L 10 SF 3/23 EK

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
1. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 SF 3/23 EK
Datum
-
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Erklärt der Kläger eine bereits anhängige, aber mangels Zustellung noch nicht rechtshängige Entschädigungsklage (§ 202 Satz 2 SGG iVm §§ 198 ff GVG) einseitig für erledigt, wird das Verfahren dadurch nicht beendet. Es ist keine Kostenentscheidung gem § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 161 Abs 1 VwGO zu treffen.

2. Unabhängig davon, ob § 269 Abs 3 Satz 3 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar ist, kann eine vor Rechtshängigkeit der Klage ausgesprochene einseitige Erledigungserklärung jedenfalls dann nicht in eine Klagerücknahme umgedeutet werden, wenn objektiv keine Erledigung vorliegt.

 

Der Antrag des Klägers, dem Land Sachsen-Anhalt die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird abgelehnt.

 

 

Gründe:

 

I.

 

Der Kläger begehrt eine Kostengrundentscheidung, nachdem er seine Entschädigungsklage gemäß § 202 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) vor Zustellung der Klageschrift für erledigt erklärt hat.

 

Der Kläger hat am 10. November 2022, zunächst nicht anwaltlich vertreten, beim Justizzentrum Magdeburg eine an das „Landessozialgericht Magdeburg“ adressierte und gegen das „Sozialgericht Magdeburg“ gerichtete Klage eingereicht. Mit der auf den 4. November 2022 datierten Klageschrift hat er eine Entschädigung i.H.v. 3.600 € wegen der Dauer eines nicht näher bezeichneten sozialgerichtlichen Klageverfahrens begehrt; für das Entschädigungsverfahren hat er Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Nachdem das Sozialgericht (SG) Magdeburg den Kläger darauf hingewiesen hatte, dass für derartige Klagen das Landessozialgericht (LSG) zuständig sei, hat am 9. Januar 2023 der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers angezeigt, dass er diesen nunmehr vertrete. Er hat erklärt: „Die Klage vom 04.11.2022 […] mache ich mir zu eigen und trage diese als die meinige vor.“ Weiter hat er die Verweisung des Rechtsstreits an das LSG beantragt. Dem ist das SG mit Beschluss vom 15. Februar 2023 gefolgt.

 

Mit Schriftsatz vom 8. März 2023 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers klargestellt, dass sich die „Untätigkeitsklage“ gegen das Land Sachsen-Anhalt richte. Das Ausgangsverfahren beim SG Magdeburg (S 30 AS 1111/19) sei inzwischen durch ein weitgehend stattgebendes Urteil vom 22. Februar 2023 beendet worden. Aus diesem Grund werde im vorliegenden Verfahren die Erledigung der Hauptsache angezeigt. Weiter werde beantragt, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Eine Zahlung des angeforderten Gerichtskostenvorschusses sei nicht mehr erforderlich.

 

Die Klageschrift ist nicht zugestellt worden. Das Land Sachsen-Anhalt hat Gelegenheit erhalten, sich zu der Erledigungserklärung und dem Kostenantrag zu äußern. Der Berichterstatter hat darauf hingewiesen, dass problematisch sei, ob bereits vor Eintritt der Rechtshängigkeit eine Kostenentscheidung aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen ergehen könne. Weiter hat er darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen des § 269 Abs. 3 Satz 3 Zivilprozessordnung (ZPO), auch wenn man die Vorschrift für entsprechend anwendbar hielte, wohl nicht vorlägen. Das Land Sachsen-Anhalt hat sich nicht geäußert. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat auf seinen Schriftsatz vom 8. März 2023 verwiesen und um gerichtliche Entscheidung gebeten.

 

Den Antrag des Klägers auf PKH hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tag abgelehnt.

 

II.

 

1. Der Senat entscheidet entsprechend § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter. Nach dieser Vorschrift ist der Berichterstatter im vorbereitenden Verfahren zuständig für eine Entscheidung über Kosten. Die systematisch dem Berufungsrecht zugeordnete Regelung findet in erstinstanzlichen Verfahren vor dem LSG entsprechende Anwendung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 155 Rn. 6).

 

2. Der Antrag des Klägers, dem Land Sachsen-Anhalt die Kosten aufzuerlegen, ist abzulehnen. Die Voraussetzungen einer derartigen Kostengrundentscheidung liegen nicht vor. Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.Vm. § 161 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden. Vorliegend fehlt es aber an einer solchen Verfahrensbeendigung. Das anhängig gewordene Klageverfahren (dazu unter a]) ist weder durch Erledigungserklärungen noch durch Klagerücknahme beendet worden (dazu unter b]).

