Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. März 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger für eine Ersatz-Pflegekraft in den Zeiträumen vom 15. bis 21. Oktober 2017 und 13. bis 18. August 2018 als Leistung der Verhinderungspflege weitere 4.689,29 € zu gewähren hat.
Der 1966 geborene Kläger ist als Bezieher einer Rente wegen voller Erwerbsminderung bei der Beklagten sozial pflegeversichert. Er leidet an einer bipolaren affektiven Störung sowie an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung (vgl. Gutachten der K1, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung B1 [MDK] vom 8. Juni 2016, Bl. 9 ff. SG-Akte; Verordnung von Krankenhausbehandlung des S1 u.a. vom 31. Juli 2017 und 11. Juni 2019, Bl. 25, 27 SG-Akte). Der Grad der Behinderung (GdB) beträgt seit 15. Mai 2013 wegen seelischer Krankheit 80 (Bescheid des Landratsamts E1 vom 8. Oktober 2015; Bl. 28 SG-Akte). Der Kläger bezieht im Übrigen Pflegegeld nach Pflegegrad 2.
Das erwähnte Gutachten der K1 vom 8. Juni 2016 (grundpflegerischer Hilfebedarf: 16 Minuten täglich) weist als Pflegeperson P1 (PS) aus. Nach den weiteren Ausführungen habe diese seit Anfang Mai 2016 die pflegerischen und hauswirtschaftlichen Verrichtungen übernommen und komme in der Regel einmal täglich, meist abends, vorbei, da die Mutter des Klägers erkrankt sei und die Versorgung gerade nicht aufrechterhalten könne. Der Pflegeaufwand betrage ca. acht Stunden wöchentlich.
Am 29. August 2018 gingen bei der Beklagten zwei Anträge des Klägers auf Verhinderungspflege vom 28. August 2018 ein. In dem das Jahr 2017 betreffenden Antrag gab er an, die Pflegeperson sei vom 15. bis 21. Oktober 2017 wegen Krankheit verhindert gewesen und in dem das Jahr 2018 betreffenden Antrag, die Pflegeperson sei vom 13. bis 18. August 2018 wegen Erholungsurlaub vollständig verhindert gewesen. Als Ersatz-Pflegeperson führte er jeweils H1 (DH) auf, bei dem es sich um seinen Bruder handele. DH bestätigte jeweils mit seiner Unterschrift die Vollständigkeit und Richtigkeit der gemachten Angaben. In den jeweils beigefügten Formblättern der Beklagten „Verhinderungspflege - Beleg zur Kostenerstattung“, die Angaben zu den entstandenen Aufwendungen („Folgende Aufwendungen sind entstanden: …“) vorsehen, machte der Kläger jeweils keine Angaben. Er kennzeichnete jeweils lediglich durch Ankreuzen den Text „Ich möchte 50% des Leistungsbetrages aus der Kurzzeitpflege übertragen“ und führte an, dass die zustehende Leistung auf das Konto seiner Mutter H2 (MH) überwiesen werden möge. In beiden Formblättern bestätigte DH durch seine Unterschrift die Richtigkeit der Angaben., und, dass er im genannten Zeitraum die Pflege durchgeführt habe. Nach Klärung der zunächst aufgetretenen Missverständnisse hinsichtlich Identität und Wohnort des DH und Einholung der Erklärung der Mutter des Klägers vom 20. September 2018, mit der diese bestätigte, dass die Verhinderungspflege in den Zeiträumen vom 15. bis 21. Oktober 2017 sowie 13. bis 18. August 2018 durch ihren Sohn DH als Ersatz-Pflegeperson erbracht worden sei, führte die Beklagte dem Kläger gegenüber mit Bescheid vom 10. Oktober 2018 aus, sie erstatte die Kosten der Ersatzpflege für die Zeit vom 15. bis 21. Oktober 2017 in Höhe von 79,00 € und vom 13. bis 18. August 2018 in Höhe von 67,71 €. Zur Begründung führte sie aus, während der Verhinderungspflege werde bis zu sechs Wochen je Kalenderjahr das Pflegegeld zur Hälfte weitergezahlt. Werde die Pflege durch eine Pflegeperson übernommen, die mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert sei, erstatte sie den Betrag in Höhe des 1,5-fachen Pflegegeldes des jeweiligen Pflegegrades sowie die nachgewiesenen zusätzlichen Aufwendungen (z.B. Fahrkosten oder Verdienstausfall).
