1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird um die Anerkennung des Ereignisses vom 25.02.2021 als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII geführt.
Die 1965 geborene Klägerin zog sich am 25.02.2021, um 15:30 Uhr beim Ausrutschen im Sozialraum, als sie sich einen Kaffee holte, einen Bruch des dritten Lendenwirbelkörpers, eine Stauchung der Lendenwirbelsäule, eine Beckenprellung, eine Prellung und Distorsion der rechten Hüfte zu.
Die Beklagte ermittelte nach Kenntnisnahme des Unfalls durch den Durchgangsarztbericht vom 09.03.2021 den Sachverhalt.
Ausweislich der Unfallanzeige vom 11.03.2021 sei die Kantine vom beauftragten Reinigungsunternehmen feucht gewischt worden. Es sei ein Warnschild aufgestellt gewesen, welches auf die Rutschgefahr hingewiesen habe. Beim Betreten der Kantine sei die Klägerin ausgerutscht, wobei sie sich im letzten Moment noch habe fangen können. Hierbei habe sie sich nach eigenen Angaben „völlig verdreht“. Sie habe sich eine Fraktur des dritten Lendenwirbels zugezogen.
Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 27.03.2021 mit, dass sie die Kantine aufgesucht habe, um sich einen Kaffee zu holen. Der Kaffeeautomat befinde sich in der Kantine.
Mit Bescheid vom 13.04.2021 verneinte die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalles. Da sich der Unfall innerhalb des Kantinenraumes ereignet habe, der nicht zum versicherten Bereich in der gesetzlichen Unfallversicherung gehöre, habe kein Versicherungsschutz bestanden und es liege kein Arbeitsunfall vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2021 wies die Beklagte den klägerischen Widerspruch vom 23.04.2021 zurück. Die Nahrungsaufnahme und die Nahrungsbesorgung in der Kantine werde dem privaten, unversicherten Lebensbereich zugeordnet. Denn die Nahrungsaufnahme sei für jeden Menschen ein Grundbedürfnis und betriebliche Belange, etwa das betriebliche Interesse an der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers, würden zurücktreten.
Auch die Zurverfügungstellung einer Kantine durch den Arbeitgeber reiche nicht aus, um einen Versicherungsschutz zu gewähren. Zwar stünden die Wege, die im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme zurückgelegt werden müssen, unter Versicherungsschutz. Jedoch ende der Versicherungsschutz auf dem Hinweg zur Kantine jeweils, wenn die Kantine durchschritten werde. Das Geschehen innerhalb der Kantine, also das Ausrutschen auf nassem bzw. glitschigem Boden der Kantine bei Besorgung eines Kaffees, stehe folglich nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Klägerin hat am 21.07.2021 Klage beim Sozialgericht Fulda erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Ereignis vom 25.02.2021 als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII anzuerkennen sei. Sie habe sich einen Kaffee geholt und sei ausgerutscht. Hierbei habe sie sich stark verrenkt und habe sich selbst abgefangen. Einen direkten Sturz habe sie vermieden. In der Folgezeit habe sie eine körperliche Beeinträchtigung ihres rechten Beines bemerkt. Der Bruch des dritten Lendenwirbelkörpers sei im Anschluss festgestellt worden.
Essen und Trinken während der Arbeitszeit seien dadurch gekennzeichnet, dass sie regelmäßig unaufschiebbare, notwendige Handlungen seien, um die Arbeitskraft zu erhalten und es mittelbar zu ermöglichen, die jeweils aktuelle betriebliche Tätigkeit fortzusetzen. Wege, die zu diesem Zweck zurückgelegt werden, seien von dem mittelbar betriebsbezogenen Handlungsziel geprägt. Dies bewirke den wesentlichen inneren Zusammenhang zwischen dem Betrieb und einem nach oder von der Nahrungsaufnahme außerhalb des Betriebs unternommenen Weg. Auf solchen Wegen bestehe Unfallversicherungsschutz. Der Weg der Klägerin zum Kaffeeautomaten sei versichert.
Grundsätzlich ende der Versicherungsschutz mit dem Durchschreiten der Kantinentür. Der Versicherungsschutz erstrecke sich damit im Allgemeinen nicht auf Unfälle beim Aufenthalt an der zur Einnahme des Essens bzw. Trinkens aufgesuchten Strecke.
Diese Grundsätze seien bei der Klägerin nicht anwendbar, da es sich bei dem von der Klägerin aufgesuchten Raum nicht um die Kantine handele. Es handele sich vielmehr um den Sozialraum, in dem unter anderem ein Kaffeeautomat und eine Kühltheke zur Selbstbedienung stehen, also um eine Teeküche.
Die Arbeitnehmer bereiteten sich dort Tee oder Kaffee zu oder besorgten sich ein Erfrischungsgetränk. Der Raum diese allgemein der Getränkeversorgung der Arbeitnehmer und beruhe ausschließlich auf Selbstbedienung. Der streitgegenständliche Kaffeeautomat könnte daher genauso gut auf einem Flur oder im Eingangsbereich der Arbeitsstätte stehen oder von den Arbeitnehmern dort in Anspruch genommen werden. In diesem Falle wäre das Aufsuchen des Automaten vollständig von dem Versicherungsschutz gedeckt. Der Standort des Automaten könne nicht ausschlaggebend für den Versicherungsschutz sein.
