1. Die Regelung in § 4 Satz 2 PrüfvV 2016 erfordert, dass die Krankenkasse in den Prüfauftrag konkret die von dem Krankenhaus abgerechnete Nebendiagnose aufnimmt, die sie beanstandet und zur Prüfung durch den MDK stellt.
2. Ein Krankenhaus kann folglich eine bisher nicht abgerechnete Nebendiagnose auch dann nachkodieren, wenn der MDK die Abrechnung auf von der Krankenkasse konkret beanstandete (aber andere) Nebendiagnosen hin überprüft hat.
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 4. Januar 2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.914 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe eines Anspruchs auf Vergütung für eine stationäre Krankenbehandlung.
Die Klägerin ist Trägerin des zur Erbringung von Krankenhausleistungen in N_________ zugelassenen Krankenhauses. Die Klägerin nahm die 1928 geborene und bei der Beklagten versicherte M_______ R______ (Versicherte) mit Übelkeit und Oberbauchbeschwerden bei Cholestase (Gallenstauung) am 30. Juni 2018 stationär in ihrer Klinik für Gastroenterologie auf. Die Versicherte wurde medikamentös behandelt und in den Gallengang wurde eine Prothese eingelegt. Nach einem Sturz der Versicherten aus dem Bett am 11. Juli 2018 wurde eine gering dislozierte Fraktur des vorderen Schambeinastes diagnostiziert, die nach insuffizienter medikamentöser Behandlung zu einer Verlegung der Versicherten am 18. Juli 2018 in die Klinik für Geriatrie der Klägerin führte, aus der sie am 23. Juli 2018 entlassen wurde. Für diese Behandlung der Versicherten vom 30. Juni 2018 bis zum 23. Juli 2018 berechnete die Klägerin der Beklagten 6.276,69 Euro (Rechnung vom 22. Oktober 2018). Sie kodierte (jeweils nach ICD-10) gegenüber der Beklagten als Hauptdiagnose K83.1 (Verschluss des Gallenganges) und als Nebendiagnose ua S32.5 (Fraktur des Schambeins), die zur Ansteuerung der DRG H41C führte.
Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, informierte aber am 23. November 2018 die Klägerin über die Beauftragung des MDK mit der Prüfung des Behandlungsfalles zur Klärung der Fragestellung „Dauer der stationären Behandlung“, „Kodierung“, „HD“, „ND“. Die Beklagte stellte dem MDK explizit die Fragen:
„04 War die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer medizinisch begründet?
Erläuterung Frage: Bei den kodierten Prozeduren und Diagnosen hätte nach unserer Meinung eine Straffung des Behandlungsablaufs erfolgen können. Dadurch wäre eine frühere Entlassung möglich gewesen.
11 Ist die Hauptdiagnose (HD) korrekt?
Erläuterung Frage: Wurde die Hauptdiagnose gem. DKR korrekt abgebildet?
12 Ist/Sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt?
Erläuterung Frage: Die übermittelten DRG-relevanten ND sind für uns anhand der Patientenhistorie nicht in vollem Umfang nachvollziehbar. Die Streichung bzw Änderung der relevanten ND ändert die DRG. Sind die angegebenen ND nach den Richtlinien der DKR korrekt kodiert? – insbesondere zu prüfende ICD-Schlüssel: K83.1, S32.5“
Der MDK kam im Rahmen einer Begehung zu der Einschätzung, dass als Hauptdiagnose die D37.6 (Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens: Leber, Gallenblase und Gallengänge) und die K83.1 (Verschluss des Gallenganges) als Nebendiagnose zu kodieren seien (Gutachten vom 18. März 2019). Die Kodierung der Nebendiagnose S32.5 (Fraktur des Schambeins) sei korrekt. Ferner wurden – nach Beschreibung in Abstimmung mit der Klägerin – die Nebendiagnosen S73.00 (Luxation der Hüfte, nicht näher bezeichnet), S32.4 (Fraktur des Acetabulums – Hüftgelenkpfanne), S31.84 (Weichteilschaden I. Grades bei geschlossener Fraktur oder Luxation der Lendenwirbelsäule und des Beckens) einbezogen. Die übrigen von der Klägerin kodierten Nebendiagnosen und die Prozeduren wurden „laut Auftrag nicht geprüft“. Der MDK bestätigte das Grouping-Ergebnis H41C, allerdings mit einem Kostengewicht von 1,6120. Die Versicherte hätte nach der Dokumentation bereits drei Tage früher in die weiterbehandelnde Klinik verlegt werden können, so dass die stationäre Verweildauer um drei Tage zu kürzen sei (sekundäre Fehlbelegung). Die Beklagte machte daraufhin gegenüber der Klägerin einen Erstattungsanspruch für drei Tage in Höhe von 553,09 Euro geltend.