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, er habe die „Verhinderungspflege plus“ beantragt, die für zwei Jahre ca. 5.000 € betragen würde. DH sei lediglich deswegen angegeben worden, weil die andere Pflegeperson, die auch bei dem letzten Gutachten des MDK dabei gewesen sei, Frau PS, nicht bei ihr – der Beklagten – als unterstützende Nachbarin in der Pflege bis dato geführt worden sei, obwohl dies bereits im Jahr 2017 der Fall gewesen sei. Er lasse sich aufgrund dieses offensichtlichen Mangels in den Dateien der Beklagten mit den geleisteten Zahlungen nicht abspeisen. Durch deren Unterstützung gemeinsam mit seinem Bruder DH stehe ihm der „volle Satz“ zu, da Frau PS in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis mit ihm stehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2019 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit der Begründung zurück, für die vom Bruder des Klägers geleistete Verhinderungspflege würden gemäß § 39 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) ein Betrag in Höhe des 1,5-fachen Pflegegeldes des jeweiligen Pflegegrades sowie nachgewiesene Aufwendungen erstattet. Hierfür sei ein Pflegegeld von 11,29 € errechnet worden, das im Oktober 2017 für sieben Tage 79,00 € und im August 2018 für sechs Tage 67,71 € ergebe. In den Antragsunterlagen sei angegeben worden, dass die Verhinderungspflege durch den Bruder DH durchgeführt worden sei. Diese Angaben seien durch seine Mutter als Pflegeperson unter dem 20. September 2018 bestätigt worden.
Die im weiteren Verlauf vom Kläger geltend gemachte höhere Kostenerstattung für die Verhinderungspflege in den Jahren 2017 und 2018 deutete die Beklagte als Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) um und lehnte es mit Bescheid vom 7. Juni 2016 ab, die Bescheide vom 10. Oktober 2018 und 23. Januar 2019 zurückzunehmen. Im gesamten Antragsverfahren sei vom Kläger und seiner Mutter schriftlich bestätigt worden, dass der Bruder DH in der Zeit des urlaubs- und krankheitsbedingten Ausfalls der Mutter die sog. Verhinderungspflege durchgeführt habe. Erst als Reaktion auf ein Telefonat mit einer Mitarbeiterin sei der Hinweis gekommen, dass die Verhinderungspflege durch eine andere Person durchgeführt worden sei. Im Übrigen sei die von ihm genannte Person (Frau PS) ausweislich des MDK-Gutachtens als Pflegeperson aufgeführt, sodass eine Erstattung auch deshalb nicht infrage komme, weil eine im Gutachten benannte Pflegeperson nicht gleichzeitig in der Verhinderungspflege auftreten könne. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2019 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 21. Oktober 2019 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage und machte geltend, für die Verhinderungspflege in den Jahren 2017 und 2018 stünden ihm weitere 4.836,00 € zu. Die Verhinderungspflege sei nachweislich von einer Pflegeperson erbracht worden, die in keinerlei verwandtschaftlichem Verhältnis zu ihm stehe. Sie sei von der pflegenden Person zunächst fehlerhaft angegeben worden. Frau PS sei bereits seit 2016 zusätzlich im Einsatz, da seine Mutter und DH den hohen Aufwand, der bei seiner Person betrieben werden müsse, nicht mehr hätten leisten können. Er legte Krankenhausverordnungen des S1, den Bescheid des Landratsamts E1 vom 8. Oktober 2015 und den Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 15. Dezember 2016 vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte das MDK-Gutachten vom 8. Juni 2016 mit dem Hinweis vor, darin werde Frau PS erstmals als Pflegekraft aufgeführt.
