1. Nebenkostennachforderungen für eine Wohnung, die erst fällig geworden sind, nachdem diese nicht mehr bewohnt wird, können ein anzuerkennender Bedarf für Unterkunft und Heizung sein.
2. Voraussetzung ist aber, dass die leistungsberechtigte Person durchgehend von der tatsächlichen Entstehung der Nachforderung bis zur deren Fälligkeit hilfebedürftig nach dem SGB II war (Anschluss an BSG, Urteil vom 30.03.2017, B 14 AS 13/16 R).
3. Die zusätzlich vom BSG verlangte existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung der Nebenkostennachforderung für die in der Vergangenheit bewohnte Wohnung mit dem aktuellen unterkunftsbezogenen Bedarf liegt insbesondere vor, wenn die neue Wohnung beim Vermieter der früheren Wohnung gemietet worden ist. Zahlungsschwierigkeiten können dann auf die gegenwärtigen Rechtsbeziehungen durchschlagen.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 14. April 2022 sowie der Bescheid des Beklagten vom 17. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2020 werden aufgehoben und der Beklagte verurteilt, an die Klägerinnen für Januar 2020 weitere Leistungen i.H.v. insgesamt 1.078,31 € zu zahlen.
Der Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme einer Nebenkostennachforderung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung.
Die 1990 geborene Klägerin zu 1. bezog zusammen mit ihrer 2009 geborenen Tochter (der Klägerin zu 2.) im Jahr 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Sie bewohnten eine 3-Zimmerwohnung (50 m²) in S., S-Straße.. Für diese berücksichtigte der Beklagte im Bescheid vom 29. November 2018 für den Zeitraum von Dezember 2018 bis November 2019 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) i.H.v. 284,50 €/Monat (Grundmiete 210,50 €, Nebenkosten 43 €, Heizkosten 31 €) zzgl. der Abfallgebühren. Eine Änderung ergab sich insoweit auch nicht durch die nachfolgenden Bescheide vom 15. Dezember 2018 (für Januar bis November 2019) und 23. Februar 2019 (für März bis November 2019).
Am 1. März 2019 beantragte die Betreuerin der Klägerin zu 1. den Umzug in eine andere Wohnung (J-Straße. in S.) und legte ein Mietangebot vor (KdUH i.H.v. 340,50 €/Monat). Der Beklagte lehnte mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. April 2019 den Antrag auf Zusicherung der Übernahme der KdUH für die neue Wohnung ab. Der Umzug sei nicht erforderlich.
Die Betreuerin der Klägerin zu 1. reichte den Mietvertrag vom 20. Mai 2019 ab dem 1. Juni 2019 über die 3-Zimmerwohnung in der S.d.J. in S. (58 m², 4. Obergeschoss rechts) ein. Darin war eine Bruttowarmmiete i.H.v. 284,50 €/Monat (Grundmiete 210,50 €, Nebenkosten 43 €, Heizkosten 31 €) vereinbart. Der Vermieter war identisch mit dem bisherigen Vermieter. Der Beklagte gewährte diese KdUH, ein Änderungsbescheid erging aufgrund der unveränderten Bruttowarmmiete nicht.
Mit den Bescheiden vom 23. November 2019 und 22. Februar 2020 bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum von Dezember 2019 bis November 2020. Er berücksichtigte weiterhin die tatsächlichen KdUH zzgl. der Abfallgebühren.
Am 29. November 2019 reichte die Klägerin zu 1. die Nebenkostenabrechnung für den Zeitraum von März bis Dezember 2018 für die vorherige Wohnung ein. Diese wies einen Nachzahlbetrag von 1.078,31 € aus. Die Zahlung des Betrages sollte bis spätestens zum 14. Januar 2020 erfolgen.
Mit Bescheid vom 5. Mai 2020 lehnte der Beklagte die Übernahme der Nebenkostennachzahlung für Februar 2020 ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 13. Mai 2020 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. August 2020 zurück. Der Widerspruch sei bereits unzulässig, da der Bescheid vom 5. Mai 2020 keine Regelung enthalte. Der Leistungsanspruch habe sich nicht geändert. Der Beklagte wertete den Widerspruch der Klägerin jedoch als Überprüfungsantrag, da die Fälligkeit der Nebenkostennachzahlung bereits im Januar 2020 vorgelegen habe (Vermerk vom 7. August 2020).
