Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. Mai 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Zwischenübergangsgeld für den Zeitraum 24. August 2016 bis 3. November 2019.
Der 1962 geborene Kläger ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann. Im Jahre 2008 schloss er eine Weiterbildung zum SAP-/ERP-Spezialisten ab und war anschließend bis 2015 als selbstständiger IT-Berater tätig (bzw. ab 1. Dezember 2013 in Erziehungszeit und währenddessen pflichtversichert bei der Beklagten). Vom 1. Mai bis 21. Juli 2015 war er sozialversicherungspflichtig beschäftigt als IT-Mitarbeiter (ERP-Berater). Seit 7. Juli 2015 war er arbeitsunfähig erkrankt. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt.
Vom 14. Juni bis 23. August 2016 absolvierte der Kläger eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation in der AHG Klinik S1. Er bezog währenddessen Übergangsgeld und anschließend vom 24. August 2016 bis 3. Januar 2017 Krankengeld.
Am 22. November 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Sein Antrag wurde mit Bescheid vom 22. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Juli 2017 abgelehnt. Im Widerspruchsverfahren hatte die Beklagte das psychiatrische Gutachten der L1 vom 2. Juni 2017 eingeholt, in dem die Diagnosen rezidivierende depressive Störung, jetzt leichte Episode und Persönlichkeitsakzentuierung genannt und eine berufliche Umorientierung oder Weiterqualifizierung in Form einer beruflichen Rehabilitation für nicht notwendig gehalten wurde. Die anschließende Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG, Az S 14 R 2687/17) wurde mit Gerichtsbescheid vom 14. März 2019 abgewiesen, nachdem u.a. eine Arbeitgeberauskunft eingeholt, der behandelnde S2 und die C1 als sachverständige Zeugen vernommen sowie das nervenärztliche Gutachten des H1 vom 17. Mai 2018 und das Gutachten der D1 B1 vom 10. November 2018 eingeholt wurden, in denen jeweils eine Minderung bzw. erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit des Klägers verneint wurden. Im anschließenden Berufungsverfahren (Az. L 2 R 1337/19) schlossen die Beteiligten in der nichtöffentlichen Sitzung vom 1. August 2019 einen Vergleich, in dem sich die Beklagte zur Gewährung von „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Berufsfindung /Arbeitserprobung" verpflichtete.
In Ausführung dieses Vergleichs bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 20. August 2019 dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und mit weiterem Bescheid vom 27. September 2019 eine Maßnahme zur Abklärung der beruflichen Eignung und Arbeitserprobung. Diese wurde vom 4. November bis 15. November 2019 im Berufsförderungswerk H2 (BFW) durchgeführt.
Seit 1. Februar 2020 absolviert der Kläger in Teilzeit (15 Wochenstunden) den Fernkurs zum staatlich geprüften Betriebswirt bei der Studiengemeinschaft D3. Diese Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben wurde dem Kläger mit Bescheid vom 3. April 2020 in Ausführung eines Beschlusses des SG vom 24. März 2020 (Az. S 5 R 406/20 ER) bewilligt.
Im Hauptsacheverfahren (Az: S 2 R 1943/20) verurteilte das SG die Beklagte mit Urteil vom 12. August 2021 unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Januar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2020, die Kosten für den in Teilzeit zu absolvierenden Fernkurses zum Staatlich geprüften Betriebswirt bei der Studiengemeinschaft D3 in der Zeit vom 1. Februar 2020 bis 31. Januar 2023 endgültig zu übernehmen bzw. den Kläger von den künftig anfallenden Kosten freizustellen und für diese Maßnahme Übergangsgeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Bereits mit Bescheid vom 4. Oktober 2019 lehnte die Beklagte die Gewährung von Zwischenübergangsgeld zwischen der medizinischen Rehabilitation 2016 und der bewilligten Arbeitserprobung im BFW (vom 4. November bis 15. November 2019) ab. Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen sei das Übergangsgeld weiterzuzahlen, wenn spätestens im Zeitpunkt des Abschlusses der Leistung zur medizinischen Rehabilitation objektiv feststehe, dass Teilhabeleistungen erforderlich seien. Die Voraussetzungen gemäß § 71 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) lägen nicht vor.
