Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. November 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. Februar 2020 streitig.
Der 1963 geborene, aus Kasachstan stammende Kläger, absolvierte seinen Angaben zufolge eine Ausbildung zum Schweißer und war nachfolgend im Herkunftsland sowie nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1992 als Schweißer bzw. Schlosser beschäftigt.
Am 28. Juni 2018 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall bei dem er sich einen instabilen inkompletten Berstungsbruch des Lendenwirbelkörpers (LWK) 2 zuzog. Dieser wurde am 5. Juli 2018 zunächst mittels minimalinvasivem Fixateur interne stabilisiert. Nach Ausbleiben der ventralen Wirbelkörperfrakturheilung mit fehlender Abstützung und daraus resultierender segmentaler Instabilität wurde am 8. Januar 2019 eine intercorporelle ventrale Spondylodese L1 bis L3 mit subtotaler Korporektomie L2, Bandscheibenresektion L1/2 und L2/3 und ventralem Wirbelkörperersatz L2 durchgeführt.
Vom 3. Juli bis 8. August 2019 wurde der Kläger in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T1 (BG-Klinik) im Rahmen einer Komplexen stationären Rehabilitation (KSR) behandelt und mit dem Plan einer Arbeitsbelastungserprobung ab 19. August 2019 entlassen. Anlässlich der Verlaufskontrolle vom 28. Oktober 2019 schlugen die behandelnden Ärzte die Fortführung der nun sechsstündigen Tätigkeit für weitere zwei Wochen vor, worauf der Kläger angab, ihm sei eine sechsstündige Arbeit nicht möglich. Es komme bereits nach zwei Stunden zu zunehmenden Schmerzen im Lendenwirbelsäulen- und Flankenbereich. Die Belastungserprobung wurde daraufhin abgebrochen.
Der Kläger bezog zunächst bis 26. Dezember 2019 von der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BG) Verletztengeld und nachfolgend von der Agentur für Arbeit Arbeitslosengeld. Zwischenzeitlich bezieht er Arbeitslosengeld II. Wegen der Folgen des Arbeitsunfalls gewährte die BG Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vom Hundert (v. H.).
Am 4. Februar 2020 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Den Antrag begründete er mit den Folgen des erlittenen Arbeitsunfalls. Die Beklagte veranlasste das Gutachten des S1 vom 25. August 2020, der das Leistungsvermögen des Klägers aufgrund der gestellten Diagnosen (lumbale Beschwerden nach Arbeitsunfall vom 28. Juni 2018 mit instabiler LWK-2-Fraktur, dorsale Spondylodese L1 bis L3 7/2018, ventrale Stabilisation 1/2019, arterielle Hypertonie [medikamentös insuffizient eingestellt], Adipositas Grad II) deutlich eingeschränkt sah, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen jedoch vollschichtig für möglich erachtete. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Schlosser sei nicht mehr leidensgerecht.
Mit Bescheid vom 9. September 2020 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Die Einschränkungen aufgrund seiner Erkrankungen oder Behinderungen führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da er nach medizinischer Beurteilung noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, aufgrund seines Arbeitsunfalls nicht mehr in der Lage zu sein, einer Arbeit von mehr als sechs Stunden nachzugehen. Dies habe sich bei seiner versuchten Eingliederung gezeigt, bei der bereits eine Arbeit von zwei Stunden täglich problematisch gewesen sei. Er kämpfe jeden Tag mit seiner körperlichen Einschränkung und könne am besten einschätzen, ob eine tägliche Arbeit von mehr als sechs Stunden möglich sei. Dies sei nicht der Fall. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2021 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück.
