1. Zur Möglichkeit, den Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu beschränken
2. Die Nachzahlung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die nicht zum Ruhen eines gleichzeitig bestehenden Anspruches auf Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz geführt hat, stellt nach der bis zum 01.08.2016 geltenden Rechtslage eine laufende Einnahme i.S.d. § 11 Abs. 2 SGB II dar, die allein im Monat des Zuflusses angerechnet wird.
3. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU findet Anwendung, wenn ein Arbeitnehmer mit unbefristetem Arbeitsvertrag nach wenigen Wochen Erwerbstätigkeit infolge eines Arbeitsunfalles arbeitsunfähig wird, er in der Folge Entgeltfortzahlung bzw. Krankengeld bezieht und das Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber erst nach mehr als einem Jahr betriebsbedingt gekündigt wird, sofern grundsätzlich prognostisch mit der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist.
4. Mit der Unfreiwilligkeitsbescheinigung bestätigt die Bundesagentur für Arbeit sowohl die Arbeitslosigkeit als auch deren Unfreiwilligkeit. Die Bescheinigung ist ein feststellender Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X und seine Änderung unterliegt den Einschränkungen der §§ 44 SGB X.
5. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II ist richtlinienkonform auszulegen und findet daher unter anderem dann keine Anwendung, wenn der Familienangehörige zu einem freizügigkeitsberechtigten EU-Ausländer nachzieht.
6. Das Aufenthaltsrecht nach Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 setzt nicht voraus, dass der die Sorge ausübende Elternteil zum Zeitpunkt der Aufnahme seiner Kinder in eine Bildungseinrichtung bzw. bei Wohnsitznahme weiterhin Wanderarbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat ist. Es genügt, dass der sorgende Elternteil zuvor Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin i.S.d. § 45 AEUV war.
I. |
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 7. Juli 2021 abgeändert.
Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 14. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2016 verurteilt, an die Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II dem Grunde nach für die Zeit von 1. November 2015 bis 31. Dezember 2015 zu erbringen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. |
II. |
Der Beklagte hat den Klägern die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. |
III. |
Die Revision wird nicht zugelassen. |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 01.09.2015 bis 31.12.2015.
Die Kläger sind polnische Staatsbürger. Der 1987 geborene und mit der 1987 geborenen Klägerin zu 2 verheiratete Kläger zu 1 reiste am 28.06.2012 zunächst allein in die Bundesrepublik Deutschland ein und hielt sich seitdem im Bundesgebiet auf.
Im Zeitraum vom 15.07.2013 bis 31.01.2015 bestand zwischen dem zu dieser Zeit in V.... bzw. U.... lebenden Kläger zu 1 und dem Unternehmen T.... , „Renovierung rund ums Haus“ in S.... ein unbefristeter Arbeitsvertrag. Im Juli 2013 verdiente der Kläger zu 1 brutto 1.256,33 EUR (netto 678,26 EUR). Im August und September 2013 zahlte der Arbeitgeber nach steuer- und sozialrechtlichen Abzügen jeweils 1.200,00 EUR netto an den Kläger zu 1 aus. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 21.01.2015 betriebsbedingt. Ausweislich des Kündigungsschreibens sei der Kläger zu 1 durch gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage, körperliche Arbeit zu verrichten, die eine Tätigkeit auf Baustellen mit sich bringe. Da eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb nicht bestehe, sei die Kündigung unvermeidbar (Blatt 27 der Verwaltungsakte des Beklagten).
Er erlitt am 05.08.2013 einen Arbeitsunfall, infolge dessen er sich Bewegungseinschränkungen im Ellenbogengelenk rechts, Instabilität im körperfernen Ellen-Speichen-Gelenk, ein Sensibilitätsdefizit im Unterarm, leichte Paresen sowie Kraftverlust der Finger nach körperfernem Bruch der Speiche, des Speichen-Halses und -köpfchens rechts sowie eine Verschiebung des linken Ellenbogengelenkes zuzog und arbeitsunfähig wurde. Sein Arbeitgeber leistete bis zum 03.10.2013 Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Danach zahlte er bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit keinen Lohn mehr an den Kläger zu 1. Dieser bezog vielmehr vom 04.10.2013 bis zum 01.02.2015 Krankengeld von der AOK R.....
Der Kläger zu 1 meldete sich erstmals am 08.09.2015 beim Beklagten, nachdem er von seinem bisherigen Aufenthaltsort U.... in die 87,77 m² große Wohnung in B.... umgezogen war, für die ausweislich des Mietvertrages vom 24.07.2015 eine monatliche Grundmiete i.H.v. 480,00 EUR sowie eine Vorauszahlung auf die Betriebskosten i.H.v. 80,00 EUR und Heizkosten i.H.v. 100,00 EUR zu leisten war.
Ausweislich einer E-Mail der Sachbearbeiterin Eingangszone des Beklagten vom 08.09.2015 (Blatt 2 der Verwaltungsakte des Beklagten) zeigte der Kläger zu 1 im ersten Beratungsgespräch Hilfebedarf ab dem 01.10.2015 an. Mit Schreiben vom selben Tag an ihn führte der Beklagte aus: „...Sie haben einen Antrag auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ab dem 01.10.2015 gestellt“. Zu dessen Bearbeitung solle er unter anderem die vollständig ausgefüllten Antragsformulare zum nächsten Beratungstermin am 22.09.2015 vorlegen (Blatt 3 der Verwaltungsakte des Beklagten). Am Abgabetag überreichte der Kläger zu 1 ein von ihm am 14.09.2015 unterzeichnetes Antragsformular, das wiederum – vorausgefüllt – den 01.10.2015 als Tag des voraussichtlichen Hilfebeginns ausweist (Blatt 6 ff. der Verwaltungsakte des Beklagten).
Am 08.09.2015 teilte der Kläger zu 1 ferner mit, dass ein Zuzug der Klägerin zu 2 sowie der gemeinsamen Kinder, der Kläger zu 3 und 4 sowie des jüngsten Sohnes Q...., der ebenfalls polnischer Staatsbürger ist, im September 2015 vorgesehen sei. Die Klägerin zu 2 sowie die am 2006 (Kläger zu 3) und 2007 (Kläger zu 4) geborenen weiteren Kläger und der 2009 geborene Sohn Q.... zogen am 20.09.2015, von Polen kommend, in die vom Kläger zu 1 bewohnte Wohnung in B.... mit ein. Die Kläger zu 1 und 2 übten ihr gemeinsames Sorgerecht über die Kinder fortan gemeinschaftlich aus.
Der Kläger zu 1 bezog ausweislich des Bewilligungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit (BA), Agentur für Arbeit O.... vom 20.02.2015 (Blätter 28 ff. der Beklagtenakte) in der Zeit vom 02.02.2015 bis zum 03.10.2015 Arbeitslosengeld I i.H.v. kalendertäglich 23,92 EUR. Am 30.09.2015 flossen ihm auf seinem Konto 717,60 EUR für September 2015 zu. Die Leistungen für die restliche Zeit vom 01.10.2015 bis 03.10.2015 i.H.v. 71,76 EUR erhielt er am 08.10.2015 gutgeschrieben.
Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) erkannte beim Kläger zu 1 mit Bescheid vom 25.09.2015 ab dem 02.02.2015 bis auf weiteres vorläufig eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 an. Dafür wurde ihm ab dem 01.10.2015 eine monatliche Entschädigung i.H.v. 489,05 EUR gewährt. Zugleich stellte die BG Bau einen Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 05.02.2015 bis 30.09.2015 i.H.v. 3.844,99 EUR fest, der zunächst i.H.v. 3.355,94 EUR einbehalten und am 16.10.2015 an den Kläger zu 1 ausgezahlt wurde. Die erste laufende Rente für Oktober wurde am 29.10.2015 und ab dann gemäß § 96 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) im Regelfall am letzten Bankarbeitstag des Monats, jedenfalls aber noch im laufenden Bezugsmonat ausgezahlt. Mit Bescheid vom 23.03.2016 wurde die vorläufige Entscheidung durch einen endgültigen Bescheid ersetzt und nunmehr Verletztenrente auf unbestimmte Zeit in gleicher Höhe festgesetzt.
Mit Schreiben vom 22.09.2015 stellte die BA, Agentur für Arbeit B.... gegenüber dem Kläger zu 1 fest, dass dieser bis zum 31.01.2015 versicherungspflichtig in Deutschland angestellt gewesen und das Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte arbeitgeberseitige Kündigung beendet worden sei. Die unverschuldete Arbeitslosigkeit i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 2 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizüg/EU) wurde bescheinigt.
Die Familienkasse bewilligte im hier streitigen Zeitraum ab 01.09.2015 dem Kläger zu 1 für seine drei Kinder Kindergeld i.H.v. jeweils 188,00 EUR monatlich für die beiden erstgeborenen Kinder sowie i.H.v. 194,00 EUR monatlich für das dritte Kind. Zur Anrechnung gelangten Kindergeldzahlungsansprüche gegenüber dem polnischen Staat, sodass am 08.09.2015 und 08.10.2014 lediglich jeweils 482,82 EUR ausgezahlt wurden. Zahlungen des polnischen Staates haben die Kläger tatsächlich nicht erhalten. Ab November 2015 zahlte die Familienkasse zunächst kein Kindergeld mehr aus. Die Nachzahlung für die Monate November 2015 bis Februar 2016 erfolgte erst am 02.03.2016. Die Klägerin zu 2 erzielte im Übrigen keine Einkünfte. Sie ging keiner Erwerbstätigkeit nach.
Mit Bescheid vom 14.12.2015 lehnte der Beklagte den Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab. Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibe das Recht auf Freizügigkeit gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU (nur) während der Dauer von sechs Monaten unberührt. Nach Ablauf dieser sechs Monate gelte der Kläger zu 1 als Ausländer, dessen Aufenthaltsrecht sich ausschließlich aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe, mit der Folge, dass er gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Das Arbeitsverhältnis habe am 15.07.2013 begonnen und sei (tatsächlich nur) bis 03.10.2013 gegangen, sodass der Kläger zu 1 weniger als ein Jahr versicherungspflichtig in Deutschland beschäftigt gewesen sei. Ab 24.08.2013 sei er arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Nach den gesetzlichen Regelungen habe der Kläger zu 1 bis 03.10.2013 Lohnfortzahlung im Krankheitsfall vom Arbeitgeber erhalten. Ab 04.10.2013 bis zum 01.02.2015 habe er durchgängig Krankengeld von der zuständigen Krankenkasse bezogen. Der Arbeitnehmerstatus bleibe bei vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit bestehen. Vorübergehende Erwerbsminderung liege in einer Zeit bis maximal sechs Monate Krankheit vor. Der Kläger zu 1 sei jedoch deutlich länger arbeitsunfähig erkrankt und daher nur für den Zeitraum vom 15.07.2013 bis 03.10.2013 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Der Arbeitnehmerstatus habe (ausgehend vom Kündigungszeitpunkt) bis 31.07.2015 fortgegolten. Ab 01.08.2015 gelte der Kläger zu 1 als Ausländer, dessen Aufenthaltsrecht sich ausschließlich aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe.