In seinem dagegen gerichteten Widerspruch vom 20. Oktober 2019 brachte der Kläger vor, die Voraussetzungen für die Gewährung von Zwischenübergangsgeld seien erfüllt. Es handele sich um eine gesamtplanfähige und —pflichtige Reha, die aus einer vorausgegangenen medizinischen Reha, der folgenden Berufsfindungsmaßnahme und einer nachfolgenden beruflichen Förderungsmaßnahme weitergeführt werde. Unzutreffend sei, dass nach Abschluss der medizinischen Reha keine Maßnahmen mehr erforderlich gewesen seien. Gerade deshalb sei der nachfolgende Rechtsstreit notwendig geworden. Mit dem Zugeständnis der Beklagten sei eindeutig klargestellt, dass weitere Maßnahmen notwendig gewesen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Während der medizinischen Rehabilitation habe noch nicht festgestanden, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Übergangsgeldanspruch notwendig seien. Eine Arbeitserprobung löse grundsätzlich keinen Übergangsgeldanspruch aus, da sie dem Verwaltungsverfahren zugeordnet sei. Erst im Zuge dieser Maßnahme könne festgestellt werden, ob weitere, übergangsgeldauslösende Maßnahmen erforderlich seien.
Dagegen hat der Kläger am 2. Januar 2020 Klage zum SG erhoben. Er sei aufgrund der Nichterfüllung des Sicherstellungsauftrags des Rehabilitationsträgers über die Dauer der Wartezeiten bis zu weiteren Maßnahmen sicherungsbedürftig und auf die Zahlung von Zwischenübergangsgeld angewiesen. Bereits aus dem Abschlussbericht aus dem Jahr 2016 gehe hervor, dass das Restleistungsvermögen im zuletzt ausgeübten Beruf auf unter drei Stunden abgesunken sei. Damit habe festgestanden, dass weitere Leistungen zur beruflichen Wiedereingliederung erforderlich seien. Er habe die Leistungen zur Teilhabe am 22. November 2016 beantragt und diese seien dann mit Bescheid vom 20. August 2019 bewilligt worden. Die zusätzlich gewährte Berufsfindung sei eine zwischengeschaltete Maßnahme zur Überprüfung der Eignung. Bei Versagen des Zwischenübergangsgeldes wären ihm zudem seine Ansprüche auf Erwerbsminderungsrente genommen, da er ohne Einkommen sei und keine Beiträge zur Rentenversicherung mehr abgeführt worden seien. Er sei unverschuldet durch Wartezeiten auf eine nachfolgende Maßnahme seit Auslaufen des Krankengeldes am 3. Januar 2017 sicherungsbedürftig geworden. Hätte die Beklagte von vornherein im Anschluss an die medizinischen Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt, hätte er Anspruch auf Übergangsgeld bzw. Zwischenübergangsgeld gehabt. Durch die Pflichtverletzung der Beklagten sei ein Schaden entstanden, insbesondere, weil Zwischenübergangsgeld nicht gewährt worden sei. Er sei im Wege der Naturalrestitution so zu stellen, wie er bei rechtmäßigem Verwaltungshandeln gestanden hätte.
Die Beklagte hat erwidert, aus dem Entlassungsbericht der medizinischen Rehabilitation habe sich keine Notwendigkeit für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ergeben. Empfohlen worden sei die Fortführung der ambulanten Psychotherapie, Glücksspiel- und Tabakabstinenz, die Kontrolle der pathologischen Laborwerte, die Vorstellung in der Schmerztherapie und die kontinuierliche Verordnung von Physiotherapie. Dass im Zuge des Berufungsverfahrens Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt worden seien, begründe keinen Anspruch auf Zwischenübergangsgeld.