 

a) Der Kläger hat durch Einreichung einer Klageschrift Klage erhoben (§§ 90, 92 SGG). Diese ist zwar nicht rechtshängig geworden, denn in Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des GVG wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig (§ 94 Satz 2 SGG). Eine solche ist nicht erfolgt, weil der Kläger den Kostenvorschuss nicht eingezahlt hat (§ 12a i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz [GKG]) und kein Ausnahmetatbestand nach § 14 GKG vorliegt, insbesondere keine Bewilligung von PKH. Das Verfahren ist jedoch anhängig geworden. Dem steht nicht entgegen, dass die Klageschrift auch einen PKH-Antrag enthält. Insbesondere handelt es sich nicht um einen isolierten PKH-Antrag, dem lediglich ein Klageentwurf beigefügt war.

 

Ob Klage erhoben sein soll, ist im Zweifelsfall durch Auslegung zu ermitteln (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 90 Rn. 4a). Dies gilt u.a., wenn eine Klageschrift zusammen mit einem PKH-Antrag eingereicht wird (vgl. dazu Schultzky in: Zöller, ZPO, 34. Auflage 2022, § 117 Rn. 11 f.). Vorliegend bestehen aber keine Zweifel daran, dass die Klage bereits unabhängig von der Bewilligung von PKH erhoben sein sollte. Der Schriftsatz des Klägers vom 4. November 2022 ist als „Klage“ überschrieben. Nach der Angabe des Klägers und des Beklagten wird dort ausgeführt: „erhebe ich Klage und beantrage, 1) den Beklagten zu verpflichten, Entschädigung gem. § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GKV) in Höhe von 3.600 Euro zu zahlen“. Unter den Ziffern 2) und 3) folgen die Anträge auf PKH und Beiordnung einer namentlich benannten Rechtsanwältin. Im Anschluss an die Begründung ist der Schriftsatz unterzeichnet. Angesichts dieser Gestaltung deutet nichts darauf hin, dass es sich lediglich um einen Klageentwurf oder eine bedingte Klage handeln sollte (zur Unzulässigkeit einer bedingten Klageerhebung vgl. Diehm in: BeckOGK, § 90 SGG Rn. 25 [Stand: 1. Februar 2023]; Wache in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band 1, 6. Auflage 2020, § 117 Rn. 9).

 

Es kann dahinstehen, ob es trotz dieses eindeutigen Wortlauts denkbar ist, im Wege der Auslegung und ggf. nach einer entsprechenden Nachfrage beim Absender von einem isolierten PKH-Antrag auszugehen, wenn der Schriftsatz von einem nicht anwaltlich vertretenen juristischen Laien formuliert worden ist, der bislang nur mit gerichtskostenfreien sozialgerichtlichen Verfahren i.S.v. § 183 SGG zu tun hatte und möglicherweise nicht um die Kostenpflichtigkeit einer solchen Entschädigungsklage wusste. Denn vorliegend hat sich der inzwischen für den Kläger als Prozessbevollmächtigter auftretende Rechtsanwalt den Inhalt des Klageschriftsatzes vom 4. November 2022 ausdrücklich zu eigen gemacht. Bei einer Prozesserklärung eines Rechtsanwalts ist in der Regel anzunehmen, dass sie das Gewollte richtig wiedergibt (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 5. Juni 2014 – B 10 ÜG 29/13 B – juris Rn. 12). Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist deshalb von einer Klageerhebung auszugehen.

 

b) Die Anhängigkeit der Klage ist noch nicht beendet. Insbesondere liegen weder übereinstimmende Erledigungserklärungen (dazu unter aa]) noch eine Klagerücknahme vor (dazu unter bb]). Eine einseitig gebliebene Erledigungserklärung beendet das Verfahren nicht (dazu unter cc]). Eine wirksame verfahrensbeendende Erklärung steht noch aus (dazu unter dd]).

 

aa) Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluss, wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt jedoch übereinstimmende Erledigungserklärungen des Klägers und des Beklagten voraus. Dies ist zwar – anders als in § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO – im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, aber zu Recht praktisch allgemein anerkannt (vgl. nur R. P. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 28. Auflage 2022, § 161 Rn. 10 m.w.N.). An solchen übereinstimmenden Erledigungserklärungen fehlt es hier.