Die Klägerin widersprach der Bewertung des MDK betreffend die Hauptdiagnose, deren Änderung zwar nicht DRG-relevant, aber dennoch fehlerhaft sei. Sie kodierte jedoch erstmals die Diagnosen E87.6 (Hypokaliämie), D68.5 (primäre Thrombophilie) und T84.04 (Mechanische Komplikation durch eine Gelenkendoprothese – Hüftgelenk) als Nebendiagnosen nach und übersandte der Beklagten anschließend die entsprechend geänderte Rechnung vom 30. April 2019 iHv 11.638,13 Euro mit der DRG H41A (wobei alle drei nachkodierten Nebendiagnosen je für sich die DRG H41C in die DRG H41A heben). Die Beklagte teilte der Klägerin mit, dass diese Rechnung am 2. Mai 2019 und daher außerhalb der für eine Datenkorrektur zulässigen Frist des § 7 Abs 5 der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) eingegangen sei (Schreiben vom 13. Mai 2019), und kürzte daraufhin diese Rechnung auf den ursprünglichen Zahlbetrag.
Mit ihrer am 28. August 2019 bei dem Sozialgericht Kiel (SG) eingegangenen Klage hat die Klägerin den Differenzbetrag in Höhe von 5.914,53 Euro (11.638,13 Euro minus 6.276,69 Euro plus 553,09 Euro) zzgl Zinsen geltend gemacht. Das SG hat die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 4. Januar 2021 dazu verurteilt, der Klägerin 5.914,53 Euro nebst Zinsen iHv 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Mai 2019 zu zahlen, da § 7 Abs 5 PrüfvV keine Ausschlussfrist regele und auch nicht als solche bezeichnet sei.
Gegen den ihr am 12. Januar 2021 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 14. Januar 2021 eingegangene Berufung der Beklagten. Nachdem sie eine Prüfung der DRG-relevanten Nebendiagnosen durch den MDK eingeleitet habe und die Prüfung mit dem Gutachten vom 20. März 2019 abgeschlossen gewesen sei, habe die Klägerin am 2. Mai 2019 keine korrigierten Daten mehr einreichen können, da die Fünf-Monats-Frist des § 7 Abs 5 Satz 1 und 2 PrüfvV zu dem Eingangszeitpunkt der Rechnung bereits verstrichen sei. Krankenhäuser könnten die Daten während des Vorverfahrens beliebig oft korrigieren, allerdings sehe die PrüfvV während des MDK-Prüfverfahrens nur noch eine einmalige Korrekturmöglichkeit vor. Sie habe den Prüfauftrag „Gesamtkomplex Nebendiagnosen“ erteilt, so dass der gesamte Datensatz von der Prüfung umfasst gewesen sei. Sie beruft sich für ihre Sichtweise auf die Entscheidung des BSG vom 18. Mai 2021, B 1 KR 34/20 R, nach der außerhalb der Prüffrist nur quantitative Korrekturen des Datensatzes (zB Anzahl Beatmungsstunden) zulässig seien. Solche Parameter habe die Klägerin jedoch nicht geändert.