Zum anderen erfülle der Sozialraum nicht die Eigenschaft einer zur Nahrungsaufnahme aufgesuchten Stelle. Die Arbeitnehmer besorgten sich dort lediglich Getränke und gingen anschließend direkt zurück an ihren Arbeitsplatz. Es stünden dort keine Sitzmöglichkeiten zur Verfügung. Eine Nahrungsaufnahme finde dort gerade nicht statt.
Aber selbst wenn es sich um eine Kantine handeln sollte liege der Versicherungsschutz der Klägerin vor. Denn es handele sich um eine betriebseigene, nicht öffentlich zugängliche Kantine. Im Fall der betriebseigenen Kantine sei die Abgrenzung einer privaten von einer betrieblichen Tätigkeit durchaus schwieriger, als es bei einer öffentlichen Kantine oder eines Restaurants der Fall wäre.
Der Unfall sei auf den Gang in eine betriebliche Teeküche zum Besorgen eines Kaffees zurückzuführen. Der Gang habe mithin dem Erhalt der Arbeitskraft gedient. Es handele sich gerade nicht um einen aus dem Essen bzw. Trinken ergebenden Unfall und daher nicht um eine unversicherte Tätigkeit privater Natur. Der Versicherungsschutz ende daher nicht mit dem Durchschreiten der Tür des streitgegenständlichen Raumes.
Allein die Nahrungsaufnahme und der Aufenthalt am Ort der Nahrungsaufnahme sei in der Regel eine dem persönlichen und daher dem unversicherten Bereich zuzurechnende Betätigung. Eine Nahrungsaufnahme durch die Klägerin habe nicht stattgefunden.
Darüber hinaus handele es sich bei der streitgegenständlichen Räumlichkeit nicht um eine zur Einnahme des Essens aufgesuchten Stelle. Denn es haben weder Tische noch Stühle zum Verweilen zur Verfügung gestanden. Darüber hinaus werde der Raum auch als Besprechungsraum genutzt. Es handele sich daher eindeutig nicht um einen Raum zur Nahrungsaufnahme. Der Raum habe nicht die gleiche Funktion wie eine Betriebskantine. Er diene lediglich als Standort für Kaffeeautomaten und Wasserspender. Es habe daher keine dem persönlichen und unversicherten Bereich zuzurechnende Betätigung vorgelegen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 25.02.2021 als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich auf den angegriffenen Verwaltungsakt bezogen. Das Mitgliedsunternehmen selbst habe in der Unfallanzeige als Unfallort „Kantine“ angegeben. Auch die Klägerin selbst habe in dem Schreiben vom 27.03.2021 angegeben, dass sich der Unfall in der „Kantine“ ereignet habe, als sich einen Kaffee habe holen wollen.
Selbst wenn es sich um einen Sozialraum gehandelt haben sollte, ergebe sich keine abweichende Beurteilung. Der Raum habe der Selbstversorgung der Arbeitnehmer mit Getränken gedient. Daher habe der Raum die gleiche Funktion wie eine Betriebskantine, welcher dazu dienen könne, sich Speisen und Getränke zum Verzehr an den Arbeitsplatz zu besorgen, wenn eine Nahrungsaufnahme in der Kantine nicht gewollt sei. Der Unfallversicherungsschutz ende bzw. beginne an der Außentür des Raumes, der lediglich dazu diene, sich mit Nahrungsmitteln zu versorgen – dies unabhängig davon, ob dieser Raum eine Kantine, eine Teeküche oder ein Einkaufsmarkt darstelle.
Die Kammer hat durch die schriftliche Vernehmung der Zeugung F. Beweis über die Nutzung des streitgegenständlichen Raumes erhoben. Die Zeugin hat unter dem 09.09.2021 ausgeführt, dass Raum 407 ein Raum sei, der den Bediensteten des Finanzamtes als Pausenraum zur Verfügung stehe. In diesem Raum biete ein seitens des Kantinenvereins des Finanzamtes D. angestellter Beschäftigter in der Zeit von 08:30 Uhr bis 11:00 Uhr insbesondere belegte Brötchen, Obstsalat, Süßigkeiten und Kaltgetränke zum Verkauf an. Außerhalb dieser Zeit können sich die Bediensteten des Finanzamtes an einem Kaffeeautomaten bzw. einem Wassersprudler Getränke holen.
Zum Zeitpunkt des Unfalles um 15:30 Uhr, sei der Rollladen des Verkaufsbereiches des Kantinenvereins geschlossen gewesen. Der Beschäftigte des Kantinenvereins habe zu dieser Zeit nichts mehr angeboten.
Am Tag des Unfalles, dem 25.02.2021, haben den Bediensteten im Raum 407 coronabedingt keine Tische und Stühle zum Verweilen bzw. Einnehmen von Speisen zur Verfügung gestanden.
Es gebe neben den eigenen Arbeitsplätzen der Bediensteten keine weiteren, frei zugänglichen Räume, in denen die Beschäftigten an Tischen und Stühlen Essen einnehmen könnten. Es gebe lediglich sogenannte Teeküchen, in denen kleinere Speisen und Getränke von den Bediensteten selbst zubereitet werden können. Sitzmöglichkeiten gebe es in diesen Teeküchen jedoch nicht.