Am 17. Februar 2021 erhob der Kläger beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage und machte geltend, aufgrund seiner gesundheitlichen Beschwerden verfüge er nicht mehr über ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Dies zeige sich daran, dass Wiedereingliederungsmaßnahmen gescheitert seien und ausweislich des Bescheids der BG vom 20. Dezember 2019 mit dem Eintritt von Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei und Leistungen zur Teilhabe nicht als erfolgsversprechend beurteilt worden seien. Seit 2018 bestehe der gleiche Zustand. Eine Besserung sei nicht absehbar.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG hörte zunächst den G1 sowie den U1 schriftlich als sachverständige Zeugen an. G1 berichtete in seiner Auskunft vom 29. April 2021 von Vorstellungen des Klägers von Ende Juni bis Mitte Juli 2018 sowie im Januar und März 2021. Im Januar 2021 habe der Kläger über persistierende einschränkende lumbale Schmerzen berichtet, wobei Krankengymnastik nach den Angaben des Klägers immer Besserung bringe, so dass der Alltag einigermaßen möglich sei. Zuletzt habe er über seit drei Monaten bestehende Schmerzen in der rechten Schulter geklagt, wobei die durchgeführte Magnetresonanztomografie (MRT) eine Supraspinatustendinose gezeigt habe. Eine subacromiale Infiltration habe keine wesentliche Besserung erbracht. Es sei sodann Manualtherapie verordnet worden. Zu einer Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers sah er sich nicht in der Lage. Aufgrund der chronischen Schmerzen sei jedoch grundsätzlich das Tragen schwerer Lasten, langes Stehen sowie das Arbeiten in Zwangshaltung nicht möglich. U1 legte die „Hausärztliche Bescheinigung“ vom 3. Mai 2021 vor, wonach der Kläger keine schwere körperliche Arbeit mehr verrichten könne und eine leichte körperliche Tätigkeit auf eine Stunde beschränkt sei; beim Überschreiten dieser Stunde träten Rückenschmerzen auf. In seiner am 14. Juni 2021 eingegangenen Auskunft berichtete er von Vorstellungen des Klägers seit Oktober 2019 dreimal jährlich, zuletzt am 28. April 2021. Diagnostiziert habe er eine arterielle Hypertonie sowie ein Impingement-Syndrom der Schulter rechts. Wegen Rückenschmerzen könne der Kläger leichte Tätigkeiten noch maximal eine Stunde verrichten. Das SG holte sodann das Gutachten des H1 vom 7. September 2021 ein, der diagnostisch von folgenden Gesundheitsstörungen ausging: Bruch des zweiten Lendenwirbels mit operativer Stabilisierung durch rückenseitige Versteifung von L1 auf L3 mit ventralem Wirbelkörperersatz L2, stabile Spondylodesenstrecke; altersentsprechende degenerative Veränderungen der mittleren und unteren Lendenwirbelsäule; Supraspinatussehnensyndrom rechte Schulter, ohne relevante Funktionsbeeinträchtigung; Myotendopathien der Glutealmuskulatur rechts. Er erachtete den Kläger hierdurch lediglich noch für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten einsatzfähig. Die Tätigkeiten sollten überwiegend im Sitzen, aber auch mit der etwa einmal stündlichen Möglichkeit des Positionswechsels bzw. mit Stehen und Umhergehen erfolgen. Zu vermeiden seien Arbeiten in ständig vornüber geneigter und sonstigen statisch ungünstigen Körperhaltungen, Arbeiten unter Kälte, Nässe- oder Zuglufteinwirkung, häufiges Steigen auf Treppen, Leitern oder Gerüste sowie ständige Überkopfarbeiten. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen könne der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich verrichteten.
Mit Gerichtsbescheid vom 3. November 2021 wies das SG die Klage gestützt auf die Gutachten des H1 und des S1 ab. Aufgrund der im Vordergrund der Beeinträchtigungen stehenden lumbalen Beschwerden als Folge des im Jahr 2018 erlittenen Wirbelkörperbruchs seien bei der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit qualitative Einschränkungen zu berücksichtigen, eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens resultiere hieraus jedoch nicht. Die Spondylodesestrecke sei fest und zeige keinerlei pathologische Mobilität. Auch Anschlussinstabilitäten der darüber und darunter liegenden Segmente fänden sich nicht. Die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule sei mäßig eingeschränkt und im Übrigen habe der Sachverständigen H1 nur mäßige Muskelspannungsstörungen, keine isolierten Schmerzen über einzelnen Facettengelenken der Lendenwirbelsäule und keine erkennbaren radikulären Ausstrahlungen in die Beine dokumentiert. Die Brust- und Halswirbelsäule habe sich in ihrer Funktion unauffällig gezeigt.