Die Beklagte beantragt,
- das Verfahren ruhend zu stellen,
- hilfsweise, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 4. Januar 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
- das Verfahren ruhend zu stellen,
- hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen,
- äußerst hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Klägerin bringt vor, Anspruch auf den Ausgleich der korrigierten Rechnung zu haben, da diese von der Beklagten vorbehaltlos akzeptiert worden sei. Ein MDK-Prüfverfahren sei für diese Rechnung nicht eingeleitet worden. Sie beruft sich auf die Entscheidung des BSG vom 18. Mai 2021, B 1 KR 39/20 R, wonach die Krankenkasse das Recht und den Auftrag habe, den Prüfauftrag festzulegen. Dieser Umstand berge als Kehrseite auch das sich in einer Verzögerung des Abrechnungsfalles realisierende Risiko, dass sich die Festlegung im Nachhinein als unzureichend herausstelle.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die aktenkundigen Unterlagen und Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) eingegangen, jedoch unbegründet.
1. Dem Antrag der Beteiligten, das hiesige Verfahren nach § 251 Zivilprozessordnung (ZPO) bis zum Ausgang des Verfahrens B 1 KR 80/22 B gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 27. Juli 2022 (L 5 KR 49/19) ruhend zu stellen, war nicht stattzugeben. Nach § 251 Satz 1 ZPO hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass diese Anordnung wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen zweckmäßig ist. Dabei hat das Gericht einen Einschätzungsspielraum (vgl BSG, Beschluss vom 17. Dezember 2015
– B 2 U 132/15 B –, Rn 9). Zwar kann das Abwarten eines anderen Verfahrens Zweckmäßigkeit iSd § 251 Satz 1 ZPO begründen (vgl Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 251 Ruhen des Verfahrens, Rn 2a). Da von dem Verfahren L 5 KR 49/19 allerdings weder dieselben Beteiligten betroffen sind, noch der Sachverhalt des dortigen Verfahrens mit dem hiesigen Sachverhalt nach dem Vorbringen der Klägerin vollkommen deckungsgleich ist und überdies auf den dortigen Sachverhalt noch die zum 1. September 2014 in Kraft getretene PrüfvV anzuwenden war, sind von dem Ausgang des genannten Beschwerdeverfahrens nach Auffassung des Senats keine entscheidenden Erkenntnisse für den Ausgang des hiesigen Verfahrens zu erwarten, in dem die PrüfvV 2016 – insbesondere § 4 – maßgeblich ist, so dass das Ruhen dieses Verfahrens nicht zweckmäßig war.
2. Die auf Zahlung höherer Krankenhausvergütung gerichtete echte Leistungsklage ist in dem hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zwischen klagendem Krankenhaus und Krankenkasse gemäß § 54 Abs 5 SGG zulässig (stRspr BSG, Urteil vom 18. Mai 2021
– B 1 KR 34/20 R – Rn 8). Die Klägerin hatte im Oktober 2018 bereits 6.276,69 Euro für die Behandlung der Versicherten vom 30. Juni 2018 bis 23. Juli 2018 abgerechnet. Gleichwohl durfte die Klägerin ihre Abrechnung im April 2019 ändern und weitere 5.914,53 Euro nebst Zinsen von der Beklagten nachfordern. Dieser Anspruch auf weitere Vergütung für die stationäre Behandlung des Versicherten ist dem Grunde nach entstanden (dazu 3.). Der Anspruch ist weder – wie die Beklagte meint - infolge der Regelung des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 erloschen (dazu 4.) noch steht seiner Durchsetzung eine sonstige Einwendung entgegen (dazu 5.). Der Klägerin steht auch der vom SG tenorierte Zinsanspruch zu (dazu 6.).