Das SG hat am 12. März 2020 und am 15. April 2021 mit den Beteiligten Erörterungstermine durchgeführt.
Mit Urteil vom 3. Mai 2021 hat das SG die Klage – mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid vom 4. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 3. Dezember 2019 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Zwischenübergangsgeld für den Zeitraum vom 24. August 2016 bis 3. November 2019.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sei § 51 Abs. 1 SGB IX in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (aF; Gesetz vom 20.12.2011, BGBl I 2854). Danach gelte: Sind nach Abschluss von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich, während derer dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld besteht, und können diese aus Gründen, die die Leistungsempfänger nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden, werden das Verletztengeld, das Versorgungskrankengeld oder das Übergangsgeld für diese Zeit weitergezahlt, wenn
1. die Leistungsempfänger arbeitsunfähig sind und keinen Anspruch auf Krankengeld mehr
haben oder
2. ihnen eine zumutbare Beschäftigung aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht
vermittelt werden kann.
Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Es komme nicht darauf an, ob nach Abschluss der medizinischen Rehabilitation Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich gewesen seien, denn schon die Voraussetzungen des zweiten Halbsatzes seien nicht erfüllt. In der Zeit vom 24. August 2016 bis 3. Januar 2017 und damit unmittelbar im Anschluss an die medizinische Rehabilitation habe der Kläger Krankengeld bezogen. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX seien damit nicht gegeben, denn der Kläger sei arbeitsunfähig krank gewesen und habe Anspruch auf Krankengeld gehabt. Damit sei auch für den nachfolgenden Zeitraum ab 4. Januar 2017 ein Anspruch auf Zwischenübergangsgeld ausgeschlossen.
Die Kammer hat sich insoweit nach eigener Überprüfung den Ausführungen des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) im Urteil vom 1. August 2019 (L 6 KN 826/17) angeschlossen. Dieses habe zutreffend ausgeführt, dass nach dem Wortlaut von § 51 Abs. 1 SGB IX a.F. Voraussetzung einer Weiterzahlung sei, dass unmittelbar vor dem Zeitpunkt, zu dem die Weitergewährung des Übergangsgeldes geltend gemacht werde, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld gewährt worden sei. Vorliegend komme allein die Gewährung von Übergangsgeld in Betracht, welches der Kläger bis 23. August 2016 bezogen habe. Im Anschluss an die medizinische Rehabilitation habe er Krankengeld bis 3. Januar 2017 erhalten. Die Zahlung von Zwischenübergangsgeld nach dem Krankengeldbezug werde bereits nach dem Wortlaut von § 51 Abs. 1 SGB IX (a.F.) nicht erfasst, da nur die Weiterzahlung von Übergangsgeld bzw. Verletztengeld oder Versorgungskrankengeld geregelt werde (vgl. Schlette in jurisPK-SGB IX, § 71 Rn 13). Ein dem Kläger zustehender Anspruch auf Krankengeld schließe den Anspruch auf Zwischenübergangsgeld aus. Die Zahlung eines (Zwischen)Übergangsgeldes nach Auslaufen des Krankengeldanspruchs sei im Gesetz nicht vorgesehen. Eine solche Konstellation wäre auch keine "Weiterzahlung" der in § 51 Abs. 1 SGB IX (a.F.) genannten Leistungen, sondern eine Wiederbewilligung, die § 51 Abs. 1 SGB IX (a.F.) jedoch nicht vorsehe. Für eine Erweiterung des Anwendungsbereiches bestehe kein Raum. Einerseits setze die begehrte Leistung als persönliche Voraussetzung ein besonderes Sicherungsbedürfnis voraus (vgl. Schlette, a.a.0., Rn. 17), wobei ein bestehender Krankengeldanspruch dieses besondere Sicherungsbedürfnis gerade entfallen lasse. Andererseits stelle § 51 SGB IX (a,F.) eine Ausnahme zu dem in § 45 SGB IX (a.F.) enthaltenen Grundsatz dar, dass unterhaltssichernde Leistungen nur während der Dauer der Hauptmaßnahme erbracht würden (vgl. Schlette, a.a.0., Rn. 9 ff.). Aus diesem Ausnahmecharakter folge eine enge Auslegung, denn es handele sich um eine abschließende Regelung, eine erweiternde Auslegung komme mangels Regelungslücke nicht in Betracht (vgl. Schlette, a.a.0., Rn. 11). Durch den für die Zeit im unmittelbaren Anschluss an die medizinische Rehabilitation vom 24. August 2016 bis 3. Januar 2017 erfolgten Krankengeldbezug sei der Anwendungsbereich von § 51 SGB IX (a.F.) für den Kläger verschlossen (vgl. Sächsisches LSG, a.a.0.). Für die Zeit ab 1. Januar 2018 gelte die inhaltsgleiche Regelung des § 71 Abs. 1 SGB IX (i.d.F. vom 23. Dezember 2016, BGBl I 3234), so dass auch insoweit ein Anspruch auf Zwischenübergangsgeld nicht begründet werden könne.