Am 17.12.2015 erhob der Kläger zu 1, auch im Namen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, beim Beklagten Widerspruch, den der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 15.10.2016 begründete und den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2016 als unbegründet zurückwies. Der Beklagte verwies im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Ausgangsbescheid vom 14.12.2015 und ergänzte, als Arbeitnehmer sei jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübe, wobei Tätigkeiten außer Betracht zu bleiben hätten, die einen so geringen Umfang hätten, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellten. Wesentliches Merkmal des Arbeitsverhältnisses sei, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringe, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhalte. Arbeitsuchende wie der Kläger zu 1 seien nicht Arbeitnehmer, da sie keine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübten. Die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers zu 1 gelte (im streitigen Zeitraum) auch nicht gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 FreizügG/EU fort. Eine vorübergehende Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall (Nr. 1) bestehe nicht, da „vorübergehend“ i.S.d. Vorschrift maximal eine Dauer von sechs Monaten umfassen könne. Auch habe der Kläger keine Tätigkeit über die Dauer von mehr als einem Jahr ausgeübt (Nr. 2). Zwar habe das Arbeitsverhältnis formal länger als ein Jahr bestanden. Allerdings spreche die Vorschrift ebenso wie § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU von Tätigkeit bzw. Beschäftigung. Der Kläger zu 1 sei jedoch nur bis zu seinem Arbeitsunfall tatsächlich beschäftigt gewesen. (Jedenfalls) ab 24.08.2013 sei er arbeitsunfähig krank gewesen. Die Beschäftigung gelte nur für die Zeit der Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit, mithin für maximal sechs Wochen, fort. Der Beklagte verwies auf § 7 Abs. 3 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), wonach die Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt unterbrochen sei, wenn Krankengeld bezogen werde. Dem folgend sei der Kläger zu 1 ungeachtet des fortbestehenden Arbeitsvertrages lediglich in der Zeit vom 15.07.2013 bis 03.10.2013 beschäftigt gewesen. Folglich habe die Arbeitnehmereigenschaft gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU nur sechs Monate fortgegolten. Ausgehend vom Zeitpunkt der Kündigung zum 31.01.2015 sei er nur bis zum 31.07.2015 Arbeitnehmer gewesen.
Am 29.01.2016 stellten die Kläger und Q.... erneut einen Antrag auf Leistungen beim Beklagten ab 01.01.2016. Der diesbezüglich ergangene Ablehnungsbescheid vom 17.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2016 ist Gegenstand des unter dem Aktenzeichen L 4 AS 822/21 beim Sächsischen Landessozialgericht (SächsLSG) anhängigen Berufungsverfahrens.
Ab dem 15.09.2016 war der Kläger zu 1 wieder in einem festen sozialversicherungspflichtigen, unbefristeten Beschäftigtenverhältnis als Lagerlogistiker tätig. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag vom 01.09.2016 (Blätter 265 bis 271 der Verwaltungsakte des Beklagten) verwiesen.
Gegen die hier streitige Ablehnungsentscheidung des Beklagten haben die Kläger am 27.01.2016 Klage zum Sozialgericht Dresden erhoben und weiter vertreten, die Arbeitnehmereigenschaft entfalle erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und werde dann kraft gesonderter Regelungen ggf. fortgesetzt. Demnach habe das maßgebliche Arbeitsverhältnis bereits länger als ein Jahr gedauert. Die Kläger haben hierzu bereits im laufenden Verwaltungsverfahren Schulbescheinigungen der N.... schule B.... vom 15.11.2015 und 02.11.2016 vorgelegt, wonach die Kläger zu 3 und 4 unmittelbar nach ihrer Einreise in Deutschland in die staatliche Schule aufgenommen worden sind und seitdem, insbesondere im unter anderem streitigen Zeitraum vom 01.11.2015 bis 31.12.2015, dort die Schule besuchten.
Der Beklagte hat seine Rechtsauffassung verteidigt. Wenn die Arbeitnehmereigenschaft für die Zeit „vorübergehender Erwerbsunfähigkeit“ erhalten bleiben solle, müsse sich die Beeinträchtigung in Anlehnung an den rentenrechtlichen Begriff des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und unter Berücksichtigung von § 101 Abs. 1 SGB VI auf sechs Monate begrenzen. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Es bestünden ferner Zweifel daran, ob die Bescheinigung der BA vom 22.09.2015 korrekt ausgestellt sei. Es sei zweifelhaft, dass der Kläger zu 1 die Voraussetzungen des § 138 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erfüllt habe. Es müsse die Frage gestellt werden, ob bei Erteilung der Bescheinigung die Voraussetzungen entsprechend geprüft worden seien. Es dürfe als bekannt vorausgesetzt werden, dass vielfach derartige Bescheinigungen aus Unkenntnis der Mitarbeiter fehlerhaft ausgestellt würden. Insofern werde angeregt, die Bescheinigung überprüfen zu lassen. Der Umstand, dass die beiden klagenden Kinder der Kläger zu 1 und 2 nach ihrer Einreise in einer B.... Grundschule eingeschult worden seien, vermittle ein Aufenthaltsrecht ebenfalls nicht.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 07.07.2021 den streitigen Bescheid vom 14.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.01.2016 aufgehoben und den Beklagten ohne Feststellungen zur Hilfebedürftigkeit verurteilt, den Klägern im Zeitraum vom 01.09.2015 bis 31.12.2015 Leistungen nach dem SGB II in „gesetzlicher Höhe“ zu bewilligen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger zu 1 habe sich zum Zeitpunkt der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II nicht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufgehalten. Sein Arbeitsverhältnis sei erst zum 31.01.2015 beendet worden, woraus die Fortgeltung des Aufenthaltsrechtes gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU über den Zeitpunkt der Antragstellung hinaus folge. Das versicherungspflichtige Arbeitsverhältnis habe entgegen der Auffassung des Beklagten auch während des Krankengeldbezuges weiterbestanden. Insbesondere habe das Arbeitsverhältnis nicht nach sechs Monaten des Krankengeldbezuges geendet.
Gegen den Gerichtsbescheid, der dem Beklagten am 08.07.2021 zugestellt worden ist, hat dieser am 03.08.2021 Berufung eingelegt, mit der er im Wesentlichen an seiner Rechtsauffassung festhält. Unter anderem meint der Beklagte, die Ausführungen im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 09.02.2022 – B 7/14 AS 91/20 R – zu den Wirkungen der Inanspruchnahme von Elternzeit während eines Beschäftigungsverhältnisses würden seine Auffassung stützen. In selber Weise ergäbe sich aus der vom Senat thematisierten Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts (LSG), Beschluss vom 01.10.2021 – L 6 AS 403/21 B ER – die Rechtsauffassung des Beklagten.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 07.07.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigten die Entscheidung des Sozialgerichts und dessen Rechtsauffassung.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 18.01.2023 den Landkreis B.... als Träger der Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) beigeladen. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 136 Abs. 2 Satz 1 SGG auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Bände) sowie des Protokolls der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.
Streitgegenstand des Verfahrens ist neben der erstinstanzlichen Entscheidung der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 14.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2016, mit welchem der Beklagte den Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II vom 08.09.2015 abgelehnt hat. Das Sozialgericht Dresden hat mit dem streitigen Gerichtsbescheid den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide verurteilt, an die Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 01.09.2015 bis 31.12.2015 in „gesetzlicher Höhe“ zu gewähren. Auf die alleinige Berufung des Beklagten beschränkt sich die materiell-rechtliche Prüfung des Senats auf diesen vorgenannten Zeitraum.
Streitig sind die Leistungsansprüche der Kläger zu 1 bis 4. Zwar lebte im Zeitraum vom 20.09.2015 bis 31.12.2015 neben den Klägern auch noch der weitere minderjährige Sohn der Kläger zu 1 und 2 im gemeinsamen Haushalt. Er gehörte insoweit gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II zur Bedarfsgemeinschaft der Kläger. Eine Einbeziehung in das Klageverfahren kam gleichwohl nicht in Betracht. Denn die durch die anwaltliche Vertretung erhobene Klage erfolgte unmissverständlich ausschließlich (nur) im Namen der Kläger.
Das Sozialgericht hat bei Auslegung des Tenors des Gerichtsbescheids über die von den Klägern sachgerecht erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 27.01.2021 – B 14 AS 25/20 R – juris Rn. 10) durch Grundurteil entschieden. Es hat weder Ermittlungen zur Hilfebedürftigkeit angestellt, noch einen konkreten Leistungsanspruch der Kläger ausgeurteilt. Der Begriff „in gesetzlicher Höhe“ stellt vielmehr klar, dass der Beklagte im Ergebnis des gerichtlichen Verfahrens in einem zweiten Schritt, den konkreten Leistungsanspruch der Kläger der Höhe nach noch zu ermitteln hat. Auf die alleinige Berufung des Beklagten kam damit ein bezifferter Leistungsausspruch nicht in Betracht.
Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGG). Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Grundurteils ist nach der Rechtsprechung des BSG zum SGB II dabei eine so umfassende Aufklärung zu Grund und Höhe des Anspruchs, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer (höheren) Leistung ausgegangen werden kann, wenn der Begründung der Klage gefolgt wird (vgl. BSG, Urteile vom 28.11.2018 – B 4 AS 46/17 R – juris Rn. 11 und vom 16.04.2013 – B 14 AS 81/12 R – juris Rn. 10 m.w.N.).
Diese Voraussetzung liegt im hier streitigen Fall nur für den Zeitraum vom 01.11.2015 bis 31.12.2015 vor. Im Zeitraum vom 01.09.2015 bis 31.10.2015 besteht aller Wahrscheinlichkeit nach kein Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, weshalb die Berufung des Beklagten insoweit Erfolg hat und die Klage insoweit abzuweisen ist.
Der vom Sozialgericht ausgeurteilte Leistungsanspruch für September 2015 besteht schon deshalb dem Grunde nach nicht, weil die Kläger den gestellten Antrag nicht auf diesen Zeitraum bezogen haben. Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen nach dem SGB II nur auf Antrag und gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht für die Zeit vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes wirkt jedoch nach § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II auf den Ersten des Monats zurück. Stellt demnach ein Leistungsempfänger – wie hier der Kläger am 08.09.2015 – innerhalb eines laufenden Monats für diesen einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen, wirkt der Antrag kraft Gesetzes zurück. Diese Regelungen schließen es aber jedenfalls nicht aus, dass ein Leistungsempfänger die leistungsrechtlichen Wirkungen seines Antrages auf spätere Zeiten beschränkt. Das BSG hat dazu klargestellt, dass der Antragsteller auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit durch seinen (gerichtlichen) Antrag bestimmen kann, ab welchem Zeitpunkt er einen Leistungsanspruch geltend macht (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.2014 – B 14 AS 36/13 R – juris Rn. 19). Nichts Anderes kann für den direkten Leistungsantrag gegenüber der Behörde selbst gelten, zumal der Leistungsempfänger durch die Wahl des Zeitpunktes der Antragstellung die Wirkungen in selber Weise steuern kann. Ihm ist es nach Auffassung des Senats damit nicht verwehrt, Leistungen erst ab dem Folgemonat zu beanspruchen. Auf die davon ggf. zu unterscheidenden, materiell-rechtlichen Wirkungen einer Antragstellung (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 28.10.2014, a.a.O., Rn. 23 ff.) kommt es dabei im Fall der Kläger nicht an.