Am 29. November 2021 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und zu deren Begründung vorgetragen, er könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden täglich ausführen. Das SG habe übersehen, dass er aufgrund seiner körperlichen Beschwerden bei jedem Wiedereingliederungsversuch gescheitert sei. Mit einem Eintritt von Arbeitsfähigkeit sei nicht zu rechnen, was durch Bescheid der BG vom 20. Dezember 2019 festgestellt worden sei. Auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien nicht erfolgversprechend. Demnach sei eine Besserung nicht mehr absehbar. Unberücksichtigt geblieben sei zudem, dass U1 seine Leistungsfähigkeit mit maximal eine Stunde täglich eingeschätzt habe. Anlässlich der vom 12. Januar bis 2. Februar 2022 durchgeführten stationären Rehabilitation in der BG-Klinik sei im Übrigen festgestellt worden, dass er erwerbsunfähig sei. Hierzu hat er den Befund- und Entlassbericht der BG-Klinik vom 1. März 2022 über die Berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung (BGSW) sowie den BGSW-Kurzbericht vorgelegt sowie nachfolgend den Verlaufsbericht vom 28. April 2022 über die Wiedervorstellung vom selben Tag.
Der Kläger beantragt schriftlich (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. November 2021 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 9. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2021 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Februar 2020 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Sie hat die sozialmedizinische Stellungnahme des S2 vom 1. April 2022 vorgelegt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143 SGG statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung, da der Kläger laufende Rentenleistungen für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Gegenstand des Rechtsstreits ist das Begehren des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung. Streitbefangen ist der Bescheid vom 9. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2021 (§ 95 SGG).
3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung. Der streitbefangene Bescheid vom 9. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Auf nicht absehbare Zeit besteht eine Einschränkung, wenn sie sich voraussichtlich über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erstreckt (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 23. März 1977 – 4 RJ 49/76 – juris, Rn. 15).
b) Nach diesen Maßstäben steht für den Senat aufgrund der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass der Kläger in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zwar liegen bei ihm gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese mindern seine berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nur in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht.
(1) Für die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers sind von maßgeblicher Bedeutung die Folgen des am 28. Juni 2018 erlittenen Arbeitsunfalls, bei dem er sich einen Bruch des LWK 2 zuzog, der nach ausbleibender knöcherner Konsolidierung partiell entfernt und ersetzt sowie mit den LWK 1 und 3 verblockt wurde. Ausweislich der vom H1 am Untersuchungstag gefertigten Röntgenaufnahmen zeigten sich die Pedikelschrauben reizlos und fest einsitzend und auch der Wirbelkörperersatz fand sich fest einliegend und ohne Lockerungszeichen. Bei den Funktionsaufnahmen war im Bereich der Spondylodese keine Segmentinstabilität und kein Klaffen erkennbar, so dass sich die Spondylodesenstrecke nach den überzeugenden Ausführungen des H1 als fest erwies. Auch im Bereich der direkt darüber und darunter liegenden Bewegungssegmente zeigten sich keine hypermobilen Zonen im Sinne von Anschlussinstabilitäten. Bei der körperlichen Untersuchung war die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule mäßig eingeschränkt, wie es – so der H1 – nach einer Versteifung von zwei Bewegungssegmenten zu erwarten ist. Es bestanden im Übrigen mäßige Muskelspannungsstörungen. Isolierte Schmerzen über einzelnen Facettengelenken der Lendenwirbelsäule fanden sich nicht und auch keine erkennbaren radikulären Ausstrahlungen in die Beine. Brust- und Halswirbelsäule zeigten sich in der Funktion unauffällig. Im Hinblick auf diesen Zustand trat auch im weiteren Verlauf keine relevante Änderung ein, wie dem vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Befund- und Entlassbericht der BG-Klinik vom 1. März 2022 über die vom 12. Januar bis 2. Februar 2022 durchgeführte BGSW entnommen werden kann. Zu Recht hat S2 in seiner von der Beklagten vorgelegten sozialmedizinischen Stellungnahme vom 1. April 2022 insoweit darauf hingewiesen, dass die dokumentierten Befunde im Wesentlichen mit jenen übereinstimmen, die von S1 und dem H1 anlässlich ihrer Untersuchungen erhoben wurden, wobei sich im Hinblick auf die Bewegungsausmaße sogar eine leichte Verbesserung gezeigt hat. Im Hinblick auf die angegebenen Schmerzen ist auch weiterhin keine routinemäßige Dauermedikation, sondern lediglich eine Bedarfsmedikation notwendig gewesen. Bezüglich der nachfolgend am 28. April 2022 in der BG-Klinik erfolgten Verlaufskontrolle, die auch eine radiologische Verlaufsbeurteilung umfasst hat, ergibt sich nichts anderes. Insoweit ist dem Verlaufsbericht vom selben Tag zu entnehmen, dass sich röntgenologisch eine regelhafte Einlage des Fremdmaterials ohne Dislokation oder Lockerung gezeigt und die ergänzende CT-Diagnostik eine Durchbauung des Defektbereiches auf Höhe des einliegenden Wirbelkörperersatzes LWK 2 dokumentiert hat und daher nunmehr die Materialentfernung der Instrumentation geplant werden kann.