Mit Bescheid vom 17. August 2020 lehnte der Beklagte die Übernahme der Nebenkostennachzahlung für Januar 2020 ab. Es handele sich um Kosten einer Wohnung, die nicht mehr bewohnt werde. Es liege insoweit kein anzuerkennender Bedarf vor. Ein Ausnahmefall sei auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht anzuerkennen. Die Aufgabe der bisherigen Wohnung beruhe nicht auf der Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit. Zudem sei keine Zusicherung hinsichtlich des Umzugs erteilt worden.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 4. September 2020 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2020 mit gleicher Begründung zurück.
Mit der Klage vom 28. Dezember 2020 hat die Klägerin zu 1. ihr Begehren der Übernahme der vollständigen Nebenkostennachzahlung vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG) weiterverfolgt. Sie habe durchgehend im Leistungsbezug gestanden. Eine Zusicherung sei vorliegend nicht erforderlich gewesen, da sich weder der Vermieter noch die Höhe der KdUH geändert hätten. Die weitere Nebenkostennachzahlung für die frühere Wohnung habe der Beklagte ohne weiteres übernommen (Bescheid vom 10. November 2020, Abrechnungszeitraum Januar bis Mai 2019, Nachzahlung 293,76 €).
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14. April 2022 abgewiesen. Trotz des durchgängigen Leistungsbezugs der Klägerin zu 1. bestehe kein Anspruch auf Übernahme der Nachzahlung aus der Nebenkostennachzahlung für die frühere Wohnung. Nach der Rechtsprechung des BSG sei eine existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung der Nebenkostennachforderungen für die in der Vergangenheit bewohnte Wohnung mit dem aktuellen, unterkunftsbezogenen Bedarf erforderlich. Diese liege nicht vor, da weder eine Kostensenkungsaufforderung noch eine Zusicherung zum Umzug durch den Beklagten erteilt worden seien.
Gegen den am 25. April 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin zu 1. am 20. Mai 2022 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie hat an ihrem bisherigen Vortrag festgehalten und ergänzend ausgeführt, dass ein Umzug dringend notwendig gewesen sei. Ihr sei es in der früheren Wohnung psychisch immer schlechter gegangen. Die neue Wohnung sei beim gleichen Vermieter angemietet worden. Aufgrund der Mietschulden bestehe die Gefahr, dass dieser das aktuelle Mietverhältnis aufkündige. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 1. hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Klage und die Berufung auch hinsichtlich des (kopfanteiligen) Anspruchs für die Klägerin zu 2. erhoben worden seien. Sie vertrete diese aufgrund der Bevollmächtigung durch die allein sorgeberechtigte Klägerin zu 1.
Die Klägerinnen beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 14. April 2022 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, für Januar 2020 weitere Leistungen i.H.v. insgesamt 1.078,31 € zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
1. a.
Die Berufung der Klägerinnen ist statthaft nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da sie die Übernahme einer Nebenkostennachzahlung i.H.v. 1.078,31 € geltend machen, so dass der Beschwerdewert von 750 € überschritten wird.
b.
Die Berufung ist auch form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Insbesondere sind sowohl die Klage als auch die Berufung der Klägerin zu 2. nicht wegen Ablaufs der Rechtsmittelfristen unzulässig gewesen.
Nach Auslegung der jeweiligen Schriftsätze unter Berücksichtigung des wirklichen Willens (§ 123 SGG) hat die Klägerin zu 2. die Rechtsmittel innerhalb der jeweiligen Monatsfrist erhoben. Maßgeblich ist dabei insbesondere, was jeder vernünftige Antragsteller bei entsprechender Beratung beantragen würde, soweit keine Gründe für ein gewolltes anderes Verhalten vorliegen. Diese Grundsätze gelten im Hinblick auf die rechtlichen Besonderheiten einer „Bedarfsgemeinschaft“ i.S.d. SGB II auch für die Frage, welche Personen Klage erhoben haben. Dafür sind das gesamte klägerische Vorbringen und alle Umstände des Einzelfalls – ggf. schon das Verwaltungsverfahren – zu berücksichtigen. Es ist davon auszugehen, dass der Leistungsempfänger eine möglichst weitgehende Verwirklichung seines Begehrens anstrebt (BSG, Urteil vom 6. April 2011, B 4 AS 119/10 R, juris, Rn. 29; Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 12/18 R, juris, Rn. 11).