Mit Urteil vom 5. März 2021, das dem Kläger am 30. April 2021 zugestellt wurde, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, der Bescheid vom 10. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Januar 2019 sei rechtmäßig und daher nicht zurückzunehmen. Soweit die Pflegekasse die nachgewiesenen Kosten einer notwendigen Ersatzpflege übernehme, dürften die Aufwendungen der Pflegekasse gemäß § 39 Abs. 3 Satz 1 SGB XI regelmäßig den Betrag des Pflegegeldes nach § 37 Abs. 1 Satz 3 SGB XI für bis zu sechs Wochen nicht überschreiten, wenn die Ersatzpflege durch eine Pflegeperson durchgeführt werde, die mit dem Pflegebedürftigen u.a. bis zum zweiten Grad verwandt sei. Der Kläger habe angegeben, von seinem Bruder und damit von einer Person, die mit ihm im zweiten Grad verwandt sei, verhinderungsbedingt gepflegt worden zu sein, weshalb die bestandskräftig gewordene Entscheidung vom 10. Oktober 2018 nicht rechtswidrig sei. Soweit er angegeben habe, tatsächlich von Frau PS gepflegt worden zu sein, stelle sich die Frage, ob überhaupt ein Fall der Verhinderungspflege vorgelegen habe, nachdem diese den Kläger – wie aus dem Gutachten vom 8. Juni 2016 ersichtlich – bereits zuvor gepflegt habe.
Am 11. Mai 2021 hat der Kläger dagegen beim SG sowohl mittels (nicht absenderbestätigten) De-Mail als auch mittels einfacher E-Mail Berufung eingelegt, die das SG ausgedruckt an das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg übersandte. Zur Begründung verwies der Kläger auf die beigefügte Berufungsschrift vom 5. Mai 2021. Der E-Mail war die mit einer Unterschrift versehene Berufungsschrift als Anhang beigefügt. Er hat geltend gemacht, der Bescheid vom 10. Oktober 2018 sei „nur insofern rechtswidrig, dass die gesundheitlichen Umstände des Klägers in keinster Weise berücksichtigt worden“ seien. Er sei „basierend auf all den eidesstattlich vorhandenen Gutachten seit Jahrzehnten nicht in der Lage, irgendwelche den Tatsachen entsprechenden Umstände korrekt anzugeben.“ Richtig sei, dass seine Mutter seine Betreuung überwiegend, nahezu alleine, übernehme. Somit sei sie einzig und allein die betreuende Person. Genau für diese Verhinderung der Mutter sei Verhinderungspflege beantragt worden. Dass Frau PS die Mutter teilweise mit unterstütze, stehe in keinerlei Widerspruch dazu, dass sie die Pflege während der Verhinderung der Mutter vollständig und alleine übernommen habe. Es stehe auch nicht in Widerspruch dazu, dass sie in den Unterlagen des MDK sicherheitshalber mit aufgeführt worden sei. Denn einer gelegentlichen zeitweisen Unterstützung sei keinerlei Regelmäßigkeit abzugewinnen. Frau PS stehe nur für den Extremfall zur Verfügung, wenn die betreuende Person (Mutter) verhindert sei. Somit sei die Pflege von einer nicht verwandten Person (Frau PS) vollständig übernommen worden und die Verhinderungspflege sei von der Beklagten in vollem Umfang zu leisten.
Der Kläger beantragt schriftlich (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. März 2021 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. September 2019 zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheids vom 10. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Januar 2019 Kosten für Verhinderungspflege in den Zeiträumen vom 15. bis 21. Oktober 2017 sowie 13. bis 18. August 2018 in Höhe von weiteren 4.836,00 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt schriftlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Auf den Hinweis des Senats, dass die Berufung mit Übersendung des Berufungsschriftsatzes vom 5. Mai 2021 mittels De-Mail und E-Mail nicht formgerecht erhoben worden sein dürfte, hat der Kläger das unterzeichnete Exemplar per Telefax am 20. Mai 2022 bzw. 19. August 2022 nachgereicht.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß § 143 SGG statthaft und bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da der Kläger Leistungen der Verhinderungspflege in Höhe von 4.836,00 € begehrt und der Wert des Beschwerdegegenstandes damit 750,00 € übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Der Kläger hat die Berufung gegen das ihm am 30. April 2021 zugestellte Urteil mit seiner Berufungsschrift vom 5. Mai 2021, die beim SG am 11. Mai 2021 elektronisch eingegangen ist, gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG zwar fristgerecht eingelegt. Die elektronisch mittels De-Mail sowie E-Mail eingelegte Berufung genügte jedoch nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form für die Übermittlung elektronischer Dokumente.
Gemäß § 65a Abs. 1 SGG können vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden. Nach Abs. 3 Satz 1 der Regelung muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einen sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.