(2) Die festgestellte LWS-Erkrankung schränkt das berufliche Leistungsvermögen des Klägers in qualitativer Hinsicht ein. Diese führt zu einer Minderbelastbarkeit des Halte- und Bewegungsapparates, weshalb für den Kläger lediglich noch leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten in Betracht kommen. Demgegenüber sind berufliche Tätigkeiten, die mit regelmäßigem Heben, Tragen und Bewegen von mittelschweren und schweren Lasten verbunden sind, nicht mehr leidensgerecht. Die Tätigkeiten sollen überwiegend im Sitzen, aber auch mit der etwa einmal stündlichen Möglichkeit des Positionswechsels bzw. mit Stehen und Umhergehen erfolgen. Zu vermeiden sind Arbeiten in ständig vornüber geneigter Körperhaltung sowie Tätigkeiten mit sonstigen statisch ungünstigen Körperhaltungen. Entsprechendes gilt für Arbeiten unter Kälte, Nässe- oder Zuglufteinwirkung. Auch häufiges Treppensteigen, Steigen auf Leitern oder Gerüste ist nicht mehr leidensgerecht. Im Hinblick auf die anlässlich der Untersuchung bei dem H1 beklagten Schulterbeschwerden geht der Senat zugunsten des Klägers im Übrigen davon aus, dass auch ständige Überkopfarbeiten ausgeschlossen sind. Der Senat stützt sich insoweit auf das von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des S1 vom 25. August 2020 und das Gutachten des H1 vom 7. September 2021.
(3) Unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen ist der Kläger noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten. Nach Überzeugung des Senats stehen die aus der dargelegten Erkrankung resultierenden funktionellen Einschränkungen der Ausübung einer solchen Tätigkeit nicht entgegen. Der Senat stützt sich insoweit auf die übereinstimmenden Einschätzungen des S1 und des H1, der für den Senat überzeugend herausgearbeitet hat, dass das Bewegungsverhalten des Klägers in der Untersuchungssituation, das Alltagsverhalten und die Häufigkeit der Medikamenteneinnahme nicht auf ein höhergradiges bzw. außergewöhnliches Schmerzgeschehen schließen lassen, das einer leichten sechsstündigen Tätigkeit entgegenstehen könnte. So erschien der Kläger zur gutachtlichen Untersuchung bei dem Sachverständigen frei laufend ohne Hilfsmittel. Das Gangbild war beim Betreten und Verlassen des Untersuchungszimmers symmetrisch, von seitengleicher Schrittlänge und allenfalls diskret verlangsamt. Während der 20-minütigen Befragung stand der Kläger in etwas vornüber geneigter Haltung mit aufgestützten Händen auf der Lehne des Stuhles im Untersuchungszimmer, allerdings ohne Positionswechsel. Nachfolgend konnte er in teilentkleidetem Zustand eine aufrechte Körperhaltung einnehmen. Beim barfüßigen Gehen setzte er beide Füße mit den Fersen auf und rollte diese komplett über die Zehen ab, wobei sich kein erkennbares Schon-, Lähmungs- oder Verkürzungshinken zeigte. Der Kläger konnte den