Ausgehend davon hat der Kläger zu 1 für sich und seine Familie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erst für die Zeit ab dem 01.10.2015 beantragt. Sowohl aus den Gesprächsvermerken der Mitarbeiterin des Eingangsbereichs als auch aus dem Antragsformular, das der Kläger zu 1 in wesentlichen Punkten ausgefüllt und eigenhändig unterzeichnet hat, geht hervor, dass ein Hilfebedarf erst ab Oktober 2015 geltend gemacht wird. Im Einladungsschreiben zur Abgabe der Antragsunterlagen war ferner ausdrücklich vermerkt, dass Leistungen für die Zeit ab 01.10.2015 beantragt werden. An diesen objektiven Erklärungen müssen sich die Kläger festhalten lassen, nachdem sie im Verwaltungsverfahren zu keiner Zeit deutlich gemacht haben, Leistungen auch im September 2015, für die Kläger zu 2 bis 4 und den weiteren Sohn ohnehin erst ab dem 20.09.2015, zu verlangen. Die Beschränkung des Antrages ist insoweit auch erklärlich, als der Kläger zu 1 bei Antragstellung noch im Bezug von Arbeitslosengeld I stand und seine Familie erst im laufenden September 2015 beabsichtigte, mit den Kindern nach B.... zu ziehen.
Dies zugrunde gelegt ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte auch davon auszugehen, dass der Beklagte die Leistungsgewährung erst für die Zeit ab Oktober 2015 abgelehnt hat.
Aufgrund der Ermittlungen des Senats besteht aber auch für die Zeit vom 01.10.2015 bis 31.10.2015 keine Wahrscheinlichkeit, dass die Kläger einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II haben. Denn sie und der weitere minderjährige Sohn der Kläger zu 1 und 2 waren im Oktober 2015 nicht hilfebedürftig.
Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig und hilfebedürftig sind (Nr. 2 und 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4).
Der Kläger zu 1 und 2 bewegten sich im gesamten streitigen Zeitraum innerhalb der Altersgrenzen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II.
Beide waren auch erwerbsfähig i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 SGB II. Nach § 8 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf (nicht) absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Im vorgenannten Sinne können Ausländerinnen und Ausländer zudem nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte (§ 8 Abs. 2 SGB II). Körperliche Gründe standen einer Erwerbsfähigkeit der Kläger zu 1 und 2 nicht entgegen. Es ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass die Kläger zu 1 und 2 im streitigen Zeitraum wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande waren, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Insofern waren Ermittlungen dazu, insbesondere in Bezug auf den Kläger zu 1 nicht erforderlich. Die Kläger zu 1 und 2 waren im streitigen Zeitraum auch nicht i.S.v. § 8 Abs. 2 SGB II als erwerbsunfähig anzusehen. Zwar war für Bürger der Europäischen Union (EU) der zum 01.05.2004 beigetretenen Staaten, unter anderem Polen (vgl. Vertrag vom 16.04.2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union [BGBl. 2003 II S. 1408]) die Arbeitnehmerfreizügigkeit für eine Übergangsfrist von sieben Jahren in der Weise beschränkt, dass die bestehenden nationalen Regelungen für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für ausländische Staatsangehörige auch für diese neuen EU-Bürger beibehalten wurden. Diese Einschränkung ist jedoch zum 30.04.2011 und damit deutlich vor dem hier streitigen Zeitraum ausgelaufen. Die Kläger zu 1 und 2 als polnische Staatsbürger benötigten keine Arbeitsgenehmigung-EU mehr (vgl. dazu § 284 Abs. 1 Satz 1 SGB III i.d.F. des Gesetzes vom 07.12.2006, BGBl. I S. 2814, der zum 30.04.2011 außer Kraft getreten ist). Sie waren als Bürger eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union uneingeschränkt berechtigt, in der Bundesrepublik Deutschland eine Beschäftigung aufzunehmen.
Der Kläger zu 1 hatte seit dem Jahr 2012 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet, die Klägerin zu 2 seit dem 20.09.2015 i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Danach hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Die Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs, soweit sich nicht aus seinen besonderen Teilen anderes ergibt (§ 37 SGB I). Der Begriff ist in erster Linie nach den objektiv gegebenen, tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen. Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Dieser Annahme steht bei einem Unionsbürger nicht entgegen, dass er weder Inhaber einer bestimmten Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU noch eines Aufenthaltstitels nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ist. Denn Dauerhaftigkeit des Aufenthalts im Sinne einer Zukunftsoffenheit liegt bei niederlassungswilligen Unionsbürgern regelmäßig vor. Ihr Aufenthalt ist vor einer Entscheidung der dafür allein zuständigen Ausländerbehörde nicht auflösend befristet oder auflösend bedingt. Der Aufenthalt eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers kann nur wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts, also nach Durchführung eines Verwaltungsverfahren, beendet werden. Das Aufenthaltsrecht besteht, solange der Aufnahmemitgliedstaat nicht durch einen nationalen Rechtsakt festgestellt hat, dass der Unionsbürger bestimmte vorbehaltene Bedingungen i.S.d. Art 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris Rn. 18 f. m.w.N.).
Ausgehend davon hatten die beiden Kläger im streitigen Zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Denn sie lebten gemeinsam in ihrer Wohnung in B..... Dieser Aufenthalt dort war auch zukunftsoffen angelegt. Denn die Familie wollte zu diesem Zeitpunkt auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland leben. Sie hatte ihr Freizügigkeitsrecht auch nicht infolge Verlustfeststellung durch ein Verwaltungsverfahren verloren.
Die Kläger zu 1 und 2 waren im Oktober 2015 nicht gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m §§ 9, 11 ff. SGB II hilfebedürftig. Dasselbe gilt für die mit den beiden Klägern gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger zu 3 und 4 sowie dem weiteren gemeinsamen Sohn.
Dabei ist von einem monatlichen Regelbedarf der Kläger zu 1 und 2 i.H.v. jeweils 360,00 EUR entsprechend § 20 Abs. 4 SGB Il i.V.m. Nr. 4 der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 5 SGB II vom 15.10.2014 (BGBl. I S. 1620) auszugehen.
Darüber hinaus war gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II Bedarf für Unterkunft und Heizung i.H.d. tatsächlichen Aufwendungen von 660,00 EUR anzuerkennen. Dabei kann es dahinstehen, ob die vertraglich geschuldeten Mietkosten i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessen waren oder nicht. Denn soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II i.d.F. vom 13.05.2011). Voraussetzung für die Möglichkeit einer Kostensenkung ist zumindest, dass dem Leistungsempfänger die Angemessenheitsgrenzen vom Beklagten eröffnet werden. Eine solches Informationsschreiben (Kostensenkungsaufforderung) ist den Klägern im hier streitigen Zeitraum aber schon nicht vorgelegt worden.
Da die Kläger und der Sohn Q.... im streitigen Zeitraum ab 01.10.2015 in der Wohnung zusammenlebten, entfallen bei der gebotenen Aufteilung nach Köpfen 2/5 des Bedarfs, also insgesamt 264,00 EUR (jeweils 132,00 EUR), auf die Kläger zu 1 zu 2.
Die Kläger zu 3 und 4 sowie der weitere gemeinsame Sohn Q.... waren im Zeitraum vom 01.10.2015 bis 31.12.2015 berechtigt, Sozialgeld nach Maßgabe des § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.d.F. der Neubekanntmachung vom 01.04.2011 und des § 23 SGB II i.d.F. des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I S. 453) zu erhalten. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten danach Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII haben, wobei die Leistungsansprüche gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II ebenso wie das Arbeitslosengeld II den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung umfassen.
Die vorgenannten Kinder der Kläger zu 1 und 2, die im Bewilligungszeitraum das 15. Lebensjahr noch nicht erreicht hatten und somit nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte waren (vgl. § 7 Abs. 1 SGB II), lebten in der Zeit ab 01.10.2015 mit den Klägern zu 1 und 2 in einem Haushalt und bildeten damit – wie bereits ausgeführt – eine Bedarfsgemeinschaft.
Ihr monatlicher Regelbedarf betrug aufgrund ihres Alters im streitigen Zeitraum jeweils 267,00 EUR (§ 23 Nr. 1 SGB Il i.V.m. Nr. 6 der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 5 SGB II vom 15.10.2014 (BGBl. I S. 1620). Da die Kinder mit den Klägern zu 1 und 2 im streitigen Zeitraum in der Wohnung zusammenlebten, entfallen zudem die weiteren 3/5 des o.g. Gesamtbedarfs für Kosten der Unterkunft und Heizung, also weitere 396,00 EUR, zu gleichen Teilen auf die Kläger zu 3 und 4 sowie den Sohn Q..... Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) hatten die Kinder im streitigen Zeitraum nicht.
Dem damit festzustellenden Bedarf von zweimalig 360,00 EUR (Kläger zu 1 und 2), dreimalig 267,00 EUR (Kläger zu 3 und 4 sowie der Sohn Q....) und 660,00 EUR (Kosten der Unterkunft und Heizung), mithin zusammen 2.181,00 EUR stand im Oktober 2015 bedarfsdeckendes, anrechenbares Einkommen gegenüber.
Dem Kläger zu 1 ist am 16.10.2015 eine Nachzahlung von Verletztenrente der BG Bau für die Zeit vom 05.02.2015 bis 30.09.2015 i.H.v. 3.355,94 EUR zugeflossen. Darüber hinaus erhielt er am 29.10.2015 laufende Verletztenrente i.H.v. 489,05 EUR ausgezahlt. Verletztenrente, die – wie hier – aus der gesetzlichen Unfallversicherung geleistet wird und nicht zum Ruhen eines gleichzeitig bestehenden Anspruchs auf Grundrente nach dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz, BVG) führt (vgl. zu dieser Fallkonstellation BSG, Urteil vom 17.10.2013, B 14 AS 58/12 R – juris), stellt anrechenbares Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar. Es liegt kein Einkommen vor, das nach § 11a SGB II ganz oder zu Teilen unberücksichtigt bleibt (vgl. BSG, Urteile vom 17.03.2009 – B 14 AS 15/08 R – juris, vom 29.03.2007 – B 7b AS 2/06 R, vom 05.09.2007 – B 11b AS 15/06 R und vom 06.12.2007 – B 14/7b AS 62/06 R – jeweils juris, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.11.2008 – L 14 B 1818/08 AS ER – juris).