 

Es kann dahinstehen, ob übereinstimmende Erledigungserklärungen vor Eintritt der Rechtshängigkeit überhaupt wirksam abgegeben werden können. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kann ein vor Rechtshängigkeit liegendes Ereignis die Hauptsache nicht erledigen, weil erst durch die Zustellung der Klage das Prozessrechtsverhältnis, die Parteien und der Streitgegenstand bestimmt werden; deshalb liegt vor der Zustellung noch keine „Hauptsache“ vor, die sich erledigen kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1982 – V ZR 50/81 – juris Rn. 8; Urteil vom 17. Juli 2003 – IX ZR 268/02 – juris Rn. 10). Umstritten ist, ob gleichwohl eine Kostengrundentscheidung nach § 91a ZPO ergehen kann, wenn der Gegner sich der Erledigungserklärung anschließt und damit möglicherweise konkludent auf eine Zustellung der Klageschrift verzichtet (vgl. Althammer in: Zöller, a.a.O., § 91a Rn. 17). Im sozial- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren stellen sich diese Fragen in der Regel nicht, weil Anhängigkeit und Rechtshängigkeit einer Klage hier grundsätzlich zusammenfallen (vgl. § 94 Satz 1 SGG, § 90 Satz 1 VwGO). Eine Ausnahme gilt allerdings für Entschädigungsverfahren wegen der Dauer eines Gerichtsverfahrens; hier wird eine Klage auch im Sozial- und im Verwaltungsprozess erst mit der Zustellung an den Gegner rechtshängig (vgl. § 94 Satz 2 SGG, § 90 Satz 2 VwGO). Deshalb kommen in solchen Fällen – wie hier – dieselben Grundsätze zur Anwendung wie im Zivilprozess.

 

Es kann jedoch dahinstehen, ob eine Kostengrundentscheidung auf Grundlage von § 161 Abs. 2 VwGO möglich ist, wenn die Beteiligten den Entschädigungsrechtsstreit vor Eintritt der Rechtshängigkeit übereinstimmend für erledigt erklären, denn vorliegend fehlt es an einer Erledigungserklärung des Landes Sachsen-Anhalt. Eine solche Erledigungserklärung wird auch nicht gemäß § 161 Abs. 2 Satz 2 VwGO fingiert. Nach dieser Vorschrift ist der Rechtsstreit auch dann in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist. Mit Blick darauf, dass eine Erledigung vor Rechtshängigkeit ausscheidet und das Land Sachsen-Anhalt mangels Klagezustellung noch nicht als Beklagter an dem Verfahren beteiligt war, ist ihm die Erledigungserklärung nicht zugestellt worden. Auf die formlose Übermittlung der Erklärung hat das Land nicht reagiert.

 

bb) Die vom Kläger begehrte Kostenentscheidung kann auch nicht auf § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO gestützt werden. Nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO bestimmt sich auch in Fällen, in denen die Klage nicht zugestellt wurde, die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin zurückgenommen wird. Es kann dahinstehen, ob die Vorschrift in sozialgerichtlichen Entschädigungsverfahren nach § 202 Satz 2 SGG i.Vm. §§ 198 ff. GVG zur Anwendung kommt. Jedenfalls liegen ihre Voraussetzungen nicht vor.

 

Es fehlt an einer Klagerücknahme (§ 102 SGG). Der Kläger hat seine Klage nicht zurückgenommen, sondern sie in der Hauptsache für erledigt erklärt. Für eine vom eindeutigen Wortlaut der anwaltlich formulierten Prozesserklärung abweichende Auslegung gibt es keinen Anknüpfungspunkt. Während die Unterscheidung zwischen einer Klagerücknahme und einer Erledigungserklärung im gerichtskostenfreien sozialgerichtlichen Verfahren nach § 183 SGG keine praktische Bedeutung hat, sind in einem gerichtkostenpflichtigen Verfahren nach § 197a SGG, wie es hier vorliegt, erheblich unterschiedliche Rechtsfolgen an die beiden Erklärungen geknüpft (vgl. Hauck, SGb 2004, 407; Schmidt, a.a.O., § 102 Rn. 3). Eine einseitige Erledigungserklärung kann deshalb regelmäßig nicht als Klagerücknahme ausgelegt werden (vgl. Keller, a.a.O., § 125 Rn. 10).