Dem Kläger sei auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Zwischenübergangsgeld zu gewähren.
Der Herstellungsanspruch habe zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch <SGB I>), oder eine aufgrund eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Nebenpflicht zur Betreuung verletzt habe und dadurch ein sozialrechtlicher Nachteil entstanden sei. Schließlich müsse durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (st. Rspr. z.B. BSG 11.12.2014, B 11 AL 2/14 R, juris Rn 39); die Ersetzung von tatsächlichen Gegebenheiten oder Umständen aus der Sphäre des Berechtigten sei hingegen regelmäßig ausgeschlossen (BSG 27. Juni 2019, B 11 AL 8/18 R, juris Rn. 21). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei hier der Anwendungsbereich des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht eröffnet. Die Beklagte habe den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 22. November 2016 mit Bescheid vom 22. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Juli 2017 zeitnah abgelehnt. Im anschließenden Gerichtsverfahren sei nach Einholung von zwei Gutachten die Auffassung der Beklagten zunächst bestätigt worden (Gerichtsbescheid vom 14. März 2019, S 14 R 2687/17) und erst im Berufungsverfahren hätten die Beteiligten sodann einen Vergleich geschlossen über die Erbringung von Leistungen zur Berufsfindung bzw. Arbeitserprobung. Damit sei schon eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht ersichtlich.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 5. Mai 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Mai 2021 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
Das vom SG in Bezug genommene Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts sei in seinem Fall nicht einschlägig. Das Gesetz statuiere lediglich einen Vorrang des Krankengeldanspruchs dahingehend, dass der Leistungsempfänger zur Sicherung seines Lebensunterhalts zunächst auf den Krankengeldanspruch verwiesen sei und erst dann, wenn dieser ausgeschöpft sei, weiteres Übergangsgeld beanspruchen könne. Übergangsgeld sei – ebenso wie Krankengeld – eine ergänzende, unterhaltssichernde Leistung (SGB IX § 44 Abs. 1 a.F./§ 64 n.F.). Zweck des Weiterzahlungsanspruchs gemäß § 51 a.F. und § 71 n.F. sei eindeutig die Sicherung des Unterhalts des Leistungsempfängers in einem Zeitraum zwischen zwei Maßnahmen, für die jeweils ein Anspruch auf Übergangsgeld bestehe, sofern die Durchführung der Folgemaßnahme aus Gründen unterbleibe, die nicht der Leistungsempfänger zu vertreten habe und die deswegen nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden könne. Es sei unstreitig, dass es vorliegend um einen Zeitraum zwischen zwei Maßnahmen gehe, für die jeweils ein Anspruch auf Übergangsgeld bestanden habe. Dem Wortlaut des Gesetzes könne - anders als das SG dies interpretiere – nicht die Voraussetzung entnommen werden, dass unmittelbar vor dem Zeitpunkt, zu dem die Weitergewährung des Übergangsgeldes geltend gemacht werde, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld gewährt worden sei und ein zwischenzeitlicher Bezug von Krankengeld den Anspruch ausschließe. Das Gesetz verlange nicht einmal, dass der Anspruch auf Weiterzahlung des Übergangsgeldes „geltend“ gemacht werden müsse. Es gebe kein gesondertes Antragserfordernis. „Weiterzahlung“ könne nur bedeuten, dass der aufgrund der ersten Leistung bestehende Anspruch auf Übergangsgeld weiterbestehe und von Amts wegen