In Ausnahmefällen werden Teile des Raumes 407 als Besprechungsraum genutzt.
Die Klägerin habe am Unfalltag um 15:30 Uhr während ihres Dienstes den Raum 407 betreten. Eine dienstliche Veranlassung hierzu habe nicht bestanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten (Blatt 1 bis 39). Diese Vorgänge sind auch Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Die Beteiligten sind zur Erteilung des beabsichtigten Gerichtsbescheides angehört worden.
Entscheidungsgründe
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist, § 105 SGG. Zudem haben die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis mit Schriftsatz vom 26.10.2021 und mit Schriftsatz vom 27.10.2021 erklärt.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 13.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass das Ereignis vom 25.02.2021 als Arbeitsunfall anerkannt wird.
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Durch das Wort „infolge“ drückt § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden erforderlich ist. Diese sogenannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Der Bereich der haftungsbegründenden Kausalität ist u.a. betroffen, wenn es um die Frage geht, ob der Unfall wesentlich durch die versicherte Tätigkeit oder durch eine sogenannte innere Ursache hervorgerufen worden ist, während dem Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität die Kausalkette – Unfallereignis (primärer) Gesundheitsschaden und (sekundärer) Gesundheitsschaden – weitere Gesundheitsstörungen zuzuordnen ist.
Es fehlt jedoch unter Zugrundelegung der gesetzlichen Anforderungen, konkretisiert durch die ständige Rechtsprechung, am Vorliegen eines Arbeitsunfalls im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII, da die Klägerin zur Zeit des Unfalls keine versicherte Tätigkeit verrichtet hat. Die Klägerin steht zwar im Dienstgebäude unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Jedoch fehlt es an dem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit an dem Versicherungsschutz beim Holen einer Tasse Kaffee und den erfolgten Sturz im Sozialraum.
jurisPK, Kommentar zum SGB VII, § 8 SGB VII, Wagner, Rn. 64 ff.:
In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird die Nahrungsaufnahme seit jeher grundsätzlich dem privaten, unversicherten Lebensbereich zugerechnet, wenn sie nicht aufgrund der besonderen Umstände der versicherten Tätigkeit (Beschäftigte in der Küche beim Abschmecken,89 Arbeits- oder Geschäftsessen90) ausnahmsweise unmittelbar Teil derselben ist. Im Übrigen kann zwar auch das Unternehmen ein vitales Interesse daran haben, dass Pausen zur Einnahme von Mahlzeiten genutzt werden, um die Leistungsfähigkeit des Versicherten zu erhalten. Für die Annahme eines inneren Zusammenhanges zwischen versicherter Tätigkeit und der Verrichtung „Essen“ reicht ein solches Interesse jedoch nicht aus.91 Dem „Essen“ steht das „Trinken“ nach dieser Rechtsprechung gleich.92 Dieser Wertungsentscheidung ist zuzustimmen, denn mit „Essen und Trinken“ wird ein Grundbedürfnis gestillt, dass ein jeder Mensch unabhängig davon hat, ob er versicherter Tätigkeit nachgeht oder nicht.93 Hinter diesem Grundbedürfnis treten betriebliche Belange, etwa das Interesse an der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Versicherten, regelmäßig zurück. Auch gibt es neben „Essen und Trinken“ eine Reihe von weiteren Verrichtungen, an deren Durchführung das Unternehmen ebenfalls ein Interesse hat und hinsichtlich derer andernfalls in gleicher Weise die Frage der Einbeziehung in den Versicherungsschutz gestellt werden müsste.94 Eine Aufweichung der Grenzen zwischen versicherter fremdnütziger und unversicherter privatnütziger Tätigkeit und dementsprechende Rechtsunsicherheit wäre die Folge. Verschluckt, verbrüht oder vergiftet sich also ein Versicherter an seinem während versicherter Tätigkeit aufgenommenen Getränk, ist dieser Vorgang nicht versichert. Dies gilt auch dann, wenn der Vorgang des Essens oder Trinkens wegen seiner Kurzzeitigkeit den Versicherungsschutz nicht unterbricht. Mit Blick auf die Rechtsprechung zur fehlenden Unterbrechung des Versicherungsschutzes bei lediglich kurzzeitigen eingeschobenen privatnützigen Verrichtungen (vgl. Rn. 57 f.) muss dies kritisch gesehen werden.