Die am 16.10.2015 zugeflossene Rentennachzahlung stellt auch keine einmalige Einnahme dar, die nach § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II (i.d.F. des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011, BGBl. I S. 453) auf sechs Monate zu verteilen wäre. Die Nachzahlung einer monatlich zu gewährenden Sozialleistung wie die Verletztenrente (vgl. § 96 Abs. 1 SGB VII) stellt vielmehr eine laufende Einnahme i.S.d. § 11 Abs. 2 SGB II dar, die im hier maßgeblichen Bewilligungszeitraum allein im Monat des Zuflusses zu berücksichtigen ist. § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II, wonach für laufende Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen zufließen, Absatz 3 und damit die Regelung zu einmaligen Einnahmen entsprechend gilt, findet auf Nachzahlungen wie im Fall des Klägers zu 1 keine Anwendung (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.04.2015 – L 19 AS 2233/14 B – juris Rn. 13, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2015 – L 13 AS 1806/14 – juris Rn. 29 ff., Hessisches LSG, Urteil vom 19.01.2022 – L 4 SO 185/20 – juris Rn. 41 zu den Leistungen nach dem SGB XII und LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.05.2019 – L 18 AS 2347/18 – juris Rn. 20 und Urteil vom 14.05.2020 – L 32 AS 945/18 – juris Rn. 60 für das insoweit vergleichbare Kindergeld, zudem LSG Hamburg, Urteil vom 25.10.2019 – L 4 AS 173/18 – juris Rn. 19 m.w.N.).
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber erstmalig zum 01.08.2016 in § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II bestimmt hat, dass zu den einmaligen Einnahmen auch als Nachzahlungen zufließende Einnahmen gehören, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht werden. In Rechtsstreitigkeiten über abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 20.02.2014 – B 14 AS 65/12 R – juris Rn. 9). Aufgrund des sog. Geltungszeitraumprinzips (siehe hierzu nur BSG, Urteil vom 19.10.2016 – B 14 AS 53/15 R – juris Rn. 14 f.) wonach das Recht anzuwenden ist, das zu der Zeit galt, in der die maßgeblichen Rechtsfolgen eingetreten sind, findet die Neuregelung keine rückwirkende Anwendung, wenn es – wie hier – an einer speziellen Übergangsvorschrift mangelt. Der insofern maßgebliche § 80 SGB II ordnet nicht an, dass § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II schon für Zeiten vor seinem Inkrafttreten gelten soll (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 25.10.2019 – L 4 AS 173/18 – juris Rn. 18, LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.05.2020 – L 32 AS 945/18 – juris Rn. 54 ff.).
Nachdem der Bedarfsgemeinschaft insoweit im Oktober 2015 anrechenbare Einnahmen aus Kindergeld i.H.v. 482,82 EUR (anzurechnen beim jeweiligen Kind, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II), Einkünfte des Klägers zu 1 aus Arbeitslosengeld i.H.v. 71,76 EUR, laufenden Rentenzahlungen i.H.v. 489,05 EUR und zu berücksichtigende Einnahmen aus Rentennachzahlungen i.H.v. 3.355,94 EUR – mithin zusammen 4.399,57 EUR – zur Verfügung standen, war ihr Bedarf in diesem Monat gedeckt. Denn Abzüge i.S.d. § 11b SGB II, die den Betrag von 2.218,57 EUR übersteigen könnten, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Insofern muss insbesondere nicht entschieden werden, ob bei Nachzahlungen von Sozialleistungen auf Seiten der Kläger zu 1 und 2 die Versicherungspauschale, welche des Nachweises, ob tatsächlich Versicherungsbeiträge entrichtet worden sind oder nicht, nicht bedarf (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14 AS 55/07 R – juris Rn. 34 und Urteil vom 13.05.2009 – B 4 AS 39/08 R – juris Rn. 22) für jeden Nachzahlungsmonat in Abzug gebracht werden muss oder nur einmalig (ablehnend SächsLSG, Urteil vom 06.12.2022 – L 4 AS 939/20 – juris Rn. 60 f. und LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 08.09.2020 – L 7 AS 354/19 – juris Rn. 31 bis 34).
Bezüglich der Monate November und Dezember 2015 ist es demgegenüber wahrscheinlich, dass die Kläger mangels bedarfsdeckender Einnahmen hilfebedürftig waren und daher einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II haben. Die Berufung des Beklagten gegen das stattgebende Grundurteil im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 07.07.2021 ist demnach insoweit unbegründet und zurückzuweisen.
Wie bereits dargelegt erfüllen die Kläger zu 1 und 2 in den beiden Monaten die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II. Die minderjährigen Kläger zu 3 und 4 gehören zudem der Bedarfsgemeinschaft an (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II) und können Sozialgeld beanspruchen. Nach den aus den Akten bisher ersichtlichen Einkommensverhältnissen ist zudem wahrscheinlich, dass die Kläger hilfebedürftig i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m §§ 9, 11 ff. SGB II waren. Denn ihnen stand lediglich die laufende Rentenzahlung des Klägers zu 1 zur Deckung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung.
Entgegen der Auffassung des Beklagten waren der Kläger zu 1 im gesamten streitigen Zeitraum und die weiteren Kläger in der Zeit seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik am 20.09.2015 nicht vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen.
Maßgebliche Vorschrift für den Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im streitigen Zeitraum ist § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der bis zum 31.07.2016 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 07.05.2013, BGBl. I S. 1167 (im Weiteren a.F.; vgl. zum Geltungszeitraumprinzip wiederum BSG, Urteil vom 19.10.2016 – B 14 AS 53/15 R – juris Rn. 14 f.).
Danach sind von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen, also keine Leistungsberechtigten i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II und § 7 Abs. 2 SGB II sowie ohne Leistungsberechtigung nach dem SGB II,
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- Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
- Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen und
- Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
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Ein Leistungsausschluss des Klägers zu 1 nach den Ziffer 1 und 3 scheidet aus. Denn er war bereits am 28.06.2012 nach Deutschland eingereist und hatte sich seitdem hier aufgehalten. Mithin hielt er sich im streitigen Zeitraum bereits länger als drei Monate in der Bundesrepublik auf. Die Voraussetzungen des § 1 Asylbewerberleistungsgesetz erfüllte der Kläger zu 1 nicht.
Sein Aufenthaltsrecht ergab sich nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche. Das BSG hat im Urteil vom 30.01.2013 (B 4 AS 54/12 R – juris Rn. 24 bis 28, 30) hierzu ausgeführt:
„(..) b) Unbesehen des subjektiv-öffentlichen Unionsbürgerrechts nach der RL 2004/38/EG und dem deutschen FreizügG/EU erfordert eine dem Willen des Gesetzgebers entsprechende Anwendung des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II eine ‚fiktive Prüfung‘, ob – im Falle von Unionsbürgern – ein Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeitsuche bestand oder daneben auch andere Aufenthaltszwecke den Aufenthalt des Unionsbürgers im Inland rechtfertigen konnten. Dies ergibt sich aus der für die Auslegung der Vorschrift wesentlichen Entstehungsgeschichte der Ausschlussregelung.
Den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs 1 S 2 SGB II ist zu entnehmen, dass von der ‚Option‘ des Art 24 Abs 2 iVm Art 14 Abs 4 der RL 2004/38/EG auch im Bereich des SGB II Gebrauch gemacht werden sollte (BT-Drucks 16/5065 S 234; siehe auch BT-Drucks 16/688 S 13). Trotz des Kontextes, in welchem die Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II erlassen wurde, nämlich der Erweiterung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern zu einer allgemeinen Freizügigkeit für alle Unionsbürger durch die RL 2004/38/EG, wollte der bundesdeutsche Gesetzgeber neben den von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG unstreitig erfassten Sozialhilfeleistungen auch SGB II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausschließen. Deren Einordnung als Sozialhilfeleistungen iS von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG ist allerdings fraglich. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entsprechend ihrer Aufnahme in den Anhang der VO (EG) Nr 883/2004 als ‚besondere beitragsunabhängige Geldleistungen‘ nach Art 4 iVm Art 70 VO (EG) Nr 883/2004, nicht jedoch als Leistungen der ‚sozialen Fürsorge‘ iS von Art 3 Abs 5a) VO (EG) Nr 883/2004 angesehen. Sie haben darauf hingewiesen, dass durch das Erfordernis der Erwerbsfähigkeit ein Bezug zu den Leistungen bei Arbeitslosigkeit bestehe (BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21 RdNr 29; BSGE 107, 206 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 22 RdNr 20 f; vgl auch EuGH Urteil vom 4.9.2009 - Rs C-22/08 <Vatsouras/Koupatanze> - SozR 4-6035 Art 39 Nr 5, RdNr 43; siehe aber auch BVerwG Urteil vom 31.5.2012 - 10 C 8/12 juris RdNr 25 mwN, zur Einordnung von SGB II-Leistungen als aufenthaltsrechtlich schädliche Sozialhilfeleistungen iS des Art 7 Abs 1 Buchst b der RL 2004/38/EG, wobei dies ‚nicht zwingend deckungsgleich‘ mit dem in Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG genannten Begriff der Sozialhilfe sein müsse; kritisch hierzu Breidenbach in ZAR 2011, 235 ff).
Ungeachtet der insofern bestehenden Zweifel an der europarechtlichen Zulässigkeit des nicht nach dem Grad der Verbindung des arbeitsuchenden Unionsbürgers zum Arbeitsmarkt des Aufnahmestaats und seinem beruflich möglichen Zugang zum Arbeitsmarkt differenzierenden sowie zeitlich unbefristeten Ausschlusses der arbeitsuchenden Unionsbürger von SGB II-Leistungen ist § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II als Ausschlussregelung von existenzsichernden Sozialleistungen jedenfalls eng auszulegen. Auch aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv feststellt werden muss, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland zusteht (BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28).
c) Jedenfalls nicht erfasst von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II werden Unionsbürger, bei denen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU oder ggf dem begrenzt subsidiär anwendbaren AufenthG (siehe hierzu unten) aus anderen Gründen als dem Zweck der Arbeitsuche vorliegen. Insofern ist der Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II immanent, dass der Ausschluss nur Unionsbürger trifft, die sich ausschließlich und ggf schon vor einer Meldung beim Jobcenter auch eigeninitiativ um eine Beschäftigung bemüht haben, nicht jedoch diejenigen erfasst, die sich auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht berufen können.
Da Unionsbürger für die Einreise keines Visums und für den Aufenthalt keines Aufenthaltstitels (§ 2 Abs 4 S 1 FreizügG/EU) bedürfen, kann bei ihnen der ausländerrechtlich anerkannte Aufenthaltszweck nicht unmittelbar einem entsprechenden Dokument mit möglicher Tatbestandswirkung für das SGB II entnommen werden. Vor dem Hintergrund einer - bis zur Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts einer Freizügigkeitsberechtigung - bestehenden Freizügigkeitsvermutung von Unionsbürgern und der bereits damit verbundenen Vermutung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (vgl Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 12 RdNr 34) kann bei dieser Personengruppe nicht darauf abgestellt werden, ob das Aufenthaltsrecht in einem Aufenthaltstitel dokumentiert ist. Zwar kann ein in einer ggf bis zum 28.1.2013 deklaratorisch erteilten Bescheinigung gemäß § 5 Abs 1 FreizügG/EU (aF) angegebener Aufenthaltszweck ein wesentliches Indiz für den Aufenthaltsgrund sein. Unionsbürger sind jedoch nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts durch eine entsprechende Bescheinigung nachzuweisen (BVerwG Urteil vom 16.11.2010 - 1 C 17/09, BVerwGE 138, 122 ff). Entscheidend ist das Vorliegen der Voraussetzungen für ein weiteres Aufenthaltsrecht. Auch soweit der Aufenthalt aus einem anderen materiell bestehenden Aufenthaltsrecht als dem Zweck der Arbeitsuche nicht beendet werden könnte, hindert dies sozialrechtlich die positive Feststellung eines "Aufenthaltsrechts allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. (..)