3. Die Voraussetzungen des Anspruchs der Klägerin auf Zahlung weiterer 5.914,53 Euro Vergütung für die vollstationäre Behandlung der Versicherten vom 30. Juni bis 23. Juli 2023 sind dem Grunde nach erfüllt. Der Klägerin stand nach § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm §§ 6 Abs 1 Satz 1, 11 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und §§ 18, 17b Abs 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) ein Vergütungsanspruch für die unstreitig iSv § 39 SGB V erforderliche stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten zu (vgl zum rechtlichen Rahmen der Fallpauschalenvergütung, insbesondere zum Groupierungsvorgang, zur Rechtsqualität der Fallpauschalenvereinbarung und der Einbeziehung des OPS BSG vom 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R – Rn 15 ff; Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 34/20 R – Rn 9). Dabei ist zwischen den Beteiligten – zu Recht – nicht streitig, dass die Versicherte drei Tage früher hätte entlassen werden können, so dass die Klägerin aus der Rechnung vom 30. April 2019 zutreffend nur noch den mit der Klage geltend gemachten Betrag einfordert.
4. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ausgleich des Differenzbetrages zwischen der Rechnung vom 22. Oktober 2018 und der Rechnung vom 30. April 2019. Sie ist mit der Vorlage der korrigierten Rechnung nicht nach § 7 Abs 5 Satz 2 PrüfvV 2016 (vom 3. Februar 2016 – gültig vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2019) ausgeschlossen gewesen. Dabei ist der sachliche Anwendungsbereich dieser Norm dem Grunde nach eröffnet, da die spätere Ergänzung / Änderung von DRG-relevanten Nebendiagnosen ebenso wie die erstmalige Übersendung derselben dem Anwendungsbereich der sachlich-rechnerischen Überprüfung unterliegt und § 7 Abs 5 PrüfvV nur für diese Prüfung – nicht jedoch für eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit – gilt (vgl BSG, Urteil vom 18. Mai 2021, B 1 KR 34/20 R Rn 32).
a) § 7 Abs 5 Satz 1 PrüfvV 2016 sieht vor, dass Korrekturen oder Ergänzungen der von dem Krankenhaus übermittelten Datensätze (§ 301 SGB V) nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nur einmalig möglich sind. Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Abs 2 PrüfvV an die Krankenkasse erfolgen (§ 7 Abs 5 Satz 2 PrüfvV). Bei dieser Regelung handelt es sich nicht um eine Ausschlussfrist, sondern um eine materiell-rechtliche Präklusionsregelung mit der Folge, dass die Vergütungsforderung eines Krankenhauses nicht auf der Grundlage neuer – präkludierter – Daten durchgesetzt werden kann. Das Krankenhaus verliert das Recht, den Datensatz nach § 301 SGB V zu ändern, soweit er Prüfgegenstand der von der Krankenkasse veranlassten MDK-Prüfung geworden ist, was auch mit Wirkung für das Gerichtsverfahren gilt (siehe BSG, Urteile vom 18. Mai 2021, B 1 KR 34/20 R – Rn 14; B 1 KR 37/20 R – Rn 17; B 1 KR 39/20 R – Rn 30, 31 – jeweils juris).
Den Prüfgegenstand bestimmt die Krankenkasse nach § 4 Satz 1 und 2 PrüfvV 2016: zB primäre oder sekundäre Fehlbelegung; Kodierprüfung unter Benennung der beanstandeten Haupt- und/oder Nebendiagnose(n) und/oder Prozeduren unter Benennung der beanstandeten OPS-Ziffer(n). Wenn die Prüfung auf einen oder mehrere dieser Parameter dergestalt beschränkt wird, ist die spätere Änderung dieser Parameter seitens des Krankenhauses unzulässig. Zulässig ist jedoch die Änderung von Parametern des § 4 Satz 2 PrüfvV, die nicht Gegenstand der Prüfung waren. So können quantitative Umstände korrigiert werden (zB Beatmungsstunden, Geburtsgewicht, OPS mit quantitativen Unterscheidungen, vgl BSG, Urteil vom 18. Mai 2021, B 1 KR 34/20 R – Rn 16 zur PrüfvV 2014), OPS geändert werden, wenn die Prüfung sich nur auf das Überschreiten der unteren Grenzverweildauer bezog (BSG, Urteil vom 18. Mai 2021, B 1 KR 34/20 R – Rn 32 zur PrüfvV 2014) und Nebendiagnosen ergänzt werden, wenn Prüfgegenstand die kodierten Prozeduren und das Überschreiten der oberen Grenzverweildauer war (BSG, Urteil vom 18. Mai 2021, B 1 KR 39/20 R Rn 31 zur PrüfvV 2014). Die materielle Präklusion greift im Übrigen nicht, wenn der MDK im Prüfergebnis eine Änderung des überprüften Datensatzes für geboten hält und das Krankenhaus dem MDK folgend seinen Datensatz in vollem Umfang ändert (BSG, Urteil vom 18. Mai 2021, B 1 KR 37/20 R Rn 34 zur PrüfvV 2016).
b) Der Prüfauftrag vom 22. November 2018 umfasste die Dauer der stationären Behandlung (sekundäre Fehlbelegung), die Richtigkeit der Hauptdiagnose K83.1 ICD-10 sowie die Richtigkeit der DRG-relevanten Nebendiagnose S32.5 ICD-10. Mit der geänderten Rechnung vom 30. April 2019 kodierte die Klägerin drei DRG-relevante Nebendiagnosen nach <E87.6 (Hypokaliämie), D68.5 (primäre Thrombophilie) und T84.04 (Mechanische Komplikation durch eine Gelenkendoprothese – Hüftgelenk)>. Diese Diagnosen waren nicht explizit benannter Gegenstand des formulierten Prüfauftrages vom 22. November 2018 und sie waren auch nicht in der Diagnosenliste des MDK-Gutachtens vom 18. März 2019 aufgeführt <siehe Blatt 2 „(lt. Krankenhaus und MDK)“>.
Es liegt dabei keiner der skizzierten Fallgestaltungen vor, die nach den genannten Entscheidungen des BSG als Ausnahmekonstellation für eine zulässige spätere Rechnungskorrektur anerkannt sind. Gleichwohl war die Klägerin dazu berechtigt, die Korrektur vorzunehmen und letztlich den höheren Rechnungsbetrag geltend zu machen. Zwar gibt es eine Themenkreisüberschneidung des Prüfauftrages vom 22. November 2018 – Nebendiagnose S32.5 ICD-10 – mit den nachkodierten DRG-relevanten Diagnosen (ICD-10 E87.6, D68.5 und T84.4 als Nebendiagnosen). Allerdings schließt diese Themenkreisüberschneidung eine spätere Korrektur der Abrechnung in der Form der Ergänzung der DRG-relevanten Nebendiagnosen durch die Klägerin nicht aus.