Nur ausnahmsweise besteht ein innerer Zusammenhang zwischen dem Vorgang der Aufnahme von Nahrung oder Getränk und der versicherten Tätigkeit, nämlich dann, wenn betriebliche Umstände die Einnahme des Essens oder das Trinken wesentlich mitbestimmten.95 Dies war nach der älteren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts schon dann der Fall, wenn die betrieblichen Umstände ein besonderes Hunger- oder Durstgefühl veranlasst hatten, welches ohne die betriebliche Tätigkeit nicht oder erst später aufgetreten wäre, wenn also „Essen und Trinken“ unmittelbar der Wiedererlangung oder Erhaltung der Arbeitsfähigkeit dienten.96 Nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss sich zusätzlich hierzu die Nahrungsaufnahme abweichend von dem normalen Trink- oder Essverhalten so abgespielt haben, dass eine Zuordnung zu der betrieblichen Tätigkeit auch objektiv nachvollziehbar ist. Dies ist etwa der Fall, wenn der Versicherte unmittelbar während der belastenden Arbeit isst oder trinkt, so dass trotz Durst erregender oder besonders Kräfte zehrender Tätigkeit kein Versicherungsschutz besteht, wenn Essen oder Trinken auf die Arbeitspause verschoben werden und nicht unmittelbar am Arbeitsplatz erfolgen.97 Auch dieser Wertungsentscheidung ist im Sinne einer klaren Grenzziehung zwischen versicherten und unversicherten Verrichtungen zuzustimmen. Ein innerer Zusammenhang zwischen Nahrungsaufnahme und versicherter Tätigkeit besteht ausnahmsweise auch, wenn der Versicherte seine Mahlzeit – unabhängig von besonders belastender Tätigkeit – infolge betrieblicher Zwänge an einem bestimmten Ort oder in besonderer Form einzunehmen hat. So steht ein Lkw-Fahrer, welcher sein Fahrzeug nicht unbeaufsichtigt auf dem Rastplatz stehen lassen will, unter Versicherungsschutz, wenn er bei der Zubereitung des Essens auf dem Grill am Rastplatz durch eine Stichflamme verletzt wird, weil die Auswahl des Pausen- und Essensortes und die Art der Essensbereitung durch die betrieblichen Umstände maßgeblich bestimmt waren.98 Gleiches gilt für die Teilnehmerin einer Rehabilitationsmaßnahme, die ihre Mahlzeit in der Kantine des Sanatoriums einnimmt, wenn die Essenseinnahme im Rahmen der Kur angeordnet war oder aber dem Kurerfolg dienlich sein sollte.99 Versicherungsschutz besteht auch, wenn sich der Versicherte infolge betrieblicher Zwänge bei seiner Mahlzeit besonders beeilen musste und diese Hast zum Unfall führt.100 Dagegen reicht das bloße Zur-Verfügung-Stellen einer Betriebskantine nicht aus, um den inneren Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit zu begründen,101 und auch die Gewährung eines Kostenzuschusses zum Essen begründet nicht den inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit,102 so dass die (bezuschusste) Esseneinnahme in der Betriebskantine oder in einer Gaststätte regelmäßig nicht unter Versicherungsschutz steht. Versicherungsschutz kommt aber ausnahmsweise in Betracht, wenn eine objektiv gefährliche Betriebseinrichtung den Unfall wesentlich mitverursacht hat.103 Dieser Wertungsentscheidung ist im Sinne einer klaren Grenzziehung zwischen versicherter und unversicherter Tätigkeit und damit aus Gründen der Rechtssicherheit zuzustimmen. Wenn ein Teil des Schrifttums104 Versicherungsschutz im Zusammenhang mit der Esseneinnahme generell bejaht wissen will, wenn das Essen in einer betriebseigenen, für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Kantine eingenommen wird, weil in diesem Falle der Unfall (Einnahme verdorbener Speisen, Ausrutschen auf dem glitschigen Boden der Kantine) in den Verantwortungsbereich des Unternehmers fällt, so kann dem nicht gefolgt werden. Denn allein aus der (zivilrechtlichen) Verantwortlichkeit des Unternehmers lässt sich ein innerer Zusammenhang zwischen dem unzweifelhaft privatnützigen Vorgang der Nahrungsaufnahme und der versicherten Tätigkeit nicht herstellen. Vielmehr ist die Gewährung von Versicherungsschutz auf die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Fälle zu begrenzen.
Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Ricke, § 8 SGB VII, Rn. 72 ff.:
Essen/Trinken ist unabhängig von der versicherten Tätigkeit erforderlich, daher privater Natur; zur möglichen unschädlichen kurzfristigen Unterbrechung → Rn. 42 ff., so zB beim Flaschenöffnen (→ Rn. 42a). Es ist also auch während der Arbeit und auf der Arbeitsstätte unversichert, obwohl es allgemein als der Erhaltung der Arbeitskraft dienlich angesehen wird (ua BSG Urt. v. 18.6.2013 – B 2 U 7/12 R Rn. 21, SozR 4–2700 § 8 Nr. 48 und zuletzt BSG Urt. v. 5.7.2016 – B 2 U 5/15 R mwN; zu Reisen → Rn. 127); daher kein VersSchutz für Unfälle infolge des Essens/Trinkens selbst (zB Verschlucken, Verbrennen, Zahnabbruch, Vergiftung) sowie für Nebenverrichtungen wie Zubereitungen uÄ (zB Aufschneiden: BSG Breith 1971, 254; Kaffeekochen, Abwaschen), auch bei Benutzung betrieblicher Geräte (BSG wie vor).