erfüllt werden müsse. Denn Übergangsgeld sei, ebenso wie Krankengeld, Versorgungskrankengeld oder Verletztengeld, eine die Hauptleistung ergänzende Leistung (vgl. Überschrift Kapitel 6 a.F. bzw. Kapitel 11 n.F.), die parallel zur Hauptleistung zu erbringen sei, ohne dass der Leistungsempfänger insoweit einen gesonderten Antrag stellen müsse. Wenn die Hauptleistung nicht erbracht werden könne und der Leistungsempfänger die Verzögerung nicht zu vertreten habe, sei das Übergangsgeld weiterzuzahlen. Denn die Weiterzahlungsverpflichtung gemäß § 51 SGB IX schütze den Leistungsempfänger vor einer Gefährdung seines Unterhalts für die Zeit, in der eine zweite notwendige Leistung nicht erbracht werden könne und er auch nicht durch einen gegen die gesetzliche Krankenversicherung bestehenden Krankengeldanspruch geschützt sei, bzw. nicht auf eine zumutbare Beschäftigung verwiesen werden könne. Die Einschränkung „wenn der Leistungsempfänger keinen Anspruch auf Krankengeld mehr hat“ bedeute lediglich, dass die Zahlung des Krankengeldes in der Zuständigkeit der GKV vorrangig gegenüber dem Anspruch auf Übergangsgeld in der Zuständigkeit des Rehaträgers sei. Die Weiterzahlungsverpflichtung sei zugleich Ausdruck des Beschleunigungsgebotes, welches im gesamten Sozialleistungsrecht (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) und insbesondere im Reha-Recht gelte (vgl. beschleunigte Zuständigkeitsklärung gem. § 14 SGB IX). Der Reha-Träger werde durch die zwischen zwei Maßnahmen bestehende Weiterzahlungsverpflichtung zu einer beschleunigten Bearbeitung veranlasst.
Die Auslegung, die das SG vorgenommen habe, sei zudem auch nicht schlüssig: Wenn der Anspruch auf Übergangsgeld in dem Zwischenzeitraum zwischen zwei Teilhabeleistungen immer dann vollständig ausgeschlossen sein solle, wenn der Leistungsempfänger noch einen Anspruch auf Krankengeld habe, dann könne der Anspruch auf Weiterzahlung des Übergangsgeldes konsequenterweise überhaupt nur in den Fällen bestehen, in denen der Krankengeldanspruch gegen die gesetzliche Krankenkasse bereits vor Beginn der ersten Teilhabeleistung vollständig erschöpft sei. Denn Krankengeld sei eine Leistung nach dem SGB V und - sofern der Anspruch auf derselben Erkrankung beruhe – auf 78 Wochen in der Blockfrist von drei Jahren befristet (§ 48 SGB V). Die gesetzliche Krankenversicherung habe gemäß § 51 SGB V das Recht, das Gestaltungsrecht des Versicherten einzuschränken und diesen zu aufzufordern, einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen. In denjenigen Fällen, in denen die gesetzliche Krankenkasse von diesem Recht während des laufenden Krankengeldbezugs Gebrauch mache, dürfte es in der Mehrzahl der Fälle so sein, dass im Anschluss an die von dem Versicherten beantragte und dann auch durchgeführte Teilhabeleistung noch ein Anspruch auf Krankengeld bestehe, gleichwohl aber eine zweite Teilhabeleistung im Sinne des § 51 SGB IX erforderlich sei. In solchen Fällen wäre dann der Anspruch auf Weiterzahlung des Übergangsgeldes allein deshalb ausgeschlossen, weil der Versicherte auf Veranlassung der Krankenkasse den Antrag auf eine medizinische Reha oder eine LTA gestellt habe, und im Anschluss an die Beendigung dieser Maßnahme dann noch einen weitergehenden Anspruch auf Krankengeld habe. Eine derartig weitgehende Einschränkung habe der Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Die Vorschrift sei so zu interpretieren, dass die Unterhaltssicherung