Dabei ist insbesondere von Bedeutung, dass auf die Abrechnungsprüfung der stationären Behandlung der Versicherten vom 30. Juni 2018 bis 23. Juli 2018 nicht die PrüfvV 2014, sondern die PrüfvV 2016 anzuwenden ist. Während die PrüfvV 2014 in § 4 Satz 1 erforderte, „die Art der Prüfung“ nach zB Teilprüfung, Vollprüfung oder Fehlbelegungsprüfung zu bestimmen, fordert § 4 Satz 2 PrüfV 2016 die Krankenkasse auf, „den Prüfgegenstand“ themenbezogen (zB primäre oder sekundäre Fehlbelegung, Kodierprüfung) zu benennen. Soweit die Beklagte im Prüfauftrag einleitend die Frage formulierte, ob „die angegebenen ND nach den Richtlinien der DKR korrekt kodiert“ seien, handelte es sich zwar um eine themenbezogene Benennung. Eine allgemein gehaltene Frage „nach der Richtigkeit der angegebenen Nebendiagnosen“ ist angesichts des klaren Auftrags des § 4 Satz 2 PrüfvV 2016, den Prüfgegenstand „unter Benennung der beanstandeten Haupt- und/oder Nebendiagnosen und oder Prozedur(en) unter Benennung der beanstandeten OPS-Ziffer(n)“ (Hervorhebung durch Verfasser) zu erteilen, zu allgemein formuliert und daher unzulässig. Ein solch allgemein gehaltener Auftrag vermag eine spätere Abrechnungskorrektur des Krankenhauses durch eine Änderung der Nebendiagnose(n) nach dem Wortlaut des § 4 Satz 2 PrüfvV 2016 nicht auszuschließen. Das wird auch dadurch bestätigt, dass der Benennung eines Prüfgegenstands seitens der Krankenkasse durch die Regelung des § 4 Satz 4 PrüfvV 2016 eine besondere Bedeutung beigemessen wird. Folglich präzisierte die Beklagte den Prüfgegenstand der Haupt- und Nebendiagnosen um die benannten Diagnosen K83.1 und S32.5. Damit waren aber nur diese Diagnosen von dem Prüfauftrag umfasst.
c) Dieses Ergebnis der Wortlautauslegung des § 4 Satz 2 PrüfvV 2016 wird durch systematische Erwägungen unter Berücksichtigung von Regelungen des SGB V bestätigt (vgl zur Anwendung der allgemeinen für Gesetze geltenden Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft auf die Auslegung der PrüfvV BSG, Urteil vom 18. Mai 2021, B 1 KR 37/20 R Rn 22). Die Nebendiagnosen nach ICD-10 E87.6, D68.5 und T84.4 wurden zwar als solche bereits als Gesamtdatensatz computerunterstützt an die beklagte Krankenkasse übermittelt und lagen ihr zum Zeitpunkt der Erteilung des Prüfauftrages vom 22. November 2018 vor (siehe Blatt 1,2 Verwaltungsvorgänge). Sie waren jedoch weder in der Fragestellung 12 im Prüfauftrag noch in der Diagnosenliste des MDK-Gutachtens als DRG-relevante Nebendiagnosen gelistet worden.
An die Krankenkassen übermittelte Daten iS der PrüfvV 2016 sind nach § 301 Abs 1 SGB V relevante Daten (BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 37/20 R – Rn 24) und damit solche, die in § 301 SGB V aufgelistet werden. Zu diesen Daten zählen unter anderem die Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, bei Änderung der Aufnahmediagnose die nachfolgenden Diagnosen (Nr 3), Operationen und Prozeduren (Nr 6) und bei Entlassung die für die Krankenhausbehandlung maßgebliche Hauptdiagnose und die Nebendiagnosen (Nr 7). Für die Benennung der Haupt- und Nebendiagnosen in dem von § 301 SGB V bezweckten Sinne kommt es nicht darauf an, den Krankheitszustand eines Versicherten möglichst vollständig abzubilden, sondern die Krankheiten eines Versicherten sind auf der Grundlage von § 301 Abs 1 Nr 7 SGB V als Krankheitsdiagnose nach der ICD-10 zu kodieren, wenn sie für das Versorgungsgeschehen im Krankenhaus von Bedeutung sind. Deren Bedeutsamkeit wird wiederum bestimmt durch die Kodierregeln der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) (vgl BSG, Urteil vom 20. März 2018 – B 1 KR 25/17 R –, Rn 17; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. August 2021 – L 10 KR 568/19 –, Rn 36 juris), die ihrerseits die Übertragung von Diagnosen und Prozeduren in die dafür vorgesehenen Kodes regeln, die mittels des Grouper die abrechenbare DRG ansteuern (vgl Deutsche Kodierrichtlinien, Version 2018, Seite XX). Nach DKR 2018 D002f ist Hauptdiagnose die "Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist". Die Nebendiagnose ist nach DKR 2018 D003l definiert als: „Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt. Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist: · therapeutische Maßnahmen, · diagnostische Maßnahmen, · erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand. Bei Patienten, bei denen einer dieser erbrachten Faktoren auf mehrere Diagnosen (entweder Hauptdiagnose und Nebendiagnose(n) oder mehrere Nebendiagnosen) ausgerichtet ist, können alle betroffenen Diagnosen kodiert werden. Somit ist es unerheblich, ob die therapeutische(n)/diagnostische(n) Maßnahme(n) bzw der erhöhte Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand auch in Bezug auf die Hauptdiagnose geboten waren.“ Es obliegt daher dem Krankenhaus, aus allen Diagnosen, die den Krankheitszustand eines Versicherten beschreiben, diejenigen Diagnosen herauszufiltern und in die Abrechnung einzustellen, die für den Krankenhausaufenthalt an sich und den dort betriebenen Aufwand von Bedeutung sind. Diese Diagnosen sind abrechnungsrelevant. Weitere der Krankenkasse bekannt gewordene Diagnosen sind es nicht.
Somit zeigen alle Regelwerke, die für die Abrechenbarkeit einer stationär erbrachten Krankenhausleistung von Bedeutung sind – § 301 SGB V, DKR, (ICD-10) – auf, dass nur übermittelte abrechnungsrelevante Diagnosen von dem Prüfauftrag nach § 4 PrüfvV 2016 erfasst sein können, selbst wenn der Krankenkasse weitere Diagnosen bekannt sind. Solche, die von dem Krankenhaus nicht als abrechnungsrelevant eingetragen wurden, können auch von dem Prüfauftrag an den MDK nicht erfasst werden und werden folglich vom MDK nicht geprüft. Sie können in einer späteren Abrechnung des Krankenhauses übermittelt werden. Die Krankenkasse kann dann ein erneutes Prüfverfahren einleiten, wenn sie nicht berechtigt ist, die Abrechnung des Krankenhauses aus Gründen des Ablaufs von Abrechnungsfristen oder Verwirkung abzulehnen.
d) Es ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten, dass die am 30. April 2019 berechnete Krankenhausvergütung für die Behandlung der Versicherten unter Berücksichtigung der nachkodierten Diagnosen <E87.6 (Hypokaliämie), D68.5 (primäre Thrombophilie) oder T84.04 (Mechanische Komplikation durch eine Gelenkendoprothese – Hüftgelenk)> als Nebendiagnosen jeweils für sich und gleichermaßen richtigerweise nach der DRG H41A zu bestimmen war. Der diesbezügliche Beteiligtenvortrag wird vom Senat zugrunde gelegt (stRspr; vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB BSG vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 26/18 R – Rn 11; Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 34/20 R – Rn 10).
Dabei geht der Senat davon aus, dass die nachkodierten Diagnosen <E87.6 (Hypokaliämie), D68.5 (primäre Thrombophilie) und die T84.04 (Mechanische Komplikation durch eine Gelenkendoprothese – Hüftgelenk)> zutreffend als Nebendiagnosen kodiert werden konnten. Die Versicherte war mit einer nicht zementierten Hüftgelenks-TEP rechts versorgt (MDK-Gutachten vom 18. März 2019 Seite 4; Diagnose Z96.64:B Vorhandensein einer Hüftgelenkprothese), so dass nach dem Sturz der Versicherten am 11. Juli 2018 auf das Becken mit der Folge einer Fraktur des Schambeins nachvollziehbar ist, dass auch ohne nachgewiesene Fraktur im Bereich des Hüftgelenks (Röntgenbefund vom 12. Juli 2018) der Nachbetreuungsaufwand durch diesen Umstand erhöht war und die Abrechnung der Diagnose ICD-10 T84.04 als Nebendiagnose iSd DRK rechtfertigte. Zu der nachkodierten Diagnose E87.6 (Hypokaliämie – niedriger Kaliumspiegel im Blut) hat die Klägerin gegenüber der Beklagten darauf hingewiesen, dass bei der Versicherten eine Hypokaliämie vorgelegen habe, die nach der Dokumentation auch substituiert worden sei. Das wird dadurch bestätigt, dass der Kaliumspiegel der Versicherten während des stationären Aufenthaltes gemessen wurde und sich erhöhte (Labor vom 30. Juni 2018 und 17. Juli 2018), so dass die Kodierung der E87.6 als Nebendiagnose zutreffend war. Für die Diagnose ICD-10 D68.5 (primäre Thrombophilie: Mangel: Antithrombin, Protein C, Protein S, Prothrombin-Gen-Mutation, Resistenz gegen aktiviertes Protein C (APC-Resistenz) beruft sich die Klägerin gegenüber der Beklagten zutreffend darauf, dass vor der OP vorbereitend eine weiterführende Gerinnungsdiagnostik mit Nachweis einer APC-Resistenz durchgeführt wurde (Labor vom 17. Juli 2018). Ferner wurde die Versicherte jedenfalls mit der Medikation ua von „Mono Embolex 3.000 I.E.