Ausnahmen bestehen, wenn Umstände der versicherten Tätigkeitrechtlich wesentlich zum Unfall beitragen, zB: • BSG Breith 1969, 755: Betriebsbedingte Eile mit Verletzung durch Rouladenspießchen. • BSG Urt. v. 10.2002 – B 2 U 6/02 R, NZS 203, 268 mwN: Trinken wegen arbeitsbedingt erhöhten Durstes, zB infolge Hitze, Staub, während der Arbeit oder unmittelbar danach zur Erhaltuung der Arbeitskraft. • BSG USK 68138: Vergiftunge durch arbeitgeberseitig als Naturalleistung zur Verfügung gestelltes Essen. • BSG SozR 2200 § 548 Nr. 82: Essenzubereitung durch Fernfahrer betriebsbedingt auf Autobahnparkplatz mit dadurch bedingter besonderer Verletzungsgefahr. • BSG SozR Nr. 41 zu § 542 RVO aF: Erhaltung der Arbeitskraft vor plötzlichen Überstunden. • Im Arbeitsbereich für Unfälle infolge betrieblicher Vorkommnisse (zB Explosion, Anstoßen durch vorbeikommenden Kollegen). – Zu weiteren Beispielen zu Geschäftsreisen → Rn. 128a.
Versichert sind auch Wege im Betrieb, zB zur Kantine, Getränkeautomat oÄ zwecks Besorgung von Erfrischungen (zB Kaffee oder sonstige Getränke) oder Imbissen oder der Einnahme von Mahlzeiten (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 86 und 97; BSGSozR 3 – 2700 § 8 Nr. 2; zuletzt mwN BSG Urt. v. 5.7.2016 – B 2 U 5/15 R, BSGE 122, 1 = BeckRS 2016, 71024). Zu Wegen nach draußen → Rn. 192 ff. Der Aufenthalt hierzu in der Betriebskantine ist aber nach dieser Rspr. unversichert, sodass der VersSchutz an der Kantinentür endet. Ausnahmen – neben denen zu → Rn. 73 – sollen jedoch gelten bei gesteigertem Unternehmensinteresse an Kantinennutzung, ausgedrückt zB durch kostenloses oder verbilligtes Essen (BSG SozR 3 – 2700 § 8 Nr. 2, offen lassend, ob dies allein genügt, zB wie in casu Internatsunterbringung bei einem Lehrgang und ungünstigen örtlichen Alternativen). Jedenfalls für betriebseigene, nicht öffentlich zugängli-EL 113 März 202121 März 2021 EL 11322che Kantinen ist dieser Ablehnung von VersSchutz nicht zuzustimmen, ist er vielmehr für den Aufenthalt dort und sich nicht aus dem Essen usw selbst ergebende Unfälle (→ Rn. 72), zB durch Ausrutschen, zu bejahen (nähere Begr. Wulfhorst VSSR 1983, 233 und Ricke BG 1985, 154); sie sind praktisch wie Pausenräume zu sehen (→ Rn. 94). Für der Allgemeinheit zugängliche Kantinen (idR Pachtkantinen) ist dem BSG dagegen zuzustimmen; sie stehen Restaurants gleich (→ Rn. 195). – Beschränkung auf offizielle Pausen besteht im Übrigen nicht (aA BSG USK 84115); anders bei pflichtwidrigen Pausen (→ Rn. 94). Zu Wegen nach draußen → Rn. 192 ff.
Unversichert ist Besorgung von Genussmitteln, zB Tabakwaren, Alkoholika einschl. Bier (BSGE 12, 154; BSG SozR 3 – 2200 § 548 Nr. 38). Ausnahmen nach dieser Rspr., wenn die Genussmittel unvorhergesehen zur Erhaltung der Arbeitskraft benötigt werden (zB vor plötzlichen Überstunden), kann auch bei strengem Maßstab nicht zugestimmt wegen starker subjektiver Komponenten und entsprechend zweckgerichteter Darstellungsmöglichkeit.
Das Hessische Landessozialgericht führt in seinem Urteil vom 01.02.2016, Az. L 3 U 95/14, Rn. 22 aus:
„Hier stand die Unterbrechung der Heimfahrt zum Essenseinkauf – mit dem Parken des Fahrzeugs am Straßenrand, dem Aufsuchen der Metzgerei zum Kauf einer Mahlzeit, dem Ablegen des Einkaufs auf dem Beifahrersitz und dem Herumgehen um das Heck des Fahrzeugs und dem Einstieg in den Pkw – nicht mehr unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung. Die Klägerin hat den Heimweg bereits mit dem Heranfahren und dem Anhalten am Straßenrand zum Parken unterbrochen. Diese Unterbrechung war im Zeitpunkt des Unfallereignisses bei objektiver Betrachtung von außen noch nicht beendet, als die Klägerin die Beifahrertür geschlossen hatte und sie auf dem Bürgersteig in Richtung des Hecks an ihrem Auto entlang ging. Ob die Unterbrechung beendet gewesen wäre, nachdem die Klägerin wieder auf dem Fahrersitz Platz genommen hatte oder erst ab dem Zeitpunkt, als sich ihr Fahrzeug in Bewegung setzte, war hier nicht zu entscheiden. Maßgeblich und entscheidend ist, dass die Unterbrechung noch nicht beendet war, solange sich die Klägerin noch außerhalb ihres Fahrzeugs auf dem Bürgersteig oder der Straße befand. Denn dieser Aufenthalt außerhalb des Fahrzeugs stand nicht im Zusammenhang mit der Heimfahrt, sondern war allein veranlasst und bestimmt durch das Aufsuchen der Metzgerei zum Einkauf von Lebensmitteln. Ein Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII bestand deshalb im vorliegenden Fall nicht.
