bescheinigung ist es, beim Krankengeld Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung der Arbeitsunfähigkeit und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten (BSG, Urteil vom 26. März 2020 - B 3 KR 9/19 R -, juris, Rn. 18 m.w.N.). Hieran ist auch die ausnahmsweise Zulassung von rückwirkenden Nachholungen von Arbeitsunfähigkeitsfeststellungen zu messen (nur BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 - B 3 KR 23/18 R -, juris, Rn. 29 f.; Urteil vom 26. März 2020 - B 3 KR 9/19 R -, juris, Rn. 18). In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat sich in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat, sind insoweit enge Ausnahmen anerkannt worden. So hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 11. Mai 2017 (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R -, juris, für die Rechtslage bis 22. Juli 2015) unter Fortentwicklung und Teilaufgabe früherer Rechtsprechung entschieden, dass eine Lücke in den ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsfeststellungen nicht nur bei medizinischen Fehlbeurteilungen (nur BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 37/14 R -, juris, Rn. 24 m.w.N.), sondern auch bei nichtmedizinischen Fehlern eines Vertragsarztes im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeitsfeststellung für den Versicherten unschädlich ist, wenn sie der betroffenen Krankenkasse zuzurechnen ist. Danach steht dem Krankengeldanspruch eine erst verspätet erfolgte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung nicht entgegen, wenn
1. der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um
(a) die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und
(b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeldanspruch erfolgt ist,
2. er an der Wahrung der Krankengeldansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (z.B. eine irrtümlich nicht erstellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung), und
3. er – zusätzlich – seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Versicherte so zu behandeln, als hätte er von dem aufgesuchten Arzt rechtzeitig die ärztliche Feststellung der AU erhalten (BSG, Urteil vom 26. März 2020 - B 3 KR 9/19 R -, juris, Rn. 20 f.).
Einem "rechtzeitig" erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt soll nach der zuletzt zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts und damit in Erweiterung der bisherigen Rechtsprechung gleichgestellt sein, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat und rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erhalten, und ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt aber nicht rechtzeitig zustande gekommen ist, wenn dies auf Gründen beruht, die
1. in der Sphäre des Vertragsarztes (und nicht des Versicherten) liegen, und die
2. auch den Krankenkassen zuzurechnen sind (BSG, a.a.O., Rn. 22, 27).
Für die Gleichstellung des aus den vorgenannten Gründen unterbliebenen rechtzeitigen Arzt-Patienten-Kontakts mit einem tatsächlich erfolgten Kontakt spricht, dass die Obliegenheiten des Versicherten auf das in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare beschränkt sind. Ein "Arzt-Hopping", das ohnehin grundsätzlich unerwünscht ist (vgl. § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB V), statt des nachvollziehbaren Wunsches, von dem mit der Arbeitsunfähigkeit schon vertrauten (ggf.: Fach-)Arzt weiterbetreut zu werden, kann von ihm grundsätzlich nicht verlangt werden. Für Versicherte fallen zudem ihr soziales Schutzbedürfnis in der GKV zu ihrer finanziellen Absicherung im Krankheitsfall (siehe auch § 2 Abs. 2 und § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 21 Abs. 1 Nr. 2 lit. g) Erstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB I) und die Verhältnismäßigkeit von leistungsrechtlichen Folgen bei tatsächlichen Fristversäumnissen ins Gewicht (verfassungsrechtliches Übermaßverbot). Generalpräventive Erwägungen der Missbrauchsabwehr haben dagegen, vor allem in zweifelsfreien Folge-AU-Fällen, kein solch großes Gewicht, dass sie diese Schutzaspekte überlagern und verdrängen können. Eine solche Auslegung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. entspricht zudem dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB), welcher auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts Anwendung findet, wie auch dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB, der sinngemäß bestimmt, dass dann, wenn der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil der Eintritt gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert wird, diese Bedingung (gleichwohl) als eingetreten gilt (BSG, a.a.O., Rn. 24 ff.).
Gemessen an diesen Ausführungen kommt eine ausnahmsweise rückwirkende Feststellung der AU hier nicht in Betracht. Ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt hat am 26. Juli 2017 unstreitig nicht stattgefunden. Es ist aber auch nichts dafür vorgetragen, dass die Klägerin sich um einen entsprechend rechtzeitigen Termin gekümmert hätte und ihr ein solcher von der Praxis versagt worden wäre. Vielmehr sprechen die dokumentierten Ereignisse dafür, dass der Klägerin bis zu dem Anruf der Mitarbeiterin der Beklagten am 1. August 2017 gar nicht bewusst war, dass eine Lücke in den AU-Bescheinigungen bestand bzw. dass sie eine solche aufgrund der damit verbundenen rechtlichen Auswirkungen vermeiden müsse. Dass die Klägerin damit alles in ihrer Macht Stehende getan hätte, um eine solche Lücke zu vermeiden, und hieran durch das (der Beklagten zuzurechnende) Verhalten ihres Arztes oder seines Praxispersonals gehindert worden wäre, kann danach nicht festgestellt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.