“ Prophylaxe Sicherheitsspritze entlassen, so dass der Senat davon überzeugt ist (§ 128 SGG), dass auch die Diagnose ICD-10 D68.5 – insbesondere nach dem Sturz – einen erhöhten Versorgungsaufwand der Versicherten begründete und als Nebendiagnose kodiert werden konnte. Dabei durfte der Senat die im Gerichtsverfahren von der Klägerin freiwillig zur Verfügung gestellten Unterlagen, insbesondere den Entlassungsbericht vom 18. Juli 2018, für diese Prüfung heranziehen (vgl BSG, Urteil vom 18. Mai 2021, B 1 KR 39/20 R – Rn 34).
5. Zwischen der Abrechnung vom 30. April 2019 und der vom 22. Oktober 2018 lag weder ein volles Haushaltsjahr der Beklagten, so dass keine Verwirkung eingetreten ist, noch verhielt die Klägerin sich widersprüchlich, da zwischenzeitlich kein bei der Beklagten einen Vertrauensschutz begründender Zeitraum abgelaufen ist (dazu nur BSG, Urteil vom 18. Mai 2021, B 1 KR 39/20 R Rn 39 bzw 40).
6. Der Zinsanspruch ab dem 15. Mai 2019 folgt aus § 14 Satz 2 der 2019 maßgeblichen Entgeltvereinbarung. Danach können bei Zahlungsverzug im Sinne des BGB Verzugszinsen bzw Prozesszinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basissatz der Europäischen Zentralbank ab Fälligkeitstag (frühestens ab 15. Tag des Rechnungseingangs) berechnet werden.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG, 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
8. Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers, § 47 Abs 1 GKG. Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist nach § 52 Absatz 3 GKG deren Höhe maßgebend. Vorliegend war der Gegenstand des Verfahrens auf eine bestimmte Geldsumme – Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung in Höhe von weiteren 5.914,53 Euro – gerichtet. Dieser Betrag war – gerundet – als Streitwert festzusetzen.
9. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 SGG) liegen nicht vor. Weder weicht der Senat mit seiner Entscheidung von Entscheidungen des Bundessozialgerichts – beispielsweise vom 18. Mai 2021 – ab noch erfordert dieser Sachverhalt die Klärung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung. Die maßgeblichen Rechtsfragen lassen sich allesamt mittels der Vorschriften des SGB V und der PrüfvV 2016 klären. Dabei hat der Senat insbesondere bedacht, dass für die hier zu klärende Frage, in welchem Umfang der Prüfauftrag an den MDK zu einer späteren Präklusion des Krankenhauses für die Vorlage einer korrigierten Rechnung führen kann, die Regelung in § 4 Satz 2 PrüfvV zu beachten war, die enger formuliert ist als die Regelung zum Prüfauftrag in § 4 Satz 1 PrüfvV 2014.