Auch ein Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII bestand hier nicht. Zwar kann während der Unterbrechung einer versicherten Tätigkeit der Versicherungsschutz weiter bestehen, wenn die während der Unterbrechung eingeschobene Verrichtung ihrerseits im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht. Jedoch liegen die hierfür erforderlichen Voraussetzungen hier nicht vor, denn der Einkauf von Lebensmitteln in der Metzgerei gehörte zum unversicherten persönlichen Lebensbereich der Klägerin. Der Kauf von Nahrungsmitteln stellt, ebenso wie die Nahrungsaufnahme selbst, eine persönliche Verrichtung dar, die auch dann grundsätzlich nicht mit der versicherten Tätigkeit im sachlichen Zusammenhang nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII steht, wenn sie während der versicherten Tätigkeit vorgenommen wird (BSG, Urteil vom 24. Februar 2000 - B 2 U 20/99 R - SozR 3 - 2700 § 8 Nr. 2 m. w. N.). Der Einkauf von unversicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeit dar. Dies gilt auch dann, wenn die vor Beginn der Arbeitszeit gekauften Nahrungsmittel dazu dienen sollen, in der Frühstückspause den Hunger zu stillen (vgl. BSG BG 1972, 355 und BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008 - B 2 U 17/07 R - juris) oder auf dem Heimweg Lebensmittel eingekauft werden, weil der Versicherte während seiner vorhergehenden Beschäftigung hungrig geworden und das Verlangen hatte, nach der Arbeit sogleich eine Mahlzeit zu sich zu nehmen (BSG BG 1958, 40).
Der Umstand, dass auf dem Weg zum oder vom Essen während einer Arbeitspause oder zwecks Besorgen von Lebensmitteln zum Verzehr während einer solchen Pause Versicherungsschutz besteht, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz liegt hier deshalb nicht vor. Dieser ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Rechtfertigende Gründe für die andere Beurteilung liegen hier vor: ‚Der während der Arbeitspause zurückgelegte Weg zur Nahrungsaufnahme oder zum Einkauf von Lebensmitteln für den alsbaldigen Verzehr am Arbeitsplatz ist in zweierlei Hinsicht mit der Betriebstätigkeit verknüpft. Zum einen handelt es sich um einen Weg, der in seinem Ausgangs- und Zielpunkt durch seine Notwendigkeit geprägt ist, persönlich im Beschäftigungsbetrieb anwesend zu sein und dort betriebliche Tätigkeiten zu verrichten. Zum anderen dient die beabsichtigte Nahrungsaufnahme während der Arbeitszeit im Gegensatz zur bloßen Vorbereitungshandlung vor der Arbeit der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit und damit der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit. Aufgrund des Zusammentreffens dieser beiden betriebsbezogenen Merkmale, das Handlungsziel und die Betriebsbedingtheit des Weges, ist der wesentliche innere Zusammenhang zwischen dem Betrieb und einem zur Nahrungsaufnahme zurückgelegten Weg angenommen worden‘ (so die Ausführungen des BSG im Urteil vom 2. Dezember 2008 a. a. O.).“
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.2015, Az. L 9 U 1534/14:
Die Nahrungsaufnahme und der Aufenthalt am Ort der Nahrungsaufnahme ist in der Regel aber eine dem persönlichen und daher unversicherten Bereich zuzurechnende Betätigung (BSG, Urteil vom 02.07.1996, 2 RU 34/95, SozR 3-2200 § 550 Nr. 15 m. w. N.). Deshalb ist die Aufnahme von Nahrung auch während einer Arbeitspause zwischen betriebsdienlichen Verrichtungen grundsätzlich nicht versichert, weil die Nahrungsaufnahme für jeden Menschen Grundbedürfnis ist und somit betriebliche Belange, etwa das betriebliche Interesse an der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers, regelmäßig zurücktreten (BSG, Urteil vom 10.10.2002, B 2 U 6/02 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 11 mit Verweis auf BSGE 11, 267, 268; 12, 247, 249 = SozR Nr. 28 zu § 542 RVO a. F.; BSG SozR Nr. 26 zu § 543 RVO a. F.; SozR Nr. 41 und 52 zu § 542 RVO a. F.; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 20 und 86; Brackmann/Krasney, SGB VII, § 8 Rn. 71 und die dort zitierte weitere Literatur). Die Nahrungsaufnahme ist auch nicht bereits deshalb der betrieblichen Tätigkeit zuzurechnen, weil Essen oder Trinken in dem sogenannten Mitarbeitercasino eingenommen wurde (zur Mitarbeiterkantine vgl. BSG, Urteil vom 10.10.2002 a. a. O., m. w. N.).
Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen hat das BSG den inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit anerkannt, sofern betriebliche Interessen bzw. Umstände die Nahrungsaufnahme wesentlich beeinflussen. So hat es Versicherungsschutz angenommen, wenn die versicherte Tätigkeit ein besonderes Hunger- oder Durstgefühl verursacht hat, das ohne die betriebliche Tätigkeit gar nicht oder doch erst später aufgetreten wäre, die Nahrungs- oder Getränkeaufnahme also unmittelbar wesentlich der Wiedererlangung oder Erhaltung der Arbeitsfähigkeit diente, wenn der Beschäftigte sich bei der Mahlzeit infolge betrieblicher Zwänge besonders beeilen musste, wenn betriebliche Zwänge den Versicherten veranlassten, seine Mahlzeit an einem besonderen Ort oder in besonderer Form einzunehmen, wenn also die Umstände der Nahrungsaufnahme durch die versicherte Tätigkeit maßgebend geprägt und ihr damit zuzurechnen waren (vgl. hierzu im Einzelnen die Nachweise im Urteil des BSG vom 10.10.2002, a. a. O.). Das betraf u. a. den Fall eines Fernfahrers, welcher seinen Lastzug nicht unbeaufsichtigt stehen lassen wollte und bei der Essenszubereitung auf einem Rastplatz verunglückte (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 82) oder den Fall einer Kurteilnehmerin, die ihre Mahlzeit in der Kantine eines Sanatoriums einnahm, sofern die Essenseinnahme dort angeordnet oder wenigstens dem Kurerfolg dienlich war (Urteil des BSG vom 17.10.1990, 2 RU 61/89, HV-Info 1991, 12 = USK 90173). Eine damit vergleichbare Fallgestaltung vermag der Senat hier nicht zu erkennen.
Schließlich hat das BSG den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung während der Nahrungsaufnahme auch dann bejaht, wenn besondere betriebliche Umstände den Versicherten zwar nicht zwangen, aber wenigstens veranlassten, seine Mahlzeit an einem bestimmten Ort, etwa in einer Werks- oder Schulkantine einzunehmen, wenn also betriebliche Umstände die Einnahme des Essens in der Kantine wesentlich mitbestimmt hatten (BSGE 12, 247, 250, 251 = SozR Nr. 28 zu § 542 RVO a. F.; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 2). Eine entsprechende Veranlassung des Arbeitgebers zur Nutzung des Mitarbeitercasinos vermochte der Senat in Übereinstimmung mit den Ausführungen des SG aber nicht zu erkennen. Denn dabei kann nicht ausschlaggebend sein, dass der Arbeitgeber einen Raum zur Verfügung stellt (zur Kantine vgl. BSG, Urteil vom 24.02.2000, B 2 U 20/99 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 2, SozR 3-2200 § 548 Nr. 36) und auch nicht, dass er durch dessen Ausstattung mit Sitzmöglichkeiten und der Möglichkeit der Zubereitung einfacher Gerichte einlädt, diesen für die Pause zu nutzen. Als besonderer Grund oder Anlass, die Werkskantine zu nutzen, müssen weitere Umstände hinzutreten, die die betriebliche Verknüpfung und deren Wesentlichkeit begründen. Zur Benutzung einer Werkskantine hat das BSG z. B. erwogen, dass der Besuch einer nahegelegenen Gaststätte dem Versicherten nach seiner Besoldung und seinen Spesensätzen wegen der dortigen höheren Preise unzumutbar gewesen wäre, dass der Versicherte möglicherweise auch ortsfremd gewesen und ihm deshalb die Lage von Speiselokalen unbekannt gewesen sei oder dass der Versicherte im Interesse seiner Tätigkeit als Betriebsprüfer darauf angewiesen gewesen sei, eine nähere persönliche Verbindung zu gewissen Bediensteten des zu prüfenden Unternehmens während der Mahlzeit herzustellen (Urteil vom 24.02.2000, a. a. O.). Solche besonderen Umstände sind hier nicht ersichtlich, da sowohl die Lage der Betriebsstätte in der H.er Fußgängerzone als auch die Jahreszeit einer Nahrungsaufnahme außerhalb der Betriebsstätte nicht entgegenstand. Insoweit weist das SG zu Recht darauf hin, dass der - nachvollziehbare - Wunsch der Klägerin, die Pause im Sitzen zu verbringen, angesichts der Möglichkeiten, Sitzgelegenheiten auch außerhalb der Betriebsstätte in nicht unzumutbarer Entfernung zu finden, keine besondere betriebliche Veranlassung zum Aufsuchen des Mitarbeiterkasinos begründet. Ein besonderes betriebliches Interesse oder Umstände, die wesentlich mit den betrieblichen Gegebenheiten zusammenhängen und die damit eine Erweiterung des Versicherungsschutzes rechtfertigen könnten, vermag der Senat auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin dargestellten Umstände nicht zu erkennen. Soweit Ricke in Kasseler Kommentar (Stand 2015, § 8 SGB VII, Rn. 74, 94) einer solchen differenzierenden Betrachtung nicht zustimmt, vermag dies den Senat nicht zu überzeugen. Diese Auffassung berücksichtigt nicht hinreichend, dass Ruhepausen während der Arbeitszeit dem privaten Bereich zuzuordnen sind und nur dann in den Versicherungsschutz einzubeziehen sind, wenn betriebliche Umstände eine solche Einbeziehung nach dem Schutzzweck des Gesetzes erforderlich machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind Ruhepausen im Sinne des Arbeitszeitrechts Unterbrechungen der Arbeitszeit von bestimmter Dauer, die der Erholung dienen, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat und frei darüber entscheiden kann, wo und wie er diese Zeit verbringen will. Entscheidendes Merkmal der Ruhepause ist, dass der Arbeitnehmer von jeder Arbeitsverpflichtung und auch von jeder Verpflichtung, sich zur Arbeit bereitzuhalten, freigestellt ist (BAGE 103, 197, 201 m. w. N.). Der Bundesgesetzgeber hat sich demzufolge dafür entschieden, die mit dem ArbZG verbundenen Zwecke allein dadurch zu erreichen, dass die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Hauptpflicht des Arbeitnehmers für die Zeit der Ruhepause suspendiert wird; dem Arbeitnehmer werden hingegen keine Vorgaben gemacht, durch bestimmte Verhaltensweisen hierbei mitzuwirken. Unter Berücksichtigung dessen sieht der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG, dass der Nachweis eines inneren Zusammenhangs, ob also die konkrete Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu der der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht, grundsätzlich geführt sein muss. Hierfür ist nach dem Tatbestand der zu erfüllenden Norm eine versicherte Tätigkeit erforderlich, die der Senat während der Nahrungsaufnahme während der Arbeitspause bzw. der Entsorgung von Abfall, der nach dieser Nahrungsaufnahme verblieben ist, nicht als gegeben ansieht. Die andere Auffassung stellt den Aufenthalt während der Arbeitspause trotz Suspendierung von der Arbeitspflicht ohne Einschränkungen unter Versicherungsschutz, was im Ergebnis zu einem Betriebsbann führte, der für den vorliegenden Sachverhalt nicht gesetzlich normiert ist.
