Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.02.2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) an den Kläger für sich selbst.
Der 1999 in Syrien geborene Kläger reiste 2015 als minderjähriger unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland ein. Er ist durch Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.11.2016 als Flüchtling anerkannt.
Am 20.08.2019 nahm der Kläger eine Berufsausbildung auf. Am 05.11.2018 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung von Kindergeld an sich selbst. Er gab an, seine Eltern lebten gemeinsam mit weiteren jüngeren Geschwistern in Q. in der Türkei. Es bestehe gelegentlich Kontakt über Mobilfunk.
Mit Bescheid vom 24.04.2019 lehnte die Beklagte die Gewährung von Kindergeld ab, da die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 BKGG nicht vorlägen, weil dem Kläger der Aufenthaltsort seiner Eltern bekannt sei. Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2019 zurück. Voraussetzung für einen eigenen Anspruch des Klägers auf Kindergeld für sich selbst sei, dass dieser Vollwaise sei oder den Aufenthaltsort seiner Eltern nicht kenne. Dem Kläger sei der Aufenthaltsort seiner Eltern bekannt und er habe auch gelegentlichen Kontakt. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 BKGG lägen daher nicht vor.
Dagegen hat sich der Kläger mit der am 15.08.2019 zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage gewendet.
Zur Begründung hat er vorgetragen, seine Eltern lebten mit seinen drei minderjährigen Geschwistern unter sehr schwierigen Verhältnissen in Q., so dass sie im Rahmen seiner Möglichkeiten vom Ausbildungsentgelt finanziell unterstützt würden. Die Vorschriften des § 1 Abs. 2 BKGG seien teleologisch zu reduzieren. Kindergeldanspruch dürften nicht nur Vollwaisen und Kinder haben, die den Aufenthaltsort ihrer Eltern nicht kennen, sondern auch Kinder, deren Eltern ihren Wohnsitz im Ausland hätten und nicht nach Deutschland einreisen könnten, so dass diese Kinder faktisch Vollwaisen gleichstünden. Infolge der Flüchtlingskrise sei eine gesetzliche Regelungslücke entstanden, die durch eine entsprechende Auslegung des Gesetzes zu schließen sei.
Die Beklagte hat vorgetragen, die Anspruchsvoraussetzungen lägen in der Person des Klägers nicht vor, da ihm der Aufenthalt seiner Eltern bekannt sei, er habe regelmäßig telefonischen Kontakt und habe sie auch schon besucht.
Mit Beschluss vom 19.01.2021 hat das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt. Die dagegen eingelegte Beschwerde (L 13 KG 2/21 B) hat der Senat mit Beschluss vom 23.09.2021 zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKGG seien bereits nach dem Wortlaut der Regelung nicht erfüllt. Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift sei auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten nicht geboten.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.02.2022 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
„Das Gericht konnte nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da der Sachverhalt geklärt ist und keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist (vgl. § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 24.04.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2019 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, denn dieser Bescheid ist rechtmäßig.
Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht die Gewährung von Kindergeld an den Kläger für sich selbst abgelehnt.
Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 BKGG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift erhält Kindergeld für sich selbst, wer 1. in Deutschland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, 2. Vollwaise ist oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt und 3. nicht bei einer anderen Person als Kind zu berücksichtigen ist. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor, da er weder Vollwaise ist, noch den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt. Nach seinen eigenen Angaben ist ihm der Aufenthaltsort seiner Eltern bekannt, er habe diese sogar über den Jahreswechsel 2018/2019 an ihrem Wohnort in der Türkei besucht und habe regelmäßigen Kontakt. Er unterstütze diese im Rahmen seiner Möglichkeiten finanziell von seinem Ausbildungsentgelt.
Der Kläger kann auch nicht im Wege der ergänzenden Auslegung entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes einem Vollwaisen gleichgestellt werden. Eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz liegt nicht vor. Durch die gesetzliche Neuregelung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BKGG zum 01.01.1986 sollte ausweislich der Gesetzesmaterialien eine eng begrenzte Ausnahmeregelung unter Härtegesichtspunkten für Vollwaisen und Kinder geschaffen werden, die den Aufenthalt ihrer Eltern nicht kennen. Der bloße Auslandswohnsitz bzw. gewöhnliche Auslandsaufenthalt sollte nicht ausreichen (vgl. Hessisches LSG Urteil vom 25.06.2014 L 6 KG 3/11 Randziffer 21).
Die gesetzliche Regelung ist nicht verfassungswidrig, da dem Gesetzgeber im Bereich der steuerfinanzierten Sozialleistungen eine weite Gestaltungsfreiheit zukommt. Diese ist hier nicht verletzt (vgl. auch Hessisches LSG aaO, Randziffer 22).“
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Berufung des Klägers, der zur Begründung auf eine im Deutschen Bundestag gehaltene Rede Bezug nimmt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.02.2022 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.04.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2019 zu verurteilen, ihm Kindergeld ab Antragstellung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.
Der Senat nimmt Bezug auf seinen Beschluss vom 23.09.2021 und auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids, die er sich zu eigen macht, § 153 Abs. 2 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Revisionszulassung sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).