 

Vorliegend kommt auch keine Umdeutung der Erledigungserklärung in eine Klagerücknahme in Betracht. Eine Umdeutung von Prozesserklärungen in entsprechender Anwendung von § 140 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist zwar grundsätzlich möglich, wenn die Voraussetzungen der umgedeuteten Prozesshandlung eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2019 – XI ZR 50/18 – juris Rn. 17, Keller, a.a.O., Vor § 60 Rn. 11b; vgl. auch BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 25/01 R – juris Rn. 19). Ob nach diesen Grundsätzen auch die Umdeutung einer einseitigen Erledigungserklärung in eine Klagerücknahme grundsätzlich möglich ist (vgl. dazu Oberlandesgericht [OLG] Brandenburg, Urteil vom 13. November 2019 – 4 U 8/19 – juris Rn. 34; Schulz in: Münchener Kommentar zur ZPO, a.a.O., § 91a Rn. 18; Althammer, a.a.O., § 91a Rn. 17), kann aber offen bleiben. Denn die Umdeutung einer vor Rechtshängigkeit erklärten Erledigungserklärung in eine Klagerücknahme scheidet jedenfalls dann aus, wenn diese ebenfalls nicht zum angestrebten Ziel führen würde (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 23. November 2021 – 6 U 16/21 – juris Rn. 50). So liegt es hier. Auch bei Vorliegen einer Klagerücknahme wären die Voraussetzungen des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nicht erfüllt.

 

Gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO sind die Kosten nach billigem Ermessen zu verteilen, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage schon vor Rechtshängigkeit weggefallen ist. Mit Wegfall des Klageanlasses ist die Erledigung der Klage gemeint (vgl. Becker-Eberhard in: Münchener Kommentar zur ZPO, a.a.O., § 269 Rn. 59; Foerste in: Musielak/Voit, ZPO, 20. Auflage 2023, § 269 Rn. 13). Das setzt voraus, dass der ursprüngliche Klageantrag durch ein Ereignis nachträglich gegenstandslos geworden ist (vgl. Althammer, a.a.O., § 91a Rn. 3 m.w.N.) und der Kläger sein Begehren nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterverfolgen kann; es muss eine Lage eingetreten sein, die eine Entscheidung über den Klageanspruch erübrigt oder ausschließt (vgl. Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 161 Rn. 131 m.w.N.).

 

Vorliegend fehlt es an einem solchen erledigenden Ereignis. Der Kläger hatte – entgegen seinem späteren Vorbringen – keine „Untätigkeitsklage“ erhoben, sondern eine bezifferte Entschädigungsklage gemäß § 202 Satz 2 SGG i.V.m. §§ 198 ff. GVG. Eine solche Klage erledigt sich nicht dadurch, dass das Ausgangsverfahren seinen Abschluss findet. Vielmehr lässt sich das Vorliegen eines Entschädigungsanspruchs vielfach erst nach Abschluss des Ausgangsverfahrens zuverlässig beurteilen (vgl. Lückemann, in: Zöller, a.a.O., § 198 GVG Rn. 11). Deshalb gibt § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG dem Entschädigungsgericht die Möglichkeit, sein Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt auszusetzen. Es liegt auch kein Fall vor, in dem eine zunächst entstandene entschädigungsrelevante Verzögerung in einer Instanz nachträglich durch eine besonders beschleunigte Bearbeitung in der nächsten Instanz ausgeglichen worden wäre (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24. März 2022 – B 10 ÜG 4/21 R – juris Rn. 23 ff.) und sich dadurch nachträglich die Grundlagen der bereits erhobenen Entschädigungsklage geändert hätten.

 

cc) Die einseitig gebliebene Erledigungserklärung des Klägers beendet das Verfahren nicht. Unabhängig davon, dass eine objektive Erledigung vor Rechtshängigkeit ausscheidet, führt eine einseitige Erledigungserklärung im gerichtskostenpflichtigen Verfahren gemäß § 197a SGG nicht zu dessen Beendigung (vgl. Keller, a.a.O., § 125 Rn. 10).

 

dd) Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass dem Kläger nach wie vor freisteht, die anhängige Klage durch eine eindeutige Prozesserklärung zurückzunehmen. Eine solche Klagerücknahme hat zur Folge, dass der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen hat (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 VwGO). Die gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GKG bereits bei Klageeinreichung fällig gewordene Verfahrensgebühr ermäßigt sich (Nr. 7113 KV GKG), entfällt aber auch bei einer Klagerücknahme vor Zustellung der Klageschrift nicht ganz (vgl. Greger in: Zöller, a.a.O., § 269 Rn. 23). Für den Fall, dass der Kläger sich nicht weiter erklärt und auch der Anforderung des Kostenvorschusses keine Folge leistet, sieht § 26 Abs. 8 Kostenverfügung (KostVfg) vor, dass der Kostenbeamte die entstandenen Kosten zum Soll stellt (Satz 1), dabei die Verfahrensgebühr aber nur insoweit ansetzt, als sich der Zahlungspflichtige nicht durch Rücknahme der Klage von der Verpflichtung zur Zahlung befreien kann (Satz 3).

 

3. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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