Bereits die Betreuerin der Klägerin zu 1. hat den Antrag auf Übernahme der Nebenkostennachzahlung betragsmäßig nicht auf den auf diese entfallenden Anteil beschränkt. Eine solche Begrenzung enthält auch der Widerspruch vom 4. September 2020 nicht. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 17. August 2020 und Widerspruchsbescheid vom 25. November 2020 die Übernahme der Nebenkostennachzahlung i.H.v. 1.078,31 € insgesamt abgelehnt. Die Entscheidungen hat er an die Klägerin zu 1. adressiert, ohne die Klägerin zu 2. in der Begründung explizit zu erwähnen. In der Klageschrift wird nur die Klägerin zu 1. erwähnt. Allerdings wird ausdrücklich der Gesamtbetrag der Nebenkostennachzahlung geltend gemacht. Das Begehren kann daher nur dahingehend ausgelegt werden, dass die kopfanteiligen Beträge für die Klägerin zu 1. und die minderjährige Klägerin zu 2. von Anfang an Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Das SG hat im Gerichtsbescheid vom 14. April 2022 keine Ergänzung des Rubrums vorgenommen, jedoch über das Begehren inhaltlich vollumfänglich entschieden. Auch die unter Beibehaltung des bisherigen Vortrags am 20. Mai 2022 erhobene Berufung ist daher dahingehend auszulegen, dass beide Klägerinnen die auf sie entfallenden Anteile der Nebenkostennachzahlung weiterhin geltend machen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der mit der Klageschrift vorgelegten Vollmacht vom 25. August 2020, die durch die Betreuerin der Klägerin zu 1. unterzeichnet worden ist. Die Klägerin zu 1. ist für ihre Tochter allein sorgeberechtigt und damit deren gesetzliche Vertreterin. Anhand der Unterlagen in der Verwaltungsakte ist ersichtlich, dass die Betreuerin sämtliche Angelegenheiten der Bedarfsgemeinschaft gegenüber dem Beklagten wahrgenommen hat und nicht allein als Vertreterin der Klägerin zu 1. aufgetreten ist. Gleiches gilt hinsichtlich der hier geltend gemachten Nebenkostennachzahlung. Demzufolge ist die Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten durch die Betreuerin dahingehend auszulegen, dass hiervon beide Klägerinnen erfasst worden sind. Zwischenzeitlich liegt eine ausdrückliche Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten für die Klägerin zu 2. durch die Klägerin zu 1. vor (Vollmacht vom 26. April 2023).
c.
Gegenstand des Verfahrens ist allein der Bescheid vom 17. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2020. Insoweit handelt es sich nicht um einen Überprüfungsbescheid zum Bescheid vom 5. Mai 2020. Mit diesem hatte der Beklagte die Gewährung der Nebenkostennachzahlung ausdrücklich im Februar 2020 abgelehnt. Mit dem Bescheid vom 17. August 2020 erfolgte die Leistungsablehnung dagegen im Januar 2020. Nur dieser Monat ist nach dem Begehren der Klägerinnen streitig.
2.
Die Berufung ist auch begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 17. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2020 ist rechtswidrig und beschwert daher die Klägerinnen i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Sie haben Anspruch auf Gewährung der Nebenkostennachzahlung und damit auf höhere Leistungen im Januar 2020 i.H.v. 1.078,31 € im Vergleich zur bisherigen Leistungsbewilligung nach dem Bescheid vom 23. November 2019. Der Gerichtsbescheid des SG war daher aufzuheben.
a.
Die Klägerinnen hatten im Januar 2020 dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerin zu 1. erfüllte die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie war im passenden Alter, erwerbsfähig, hilfebedürftig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Die Klägerin zu 2. war nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II leistungsberechtigtes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, da sie ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten konnte.