Nach § 65a Abs. 4 SGG sind sichere Übermittlungswege (1) der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Abs. 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt, (2) der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts, (3) der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts, (4) der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifikationsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts, (5) der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne der § 2 Abs. 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Gerichts, (6) sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
Die beim SG am 11. Mai 2021 eingegangene E-Mail des Klägers erfüllt ebenso wie seine am selben Tag eingegangene De-Mail die dargelegten Voraussetzungen für die wirksame Einreichung des Rechtsmittels durch ein elektronisches Dokument nicht.
Eine einfache E-Mail wird ohne elektronische Signatur und nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg übersandt. Eine solche E-Mail genügt den dargelegten Anforderungen mithin nicht. Hiermit kann ein Rechtsmittel daher nicht rechtswirksam eingelegt werden (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 9. März 2023 – B 4 AS 104/22 BH – juris, Rn. 8; BSG, Beschluss vom 9. Mai 2017 – B 13 R 113/17 B – juris, Rn. 2). Der Kläger wurde hierauf in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils auch zutreffend hingewiesen. Nichts anderes gilt auch dann, wenn sich aus den begleitenden Umständen die Urheberschaft und der Wille, das elektronische Dokument in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergibt (BSG, Beschluss vom 4. Juli 2018 – B 8 SO 44/18 B – juris, Rn. 5). Somit genügt auch das Vorgehen des Klägers nicht, der einfachen E-Mail als Anhang eine Datei mit eingescannter Unterschrift beizufügen (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 151 Rn. 3 f. m.w.N.).
Soweit der Kläger die Berufung (auch) mittels De-Mail eingelegt hat, sind die dargelegten Anforderungen gleichermaßen nicht erfüllt. Denn ausweislich der Dateiendokumentation (Blatt 3 der Senatsakte) wurde diese nicht qualifiziert signiert und im Sinne der allein in Betracht kommenden Regelung des § 65a Abs. 4 Nr. 1 SGG auch nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, da sie nicht als sog. absenderauthentifizierte De-Mail im Sinne der §§ 4 f. De-Mail-Gesetz versandt wurde („nicht absenderbestätigt“). Darüber hinaus befindet sich im Prüfprotokoll (Blatt 6 der Senatsakte) zum Metadatum „<x-de-mailauthoritative>“ der Wert „Nein“. Im Fall der Absenderbestätigung wäre dieser Wert auf „yes" gesetzt (BSG, Beschluss vom 9. März 2023 – B 4 AS 104/22 BH – juris, Rn. 10).
Dem Kläger ist im Hinblick auf die Versäumung der Berufungsfrist wegen Nichteinhaltung der zu beachtenden Form bei der Übermittlung der elektronischen Dokumente jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 67 Rn. 17; Senger, in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGG, Stand April 2023, § 67 Rn. 83).
Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist einem Beteiligten, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wiedereinsetzung ist unabhängig vom Verschulden des Beteiligten zu gewähren, wenn dies wegen einer Verletzung der prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichts geboten ist; in solchen Fällen tritt ein in der eigenen Sphäre des Beteiligten liegendes Verschulden hinter das staatliche Verschulden zurück (BSG, Beschluss vom 20. März 2019 – B 1 KR 7/18 B – juris, Rn. 9 m.w.N.). Beruht eine Fristversäumung auf Fehlern des Gerichts oder einer anderen staatlichen Stelle, sind die Anforderungen an eine Wiedereinsetzung mit besonderer Fairness zu handhaben (Keller, a.a.O., § 67 Rn. 4a; vgl. BSG, a.a.O., m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung). Aus Fehlern des Gerichts dürfen daher keine Verfahrensnachteile für die Beteiligten abgeleitet werden (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 1 BvR 2327/07 – juris Rn. 22 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ist der Kläger ohne Verschulden verhindert gewesen, die formgerechte Einlegung der Berufung noch vor Ablauf der am Montag, den 31. Mai 2021 endenden Berufungsfrist nachzuholen. Denn der Senat kam seiner aus § 106 Abs. 1 SGG folgenden prozessualen Fürsorgepflicht nicht nach, den Kläger nach Eingang der durch das SG weitergeleiteten elektronischen Dokumente darauf hinzuweisen, dass die Berufung weder durch die beim SG am 11. Mai 2021 eingegangene E-Mail, noch die am selben Tag eingegangene De-Mail formgerecht eingelegt wurde, obwohl der Kläger der eingereichten E-Mail – aus seiner Sicht ausreichend –die handschriftlich unterzeichnete Berufungsbegründungsschrift vom 5. Mai 2021 als Anhang beigefügt hatte. Nach Hinweis des Senats, dass die Berufung nicht formgerecht eingelegt worden sein dürfte, hat der Kläger die mit seiner Unterschrift versehene Berufungsbegründungsschrift vom 5. Mai 2021 innerhalb der ihm mit Schreiben vom 29. April 2022 gesetzten Frist bis zum 20. Mai 2022 durch Fernkopie nachgereicht. Auch wenn ein Ausdruck des entsprechenden Schriftstücks zunächst nicht zur Akte gelangt ist, hat der Senat keinen Zweifel an dessen rechtzeitigem Eingang. Denn ausweislich des Empfangsjournals vom 20. Mai 2022 ist unter der vom Kläger angegebenen Fax-Nummer, unter der er die Fernkopie übermittelt habe, zu der von ihm angegeben Uhrzeit ein entsprechender Eingang dokumentiert. Der Senat geht daher davon aus, dass das am 19. August 2022 (nochmals) mittels Fernkopie übermittele Schriftstück zuvor schon am 20. Mai 2020 eingegangen war.
2. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. September 2019, mit dem es die Beklagte ablehnte, den Bescheid vom 10. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Januar 2019 abzuändern und dem Kläger für Verhinderungspflege in den Zeiträumen vom 15. bis 21 Oktober 2017 sowie 13. bis 18. August 2018 über die Erstattung von 79,00 € bzw. 67,71 € hinaus für die Jahre 2017 und 2018 insgesamt weitere 4.836,00 € zu erstatten.
3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage statthafte Klage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 i.V.m. § 56 SGG) zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. September 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat es hiermit zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 10. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Januar 2019 abzuändern und dem Kläger als Leistung der Verhinderungspflege für die genannten Zeiträume im Oktober 2017 sowie August 2018 insgesamt weitere 4.836,00 € zu zahlen. Die genannten Bescheide erweisen sich insoweit nicht als rechtswidrig.
a. Rechtsgrundlage für das geltend gemachte Begehren ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach gilt Folgendes: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den zur Überprüfung gestellten Bescheid vom 10. Oktober 2018 nicht erfüllt. Die Beklagte ist bei Erlass des genannten Bescheides weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht zum Nachteil des Klägers unrichtig angewandt. Die Beklagte hat vielmehr zu Recht für Verhinderungspflege in den Zeiträumen vom 15. bis 21. Oktober 2017 sowie 13. bis 18. August 2018 über den bewilligten Gesamtbetrag von 146,71 € (79,00 € bzw. 67,71 €) hinaus keine weiteren Kosten erstattet.
b. Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB XI übernimmt die Pflegekasse die nachgewiesenen Kosten einer notwendigen Ersatzpflege für längstens sechs Wochen je Kalenderjahr, wenn die Pflegeperson wegen Erholungsurlaubs, Krankheit oder aus anderen Gründen an der Pflege gehindert ist. Voraussetzung ist nach Satz 2 der Regelung, dass die Pflegeperson den Pflegebedürftigen vor der erstmaligen Verhinderung mindestens sechs Monate in seiner häuslichen Umgebung gepflegt hat und der Pflegebedürftige zum Zeitpunkt der Verhinderung mindestens in Pflegegrad 2 eingestuft ist. Die Aufwendungen der Pflegekasse können sich im Kalenderjahr auf bis zu 1.612 € belaufen, wenn die Ersatzpflege durch andere Pflegepersonen sichergestellt wird als solche, die mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert sind oder die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben (Satz 3). Gemäß § 39 Abs. 2 SGB XI kann der Leistungsbetrag nach Abs. 1 Satz 3 um bis zu 806 € aus noch nicht in Anspruch genommenen Mitteln der Kurzzeitpflege nach § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB XI auf insgesamt bis zu 2.418 € im Kalenderjahr erhöht werden. Bei einer Ersatzpflege durch Pflegepersonen, die mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grade verwandt oder verschwägert sind oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben, dürfen die Aufwendungen der Pflegekasse gemäß § 39 Abs. 3 Satz 1 SGB XI regelmäßig den Betrag des Pflegegeldes nach § 37 Abs. 1 Satz 3 SGB XI für bis zu sechs Wochen nicht überschreiten. Wird die Ersatzpflege von den in Satz 1 genannten Personen erwerbsmäßig ausgeübt, können sich die Aufwendungen der Pflegekasse abweichend von Satz 1 auf den Leistungsbetrag nach Abs. 1 Satz 3 belaufen; Abs. 2 findet Anwendung (§ 39 Abs. 3 Satz 2 SGB V). Bei Bezug der Leistung in Höhe des Pflegegeldes für eine Ersatzpflege durch Pflegepersonen, die mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grade verwandt oder verschwägert sind oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben, können von der Pflegekasse auf Nachweis notwendige Aufwendungen, die der Pflegeperson im Zusammenhang mit der Ersatzpflege entstanden sind, übernommen werden. Dabei dürfen die Aufwendungen der Pflegekasse nach den Satz 1 und 3 zusammen den Leistungsbetrag nach Abs. 1 Satz 3 nicht übersteigen; Abs. 2 findet Anwendung (§ 39 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB XI).