Im Übrigen bleibt der Versicherungsschutz - worauf Ricke in seiner Kommentierung (a. a. O., Rn. 94) zu Recht hinweist - auch bei privatwirtschaftlichen Tätigkeiten gegen Auswirkungen von Betriebsgefahren (also Auswirkungen von betrieblichen Vorgängen, Beschaffenheit von Betriebsanlagen, Arbeitsverhalten von Kollegen) grundsätzlich erhalten. Vor den sich aus der Notwendigkeit der Anwesenheit des grundsätzlich Versicherten an der Arbeitsstätte ergebenden Gefahren, die sich unabhängig von der tatsächlich ausgeübten eigenwirtschaftlichen Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfalles verwirklichen können, ist dieser damit grundsätzlich geschützt. Für die Ausdehnung dieses Versicherungsschutzes sieht der Senat unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze und den vom BSG in der zitierten Rechtsprechung aufgezeigten Kriterien keinen Raum. Eine besondere betriebsbedingte Gefahr hat sich zudem auch bei dem Sturz auf einer Treppe zur Tür nicht verwirklicht.
Schließlich handelt es sich auch nicht nur um eine unerhebliche Unterbrechung der versicherten Tätigkeit durch eine private Verrichtung (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 11/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 14, BSGE 94, 262-268). Eine unerhebliche tatsächliche Unterbrechung, während der der Versicherungsschutz fortbesteht, liegt nach der genannten Rechtsprechung nur dann vor, wenn die Unterbrechung zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig ist und einer Verrichtung dient, die „im Vorbeigehen“ und „ganz nebenher“ erledigt wird. Sie darf nach natürlicher Betrachtungsweise und in Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles nur zu einer geringfügigen, tatsächlichen Unterbrechung der versicherten Verrichtung geführt haben. Dies wird z. B. für den Kauf einer Zeitung an einem Kiosk während eines versicherten Weges angenommen (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2005, a. a. O., m. w. N.) Diese Voraussetzungen sind mit der zwanzigminütigen Pause im Mitarbeitercasino nicht mehr erfüllt.
Die Kammer schließt sich den dargestellten Ausführungen an. Das Holen von Kaffee stellt eine rein private Tätigkeit dar, die nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fällt. Die Klägerin hat dies der Beklagten gegenüber schriftlich angegeben und auch der Arbeitgeber der Klägerin hat dies schriftlich der Beklagten mitgeteilt. Mit Durchschreiten der Tür zum Kaffeeautomaten endet zur Überzeugung der Kammer der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Für die Kammer hat nicht entscheidungserheblich durchgegriffen, dass es sich um einen Sozialraum bzw. eine Teeküche gehandelt hat. Denn einzig und allein entscheidend ist, dass die Klägerin nicht zur Erfüllung dienstlicher Belange, wie beispielsweise eine dienstliche Besprechung im Sozialraum, den Kaffeeautomat aufgesucht hat, sondern einzig und allein zu der eigennützigen und privaten Tätigkeit, sich einen Kaffee zu holen.
Irrelevant ist in diesem Zusammenhang zur Überzeugung der Kammer, dass das Mitgliedsunternehmen den Raum zur Verfügung gestellt hat und sich eine Gefahr darin verwirklicht hat. Der Umstand, dass der Boden durch das vorherige feuchte Wischen rutschig gewesen ist, ändert nichts an dem unversicherten Handeln der Klägerin.
Die klägerischen Einwände haben nicht rechtserheblich durchgegriffen, so dass die Klage vollumfänglich abzuweisen ist.
Im Übrigen nimmt die Kammer Bezug auf den Widerspruchsbescheid vom 22.06.2021, § 136 Abs. 3 SGG.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Das Verfahren ist für die Klägerin gemäß § 183 S. 1 SGG gerichtskostenfrei. Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus § 143 SGG.