Der Bedarf der Klägerinnen umfasste zunächst den Regelbedarf i.H.v. 424 € bzw. das Sozialgeld i.H.v. 302 €. Hinzu kam der Mehrbedarf für Alleinerziehende für die Klägerin zu 1. i.H.v. 50,88 € nach § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II. Als Einkommen waren lediglich das Kindergeld i.H.v. 204 € und der Unterhaltsvorschuss i.H.v. 202 € bei der Klägerin zu 2. zu berücksichtigen. Anhaltspunkte hinsichtlich eines zu berücksichtigenden Vermögens gemäß § 12 Abs. 1 SGB II, das die Freibeträge überstieg, liegen nicht vor. Hinsichtlich der KdUH hat der Beklagte zutreffend zumindest die tatsächlichen Kosten i.H.v. 284,50 € berücksichtigt.
Den sich ergebenden Gesamtanspruch i.H.v. 652,34 € hat der Beklagte bereits bewilligt und gezahlt.
b.
Die Klägerinnen haben darüber hinaus aber auch Anspruch auf die Übernahme der Nebenkostennachzahlung i.H.v. 1.078,31 € (kopfanteilig 539,15 € bzw. 539,16 €) im Januar 2020.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind die tatsächlichen Aufwendungen für die KdUH anzuerkennen, soweit sie angemessen sind. Hierdurch soll das Grundbedürfnis des Wohnens gesichert werden. Deswegen sind grundsätzlich nur die Aufwendungen für die tatsächlich genutzte, konkrete Wohnung zu übernehmen, die den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf deckt. Dazu gehören auch Nebenkostennachforderungen im Fälligkeitsmonat (BSG, Urteil vom 30. März 2017, B 14 AS 13/16 R, juris, Rn. 13; Urteil vom 13. Juli 2017, B 4 AS 12/16 R, juris, Rn. 17). Bezieht sich die Nachforderung auf einen während des Leistungsbezugs eingetretenen und bisher noch nicht gedeckten Bedarf, ist sie gemäß § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmen. Dagegen handelt es sich um Schulden i.S.d. § 22 Abs. 8 SGB II, wenn der Grundsicherungsträger die tatsächlich zu leistenden Vorauszahlungen berücksichtigt hatte und die Nachforderung auf der Nichtzahlung der vom Vermieter geforderten Abschläge beruht (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011, B 4 AS 9/11 R, juris, Rn. 18).
Vorliegend bezog sich die Nebenkostennachforderung auf eine Wohnung, die die Klägerinnen im Zeitpunkt der Abrechnung vom 7. November 2019 nicht mehr bewohnten. Es handelte sich insoweit nicht um Schulden, da die angerechneten, geleisteten Zahlungen i.H.v. 740 € für den Abrechnungszeitraum von 10 Monaten genau den fälligen monatlichen Vorauszahlungen entsprachen (31 €/Monat + 43 €/Monat x 10 Monate).
Insofern ist anerkannt, dass auch die Nebenkostennachforderung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung als Bedarf im Fälligkeitsmonat zu berücksichtigen sein kann, wenn die Leistungsberechtigten sowohl im Zeitpunkt der tatsächlichen Entstehung der Kosten als auch im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung im Leistungsbezug nach dem SGB II standen. Das BSG hält jedoch dann eine existenzsicherungsrechtliche Verknüpfung zwischen der Nachforderung für die bisherige Wohnung und dem aktuellen Bedarf für die derzeitige Wohnung für erforderlich. Diese sei insbesondere dann gegeben, wenn die Aufgabe der bisherigen Wohnung in Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit erfolgte oder eine Zusicherung hinsichtlich des Umzugs erteilt worden war (BSG, Urteile vom 30. März und 13. Juli 2017, a.a.O., Rn. 14 f. bzw. 18 f.; Urteil vom 20. Dezember 2011, B 4 AS 9/11 R, juris, Rn. 17). In diesen Fällen wird der Leistungsträger nicht von der Verantwortung für die Berücksichtigung unterkunftsbezogener Bedarfe für die frühere Wohnung entbunden, da der Umzug auf seine Veranlassung oder zumindest mit seiner Zustimmung erfolgte. Insoweit hat das BSG auch darauf verwiesen, dass ein Betriebskostenguthaben unabhängig von der Frage eines vorausgegangenen Umzugs die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 3 SGB II mindert (Urteil vom 13. Juli 2017, a.a.O., juris Rn. 19). Weiter wird zur Begründung angeführt, dass es eine faktische Umzugssperre bewirken könnte, wenn die Nachforderungen für eine frühere Wohnung bei durchgehender Hilfebedürftigkeit nicht übernommen würden (BSG, Urteil vom 30. März 2017, a.a.O., juris, Rn. 15).