c. Vorliegend macht der Kläger, bei dem der Pflegegrad 2 vorliegt, den als Leistungsbetrag für die Verhinderungspflege gesetzlich vorgesehenen Höchstbetrag von 2.418 € im Kalenderjahr für die Kalenderjahre 2017 und 2018 jeweils unter Abzug der bewilligten Beträge von 79,00 € bzw. 67,71 € geltend.
Unter Anwendung der dargestellten Regelungen hat der Kläger für die Jahre 2017 und 2018 weder Anspruch auf den geltend gemachten Höchstbetrag noch auf einen über die Beträge von 79,00 bzw. 67,71 € hinausgehenden Leistungsbetrag.
Nach dem Regelungssystem des § 39 SGB XI ist die Höhe des Pflegegeldes bei Pflege durch Personen, die mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grade verwandt oder verschwägert sind oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht erwerbsmäßig tätig werden beschränkt auf die Höhe des Pflegegeldes des jeweiligen Pflegegrades für bis zu sechs Wochen (§ 39 Abs. 3 Satz 1 SGB XI), im Falle von Pflegegrad 2 mithin auf 474 €.
Vorliegend ist diese, für Personen mit „Näheverhältnis“ zum Pflegebedürftigen vorgesehene Regelung anzuwenden, nicht jedoch die Grundnorm des § 39 Abs. 1 und 2 SGB XI. Denn der Senat geht davon aus, dass der Kläger sowohl im Zeitraum vom 15. bis 21. Oktober 2017 als auch im Zeitraum vom 13. bis 18. August 2018 wegen Verhinderung der Pflegeperson durch seinen Bruder DH, also durch einen Verwandten zweiten Grades gepflegt wurde. Der Senat entnimmt dies den jeweils unter dem 28. August 2018 vom Kläger ausgefüllten Anträgen auf Verhinderungspflege, in denen er jeweils als Ersatz-Pflegeperson seinen Bruder DH angab. Die Richtigkeit der Angaben des Klägers, er werde von seinem Bruder gepflegt, bestätigte DH jeweils auch selbst durch seine Unterschrift unter dem nachfolgenden Text „Die vorstehenden Angaben sind vollständig und entsprechen der Wahrheit. Mir ist bekannt, dass unrichtige Angaben zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen können.“ Auch in dem Formblatt „Verhinderungspflege – Beleg zur Kostenerstattung“ bestätigte DH jeweils durch seine Unterschrift als Ersatz-Pflegekraft tätig geworden zu sein („Ich habe im genannten Zeitraum die Pflege durchgeführt und bestätige die Richtigkeit der Angaben.“). Im Rahmen der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren durchgeführten Ermittlungen äußerte sich in diesem Sinne auch die Mutter des Klägers. Denn unter dem 20. September 2018 bestätigte sie mit ihrer Unterschrift die von der Beklagten vorbereitete Erklärung, dass die Verhinderungspflege in den Zeiträumen vom 15. bis 21. Oktober 2017 und 13. bis 18. August 2018 durch ihren Sohn DH als Ersatz-Pflegeperson erbracht wurde. Der Senat sieht keinen Grund an der Richtigkeit dieser zeitnah übereinstimmenden Angaben des Klägers, seines Bruders DH und seiner Mutter MH zu zweifeln.