Auch wenn die Klägerin wegen des im streitigen Zeitraum hinzutretenden SGB II-Antrags und der damit verbundenen Verpflichtung, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken (§ 2 Abs 1 S 1 und 2 SGB II), als Arbeitsuchende anzusehen ist, hindert dies nicht die Annahme eines Aufenthaltsrechts auch aus einem anderen Aufenthaltsgrund (vgl zum zulässigen Wechsel der Aufenthaltszwecke während des Aufenthalts: HK-AuslR/Geyer, 2008, § 5 FreizügG/EU RdNr 3). Auch der Verlust des Freizügigkeitsrechts kann erst festgestellt werden, wenn die Freizügigkeitsberechtigung nicht aus anderen Gründen besteht (Huber, AufenthaltsG, 2010, § 5 FreizügG/EU RdNr 15). (..)“
Demnach hindert nach der ständigen Rechtsprechung des BSG jedes andere materielle Aufenthaltsrecht sozialrechtlich die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" i.S. von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a.F. bzw. lässt den Leistungsausschluss "von vornherein" entfallen (ab 01.08.2016 als § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe b SGB II; vgl. auch BSG, Urteil vom 12.05.2021 – B 4 AS 34/20 R – juris Rn. 15; Urteil vom 27.01.2021 – B 14 AS 25/20 R – juris Rn. 15 m.w.N. und Urteil vom 13.07.2017 – B 4 AS 17/16 R – juris Rn. 17 m.w.N.).
Dies ist vorliegend der Fall. Denn zur Überzeugung des Senats wirkte zum einen die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers zu 1, welche er mit Wirkung zum 15.07.2013 im Bundesgebiet begründet hatte, im gesamten streitigen Bewilligungszeitraum fort, sodass er deshalb unionsrechtlich freizügigkeits- und damit aufenthaltsberechtigt war. Zum anderen bestand ein Aufenthaltsrecht gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (AN-Freizüg-VO), dass einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a.F. ebenfalls entgegensteht.
Unstreitig war der Kläger zu 1 im streitigen Bewilligungszeitraum nicht selbständig oder unselbständig tätig (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FreizügG/EU). Er hat sich in der Bundesrepublik Deutschland auch nicht zum Zweck aufgehalten, Dienstleistungen zu erbringen oder in Anspruch zu nehmen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 und 4 FreizügG/EU). Er verfügte in der hier maßgeblichen Zeit vom 01.11.2015 bis 31.12.2015 nicht über ausreichende Existenzmittel, um seinen Lebensunterhalt und Krankenversicherungsschutz selbst zu decken (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU). Er war im gesamten streitigen Bewilligungszeitraum auch kein Familienangehöriger eines aufenthaltsberechtigten Unionsbürgers i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 3 FreizügG/EU. Die Voraussetzungen für ein Daueraufenthaltsrecht (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 4a FreizügG/EU) haben bei ihm nicht vorgelegen.
Der Kläger zu 1 kann sich jedoch auf ein nachwirkendes Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 3 FreizügG/EU berufen.
Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU bleibt das durch eine Erwerbstätigkeit erworbene Aufenthaltsrecht i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU unter anderem für Arbeitnehmer bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Tätigkeit unberührt. Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU wirkt das durch eine Erwerbstätigkeit erworbene Aufenthaltsrecht i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU bei unfreiwilliger und durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung für die Dauer von nur sechs Monaten fort.
Der Kläger zu 1 war vor dem streitigen Bewilligungszeitraum in der Zeit vom 15.07.2013 bis 31.01.2015 Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmereigenschaft bestand nach seiner zum Ablauf des 31.01.2015 eingetretenen, unfreiwilligen Arbeitslosigkeit infolge betriebsbedingter Kündigung im Grundsatz zeitlich unbegrenzt fort. Es besteht vorliegend kein Anlass, Zeiten in denen das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger zu 1 und dem Unternehmen Czech formal bestanden hat, nicht in die Fristberechnung i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU einzubeziehen.
Der Begriff des Arbeitnehmers nach der Vorschrift ist europarechtlich geprägt (vgl. BSG, Urteil vom 12.09.2018 – B 14 AS 18/17 R – juris Rn. 19 m.w.N.). Die Arbeitnehmereigenschaft i.S.d. Rechts der Europäischen Union beurteilt sich allein nach objektiven Kriterien, die das Beschäftigungsverhältnis im Hinblick auf Rechte und Pflichten kennzeichnen (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union [EuGH], Urteile vom 06.11.2003 – C-413/01 – juris Rn. 24 und vom 21.02.2013 – C-46/12 – juris Rn. 40). Arbeitnehmer ist jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (vgl. EuGH, Urteil vom 06.11.2003, a.a.O., juris Rn. 26 m.w.N.; EuGH, Urteile vom 14.06.2012 – C-542/09 – juris Rn. 68, vom 26.03.2015 – C-316/13 – juris Rn. 27 und vom 16.07.2020 – C-658/18 – juris Rn. 93). Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. EuGH, Urteile vom 06.11.2003, a.a.O., juris Rn. 24 und vom 14.06.2012, a.a.O., juris, Rn. 68; BSG, Urteil vom 12.05.2021 – B 4 AS 34/20 R – juris Rn. 18). Der Umstand, dass eine Person im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nur sehr wenige Arbeitsstunden leistet, kann ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die ausgeübte Tätigkeit nur untergeordnet und unwesentlich ist (vgl. EuGH, Urteile vom 26.02.1992 – C-357/89 – juris Rn. 14, vom 04.02.2010 – C-14/09 – juris Rn. 26 m.w.N. und vom 01.10.2015 – C-432/14 – juris Rn. 24; BSG, Urteil vom 27.01.2021 – B 14 AS 42/19 R – juris Rn. 18). Unabhängig von der begrenzten Höhe des aus einer Berufstätigkeit bezogenen Entgelts und des begrenzten Umfangs der insoweit aufgewendeten Arbeitszeit ist indes nicht auszuschließen, dass die Tätigkeit aufgrund einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses den Arbeitnehmerstatus begründen kann (vgl. EuGH, Urteil vom 04.02.2010, a.a.O., juris Rn. 26; BSG, Urteil vom 12.09.2018 – B 14 AS 18/17 R – juris Rn. 19 m.w.N.). Auch die Dauer der von dem Betroffenen ausgeübten Tätigkeit ist ein Gesichtspunkt, den das Gericht bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen hat, ob es sich hierbei um eine tatsächliche und echte Tätigkeit handelt oder ob sie vielmehr einen so geringen Umfang hat, dass sie nur unwesentlich und untergeordnet ist (vgl. EuGH, Urteile vom 26.02.1992, a.a.O., juris Rn. 14 und vom 04.02.2010, a.a.O., Rn. 27). Der bloße Umstand der kurzen Dauer einer Beschäftigung führt als solcher aber nicht dazu, dass die Tätigkeit vom Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgeschlossen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 06.11.2003, a.a.O., juris Rn. 25). Liegen die Voraussetzungen des Arbeitnehmerstatus vor, sind die Motive für den Abschluss von Arbeitsverträgen sowie der Suche von Arbeit in einem Mitgliedstaat unerheblich (vgl. EuGH, Urteile vom 23.03.1982 – C-53/81 – juris Rn. 22 und vom 21.02.2013 – C-46/12 – juris Rn. 47 m.w.N.).
Für die Gesamtbewertung der Ausübung einer Tätigkeit als Beschäftigung und damit die Zuweisung des Arbeitnehmerstatus ist mithin insbesondere auf die Arbeitszeit, den Inhalt der Tätigkeit, eine Weisungsgebundenheit, den wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung, die Vergütung als Gegenleistung für die Tätigkeit, den Arbeitsvertrag und dessen Regelungen sowie die Beschäftigungsdauer Bezug zu nehmen. Nicht alle einzelnen dieser Merkmale müssen schon jeweils für sich die Arbeitnehmereigenschaft begründen. Der maßgeblichen Gesamtbewertung ist mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des EuGH ein weites Verständnis zugrunde zu legen (vgl. BSG, Urteile vom 29.03.2022 – B 4 AS 2/21 R – juris Rn. 20 und vom 27.01.2021 – B 14 AS 42/19 R – juris Rn. 21 m.w.N.).
Ausgehend davon stellt sich das am 15.07.2013 aufgenommene Beschäftigungsverhältnis des Klägers zu 1 als ein Arbeitsverhältnis in diesem Sinne dar. Denn er schuldete als weisungsabhängiger Mitarbeiter entsprechende Arbeitsleistungen im Baugewerbe. Es handelte sich um eine Vollzeitbeschäftigung mit einer vereinbarten Bruttovergütung von mehr als 1.000,00 EUR. Die Arbeitsleistung war nicht mit einem besonderen Verlustrisiko (Unternehmerrisiko) verbunden (vgl. Bergmann/Dienelt/Dienelt, 14. Aufl. 2022, FreizügG/EU § 2 Rn. 44). Die Vergütung stellte sich auch nicht als völlig untergeordnet dar. Fehlzeiten bei Krankheit oder Arbeitsverhinderung wurden vom Arbeitgeber durch Lohnfortzahlung überbrückt. Dieser führte zudem Beiträge zur Sozialversicherung ab, sodass alle Merkmale einer abhängigen Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV und der Arbeitnehmereigenschaft im europarechtlichen Sinne vorlagen. Richtig ist, dass das Beschäftigungsverhältnis infolge des Arbeitsunfalles des Klägers zu 1 nur wenige Wochen tatsächlich ausgeübt worden ist. Dies ändert jedoch nichts an der rechtlichen Einordnung des bis zum Arbeitsunfall tatsächlich ausgeübten Beschäftigungsverhältnisses. Denn maßgeblich sind die objektiven Kriterien, die das Beschäftigungsverhältnis im Hinblick auf Rechte und Pflichten kennzeichnen, mithin die tatsächlichen Vereinbarungen über die Arbeitsbedingungen. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Unternehmen war unbefristet vereinbart.
Der Kläger zu 1 ist nach einer Tätigkeit von mehr als einem Jahr i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU unfreiwillig arbeitslos geworden.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Arbeitsvertrag am 15.07.2013 begründet wurde und mit Wirkung zum 31.01.2015 durch arbeitgeberseitige Kündigung beendet worden ist. Mithin bestand das Arbeitsverhältnis länger als ein Jahr. Soweit der Beklagte meint, nachdem das Arbeitsverhältnis vorliegend mit Ende der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall am 03.10.2013 versicherungsrechtlich zum Ruhen gekommen sei, dürfe die Zeit des Krankengeldbezuges nicht in die Fristberechnung einbezogen werden, folgt der Senat jedenfalls im Fall des Klägers zu 1 dieser Auffassung nicht. Maßgeblich ist vorliegend der rechtliche Bestand des Arbeitsvertrages.
Dem Beklagten ist zwar zuzustimmen, dass § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU bei der Fristberechnung auf eine „Tätigkeit“ und § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU auf eine „Beschäftigung“ abstellen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ausschließlich Zeiten tatsächlicher Erwerbstätigkeit in die Fristberechnung einzubeziehen wären. § 2 Abs. 3 FreizügG/EU setzt Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (sog. Unionsbürgerrichtlinie) um (vgl. BT-Drucks. 16/5065, S. 208). Die Auslegung hat insofern anhand der europarechtlichen Vorgaben zu erfolgen.
Maßgebliche Auslegungskriterien sind damit Art. 7 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 Buchstabe b und c Unionsbürgerrichtlinie, die eine Fortgeltung der Arbeitnehmereigenschaft im europarechtlichen Sinne nach Eintritt der Arbeitslosigkeit regeln. Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchstabe a Unionsbürgerrichtlinie hat jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist. Für diese Zwecke bleibt nach Art. 7 Abs. 3 Unionsbürgerrichtlinie die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger nicht mehr ausübt, in folgenden Fällen erhalten:
- (..)
- er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung;
- er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten;
- (..)
Während Art. 7 Abs. 3 Buchstabe b Unionsbürgerrichtlinie eine grundsätzlich zeitlich unbefristete Fortgeltung der Arbeitnehmereigenschaft bei einer Beschäftigung von mehr als einem Jahr bestimmt (vgl. hierzu SächsLSG, Beschluss vom 12.07.2021 – L 7 AS 651/21 BER – juris Rn. 36 m.w.N.), was nach der Rechtsprechung des BSG auch bei einer Tätigkeit von genau einem Jahr gilt (vgl. BSG, Urteil vom 09.03.2022 – B 7/14 AS 79/20 R – juris), eröffnet Art. 7 Abs. 3 Buchstabe c Unionsbürgerrichtlinie für kürzere Beschäftigungen den Mitgliedstaaten die Möglichkeit der Befristung der Fortgeltung, jedoch für die Dauer von mindestens sechs Monaten. Hiervon hat die Bundesrepublik Deutschland mit § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU Gebrauch gemacht. Die Regelungen des Art. 7 Abs. 3 Buchstabe b und c Unionsbürgerrichtlinie stehen in einem engen Sachzusammenhang und sind insofern auch nur in einem gemeinsamen Bedeutungskontext zu verstehen. Zwar spricht auch Buchstabe b von mehr als einjähriger „Beschäftigung“ ohne konkret zu benennen, ob es auf den rechtlichen Bestand des Beschäftigungsverhältnisses, auf die – ggf. fortgeltende – Arbeitnehmereigenschaft oder aber nur auf eine tatsächliche Erwerbstätigkeit ankommt. Buchstabe c lässt jedoch zur Überzeugung des Senats erkennen, dass es bei der Fristberechnung nicht allein auf tatsächliche Erwerbstätigkeit und somit nicht auf ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses nach sozialversicherungsrechtlichen Regeln des Mitgliedsstaates ankommen kann. Denn Art. 7 Abs. 3 Buchstabe c Unionsbürgerrichtlinie stellt für Fälle, in denen die Arbeitnehmereigenschaft nicht grundsätzlich unbegrenzt fortgilt, zum einen auf ein Ende des Arbeitsverhältnisses infolge Befristung auf weniger als ein Jahr, zum anderen auf eine im Laufe der ersten zwölf Monate eintretende unfreiwillige Arbeitslosigkeit ab. Maßgeblich ist demnach, dass der Arbeitnehmer innerhalb der ersten zwölf Monate nach Beginn des Arbeitsverhältnisses arbeitslos wird und sich dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt, mithin sein Arbeitsverhältnis im ersten Beschäftigungsjahr tatsächlich endet. Andernfalls gilt bei eintretender, ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit Art. 7 Abs. 3 Buchstabe b Unionsbürgerrichtlinie, der durch § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU umgesetzt wird.
Dies gilt nach Ansicht des Senats auch dann, wenn die Arbeitnehmereigenschaft während des laufenden Arbeitsverhältnisses trotz Nichtausübung der konkreten Erwerbstätigkeit erhalten bleibt. Denn in diesem Fall wird der nicht erwerbstätige Arbeitnehmer demjenigen, der eine Tätigkeit tatsächlich ausübt, rechtlich gleichgestellt.
Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU bleibt unter anderem für Arbeitnehmer das Recht auf Aufenthalt bei vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall unberührt. Dies war vorliegend bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.01.2015 der Fall. Das Verständnis des Beklagten, wonach eine vorübergehende Erwerbsminderung im vorgenannten Sinne nicht vorliege, wenn der Arbeitnehmer länger als sechs Monate seine Tätigkeit krankheits- oder unfallbedingt nicht wiederaufnehmen könne, ist nicht richtlinienkonform. Art. 7 Abs. 3 Buchstabe a Unionsbürgerrichtlinie ordnet den Erhalt des Aufenthaltsrechts als Arbeitnehmer anders als § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU an, wenn der Unionsbürger seine Erwerbtätigkeit als Arbeitnehmer nicht mehr ausübt, weil er wegen Krankheit oder Unfall vorübergehend arbeitsunfähig ist. Die Richtlinie knüpft dabei an die vorübergehende Unfähigkeit des Arbeitnehmers an, zu arbeiten („temporarily unable to work“). Die vom Beklagten bemühten Grundsätze zur Auslegung des Begriffs „auf absehbare Zeit“ i.S.d. § 8 SGB II zur Frage der Erwerbsfähigkeit bzw. rentenrechtliche Grund-sätze können insofern schon deshalb nicht herangezogen werden, auch weil es sich um rein inländische Regeln und Grundsätze handelt.
Weder Art. 7 Abs. 3 Buchstabe a Unionsbürgerrichtlinie noch § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU fordern die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit binnen sechs Monaten. Die Arbeitsunfähigkeit ist dann als vorübergehend anzusehen, wenn aufgrund einer ärztlichen Prognose mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist (vgl. Ziffer 2.3.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU – AVV zum FreizügG/EU vom 03.02.2016, GMBl. 2016 Nr. 5 S. 86). Eine feste zeitliche Höchstgrenze existiert nicht (vgl. EuGH, Urteil vom 11.04.2019 – C-483/17 – juris Rn. 44, Tewocht in: BeckOK Ausländerrecht Kluth/Heusch, 36. Ed. 01.10.2021, FreizügG/EU, § 2 Rn. 46).
Zwischen den Beteiligten ist es in diesem Zusammenhang unstreitig, dass der Kläger zu 1 infolge seines Arbeitsunfalles am 05.08.2013 nicht dauerhaft erwerbs- bzw. arbeitsunfähig war. Vielmehr führten die Folgen seines Arbeitsunfalles zwar zu einer zeitweisen Beeinträchtigung seiner Erwerbs- und Arbeitsfähigkeit. Er konnte aber nach der von Anfang an prognostizierten Genesung Arbeit wiederaufnehmen. Ab 15.09.2016 war der Kläger zu 1 auch tatsächlich wieder in einem festen sozialversicherungspflichtigen Angestelltenverhältnis als Lagerlogistiker vollzeitig beschäftigt.
Anderes ergibt sich zur Überzeugung des Senats auch nicht aus der vom Beklagten für seine Auffassung herangezogenen Entscheidung des BSG zur rechtlichen Bewertung der Inanspruchnahme von Elternzeit. Dieses hat vielmehr klargestellt, dass Arbeitnehmer im Elternurlaub während dieses Urlaubs Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts bleiben (vgl. BSG, Urteil vom 09.03.2022 – B 7/14 AS 91/20 R – juris Rn. 23 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 20.09.2007 – C-116/06 – juris Rn. 32 und Urteil vom 04.10.2018 – C-12/17 – juris Rn. 35), mithin sie trotz Nichtausübung einer Tätigkeit die rechtlichen Wirkungen der Arbeitnehmereigenschaft für sich in Anspruch nehmen können. Hieraus ist zu schließen, dass die Wirkungen, welche aus der tatsächlichen Erwerbstätigkeit folgen, auch für den Arbeitnehmer in Elternzeit gelten müssen. Ist dies der Fall müssen sich aber auch bei (vorübergehender) Arbeitsunfähigkeit die Wirkungen der fortwirkenden Arbeitnehmereigenschaft zugunsten des Klägers zu 1 entfalten.
Die vom Beklagten zitierten Ausführungen des BSG, es müsse sichergestellt werden, dass die Rechte, die der Arbeitnehmer bei Antritt des Elternurlaubs bereits erworben habe oder dabei war zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen bleiben und sich der Arbeitnehmer im Anschluss an den Elternurlaub im Hinblick auf diese Rechte in derselben Situation befinde wie vor dem Elternurlaub, stehen der Auffassung des Senats nicht entgegen. Anlass der Ausführungen war die Auffassung des LSG, eine der Klägerinnen sei im dortigen Verfahren vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Sie sei während der Elternzeit nicht im unionsrechtlichen Sinne Arbeitnehmerin, denn sie übe aufgrund des ruhenden Beschäftigungsverhältnisses keine tatsächliche und echte Tätigkeit aus. Der Erwerbstätigenstatus bestehe auch nicht fort, weil sie nicht unfreiwillig arbeitslos sei, sich nicht dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt und ihre Beschäftigung als Optikerin nicht binnen einer angemessenen Frist wiederaufgenommen habe. Wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit habe sich die Klägerin auch nicht zur Arbeitsuche in Deutschland aufgehalten. Sie habe keinen Anspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II und kein Daueraufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 4a FreizügG/EU erworben, weil sie sich nach Maßgabe melderechtlicher Auskünfte keine fünf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten habe.
Unter diesem Gesichtspunkt bestand für das BSG offenbar Anlass darauf hinzuweisen, dass die Klägerin durch die Inanspruchnahme von Elternzeit keinen Rechtsverlust erleiden dürfe und so gestellt werden müsse, wie sie vor dem Ruhen ihres Arbeitsverhältnisses gestanden habe. Diese Äußerung trifft jedoch keine Aussage darüber, ob Zeiten des Ruhens eines Arbeitsverhältnisses wegen einer Erkrankung oder Unfalles im Rahmen anschließender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit bei der Fristberechnung zu berücksichtigen sind.
Soweit der Beklagte ferner auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 01.10.2021 (L 6 AS 403/21 B ER – juris) Bezug genommen hat, ist dazu bereits festzustellen, dass beide dort streitgegenständlichen Arbeitsverhältnisse infolge Kündigung kürzer als ein Jahr tatsächlich bestanden haben. Eine Zusammenrechnung der Beschäftigungszeiten wurde nicht thematisiert.
Der Kläger zu 1 ist nach alledem nach mehr als einem Jahr Tätigkeit i.S.d. Art. 7 Abs. 3 Buchstabe b Unionsbürgerrichtlinie arbeitslos geworden.
Die Arbeitslosigkeit war auch unfreiwillig i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU. Diesbezüglich liegt eine Bescheinigung der BA, Agentur für Arbeit B.... vom 22.09.2015 vor. Dass die Kündigung in Ermangelung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes und damit betriebsbedingt war, folgt im Übrigen schlüssig unmittelbar aus der vorliegenden Kündigung des Arbeitgebers.
Für die vom Beklagten eingeforderte materiell-rechtliche Überprüfung der Richtigkeit der Unfreiwilligkeitsbescheinigung besteht auch sonst kein Anlass. Ungeachtet des Umstandes, dass nicht nur die Agentur für Arbeit B.... eine Unfreiwilligkeitsbescheinigung ausgestellt, sondern auch die Agentur für Arbeit O.... mit Bescheid vom 20.02.2015 Arbeitslosengeld I bewilligt und damit eine Sperrzeit verneint hat (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 09.03.2022 – B 7/14 AS 79/20 R – juris Rn. 29 bis 31), ist die erteilte Unfreiwilligkeitsbescheinigung eine konstitutive Bedingung, wobei die BA die „Unfreiwilligkeit“ und nicht nur die Arbeitslosigkeit zu bescheinigen hat (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 09.03.2022, a.a.O., juris Rn. 27 und Urteil vom 13.07.2017 – B 4 AS 17/16 R – juris Rn. 34 m.w.N., LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.05.2021 – L 2 AS 225/21 B ER – Rn. 42, juris; a.A. noch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.02.2018 – L 7 AS 2308/17 B ER – juris Rn. 20 und LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.08.2020 – L 7 AS 1376/20 ER-B – juris Rn. 23). Diese Auffassung zugrunde gelegt handelt es sich bei der Unfreiwilligkeitsbescheinigung um einen feststellenden Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X, den der Beklagte und auch der Senat zu beachten haben. Die Abänderung einer einmal erfolgten Bestätigung der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit unterliegt den Einschränkungen der §§ 44 ff. SGB X (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.05.2021 – L 2 AS 225/21 B ER – juris Rn. 43 ff.). Eine erfolgte Rücknahme der Unfreiwilligkeitsbescheinigung ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass die BA im Übrigen Unfreiwilligkeit i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU bestätigt hat, ist unschädlich. Der Begriff der Unfreiwilligkeit in § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU und § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU ist identisch. Die BA hat zudem allein die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit, nicht aber die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. FreizügG/EU mit Bindungswirkung zu prüfen.
Die damit seit dem 01.02.2015 festzustellende Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft des Klägers zu 1 und das damit fortbestehende Freizügigkeitsrecht erstreckten sich auch auf den streitgegenständlichen Zeitraum.
Die Erwerbstätigeneigenschaft bleibt zeitlich unbeschränkt erhalten, sofern sich der Unionsbürger dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt (vgl. EuGH, Urteil vom 11.04.2019 – C-483/17 – juris Rn. 27; Bayerisches LSG, Urteil vom 26.02.2019 – L 11 AS 899/18 – juris Rn. 23 ff., Hessisches LSG, Urteil vom 09.09.2020 – L 6 AS 126/18 – juris Rn. 51; Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, FreizügG/EU, § 2 Rn. 126). Kommt eine Begrenzung der (nachwirkenden) Erwerbstätigeneigenschaft demnach nicht über eine Begrenzung der Dauer der Fortgeltungswirkung in Betracht, so verlagert sich die Begrenzung der Rechtsstellung der nachwirkenden Freizügigkeitsberechtigung auf die materiellen Anforderungen, die zum Erhalt der Erwerbstätigeneigenschaft zu erfüllen sind. Die Frage, wie lange der Zeitraum der Fortgeltung der Erwerbstätigeneigenschaft andauert, lässt sich nicht abstrakt bestimmen. Der EuGH hat insoweit entschieden, „dass ein Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger vorübergehend aufgegeben hat, die Erwerbstätigeneigenschaft nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 und das damit verbundene Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie nur behalten kann, wenn er innerhalb eines angemessenen Zeitraums zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats fähig ist und hierfür zur Verfügung steht“ (vgl. EuGH, Urteile vom 11.04.2019 – C-483/17 – juris Rn. 40; vom 13.09.2018 – C-618/16 – juris, Rn. 37 und vom 19.06.2014 – C-507/12 – juris Rn. 38 ff.). Die Möglichkeit für einen Unionsbürger, die Erwerbstätigeneigenschaft zu erhalten, ist somit daran gebunden, dass er dem Arbeitsmarkt des Aufnahmestaates zur Verfügung steht. Zudem muss der Unionsbürger binnen angemessener Frist zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt und damit zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit fähig sein. Die Bemessung einer angemessenen Frist, binnen derer ein Unionsbürger zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats fähig (gewesen) ist, bestimmt sich also nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 16.04.2021 – 9 A 2282/19 – juris Rn. 39).
Ausgehend davon sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zu 1 dem Arbeitsmarkt tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden hat. Er hatte sich insbesondere der BA für die Vermittlung von Arbeit zur Verfügung gestellt und stand mit dieser, wie deren vorgelegten Bescheinigungen belegen, auch in regelmäßigem Kontakt. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger zu 1 keine Vermittlungsbemühungen gezeigt hat und im hier streitigen Zeitraum tatsächlich nicht in der Lage war, auf dem Arbeitsmarkt vermittelt zu werden. Es ist insbesondere an keiner Stelle dargelegt oder sonst ersichtlich, dass der Kläger zu 1 infolge Krankheit über den 01.02.2015 hinaus gehindert war, eine neue Tätigkeit aufzunehmen. Eine Nicht-mehr-Wiedereingliederungsfähigkeit des Klägers zu 1 und damit ein Verlust bzw. eine Beendigung der nachwirkenden Freizügigkeit aus § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU ist auch deshalb nicht anzunehmen, weil der Kläger zu 1 schlussendlich am 01.09.2016 mit Wirkung vom 15.09.20016 wieder ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Lagerlogistiker in Vollzeitbeschäftigung aufgenommen hat.
Ungeachtet all dessen folgt ein Aufenthaltsrecht des Klägers zu 1 auch aus Art. 10 Abs. 1 AN-Freizüg-VO. Das Aufenthaltsrecht steht einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a.F. entgegen (vgl. BSG, Urteile vom 27.01.2021 – B 14 AS 42/19 R – juris Rn. 15 und B 14 AS 25/20 R sowie vom 03.12.2015 – B 4 AS 43/15 R – juris Rn. 27; vgl. zudem EuGH, Urteil vom 06.10.2020 – C-181/19 – EU:C:2020:794 zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst c SGB II i.d.F. vom 22.12.2016, BGBl. I S. 3155). Danach können die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen. Das BSG hat hierzu im Urteil vom 03.12.2015 (B 4 AS 43/15 R, dort Rn. 29 bis 32) Folgendes klargestellt:
„(…) Nach Aufhebung der VO (EWG) Nr 1612/68 durch Art 41 VO (EU) Nr 492/2011 des EU-Parlaments und dessen Rates vom 5.4.2011 (ABl EU Nr L 141/1 vom 27.5.2011) übernimmt Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 (..)inhaltsgleich die bisherige Regelung des Art 12 Abs 1 VO (EWG) Nr 1612/68 (EuGH Urteil vom 6.9.2012 - Rs <Czop und Punakova> - C-147/11 und 148/11 - EAS Teil C VO <EWG> Nr 1612/68 Art 12 Nr 13, RdNr 4).
Dieses - historisch an die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Schaffung bestmöglicher Bedingungen für die Integration der Familie des Wanderarbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat anknüpfende - Ausbildungsrecht des Kindes (vgl EuGH Urteil vom 17.9.2002 - Rs C-413/99 <Baumbast und R> - Slg 2002, I-7091 ff, juris RdNr 51 ff) setzt voraus, dass dieses Kind "in Ausbildung" mit seinen Eltern oder einem Elternteil in einem Mitgliedstaat in der Zeit lebte, in der dort zumindest ein Elternteil als Arbeitnehmer wohnte. Der Erwerb des Ausbildungsrechts ist an den Status als Kind eines Arbeitnehmers gebunden (EuGH Urteil vom 21.6.1988 - Rs C-197/86 <Brown> - Slg 1988, 3105 ff, juris RdNr 30; EuGH Urteil vom 4.5.1995 - Rs C-7/94 <Gaal> - Slg 1995, I-1031 ff, juris RdNr 27; EuGH Urteil vom 14.6.2012 - Rs C-542/09 <Europäische Kommission/Königreich der Niederlande> - EAS Teil C AEUV Art 45 Nr 3, RdNr 50 f; vgl auch EuGH Urteil vom 6.9.2012 - Rs C-147/11 und C-148/11 <Czop und Punakova> - EAS Teil C VO <EWG> Nr 1612/68 Art 12 Nr 13, RdNr 30 zur ausschließlichen Anwendbarkeit des Art 12 VO <EWG> Nr 1612/68 auf Kinder von Arbeitnehmern). Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH impliziert das Ausbildungsrecht aus Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 gleichzeitig ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der sich weiterhin in Ausbildung befindlichen Kinder, das grundsätzlich bis zum Abschluss der Ausbildung und insbesondere besteht, solange sie tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat in das Schulsystem eingegliedert sind (EuGH Urteil vom 17.9.2002 - Rs C-413/99 <Baumbast und R> - Slg 2002, I-7091 ff, juris RdNr 53 f; EuGH Urteil vom 13.6.2013 - Rs C-45/12 <Hadj Ahmed> - EAS Teil C VO <EWG> Nr 1408/71 Art 1 Nr 16, juris RdNr 46 und 52; EuGH Urteil vom 23.2.2010 - Rs C-480/08 <Teixeira> - Slg 2010, I-1107, juris RdNr 36 und 53).
Soweit und solange die regelmäßig minderjährigen Kinder eines Arbeitnehmers oder ehemaligen Arbeitnehmers für die Wahrnehmung ihrer Ausbildungsrechte aus Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 weiterhin der Anwesenheit und der Fürsorge des Elternteils bedürfen, um ihre Ausbildung fortsetzen und abschließen zu können, besteht darüber hinaus in gleicher Weise für den Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt, ein abgeleitetes Recht auf Aufenthalt aus Art 10 VO (EG) Nr 492/2011. Dies hat der EuGH damit begründet, dass die Versagung der Möglichkeit für die Eltern, während der Ausbildung ihrer Kinder im Aufnahmemitgliedstaat zu bleiben, geeignet sein könnte, den Kindern ein - ihnen vom Unionsgesetzgeber zuerkanntes - Recht zu nehmen (EuGH Urteil vom 13.6.2013 - Rs C-45/12 <Hadj Ahmed> - EAS Teil C VO <EWG> Nr 1408/71 Art 1 Nr 16, juris RdNr 46; EuGH Urteil vom 23.2.2010 - Rs C-480/08 <Teixeira> - Slg 2010, I-1107, juris RdNr 36, 53, 86). Ohne Belang ist, ob die Eltern der betreffenden Kinder inzwischen geschieden sind oder der die elterliche Sorge tatsächlich wahrnehmende Elternteil nicht mehr Wanderarbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat ist (vgl. EuGH Urteil vom 8.5.2013 - Rs C-529/11 <Alarape und Tijani> - EAS Teil C VO <EWG> Nr 1612/68 Art 12 Nr 14, RdNr 27 mwN; Brinkmann in Huber, AufenthG, 2010, § 3 FreizügG/EU RdNr 19; Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl 2013, § 3 FreizügG/EU RdNr 60 ff).