Zehenspitzen-, Fersenstand und -gang einnehmen und unter Schmerzangabe in der Wirbelsäule absolvieren. Der Einbeinstand war koordinativ sicher und mit beiden Beinen möglich. Das Absinken zur Kniehocke gelang in Armvorhalte für etwa 3/5, danach gab der Kläger Schmerzen in der Wirbelsäule an. Beim Vornüberneigen verblieb ein Fingerspitzen-Boden-Abstand von 30 cm. Das Zeichen nach Schober betrug 10/13,5 cm. Die Seitneigefähigkeit war aus einem Fingerspitzen-Kniegelenksabstand von 23 cm in aufrechter Stellung mit rechts und links jeweils 14 cm um 2/3 reduziert. Die Rückneigefähigkeit des Oberkörpers gelang bis 10 Grad, Rotationsbewegungen des Oberkörpers zur Beckenebene waren rechts 20 und links 30 Grad möglich. Es zeigte sich ein mäßig erhöhter Muskeltonus, ohne tastbare Muskelknötchen. Radikuläre Ausstrahlungen in die Beine bestanden nicht und waren auch nicht provozierbar. Ausweislich seiner eigenen Angaben kann der Kläger die Treppe zu seiner Wohnung in der dritten Etage ohne Pausen bewältigen und muss sich nur teilweise am Handlauf abstützen, jedoch nicht hochziehen. Im Haushalt betätigt er sich beim Kochen und erledigt kleinere Putzarbeiten. Er übernimmt kleinere Einkäufe und kann eine halbe Stunde gut gehen, wobei er zum Gehen auch Nordic-Walkingstöcke benutzt. Er kann Fahrradfahren, wobei allerdings Unebenheiten und Schlaglöcher Schmerzen verursachen. Er hat einen Führerschein und lenkt auf kurzen Strecken innerhalb von S3 auch selbst ein Fahrzeug. Als Schmerzmedikation nimmt der Kläger bei Bedarf Ibuprofen 600 mg ein, hauptsächlich bei Belastungen oder stärkeren Schmerzen, jedoch nicht täglich und teilweise nur einmal wöchentlich.
Soweit der Kläger sich auf die Einschätzung des U1 im Rahmen seiner Hausärztlichen Bescheinigung vom 3. Mai 2021 und seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge stützt, wonach leichte körperliche Tätigkeiten maximal eine Stunde täglich möglich seien, überzeugt dessen Leistungsbeurteilung den Senat nicht. Bei dem U1 handelt es sich zum einen um einen Facharzt für Innere Medizin, so dass sich seine das orthopädische Fachgebiet betreffende Einschätzung als fachfremd erweist. Zum anderen lässt sich seinen Ausführungen nicht entnehmen, woraus er seine Einschätzung konkret ableitete. Er berichtete lediglich von dem erlittenen Arbeitsunfall und zunehmenden Rückenschmerzen, ohne jedoch Befunde mitzuteilen, was vermuten lässt, dass Grundlage seiner Leistungsbeurteilung die Beschwerdeangaben des Klägers waren. Soweit seine Einschätzung für das SG Anlass war, zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts und insbesondere des Leistungsvermögens des Klägers ein Sachverständigengutachten einzuholen, hat das sodann eingeholte Gutachten des H1 ausweislich der obigen Darlegungen die Einschätzung des Hausarztes gerade nicht bestätigt.