Die Klägerinnen standen im Abrechnungszeitraum von März bis Dezember 2018 und auch bis zum Monat der Fälligkeit der Nachforderung im Januar 2020 (Zahlungsziel 14. Januar 2020) im Leistungsbezug beim Beklagten. Dieser hatte von den Klägerinnen keine Senkung ihrer KdUH in der vorherigen Wohnung verlangt. Zudem hatte er den Antrag auf Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme der KdUH für die neue Wohnung mit Bescheid vom 29. April 2019 bestandskräftig abgelehnt. Dies steht jedoch der Übernahme der Nebenkostennachzahlung nicht entgegen. Das BSG hat in den genannten Entscheidungen klargestellt, dass weitere Fallgruppen einer existenzsicherungsrechtlichen Verknüpfung möglich sind. So können insbesondere Folgeprobleme für die aktuelle Wohnsituation drohen, wenn die neue Wohnung beim Vermieter der früheren Wohnung angemietet wird und deshalb Zahlungsschwierigkeiten aus dem früheren Mietverhältnis auf die gegenwärtigen Rechtsbeziehungen durchschlagen (BSG, Urteil vom 30. März 2017, a.a.O., juris, Rn. 15; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. Mai 2019, L 7 AS 1440/18, juris, Rn. 34 f.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. April 2020, L 19 AS 2352/19, juris, Rn. 25 ff.).
Die Klägerin zu 1. hat die neue Wohnung beim gleichen Vermieter angemietet. Im Mietvertrag vom 8. September 2011 für die frühere Wohnung ist noch die O GmbH angegeben. In der Nebenkostenabrechnung vom 7. November 2019 wird der Eigentümer als E GmbH & Co. KG aufgeführt. Dies ist auch der Vermieter der neuen Wohnung laut Mietvertrag vom 20. Mai 2019.
Die Forderung von über 1.000 € kann auch Auswirkungen auf das aktuelle Mietverhältnis haben. Die Betreuerin der Klägerin zu 1. hat bereits mit Schreiben vom 29. April 2020 auf die Mahnung des Vermieters vom 16. April 2020 hingewiesen. Der Verzug mit der Entrichtung der Nachzahlung aus einer Nebenkostenabrechnung rechtfertigt zwar keine Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), schließt aber eine solche nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 und ggf. nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht aus (Bieber in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2023, § 543 BGB, Rn. 46).
Darüber hinaus können Aufrechnungen oder Verrechnungen der bestehenden Forderung aus dem Mietverhältnis bezüglich der früheren Wohnung gegebenenfalls mit Forderungen aus dem Mietverhältnis bezüglich der aktuellen Wohnung (z.B. Betriebskostenguthaben, Kautionsrückzahlung) drohen. Nicht maßgeblich ist der Umstand, dass bis zum heutigen Tag keine weitergehenden Maßnahmen des Vermieters erfolgt sind. Ausreichend ist vielmehr, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten hinsichtlich der Übernahme der Nebenkostennachforderung Auswirkungen auf das aktuelle Mietverhältnis bei prognostischen Betrachtung drohen.
Auf die Frage, ob eine relevante Verknüpfung bereits dann angenommen werden kann, wenn der Leistungsberechtigte im Abrechnungszeitraum und bis zum Fälligkeitsmonat durchgängig im Leistungsbezug stand und keine weiteren Besonderheiten vorliegen, kommt es im Ergebnis daher nicht an.
Ob die KdUH im Januar 2020 und insgesamt im Jahr 2020 unter Berücksichtigung der Nebenkostennachzahlung noch angemessen i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II waren, kann dahingestellt bleiben. Der Beklagte hatte kein Kostensenkungsverfahren gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II betrieben.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zur Übernahme eine Nebenkostennachzahlung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung.