L 4 KR 3599/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 10/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3599/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Verfahrens im Berufungsverfahren.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 3.433,44 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger für Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber der Versicherten L1 (im Folgenden Versicherte L.) von Februar bis Dezember 2016 eine Vergütung von 3.433,44 € zuzüglich Mahnkosten und Zinsen zusteht.

Der 1948 geborene Kläger ist ausgebildeter Krankenpfleger sowie Inhaber und Betreiber eines ambulanten Pflegedienstes, im Rahmen dessen er Leistungen der häuslichen Krankenpflege sowie ambulante Pflegeleistungen an Privatzahler erbringt. Grundlage für die Leistungserbringung gegenüber Versicherten der Beklagten ist der zwischen der Beklagten und den Verbänden der Pflegedienste geschlossene Rahmenvertrag nach § 132a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege. Diesbezüglich hatte der Kläger mit Verpflichtungserklärung vom 7. Januar 1999 (Anlage 1 zum Rahmenvertrag nach § 132a SGB V) bestätigt, „dass der o.g. Rahmenvertrag und alle dort zugehörigen Anlagen (sowie eventuelle Protokollnotizen) in der jeweils gültigen Fassung bekannt sind und der Pflegedienst verpflichtet ist, die Regelungen korrekt anzuwenden.“ Aufgrund eines am 23. März 1999 mit den Landesverbänden der Pflegekassen geschlossenen Versorgungsvertrags nach § 72 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) erbrachte der Kläger darüber hinaus ambulante Pflegedienstleistungen für in der sozialen Pflegeversicherung Versicherte, die zu Hause, in sog. Wohngemeinschaften oder in sog. Pflegefamilien lebten.

Nach einer bei der Pflegekasse der Beklagten (im folgenden Pflegekasse) im April 2010 eingegangenen Beschwerde über die Unterbringung und Versorgung eines ihrer durch den Pflegedienst des Klägers betreuten Versicherten und eines hiernach durchgeführten Hausbesuchs durch einen Mitarbeiter der Pflegekasse, der u.a. eine verwahrloste Wohnung vorfand, beauftragte die Pflegekasse den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit der Durchführung einer anlassbezogenen Qualitäts- und Rechnungsprüfung, die zahlreiche Auffälligkeiten ergab (Berichte vom 13. September und 2. November 2010). Die Pflegekasse erstattete deshalb im Dezember 2010 Strafanzeige gegen den Kläger wegen gefährlicher Pflege, des Verdachts auf Abrechnungsbetrug sowie Hinterziehung von Sozialabgaben und Steuern, worauf die Staatsanwaltschaft Konstanz ein Ermittlungsverfahren einleitete.

Durch Bescheid vom 21. Juli 2011 kündigten die Landesverbände der Pflegekassen den mit dem Kläger geschlossenen Versorgungsvertrag wegen gröblicher Verletzung gesetzlicher und vertraglicher Verpflichtungen gegenüber den Pflegebedürftigen und den Kostenträgern fristlos. Die dagegen beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage (S 8 P 2077/11) blieb erfolglos (Urteil vom 10. Mai 2012), ebenso die zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung (L 4 P 2949/12; Urteil vom 12. Dezember 2014) und die hiergegen beim Bundessozialgerichts (BSG) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (B 3 P 1/15 B; Beschluss vom 22. April 2015).

Zwischenzeitlich hatte das Amtsgericht Konstanz – Schöffengericht – den Kläger mit Urteil vom 5. November 2013 wegen Betrugs in 81 tatmehrheitlichen Fällen (manipulierte Rechnungen über Pflegesachleistungen in Bezug auf drei Versicherte sowie über Verhinderungspflege bzgl. vier Versicherten im Zeitraum zwischen Februar 2007 bis September 2010) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ausweislich seines Urteils sah es das Amtsgericht Konstanz als erwiesen an, dass der Kläger bezüglich der näher aufgeführten Versicherten gegenüber den Pflegekassen nicht erbrachte Leistungen abgerechnet hatte. Betroffen war insoweit eine von P1 (I.P.) in einem ehemaligen Gasthaus betriebene Wohngemeinschaft, in der sie Zimmer an Pflegebedürftige vermietete, die ihr der Kläger vermittelt hatte. Mit diesen Pflegebedürftigen vereinbarte der Kläger die Erbringung von Pflegeleistungen durch seinen Pflegedienst. Die Pflegeleistungen rechnete er gegenüber der jeweiligen Pflegekasse ab. Die Pflegeleistungen wurden durch Angehörige der I.P., insbesondere ihre Tochter P2 (D.P) und ihre Stieftochter P3 (U.P.), die keine fachspezifischen Kenntnisse hatten, ausgeführt. In Bezug auf die Wohngemeinschaft der I.P. führte das Amtsgericht Konstanz aus, dass kein Mitglied der Familie I.P. beim Kläger als Arbeitnehmer angestellt gewesen sei. Der mit D.P. geschlossene Arbeitsvertrag und ihre zum Schein erfolgte Anmeldungen hätten lediglich dazu gedient, Leistungen im Rahmen der Pflegeversicherung mit den jeweiligen Krankenkassen bzw. den pflegebedürftigen Personen oder den Sozialleistungsträgern abrechnen zu können. D.P. sei auch nicht in den Betrieb des Klägers eingegliedert gewesen und bezüglich der erbrachten pflegerischen Leistungen habe es keine Anweisungen, Kontrollen oder Aufsicht durch den Kläger gegeben. Der Kläger habe D.P. einmal monatlich frei erfundene Leistungsnachweise über angeblich erbrachte Pflegeleistungen zur Unterzeichnung vorgelegt bzw. diese von ihr nach einem Mustervordruck erstellen lassen. Mit diesen Leistungsnachweisen habe der Kläger dann Pflegesachleistungen mit den Pflegekassen bis zum Höchstsatz der jeweiligen Pflegestufe und bei einem Versicherten den darüberhinausgehenden Betrag mit dem Sozialhilfeträger abgerechnet. Ihm sei bekannt gewesen, dass die Pflege nicht nur von D.P., sondern auch von den weiteren Familienangehörigen durchgeführt worden sei. Außerdem habe er wiederholt Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI geltend gemacht und dabei wahrheitswidrig behauptet, die private Pflegeperson U.P. sei an der Pflege gehindert gewesen, wodurch Kosten entstanden seien, obwohl sie tatsächlich zu keinem Zeitpunkt verhindert gewesen sei und tatsächlich auch keine Kosten entstanden waren.

Am 14. Juni 2012 erhob der Kläger beim SG Klage (S 8 KR 1564/12, nachfolgend S 8 KR 2413/14) und machte die Vergütung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber Versicherten der Beklagten geltend. Gegenstand dieses Verfahrens waren Leistungen gegenüber Versicherten aus der Wohngemeinschaft Haus O1. Der Kläger nahm diese Klage im Termin zur Erörterung des Sachverhalts und Beweisaufnahme am 17. Februar 2016 zurück, nachdem die als Zeugin vernommene K1, die nach den Angaben des Klägers als seine Mitarbeiterin im Haus O1 tätig gewesen sei, bekundet hatte, mit dem Kläger keinen Arbeitsvertrag geschlossen und von diesem auch keine Zahlungen erhalten zu haben. Auf die am 17. Februar 2021 gegenüber dem SG erklärte Anfechtung der Klagerücknahmeerklärung (S 8 KR 372/21 WA) stellte das SG mit Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2021 fest, dass das Verfahren S 8 KR 2413/14 durch Klagerücknahme am 17. Februar 2016 erledigt sei. Die dagegen eigelegte Berufung des Klägers (L 4 KR 2463/21) hat der Senat mit Urteil vom heutigen Tag zurückgewiesen.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Vergütung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der Medikamentengabe gegenüber der seinerzeit in Pflegestufe II eingestuften Versicherten L. im Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Dezember 2016.

Mit Verordnung vom 28. Oktober 2015 hatten die H1 und M1 häusliche Krankenpflege in Form der Medikamentengabe (dreimal täglich/siebenmal pro Woche) für den Zeitraum vom 1. November bis 31. Dezember 2015 und mit Verordnung vom 21. Dezember 2015 für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2016 verordnet, darüber hinaus mit Verordnung vom 23. Juni 2016 auch für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2016. Die Beklagte lehnte eine Genehmigung der Verordnungen vom 28. Oktober 2015 und 21. Dezember 2015 gegenüber der Versicherten L. und die Kostenübernahme gegenüber dem Kläger zunächst mit der Begründung ab, die Kündigung des Versorgungsvertrages nach dem SGB XI führe automatisch auch dazu, dass der Kläger nicht mehr über eine Zulassung zur Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege verfüge.

Am 5. Februar 2016 erhob der Kläger deshalb beim SG mit dem Begehren Klage (S 8 KR 234/16), die von den behandelnden Ärzten verordneten Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der Medikamentengabe vom 1. November 2015 bis 30. Juni 2016 zu genehmigen und die zum seinerzeitigen Zeitpunkt bereits in Rechnung gestellten Leistungen für die Monate November 2015 bis Januar 2016 zu vergüten. Im Laufe des Verfahrens hielt die Beklagte an der zuvor vertretenen Auffassung nicht mehr fest und bewilligte gegenüber der Versicherten L. mit Bescheiden vom 9. Juni 2016 zum einen für den Zeitraum vom 1. November bis 31. Dezember 2015 und zum anderen für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. März 2016 die verordnete häusliche Krankenpflege in Form der Medikamentengabe. Mit Bescheid vom 21. Juli 2016 bewilligte sie im Übrigen die verordnete Krankenpflege für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2016.

Bereits am 8. Februar 2016 hatte die Beklagte den MDK mit einer Abrechnungs- und Strukturprüfung beauftragt, die durch die Krankenschwestern und Pflegefachkräfte K2 und M2 im Februar 2016 in Bezug auf die Versicherte L. und vier weitere Versicherte der Beklagten durchgeführt wurde. In ihrem Gutachten vom 29. Februar 2016 führten sie zusammenfassend aus, dass bei den geprüften Abrechnungen der Jahre 2012 bis 2015 bei allen Versicherten Abweichungen in den Abrechnungen festzustellen gewesen seien. Da die wesentlichen Einsatznachweisdokumente nicht geeignet seien, einem Mitarbeiter einen Dienst und/oder einem Versicherten zuzuordnen und Stundennachweise gänzlich fehlten, müsse die Rechnungsstellung als nicht korrekt angesehen werden. Insgesamt seien 20.560,17 € zu viel in Rechnung gestellt worden. Die als Dienstplan vorgelegten Dokumente erfüllten in allen Punkten nicht die Anforderungen eines Rahmendienstplans; einem Mitarbeiter könne nicht zweifelsfrei ein Dienst und/oder ein Versicherter zugeordnet werden. Tourenpläne zur Präzisierung der Dienstpläne seien ausschließlich für den Mitarbeiter R1 vorhanden. Diese deckten sich nicht immer mit den abgezeichneten Leistungsnachweisen. Mehrmals sei der Mitarbeiter nach seinem Tourenplan eingeplant, habe aber Leistungen auf dem Leistungsnachweis nicht abgezeichnet oder habe Leistungen abgezeichnet, ohne dass er auf dem Tourenplan eingeplant gewesen sei. Bei zwei Einsätzen habe er sich laut Tourenplan im Urlaub befunden, habe aber den Leistungsnachweis abgezeichnet. Von Mitarbeitern bestätigte Stunden-/Arbeitsnachweise lägen im Übrigen nicht vor. Im Hinblick auf den Monat November 2015 stellten die Gutachterinnen im Einzelnen fest, dass der Krankenpfleger R1 den Leistungsnachweis 23-mal abgezeichnet habe, wobei die Eintragung hierbei fünfmal nachträglich korrigiert worden sei. Laut Tourenplan sei der Mitarbeiter bei zwei Einsätzen nicht eingeplant gewesen. Ein Stundennachweis liege nicht vor. Der Kläger habe den Leistungsnachweis dreimal abgezeichnet; ein Tourenplan und ein Stundennachweis lägen nicht vor. Der Leistungsnachweis sei darüber hinaus 34-mal von Mitarbeitern ohne formale Qualifikation abgezeichnet worden, wovon das Handzeichen achtmal keinem Mitarbeiter habe zugeordnet werden können. Diese Leistungen seien nicht in Rechnung gestellt worden. Entsprechende Auffälligkeiten beschrieben die Gutachterinnen auch in den Monaten Dezember 2015 und Januar 2016.

Mit Urteil vom 13. September 2018 wies das SG die zuletzt auf Zahlung der Vergütung für Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber der Versicherten L. in den Monaten November 2015 bis Januar 2016 und August 2017 in Höhe von 1.004,40 € gerichtete Klage ab. Auch die dagegen beim LSG Baden-Württemberg eingelegte Berufung (L 5 KR 4351/18) blieb erfolglos (Urteil vom 23. Oktober 2019). Zur Begründung führte der 5. Senat aus, der geltend gemachte Vergütungsanspruch stehe dem Kläger nicht zu, da er nicht in der von § 6 des Rahmenvertrages geforderten Form nachgewiesen habe, dass die Verabreichung der Medikamente durch eine „geeignete Pflegekraft“ erfolgt sei. Der Kläger verfüge entgegen seiner Verpflichtung nach den §§ 3 und 6 des Rahmenvertrags nicht über ein verlässliches Dokumentationssystem, das eine zuverlässige Zuordnung der einzelnen Medikamentengaben zu einer geeigneten Pflegekraft im Sinne des § 37 SGB V ermögliche. Tatsächlich seien Leistungen der Behandlungspflege in Form der Medikamentengabe bei der Versicherten L. nur zum Teil durch geeignete Pflegekräfte erbracht worden, zum Teil seien sie auch von Mitarbeitern ohne die erforderliche formale Qualifikation durchgeführt worden, was der Kläger selbst eingeräumt habe. Im streitigen Zeitraum seien als Fachkräfte neben dem Kläger selbst (zu 100 %) lediglich der Krankenpfleger R1 (zu 80 %), der Krankenpflegehelfer N1 (zu 100 %) und die Altenpflegerin und Ehefrau des Klägers R3 (zu 80 %) beschäftigt gewesen. Die durchzuführende Medikamentengabe sei regelmäßig nur in einem geringen Umfang durch die beiden Pflegefachkräfte R1 und den Kläger erfolgt, während die überwiegend eingesetzten Mitarbeiterinnen S1, W1 und W2 nicht über eine pflegerische Qualifikation verfügten. Auch wenn der Kläger eine Vergütung nur für die von ihm und der Pflegefachkraft R1 durchgeführten Einsätze begehre, scheitere der geltend gemachte Vergütungsanspruch insgesamt an der mangelnden Verlässlichkeit der nach Maßgabe des § 6 des Rahmenvertrags erforderlichen Pflegedokumentation. Denn zur vollen Überzeugung des Senats stehe fest, dass alle für den streitigen Zeitraum erstellten Pflegedokumentationen vom Kläger nicht sachgerecht und kontinuierlich im Sinne des § 6 des Rahmenvertrags geführt worden seien. Nach Überzeugung des Senats seien die einzelnen Medikamentengaben jedenfalls in zahlreichen Fällen nicht durch den jeweils auf dem Durchführungskontrollblatt Unterzeichnenden erfolgt. Daher ließen die geführten Pflegedokumentationen keinen zuverlässigen Rückschluss dahingehend zu, ob die vergütungsauslösenden Einsätze im Einzelfall tatsächlich von „geeigneten Fachkräften“ durchgeführt worden seien. Dass die auf dem jeweiligen Durchführungskontrollblatt unterzeichnende Person in vielen Fällen nicht mit derjenigen Person übereinstimme, die den Einsatz tatsächlich durchgeführt habe, ergebe sich auch aus den Feststellungen des SG in den Verfahren S 8 P 2636/17 und S 8 KR 2413/14, wonach Mitarbeiter des Pflegedienstes des Klägers die Leistungsnachweise regelmäßig nicht wie erforderlich in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den einzelnen Einsätzen, sondern erst am Monatsende gesammelt abgezeichnet hätten. Zudem hätten die Eintragungen in den Durchführungskontrollblättern des R1 teilweise nicht mit dessen Tourenplanung übereingestimmt, was sich aus den im Gutachten des MDK vom 29. Februar 2016 dokumentierten Feststellungen ergebe. Insgesamt böten die in dem streitgegenständlichen Zeitraum geführten Pflegedokumentationen keine ausreichende Gewähr dafür, dass die darin enthaltenen Angaben, insbesondere im Hinblick auf die eingesetzten Pflegepersonen den Tatsachen entsprechen.

Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist die am 30. Dezember 2019 beim SG erhobene Klage, mit der der Kläger nunmehr eine Vergütung für im Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Dezember 2016 erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der Medikamentengabe gegenüber der Versicherten L. in Höhe von 3.433,40 € begehrte. Hierzu legte er die nachfolgend aufgeführten Rechnungen mit Durchführungskontrollblatt vor, mit denen er die jeweiligen Einsätze (Leistungsgruppe I) mit je 8,40 € und Sonntagszuschläge mit je 1,04 € abrechnete: Rechnungen vom 3. März 2016 (Leistungen im Februar 2016: 24 Einsätze, 9 Sonntagszuschläge, Rechnungsbetrag: 210,96 €) und 2. April 2016 (Leistungen im März 2016: 29 Einsätze, 12 Sonntagszuschläge, Rechnungsbetrag: 256,08 €), drei Rechnungen vom 17. September 2016 (Leistungen im April 2016: 29 Einsätze, 9 Sonntagszuschläge, Rechnungsbetrag: 252,96 €; Leistungen im Mai 2016: 31 Einsätze, 19 Sonntagszuschläge, Rechnungsbetrag: 280,16 €; Leistungen im Juni 2016: 31 Einsätze, 10 Sonntagszuschläge, Rechnungsbetrag: 270,80 €), Rechnungen vom 4. August 2016 (Leistungen im Juli 2016: 44 Einsätze, 13 Sonntagszuschläge, Rechnungsbetrag: 383,12 €), 3. September 2016 (Leistungen im August 2016: 60 Einsätze, 11 Sonntagszuschläge, Rechnungsbetrag: 515,44 €), 6. Oktober 2016 (Leistungen im September 2016: 42 Ein-
sätze, 6 Sonntagszuschläge, Rechnungsbetrag: 359,04 €), 2. November 2016 (Leistungen im Oktober 2016: 31 Einsätze, 6 Sonntagszuschläge, Rechnungsbetrag: 266,64 €), 7. Dezember 2016 (Leistungen im November 2016: 47 Einsätze, 10 Sonntagszuschläge, Rechnungsbetrag: 405,20 €) und 4. Januar 2017 (Leistungen im Dezember 2016: 27 Einsätze, 6 Sonntagszuschläge, Rechnungsbetrag: 233,04 €). Zur Begründung führte der Kläger aus, er verfüge über einen Versorgungsvertrag zur Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege, die in Rechnung gestellten Leistungen seien ordnungsgemäß von seinen Mitarbeitern (Pflegefachkräfte und andere geeignete Pflegekräfte) erbracht worden und von diesen mit dem jeweiligen Handzeichen abgezeichnet worden. Es seien der Beklagten nur die von Pflegefachkräften erbrachten Leistungen in Rechnung gestellt worden. Soweit die Beklagten Einwendungen gegen ihre Vergütungspflicht erhoben habe, träfen diese nicht zu. Insoweit legte er ausführlich die aus seiner Sicht durch die Beklagte bzw. deren Mitarbeiter im Zeitraum von 2007 bis 2019 begangenen Rechtsverstöße dar.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte aus, dass der Kläger zu dem vorliegenden Sachverhalt bezüglich der Versicherten L. bereits die Verfahren S 8 KR 234/16 und S 5 KR 4251/18 im Hinblick auf Rechnungen für die Monate November 2015 bis Januar 2016 und August 2017 geführt habe und unverständlich sei, weshalb er eine weitere Klage erhoben habe. Die in den früheren Verfahren gewonnenen Erkenntnisse ließen sich auch auf die nunmehr eingeklagten Vergütungen übertragen. Andernfalls sei es erforderlich, dass der Kläger die Dienstpläne und Lohnkonten des eingesetzten Personals vorlege und nachweise, dass die nach dem Rahmenvertrag geltenden Strukturvoraussetzungen, insbesondere die geforderte personelle Besetzung in der Zeit von Februar bis Dezember 2016, erfüllt gewesen seien. Für Leistungen in den Monaten April, Mai und Juni 2016 bestehe im Übrigen bereits deshalb kein Vergütungsanspruch, weil in diesem Zeitraum eine Genehmigung der Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der Medikamentengabe nicht vorgelegen habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 22. Oktober 2020 wies das SG die Klage unter Hinweis auf die Ausführungen des SG im Urteil vom 13. September 2018 (S 8 KR 234/16) und des LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 23. Oktober 2019 (L 5 KR 4251/18) ab. Auch in den vorliegend streitbefangenen Monaten Februar bis Dezember 2016 sei davon auszugehen, dass es am Gesamtbild einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung, die einen Vergütungsanspruch rechtfertigen würde, fehle. Für die Monate April bis Juni 2016 fehle es darüber hinaus an der Genehmigung der streitbefangenen Leistungen durch die Beklagte. Soweit der Kläger insoweit hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Genehmigung der behandlungspflegerischen Leistungen begehre, sei die Klage mangels Klagebefugnis unzulässig.

Am 13. November 2020 hat der Kläger dagegen beim LSG Baden-Württemberg Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe sich zu Unrecht auf die Ausführungen des LSG in dem Verfahren L 5 KR 4251/18 berufen. Zwar habe sich auch das seinerzeitige Verfahren auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber der Versicherten L. bezogen, jedoch seien damals andere Monate streitig gewesen. Die im vorliegenden Verfahren streitigen Monate seien weder vom MDK noch von der Beklagten geprüft worden. Er habe schon die damaligen Entscheidungen als seltsam empfunden, da das offenkundig rechtswidrige Verhalten der Beklagten (Betrug gegenüber der Versicherten L. durch rechtswidrige Behauptung, er habe keine Zulassung nach dem SGB V; rechtswidrige Ablehnung der ärztlichen Verordnung, obwohl dem früher und später dort tätig gewesenen Pflegedienst die ärztliche Verordnung genehmigt worden sei; Nötigung gegenüber der Versicherten L., den Widerspruch gegen die Ablehnung zurückzunehmen) nicht gewürdigt worden sei. Die Prüfung durch den MDK habe im Übrigen ergeben, dass nur ca. fünf von 180 Namenszeichen auf den Leistungsnachweisen keinen Mitarbeitern zuzuordnen gewesen seien. Dies berechtige nicht dazu, die gesamte Abrechnung zurückzuweisen. Hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Vergütung sei keine einzige Abrechnung strittig. Entsprechend seien alle Leistungen ordnungsgemäß erbracht und die Rechnungsbeträge zu vergüten. Wie schon in den vorausgegangenen Monaten seien auch jetzt nur die von Pflegefachkräften erbrachten Leistungen in Rechnung gestellt worden. Die Prüfung des MDK sei im Übrigen rechtswidrig gewesen, sodass hierauf nicht Bezug genommen werden könne.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22. Oktober 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 3.433,44 € zuzüglich Mahnkosten und Zinsen seit dem Zeitpunkt der jeweiligen Fälligkeit zu zahlen,
hilfsweise diese zu verpflichten, die Verordnung vom 21. Dezember 2015 für den Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2016 zu genehmigen.

Die Beklagte beantragt,

                        die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Dem Kläger sei es in dem anhängigen, ebenso wie in dem früheren Verfahren nicht gelungen, die vertragskonforme und ordnungsgemäße Abrechnung der Leistungen und Erfüllung der Strukturvoraussetzungen nach dem geltenden Rahmenvertrag zu beweisen. Die in den Verfahren S 8 KR 234/16 und L 5 KR 4251/18 festgestellte und nicht akzeptable Art und Weise der Leistungserbringung sei auch bei den Abrechnungen für die Monate Februar bis Dezember 2016 erkennbar. Dies betreffe insbesondere die Medikamentengabe von nicht für diese Tätigkeit zugelassenen Personen. Der Kläger bleibe die Begründung dafür schuldig, dass die in dem vorangegangenen Verfahren festgestellten Mängel bei den hier streitigen Rechnungen nicht vorlägen. Im Übrigen stehe es dem Kläger nicht zu, sich in das Antrags- und Entscheidungsverfahren in Bezug auf ihre Versicherten einzumischen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Verfahrensakten des Senats und des SG sowie die Akten der Verfahren S 8 KR 234/16 und L 5 KR 4251/18.


Entscheidungsgründe

1. Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 SGG statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da der maßgebliche Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750,00 € überschritten ist. Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von insgesamt 3.433,44 €.

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren des Klägers auf Zahlung der Vergütung für Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form von Medikamentengabe gegenüber der Versicherten L. von Februar bis Dezember 2016 in einer Gesamthöhe von 3.433,44 €.

3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der Medikamentengabe in den Monaten Februar bis Dezember 2016 in der geltend gemachten Höhe zuzüglich Zinsen und Mahnkosten.

Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Vergütungsanspruch ist der auf der Grundlage des § 132a SGB V u.a. mit der Beklagten geschlossene Rahmenvertrag nach § 132a SGB V über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, der aufgrund der Verpflichtungserklärung des Klägers vom 7. Januar 1999 Grundlage der Leistungserbringung des vom Kläger betriebenen Alten- und Krankenpflegedienstes gegenüber Versicherten der Beklagten war. Nach § 1 Abs. 1 des Rahmenvertrags regelt dieser Inhalt, Umfang, Vergütung sowie Prüfung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V. § 2 des Rahmenvertrags regelt den Inhalt der häuslichen Krankenpflege, wozu Leistungen der Grundpflege (Abs. 1), Leistungen der Behandlungspflege (Abs. 2) und Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung (Abs. 3) gehören. Die Behandlungspflege umfasst nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des Rahmenvertrags ärztlich verordnete Maßnahmen der Krankenbehandlung. Dazu gehören ausschließlich solche medizinischen Leistungen, die nicht vom behandelnden Arzt selbst erbracht werden, zur Unterstützung der ärztlichen Behandlung im Interesse der Erreichung des angestrebten Therapieziels jedoch erforderlich sind (Satz 2). Grundsätzlich beinhalten die einzelnen Leistungen die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Maßnahme (Satz 3). Satz 4 der Regelung führt zahlreiche Behandlungspflegemaßnahmen auf und hierbei insbesondere die Medikamentenüberwachung/-verabreichung. Nach § 3 Abs. 1 des Rahmenvertrags wird häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V durch geeignete Pflegekräfte erbracht. Nach Abs. 2 Buchst. a der Regelung sind in der Behandlungspflege geeignete Pflegekräfte Krankenschwestern/-pfleger, Kinderkrankenschwestern/-pfleger und Altenpfleger/-innen, jeweils mit staatlicher Anerkennung. Diese werden als Pflegefachkräfte bezeichnet. Soweit Gegenstand der Behandlungspflege u.a. ausschließlich Medikamentenüberwachung/-verabreichung ist, kann diese Dienstleistung nach Abs. 2 Buchst. b auch von Pflegekräften mit abgeschlossener Ausbildung zum/zur Krankenpflegehelfer/-in oder Altenpflegehelfer/-in, jeweils mit staatlicher Anerkennung erbracht werden. Krankenpflegehelfer/in und Altenpflegehelfer/in werden insoweit als Pflegekräfte mit einjähriger Ausbildung bezeichnet (Satz 2). Nach § 6 des Rahmenvertrags hat der Leistungserbringer die vorzuhaltende Pflegedokumentation sachgerecht und kontinuierlich zu führen und im Haushalt des Versicherten aufzubewahren. Gemäß § 5 Abs. 2 des Rahmenvertrags können die Krankenkassen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Qualitätsprüfungen nach dem in Nr. 5 der Qualitätsrichtlinien nach § 80 SGB XI beschriebenen Verfahren einleiten und durchführen lassen.

Ausgehend hiervon steht dem Kläger die geltend gemachte Vergütung nicht zu.

Wie der 5. Senat in seinem Urteil vom 23. Oktober 2019 in dem Verfahren L 5 KR 4251/18 bereits ausgeführt hat, sind für die Leistungserbringung des Klägers die §§ 3 und 6 die zentralen Bestimmungen des Rahmenvertrages. Danach stellt der Leistungserbringer sicher, dass die angebotenen Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V durch „geeignete Pflegekräfte“ erbracht werden. Die jeweiligen Einsätze sind zu dokumentieren. Dabei ist der Leistungserbringer verpflichtet, sämtliche Maßnahmen der Behandlungspflege, zu denen auch die hier streitige Verabreichung von Medikamenten gehört, in einer Pflegedokumentation zu erfassen, diese Dokumentation vorzuhalten sowie sachgerecht und kontinuierlich zu führen. Diese dem Leistungserbringer obliegende Verpflichtung dient nicht nur dazu, eine ordnungsgemäße Behandlungspflege, insbesondere bei der Übergabe von einer Pflegefachkraft auf eine andere sicherzustellen, sie ist auch die erforderliche und allein taugliche Grundlage für die Feststellung, dass eine von der Beklagten zu vergütende Leistung der Behandlungspflege tatsächlich erbracht worden ist.

Ausgehend hiervon ist zunächst festzustellen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum – wie auch schon in den im vorausgegangen Rechtstreit streitigen Monaten (November 2015 bis Januar 2016, August 2017) – ausweislich der von ihm vorgelegten Durchführungskontrollblättern bei der Versicherten L. zur Medikamentengabe weit überwiegend keine geeigneten Pflegekräfte einsetzte, weil die die Leistungserbringung abzeichnenden Personen nicht über die erforderliche Qualifikation verfügten und damit die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages nicht erfüllten. So ist beispielsweise in dem Durchführungskontrollblatt für den Monat Februar 2016 ausgewiesen, dass von den dokumentierten 65 Medikamentengaben lediglich 24 durch geeignete Fachkräfte (nämlich den Kläger selbst bzw. den Krankenpfleger R1) erfolgten. Entsprechendes weisen auch die Durchführungskontrollblätter für die nachfolgenden Monate aus, wobei im Dezember 2016 von den dokumentierten insgesamt 85 Medikamentengaben lediglich 27 durch geeignete Fachkräfte erbracht wurden. Statt geeigneter Fachkräfte weisen die Durchführungskontrollblätter für die Medikamentengabe die Personen S1, W1 und W3 aus, die über keine pflegerische Qualifikation verfügen, weder im Sinne des § 3 Abs. 2 Buchst. a des Rahmenvertrages noch im Sinne des Buchst. b der genannten Regelung. Der Senat entnimmt dies den Ausführungen der Gutachterinnen K2 und M2 in ihrem für den MDK erstatteten Gutachten vom 29. Februar 2016, das im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden konnte (vgl. etwa BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Danach verfügen die genannten Personen nicht über eine formale Qualifikation und sind daher keine geeigneten Pflegekräfte im Sinne des Rahmenvertrages. Der Kläger hat weder in dem früheren Rechtsstreit noch in dem anhängigen Verfahren Gegenteiliges behauptet. Er hat insbesondere keine Nachweise vorgelegt, aus denen die erforderliche fachliche Qualifikation für die Erbringung von Behandlungspflege in Form der Medikamentengabe abgeleitet werden könnte. Soweit der Kläger diesbezüglich vorgebracht hat, er habe nur die Leistungen abgerechnet, die von geeigneten Pflegekräften erbracht worden seien, ändert dies nichts daran, dass unter seiner Verantwortung durch seinen Pflegedienst behandlungspflegerische Leistungen durch fachlich nicht qualifizierte Personen und damit unter Verstoß gegen die Verpflichtungen aus dem Rahmenvertrag erbracht wurden.