zwischen zwei Teilhabemaßnahmen entweder dem Leistungsempfänger selbst obliege, sofern er auf eine zumutbare Beschäftigung verwiesen werden könne (§ 51 Abs. 1 Ziff. 2 SGB IX) oder vorrangig in der Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu erfüllen sei, soweit noch ein Anspruch auf Krankengeld bestehe. Sobald dieser Anspruch ausgeschöpft sei, setze dann jedoch die Weiterzahlungsverpflichtung des Rehabilitationsträgers unmittelbar wieder ein. Einen anderen Sinn könnten die Vorschriften der §§ 51 Abs. 1 bzw. 71 Abs. 1 SGB IX nicht haben.
Auch sei die LTA-Maßnahme durch die Beklagte zu Unrecht abgelehnt bzw. verzögert worden, so dass ihm Zwischenübergangsgeld zustehe. Der Grundsatz des rechtlichen Gehöres sei verletzt, weil das SG nicht zuerst über die Hauptsache (bezüglich der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben – S 2 R 1943/20 bzw. L 13 R 2810/21) entschieden habe und weil weiterer Sachvortrag nicht habe erfolgen können, weil eine Entscheidung erst für Mitte Mai 2021 angekündigt gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. Mai 2021 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 04.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.12.2019 zu verurteilen, ihm Zwischenübergangsgeld für die Zeit vom 24.08.2016 bis 03.11.2019 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat an ihrem Rechtsstandpunkt festgehalten und auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheids verwiesen.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Zwischenübergangsgeld in der Zeit vom 24. August 2016 bis 3. November 2019.
Gemäß § 51 Abs. 1 SGB IX in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (a.F.; Gesetz vom 20.12.2011, BGBl I 2854, inhaltsgleich mit der aktuellen, ab 1. Januar 2018 geltenden Fassung des § 71 Abs. 1 SGB IX) gilt: Sind nach Abschluss von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich, während derer dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld besteht, und können diese aus Gründen, die die Leistungsempfänger nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden, werden das Verletztengeld, das Versorgungskrankengeld oder das Übergangsgeld für diese Zeit weitergezahlt, wenn
1. die Leistungsempfänger arbeitsunfähig sind und keinen Anspruch auf Krankengeld mehr
haben oder
2. ihnen eine zumutbare Beschäftigung aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht
vermittelt werden kann.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils unter Zugrundelegung der vorgenenannten Rechtsvorschrift und Verweis auf das Urteil des sächsischen Landessozialgerichts vom 1. August 2019 (L 6 KN 826/17) zutreffend dargelegt, dass der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Zwischenübergangsgeld im streitgegenständlichen Zeitraum daran scheitert, dass er in der Zeit vom 24. August 2016 bis 3. Januar 2017 und damit unmittelbar im Anschluss an die medizinische Rehabilitation Krankengeld bezogen hat, weshalb für die genannte Zeit gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX a.F. und auch für die Zeit ab 4. Januar 2017 ein Anspruch auf Zwischenübergangsgeld ausgeschlossen ist, weil nach dem Wortlaut von § 51 Abs. 1 SGB IX a.F. (bzw. ab 1. Januar 2018: § 71 Abs. 1 SGB IX) Voraussetzung einer Weiterzahlung ist, dass unmittelbar vor dem Zeitpunkt, zu dem die Weitergewährung des Übergangsgeldes geltend gemacht wird, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld gewährt worden ist.