Eine rentenrechtlich relevante Leistungsminderung kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass Wiedereingliederungsversuche des Klägers an seinem letzten Arbeitsplatz scheiterten, Belastungserprobungen abgebrochen wurden, weil der Kläger über eine Schmerzzunahme bereits nach zweistündiger Arbeit berichtete und nach Auffassung der BG ausweislich ihres Bescheids vom 20. Dezember 2019 mit einem Eintritt von Arbeitsfähigkeit nicht (mehr) zu rechnen war. Insoweit lässt der Kläger unberücksichtigt, dass die Belastungserprobung in der zuletzt von ihm ausgeübten Tätigkeit als Schlosser erfolgte, nicht aber im Rahmen einer leidensgerechten, oben näher beschriebenen leichten nicht wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit. Die zuletzt ausgeübte Schlossertätigkeit entspricht dem Leistungsbild des Klägers zweifellos nicht. Dies zieht auch die Beklagte nicht in Zweifel, nachdem schon der im Verwaltungsverfahren hinzugezogenen Gutachter S1 ausweislich seines Gutachtens vom 25. August 2020 die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Schlosser nicht mehr für leidensgerecht erachtete. Ausweislich des Verlaufsberichts der BG-Klinik vom 28. Oktober 2019 berichtete der Kläger anlässlich der seinerzeitigen Vorstellung von zunehmenden Schmerzen nach zweistündigen Arbeiten, insbesondere bei Tätigkeiten mit nach vorne gebeugtem Oberkörper, und einer Schmerzexazerbation bei Bohr- und Schraubtätigkeiten. Entsprechend bestätigte auch B1, Diakonie Klinikum in S3, in seiner von U1 vorgelegten „Fachärztlichen Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitsamt“ vom 6. März 2020, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen schwere körperliche Arbeit nicht verrichten könne. Hierzu zählte er insbesondere längere stehende Tätigkeiten, längere sitzende Tätigkeiten, Tätigkeiten bei denen der Oberkörper vermehrter Rotation ausgesetzt sei und nach vorne geneigt werden müsse, sowie Tätigkeiten mit Tragen von schweren Gegenständen. Der Senat teilt die Auffassung, dass solche Tätigkeiten mit dem oben beschriebenen Leistungsvermögen des Klägers nicht vereinbar sind. Das Auftreten ausgeprägter Schmerzen bei derartigen schweren Tätigkeiten lässt aber nicht den Schluss zu, dass auch leidensgerechte Tätigkeiten gleichermaßen nur noch zwei Stunden täglich verrichtet werden können.
Ein Leistungsvermögen in einem rentenberechtigenden Ausmaß lässt sich auch nicht aus dem vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Befund- und Entlassbericht der BG-Klinik vom 1. März 2022 bzw. dem Verlaufsbericht vom 28. April 2022 herleiten, in denen jeweils konstatiert wird, dass der Kläger erwerbsunfähig sei. Eine solche apodiktische Aussage belegt kein Leistungsvermögen von weniger als sechs Stunden täglich, zumal diese weder erläutert noch begründet wird und auch nicht erkennbar ist, welchen Bedeutungsgehalt der Verfasser dem verwendeten Rechtsbegriff beimisst. Soweit damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers von Dauer ist und er zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit der zuletzt ausgeübten Art nicht mehr in der Lage sei, ist dies auch für den Senat nicht zweifelhaft. Aufgrund der Aussagen, der Kläger sei erwerbsunfähig, ist auch die Durchführung weiterer Ermittlungen nicht veranlasst. Denn die in den genannten Berichten dokumentierten Befunde weisen nicht darauf hin, dass im Hinblick auf das Leistungsvermögen des Klägers eine Verschlechterung eingetreten ist.
(4) Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist allein, ob der Kläger mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, er also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Gegenteiliges ist, wie zuvor dargelegt, nicht festzustellen.
(5) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2019 – B 13 R 7/18 R – juris, Rn. 29 ff. m.w.N.). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf ein noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.
Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen des Klägers (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände – beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.; bestätigt durch BSG, Urteil vom 11. Dezember 2019 – B 13 R 7/18 R – juris, Rn. 34). Keine dieser Fallkonstellationen ist hier gegeben.
(6) Auch die Wegefähigkeit des Klägers ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 21/10 R - juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 R - juris, Rn. 19 f.; zuletzt BSG, Urteil vom 11. Dezember 2019 – B 13 R 7/18 R – juris, Rn. 29).
Eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Wegefähigkeit ist nach den oben genannten Befunden nicht gegeben. Auch der H1 hat die Gehfähigkeit des Klägers nicht eingeschränkt gesehen. Entsprechendes hat auch der Kläger nicht behauptet.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.