Die einmal erworbenen Ausbildungs- und Aufenthaltsrechte der Kinder bzw der (sorgeberechtigten bzw die tatsächliche Sorge ausübenden) Elternteile bestehen nach der Rechtsprechung des EuGH unabhängig von den in der RL 2004/38/EG festgelegten Voraussetzungen ausreichender Existenzmittel sowie eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes (§ 4 FreizügG/EU) fort und sind autonom gegenüber den unionsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden, die die Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat regeln (EuGH Urteil vom 23.2.2010 - Rs C-310/08 <Ibrahim und Secretary of State for the Home Department> - Slg 2010, I-1065, juris RdNr 42 ff, 50; EuGH Urteil vom 23.2.2010 - Rs C-480/08 <Teixeira> - Slg 2010, I-1107, juris RdNr 53 ff; Brinkmann in Huber, AufenthG, 2010, § 3 FreizügG/EU RdNr 20 mwN; Kloesel/Christ/Häußer, Aufenthalts- und Ausländerrecht, § 3 FreizügG/EU RdNr 104, Stand Juli 2011; Epe in GK-AufenthG, § 3 RdNr 67, Stand Juli 2013; Brechmann in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl 2011, Art 45 AEUV RdNr 91 f). Insofern hat der EuGH der Entstehungsgeschichte (vgl KOM <2003> 199 endg S 7) und den Inhalten der RL 2004/38/EG entnommen, dass der Anwendungsbereich des Art 12 VO (EWG) Nr 1612/68 in seiner Auslegung durch den EuGH gerade nicht eingeschränkt werden sollte (vgl EuGH Urteil vom 23.2.2010 - Rs C-310/08 <Ibrahim und Secretary of State for the Home Department> - Slg 2010, I-1065, juris RdNr 46 mwN). Art 12 Abs 3 RL 2004/38/EG in seiner Anknüpfung an die EuGH-Rechtsprechung (vgl EuGH Urteil vom 17.9.2002 - Rs C-413/99 <Baumbast und R> - Slg 2002, I-7091, juris RdNr 63) - im deutschen Recht umgesetzt durch § 3 Abs 4 FreizügG (vgl BT-Drucks 16/5065 S 210) - bestätigt dies. Hiernach führt der Wegzug des Unionsbürgers aus dem Aufnahmemitgliedstaat oder sein Tod weder für seine Kinder noch für den Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, bis zum Abschluss der Ausbildung zum Verlust des Aufenthaltsrechts, wenn sich die Kinder im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten und in einer Bildungseinrichtung zu Ausbildungszwecken eingeschrieben sind (vgl hierzu auch Kloesel/Christ/Häußer, Aufenthalts- und Ausländerrecht, § 3 FreizügG/EU RdNr 101, Stand Juli 2011; Epe in GK-AufenthG, § 3 FreizügG/EU RdNr 60, Stand 7/2013) (…)“.
Zuletzt am 09.03.2022 hat das BSG nochmals betont, dass es nach dem eindeutigen Wortlaut der Richtlinie nicht notwendig ist, dass der die Sorge ausübende Elternteil zum Zeitpunkt der Aufnahme der Kinder in die Bildungseinrichtung bzw. bei Wohnsitznahme weiterhin Wanderarbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat ist. Es genügt vielmehr schon dem Wortlaut nach, dass der sorgende Elternteil zuvor Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin i.S.d. § 45 AEUV war. Dies hat auch der EuGH betont, wenn er ausführt, dass Art. 10 AN-Freizüg-VO dem Kind im Zusammenhang mit dessen Anspruch auf Zugang zum Unterricht ein eigenständiges Aufenthaltsrecht einräumt, das nicht davon abhängig ist, dass der Elternteil oder die Eltern, die die elterliche Sorge für es wahrnehmen, weiterhin Wanderarbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat sind. Ebenso wenig hat der Umstand, dass der betreffende Elternteil nicht mehr Wanderarbeitnehmer ist, Auswirkungen auf dessen Aufenthaltsrecht nach Art 10 AN-Freizüg-VO, das demjenigen des Kindes entspricht, für das er die elterliche Sorge tatsächlich wahrnimmt (vgl. BSG, Urteil vom 09.03.2022, B 7/14 AS 30/21 R – juris Rn. 22 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 06.10.2020 - C-181/19 - EU:C:2020:794, Rn. 37).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Zwei der drei leiblichen Kinder des Klägers zu 1, die Kläger zu 3 und 4, besuchten jedenfalls im Zeitraum vom 01.11.2015 bis 31.12.2015 die Grundschule in B..... Die Familie lebte gemeinsam in B.... in einer Wohnung. Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 übten das gemeinsame Sorgerecht für ihre Kinder gemeinschaftlich aus, sodass dem Kläger zu 1 das Aufenthaltsrecht nach Art. 10 Abs. 1 AN-Freizüg-VO zugestanden hat und er damit auch deshalb nicht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a.F. vom Leistungsbezug ausgeschlossen war.
Die am 20.09.2015 in die Bundesrepublik Deutschland erstmals eingereiste Klägerin zu 2 ist im Zeitraum seit ihrer Einreise bis zum 31.12.2015 ebenfalls nicht von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ausgeschlossen. Sie hielt sich im vorgenannten Zeitraum nicht nur zum Zwecke der Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland auf. Sie genoss zum einen als Ehefrau des Klägers zu 1, der sich aus den genannten Gründen auf die Fortwirkung seiner Arbeitnehmereigenschaft berufen kann, gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügigG/EU i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU selbst Freizügigkeit. Darüber hinaus wird in selber Weise wie beim Kläger zu 1 ab dem Tag der Einschulung der Kläger zu 3 und 4 in B.... aufgrund der zitierten Rechtsprechung ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 10 Abs. 1 AN-Freizüg-VO abgeleitet und sie ist damit nicht vom Leistungsbezug gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a.F. ausgeschlossen. Auch wenn sie selbst zuvor nie Arbeitnehmerin in der Bundesrepublik Deutschland war, begründet sich ihr Aufenthaltsrecht aufgrund der unstreitig ausgeübten Sorge über die eingeschulten Kläger zu 3 und 4.
Die Klägerin zu 2 ist in diesem Zusammenhang auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Danach sind Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts vom Leistungsbezug ausgeschlossen.
Zwar erfüllt die Klägerin zu 2 dem Wortlaut nach diese Ausschlussvorschrift, da sie im streitigen Zeitraum selbst keine Arbeitnehmerin war und zudem erstmals am 20.09.2015 in der Bundesrepublik Deutschland dauerhaft Aufenthalt und Wohnsitz genommen hat. Allerdings findet die Vorschrift in richtlinienkonformer Auslegung unter anderem dann keine Anwendung, wenn der erwerbsfähige hilfebedürftige Ausländer als Familienangehöriger einem seit längerem aufenthaltsberechtigten Ausländer, ggf. Arbeitnehmer, nachzieht. Durch die Regelung sollen EU-Unionsbürger, die vom voraussetzungslosen dreimonatigen Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Unionsbürgerrichtlinie bzw. § 2 Abs. 5 FreizügG/EU Gebrauch machen, im Rahmen des unionsrechtlich Zulässigen von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen werden (vgl. BT-Drucks. 16/5065, 473). § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II setzt insofern Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie um. Danach ist der Aufnahmemitgliedstaat abweichend vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 24 Abs. 1 Unionsbürgerrichtlinie nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b Unionsbürgerrichtlinie einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Daraus folgt aber, dass der Aufnahmemitgliedsstaat die Familienangehörigen (hier die Klägerin zu 2) von Arbeitnehmern (hier der Kläger zu 1) innerhalb der ersten drei Monate nicht von Leistungen ausschließen kann. Nicht zuletzt schließt zur Überzeugung des Senats auch das bestehende Aufenthaltsrecht nach Art. 10 Abs. 1 AN-Freizüg-VO den Ausschlusstatbestand nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II aus, da die Klägerin zu 2 gerade nicht von ihrem Recht nach Art. 6 Unionsbürgerrichtlinie bzw. § 2 Abs. 5 FreizügG/EU Gebrauch macht.
Anspruch auf Leistungen nach § 1 Asylbewerberleistungsgesetz i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II hatte die Klägerin zu 2 ebenfalls nicht.
Auch die Kläger zu 3 und 4 sind nicht von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossen.
Zwar bezieht sich der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht nur auf erwerbsfähige Hilfebedürftige i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, sondern auch auf (nicht erwerbsfähige) Angehörige erwerbsfähiger Hilfebedürftiger i.S.d. § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II (vgl. BSG, Urteile vom 14.06.2018 – B 14 AS 28/17 R – juris Rn. 16 f. und vom 21.12.2009 – B 14 AS 66/08 R – juris Rn. 14 m.w.N.). Die Kläger zu 3 und 4 hatten aber mangels Verwirklichung der Voraussetzungen keinen Anspruch auf Asylbewerberleistungen nach § 1 Asylbewerberleistungsgesetz (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II). Ferner verfügten sie über ein Aufenthaltsrecht, sodass auch bei der gebotenen erweiterten Auslegung von § 7 Abs. 2 Satz 2 SGB II a.F. auf Personen ohne Aufenthaltsrecht kein Ausschluss besteht (vgl. BSG, Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R – juris). Die Kläger zu 3 und 4 verfügten nach den vorgenannten Erwägungen als Schüler an einer staatlichen Grundschule und Kinder eines Sorgeberechtigungen, der Wanderarbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland war, selbst über ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 Abs. 1 AN-Freizüg-VO. Sie genossen zudem als geradlinige Verwandte ihres Vaters, der nach den bisherigen Ausführungen im streitigen Zeitraum als Arbeitnehmer galt, Freizügigkeit gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU. Da sie damit nicht von einem Recht nach Art. 6 Unionsbürgerrichtlinie bzw. § 2 Abs. 5 FreizügG/EU Gebrauch gemacht haben, vielmehr Familienangehörige eines Arbeitnehmers sind, für den Art. 24 Abs. 1 Unionsbürgerrichtlinie keinen Ausschluss vorsieht, kommt ein Ausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II ebenfalls nicht in Betracht, auch wenn sich die Kläger zu 3 und 4 erst am 20.09.2015 niedergelassen haben.
Da die Kläger im September 2015 dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II waren und im Oktober 2015 zudem über bedarfsdeckendes Einkommen sowohl nach dem SGB II als auch dem SGB XII verfügten, besteht für diese Zeiträume kein Leistungsanspruch gegenüber dem Beigeladenen.
Nach alledem war entsprechend des Tenors zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.