Soweit der Kläger im Widerspruchsverfahren sinngemäß vortrug, die Pflege sei tatsächlich nicht durch seinen Bruder, sondern durch Frau PS durchgeführt worden, mit der er nicht verwandt sei, weshalb ihm der „volle Satz“ zustehe, erachtet der Senat dieses in Widerspruch zu seinen früheren Angaben stehende Vorbringen als verfahrensangepassten Vortrag, für dessen Richtigkeit sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Auch die Erklärung des Klägers für die im Zusammenhang mit der Antragstellung angeblich gemachten unwahren Behauptungen, ist nicht nachvollziehbar. So lag ein Mangel in der Dokumentation der Beklagten gerade nicht vor, wie dem Gutachten des MDK vom 8. Juni 2016 entnommen werden kann, da dieses Gutachten entgegen der Behauptung des Klägers Frau PS als Pflegekraft ausweist. Im Übrigen käme Frau PS unter dieser Voraussetzung als Ersatz-Pflegeperson ohnehin nicht in Betracht. Denn wenn die Pflege in den streitbefangenen Zeiträumen tatsächlich – wie behauptet – durch Frau PS durchgeführt worden wäre, hätte bereits ein Fall der Verhinderung nicht vorgelegen, sodass ein Anspruch auf die geltend gemachte Leistung von vornherein ausgeschlossen gewesen wäre. Soweit der Kläger abweichend zu seinem Vorbringen im Widerspruchsverfahren mit seiner Berufung vorgebracht hat, tatsächlich sei er durch seine Mutter gepflegt worden und Frau PS habe diese lediglich teilweise unterstützt, was ihrem Einsatz als Ersatz-Pflegekraft nicht entgegenstehe, so dass er in den streitbefangenen Zeiträumen durch eine nicht mit ihm verwandte Person gepflegt worden sei, kann dahinstehen, ob Frau PS unter diesen Voraussetzungen als Ersatz-Pflegekraft in Betracht gekommen wäre. Denn wie bereits dargelegt, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Pflege des Klägers nicht durch DH, sondern durch Frau PS übernommen worden war.
Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass der geltend gemachte Anspruch des Klägers bereits daran scheitert, dass die Pflegekasse gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB XI nur die „nachgewiesenen Kosten“ einer notwendigen Ersatzpflege zu übernehmen hat. Vorliegend ist nicht einmal im Ansatz ersichtlich, dass dem Kläger durch die Inanspruchnahme der Ersatz-Pflegekraft überhaupt Kosten entstanden sind. Der Kläger hat weder behauptet, dass er in den streitbefangenen Zeiträumen Kosten für den Einsatz der Ersatz-Pflegekraft aufgewandt hat und er hat entsprechende Aufwendungen auch nicht nachgewiesen. In den Formblättern der Beklagten „Verhinderungspflege – Beleg zur Kostenerstattung“, in denen die insoweit in Betracht kommenden Aufwendungen aufgelistet sind (Vergütung an die Ersatz-Pflegekraft, Kosten einer Pflegeeinrichtung ö.ä., Verdienstausfall, Fahrtkosten gem. beigefügte Abrechnung), und zwar jeweils mit Kästchen zum Ankreuzen und einer Rubrik zum Eintragen des entsprechend aufgewandten Euro-Betrages, hat der Kläger weder angekreuzt, eine Vergütung an die Ersatz-Pflegekraft gezahlt zu haben, noch dieser Kosten, wie beispielsweise Verdienstausfall oder Fahrkosten, erstattet zu haben. Der Senat geht daher davon aus, dass dem Kläger in den streitbefangenen Zeiträumen keine Kosten entstanden sind, deren Übernahme durch die Pflegekasse als Leistung der Verhinderungspflege in Betracht gekommen wäre. Damit kommt auch im Rahmen des § 39 Abs. 3 SGB XI die Erstattung von weiteren, über die bereits gezahlten Beträge von 79,00 bzw. 67,71 € hinausgehenden Kosten nicht in Betracht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.