Weiter ist festzustellen, dass der Kläger nicht über ein den Anforderungen des Rahmenvertrags genügendes Dokumentationssystem verfügt, das zuverlässig eine Zuordnung der einzelnen Medikamentengaben zu der jeweils eingesetzten bzw. geeigneten Pflegekraft im Sinne des § 37 SGB V ermöglichen würde. Auch insoweit stützt sich der Senat auf die Ausführungen der Gutachterinnen K2 und M2 in ihrem für den MDK erstatteten Gutachten vom 29. Februar 2016. Auch der 5. Senat ging in dem Verfahren L 5 KR 4251/18 ausweislich seines Urteils vom 23. Oktober 2019 davon aus, dass die in der Einrichtung des Klägers geführten Pflegedokumentationen keinen zuverlässigen Schluss dahingehend zuließen, dass die vergütungsauslösenden Einsätze im Einzelfall tatsächlich von „geeigneten Fachkräften“ durchgeführt wurden. Denn in zahlreichen Fällen war nicht nachvollziehbar, dass die einzelnen Medikamentengaben tatsächlich durch die jeweils auf dem Durchführungskontrollblatt unterzeichnende Person durchgeführt worden war. So stimmten die Eintragungen in den Durchführungskontrollblättern des R1 teilweise nicht mit dessen Tourenplan überein und im Hinblick auf die angegebenen Einsätze des Klägers existierte bereits kein Tourenplan, mit dem die Einsätze hätten nachvollzogen werden können. Darüber hinaus existierte weder für R1 noch für den Kläger ein Stundennachweis. So hatte R1 das Durchführungskontrollblatt im November 2015 insgesamt 23-mal abgezeichnet, wobei davon die Eintragung fünfmal nachträglich korrigiert worden war. Laut Tourenplan war R1 bei zwei Einsätzen jedoch überhaupt nicht eingeplant. Er zeichnete am 2. November 2015 morgens und mittags eine Medikamentengabe bei der Versicherten ab, obwohl sein Tourenplan an diesem Tag keinen Einsatz bei der Versicherten vorsah. Auch am 17. November 2015 zeichnete er morgens eine Medikamentengabe ab, obwohl ein Besuch bei der Versicherten im Tourenplan nicht aufgeführt war. Entsprechendes gilt für den 2. Dezember 2015, an dem R1 abends eine Medikamentengabe abzeichnete, ohne dass er an diesem Tag laut Tourenplan hierfür eingeplant gewesen wäre. Einen Stundennachweis, der behauptete kurzfristige Verschiebungen und Krankheitsvertretungen hätte plausibel machen können, hatte der Kläger nicht vorgelegt, obwohl R1 in seiner Zeugenvernehmung vor dem SG angegeben hatte, nach Arbeitsstunden entlohnt worden zu sein, was einen Stundennachweis erfordern würde. Nicht plausibel waren auch die Eintragungen im Durchführungskontrollblatt für den 21. und 22. Dezember 2015, an denen bei der Versicherten L. jeweils ab 19:00 Uhr W1 anwesend gewesen sein sollte, während sie die Medikamentengabe aber nur am 22. Dezember 2015 durchgeführt habe und diese am 21. Dezember 2015 durch R1 erfolgt sein sollte. Nicht erklärbar ist insoweit, warum an einem Tag gleich zwei Mitarbeiter des Klägers bei der Versicherten L. im Einsatz gewesen sein sollten. Dabei bestätigte der Umstand, dass das Handzeichen von W1 am 21. Dezember 2015 ausgestrichen und durch dasjenige des R1 ersetzt worden war, nur die Zweifel an der Richtigkeit der im Durchführungskontrollblatt enthaltenen Angaben. Darüber hinaus weisen nicht zuletzt auch die Erkenntnisse über das Abrechnungsverhalten des Klägers in Bezug auf Versicherte der Wohngemeinschaft der I.P. und dem Haus O1 auf unplausible Dokumentationen und unzutreffende Abrechnungen hin.