Das SG hat ferner mit überzeugender Begründung einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Zwischenübergangsgeld im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs abgelehnt. Hierzu hat das SG schlüssig ausgeführt, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht erkennbar ist, weil sie den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 22. November 2016 mit Bescheid vom 22. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Juli 2017 zeitnah abgelehnt hat, im anschließenden Gerichtsverfahren nach Einholung von zwei Gutachten die Auffassung der Beklagten zunächst bestätigt worden ist (Gerichtsbescheid vom 14. März 2019 – AZ: S 14 R 2687/17) und die Beteiligten erst im Berufungsverfahren einen Vergleich über die Erbringung von Leistungen zur Berufsfindung bzw. Arbeitserprobung geschlossen haben.
Der Senat sieht insofern von einer (weiteren) Begründung seiner Entscheidung ab und verweist nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil vom 3. Mai 2021.
Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung auf die durch die Weiterzahlungsverpflichtung gemäß § 51 SGB IX beabsichtigte Unterhaltssicherung verwiesen hat und daraus die Verpflichtung zur Weiterzahlung des Zwischenübergangsgelds nach Ende des Anspruchs auf Krankengeld abgeleitet hat, lässt sich dies mit dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht vereinbaren. Übergangsgeld wird als akzessorische Leistung zur Teilhabeleistung grundsätzlich nur während deren Dauer geleistet. § 51 Abs. 1 SGB IX a.F. bzw. § 71 Abs. 1 SGB IX stellt demgegenüber eine Ausnahmeregelung dar, die eine erweiternde Auslegung oder entsprechende Anwendung ausschließt. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des sächsischen Landessozialgerichts (Urteil vom 1. August 2019, a.a.O., vgl. auch Kater in KassKomm, 111. EL September 2020, § 21 Rn, 67, Schlette in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 51 SGB IX Rn. 10) an.
Auch soweit der Kläger vorgebracht hat, dass die Auslegung des SG bedeute, dass der Krankengeldanspruch bereits vor dem Ende der ersten Rehabilitationsmaßnahme ausgeschöpft sein müsse und dies gerade in den Fällen, in denen auf Veranlassung der Krankenkasse ein Antrag auf eine medizinische Reha oder eine LTA gestellt werde, in der Regel nicht der Fall und vom Gesetzgeber keine so weitgehende Einschränkung beabsichtigt sei, kann dies aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung keine andere Entscheidung begründen.
Im Übrigen weist der Senat ergänzend darauf hin, dass auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht fingiert werden könnte, dass der Kläger – entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten – nach dem Ende der medizinischen Rehabilitation kein Krankengeld bezogen hat.
Soweit der Kläger beanstandet hat, der Rechtsstreit sei vor der Hauptsache (bezüglich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) entschieden worden, ist darauf hinzuweisen, dass es sich um unterschiedliche Streitgegenstände handelt und die Entscheidung über die Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben im Parallelverfahren keinen Einfluss auf die hier streitgegenständliche Frage hat, ob dem Kläger Zwischenübergangsgeld im davor liegenden Zeitraum vom 24. August 2016 bis 3. November 2019 zu gewähren ist. Auch der Vorwurf, die Entscheidung des SG sei überraschend bereits am 3. Mai 2021 erfolgt und er habe erst Mitte Mai 2021 mit einer Entscheidung gerechnet und sich noch ergänzend äußern wollen, ist aufgrund des Protokolls über den Erörterungstermin vom 15. April 2021 nicht nachvollziehbar und kann keine Verletzung des rechtlichen Gehörs begründen, weil ausweislich des Protokolls die Beteiligten übereinstimmend ihr (unbedingtes) Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben und auch kein Schriftsatzrecht – mit einer Frist – eingeräumt worden ist. Zudem wird auch keine Zurückverweisung an das SG beantragt; die Voraussetzungen hierfür (§ 159 SGG) lägen auch nicht vor.
Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, a.a.O., § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 13. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.