Ausgehend hiervon vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass die im vorliegenden Verfahren im Streit stehenden und vom Kläger der Beklagten in Rechnung gestellten Leistungen in den Monaten Februar bis Dezember 2016 ordnungsgemäß erbracht wurden. Auch in dem nunmehr streitigen Zeitraum verstieß der Kläger gegen seine Pflicht aus dem Rahmenvertrag, die behandlungspflegereichen Leistungen in Form der Medikamentengabe durch geeignete Pflegekräfte zu erbringen und setzte stattdessen in großem Umfang S1, W1 und W3 ein, die über keine formale Qualifikation verfügten. Auch ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger ab Februar 2016 – anders als in dem vorausgehenden Zeitraum November 2015 bis Januar 2016 – nun verlässliche Pflegedokumentationen führte, aus denen zuverlässig abzuleiten wäre, dass die in den Leistungsnachweisen aufgeführten Einsätze in der dokumentierten Form auch tatsächlich stattgefunden haben. Der Kläger hat weder im Klage- noch im Berufungsverfahren hierfür geeignete Dokumente, wie Dienst-, Touren-, Einsatzpläne und Stundennachweise, vorgelegt. Er legte im Klageverfahren lediglich die Rechnungen vom 3. März, 2. April, 17. September (drei Rechnungen), 3. September, 6. Oktober, 2. November und 7. Dezember 2016 sowie 6. Januar 2017 zusammen mit dem jeweiligen Durchführungskontrollblatt für in den Monaten Februar bis Dezember 2016 erbrachte Leistungen vor. Im Hinblick auf die Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die gegenüber der Versicherten L. erbrachten behandlungspflegerischen Leistungen und des vom Kläger in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens mit dem Einsatz von Pflegekräften, die weder bei ihm beschäftigt waren noch über pflegerische Fachkenntnisse verfügten, der Manipulation von Leistungsnachweisen und der Abrechnung tatsächlich nicht erbrachter Leistungen rechtfertigen diese Unterlagen nicht die Annahme, dass die der Beklagten in Rechnung gestellten Einsätze, so wie sie dokumentiert wurden, auch tatsächlich erfolgt sind, insbesondere von geeigneten Pflegekräften erbracht wurden.

Soweit der Kläger aus dem Umstand, dass die in dem vorliegenden Verfahren streitigen Monate Februar bis Dezember 2016 weder vom MDK noch von der Beklagten geprüft worden seien, schließt, dass keine der Abrechnungen strittig sei und die in Rechnung gestellten behandlungspflegerischen Leistungen daher allesamt ordnungsgemäß erbracht worden und mithin zu vergüten seien, verkennt er, dass er auch hinsichtlich der nunmehr im Streit stehenden Leistungen nicht in der von § 6 des Rahmenvertrags geforderten Form nachgewiesen hat, dass die streitigen Medikamentengaben durch geeignete Pflegekräfte erfolgten.

Entgegen der Ansicht des Klägers steht der Bezugnahme auf die Feststellungen der Gutachterinnen K2 und M2 in ihrem Gutachten vom 29. Februar 2016 schließlich nicht entgegen, dass deren Abrechnungs- und Strukturprüfung unzulässig und daher rechtswidrig gewesen wäre. Denn nach § 5 Abs. 2 des Rahmenvertrages können die Krankenkassen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Qualitätsprüfungen nach dem in Nr. 5 der Qualitätsrichtlinien nach § 80 SGB XI beschriebenen Verfahren einleiten und durchführen lassen. Eine solche Prüfung hatte die Beklagte hier veranlasst.

Eine Vergütung für Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege in Form der Medikamentengabe ausweislich der drei Rechnungen des Klägers vom 17. September 2016 betreffend die Monate April, Mai und Juni 2016 scheidet im Übrigen schon deshalb aus, weil insoweit keine Genehmigung der Beklagten vorliegt, Leistungen der häuslichen Krankenpflege jedoch der vorherigen Beantragung durch den Versicherten und der vorherigen Bewilligung gegenüber dem Versicherten durch die zuständige Krankenkasse bedürfen (BSG, Urteil vom 24. September 2002 – B 3 KR 2/02 R – juris, Rn. 10 ff.).

In Ermangelung eines Hauptanspruchs geht der vom Kläger geltend gemachte Antrag auf Mahnkosten und Zinsen ins Leere.

Schließlich konnte auch der Hilfsantrag des Klägers keinen Erfolg haben. Soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt, die Verordnung vom 21. Dezember 2015 für den Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2016 zu genehmigen, ist die Klage bereits mangels Klagebefugnis des Klägers unzulässig. Denn soweit die Beklagte die der Versicherten L. seitens der behandelnden Fachärzte für Allgemeinmedizin am 21. Dezember 2015 verordnete häusliche Krankenpflege für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2016 mit Bescheid vom 9. Juni 2016 lediglich für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. März 2016, nicht aber auch für den Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2016 genehmigte, macht der Kläger eine Rechtsverletzung der Versicherten L. durch die Beklagte geltend, nicht aber in eigenen rechtlich geschützten Interessen verletzt zu sein.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

6. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei war der Verzinsungsantrag nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da es sich insofern um eine Nebenforderung im Sinne von § 43 Abs. 1 GKG handelt.



 

Rechtskraft
Aus
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