L 10 R 3518/22 WA

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 4 R 5638/19
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3518/22 WA
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Der Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Berufungsverfahrens L 10 R 1589/19 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens sind nicht zu erstatten.


Gründe

I.


Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Berufungsverfahrens L 10 R 1589/19.

In jenem Rechtsstreit ging es um die Gewährung von Zwischenübergangsgeld für die Zeit vom 07.03.2017 bis 02.05.2018. Der Kläger hatte in der Zeit vom 08.04. bis 29.04.2015 auf Kosten der Beklagten an einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der O1klinik S1 in S1 teilgenommen und später dann vom 03.05.2018 bis 29.04.2020 im Rahmen einer von der Beklagten gewährten Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) eine Ausbildung zum Wirtschaftsinformatiker durchlaufen. Seinen Antrag vom 14.11.2017 auf Gewährung von sog. Zwischenübergangsgeld lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, dass ein Zusammenhang zwischen der medizinischen Rehabilitation und der genannten LTA-Maßnahme nicht bestehe (Bescheid vom 24.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2018).

Die dagegen mit dem Begehren auf Gewährung von Zwischenübergangsgeld für die Zeit vom 07.03.2017 (Tag der Arbeitslosmeldung des Antragstellers nach dem Ende seines Beschäftigungsverhältnisses als Flugbegleiter am 31.03.2016) bis 02.05.2018 (Tag vor Beginn der Ausbildungsmaßnahme zum Wirtschaftsinformatiker) gerichtete Klage wies das Sozialgericht Freiburg (SG) mit Urteil vom 10.04.2019 (S 4 R 5638/18) ab, die Berufung des Klägers der erkennende Senat mit Beschluss vom 10.02.2022 (L 10 R 1589/19) gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zurück. Zur Begründung führte er tragend aus, dass der geltend gemachte Anspruch nach § 51 Abs. 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (bzw. inhaltsgleich § 71 Abs. 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung) bereits deshalb nicht bestehe, weil der Kläger weder im Anschluss an die medizinische Rehabilitationsmaßnahme in S1 noch unmittelbar vor der Arbeitslosengeldgewährung Übergangsgeld bezogen, sondern vielmehr bis Ende 2015 von Krankengeld respektive von Arbeitsentgelt (Übergangsversorgung der Deutschen L1 AG bis 31.03.2016) und sodann von Erspartem respektive seiner Firmenrente gelebt habe; es läge damit schon keine „Weiterzahlung“ (von Übergangsgeld) i.S. des Gesetzes vor und für eine entsprechende Erweiterung der gesetzlichen Regelung bestehe kein Raum, zumal auch das Bundessozialgericht (BSG) betonte habe (Hinweis auf BSG 12.06.2001, B 4 RA 80/00 R, in juris, Rn. 17), dass (Zwischen-)Übergangsgeld die wirtschaftliche Sicherstellung des Versicherten durch eine Geldleistung während einer von ihm nicht zu vertretenden Rehabilitations-Pause zwischen zwei Maßnahmen bezwecke, es sei denn, er bedürfe wegen des Bezuges von Krankengeld oder Arbeitsentgelt nicht eines solchen Schutzes. Ferner hat der Senat zusätzlich auch das weitere Tatbestandsmerkmal der „Erforderlichkeit“ in § 51 Abs. 1 SGB IX a.F./§ 71 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung - bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses der medizinischen Rehabilitation am 29.04.2015 - als nicht gegeben angesehen und sich dabei maßgeblich auf den ärztlichen Reha-Entlassungsbericht gestützt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen.

Die gegen die Nichtzulassung der Revision im Senatsbeschluss vom 10.02.2022 gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde an das BSG verwarf der dortige 5. Senat mit Beschluss vom 17.05.2022 (B 5 R 45/22 B) als unzulässig, nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers die von ihm (dem Kläger) persönlich angefertigte Beschwerdebegründung innerhalb der verlängerten Begründungsfrist lediglich übermittelt habe, ohne hierfür die volle Verantwortung zu übernehmen.

Mit Schreiben vom 13.12.2022 (am 14.12.2022 eingegangen) hat der Kläger beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die Wiederaufnahme des Verfahrens L 10 R 1589/19 beantragt. Zur Begründung (Schreiben vom 22. und 23.03.2023) hat er im Wesentlichen geltend gemacht (s. S. 59 Senats-Akte), dass „Anfechtungsgrund die von der Rentenversicherung am 17.11.2022 bekanntgemachte Anrechnungszeit wg. Krankheit in Verbindung mit den übermittelten Unterlagen“ sei; diese Unterlagen habe er nicht schon im Erörterungstermin (gemeint: der Erörterungstermin am 18.11.2021 vor dem Berichterstatter des Senats im Verfahren L 10 R 1589/19) vorlegen können. Er hat ferner näher ausgeführt, dass und warum er den Senatsbeschluss vom 10.02.2022 bzw. die „Beweiswürdigung“ für „falsch“ hält; wegen der diesbezüglichen weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf das Schreiben des Klägers vom 23.03.2023 (S. 51 ff. Senats-Akte) Bezug genommen.

Der Kläger hat dem Senat im hiesigen Verfahren folgende Dokumente vorgelegt: Auszug (S. 5 und 6 des Versicherungsverlaufs) der Rentenauskunft der Beklagten vom 08.11.2022 (S. 26 f. Senats-Akte), Auszug des Schreibens der Beklagten an ihn vom 23.09.2022 betreffend seines „Antrags auf Auskunft über die Höhe der Beitragszahlung zum Ausgleich einer Rentenminderung bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters nach § 109 Abs. 5 Satz 4 SGB VI“ (S. 28 Senats-Akte), Auszug aus der Rentenauskunft der Beklagten vom 17.09.2015 (S. 29 Senats-Akte), Schreiben seiner Krankenkasse an ihn vom 22.12.2014 (Aufforderung zur Reha-Antragstellung nach § 51 Abs. 1 SGB V, S. 33 Senats-Akte), erste Seite seines Antrags auf eine medizinische Rehabilitation an die Beklagte von Februar 2015 (S. 35 Senats-Akte), Entlassungsschein der O1klinik S1 vom 29.04.2015 (S. 36 Senats-Akte), Bildkopie („Screenshot“) des (Internet-)Impressums der O1klinik S1 ohne Datum (S. 37 Senats-Akte), Sozialmedizinisches Gutachten (C1 Medizinischer Dienst der Krankenversicherung B2 - MDK - anlässlich der Dauer bzw. Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit) vom 17.12.2014 (S. 30 ff. Senats-Akte) sowie Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11.04.2019 (L 8 R 164/14; aus www.sozialgerichtsbarkeit.de, S. 74 ff. Senats-Akte).

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß, vgl. S. 59 ff. Senats-Akte),

den Beschluss des Senats vom 10.02.2022 aufzuheben, das Berufungsverfahren L 10 R 1589/19 wieder aufzunehmen, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10.04.2019 (S 4 R 5648/19) sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm auch für die Zeit vom 30.04.2015 bis 02.05.2018 und vom 30.04.2020 bis zum 14.06.2020 Übergangsgeld zu gewähren sowie „zu überprüfen, ob die biographischen und gesundheitlichen Angaben in den veröffentlichten Entscheidungen im Hinblick auf datenschutzrechtliche Gesichtspunkte ausreichend anonymisiert sind und ob ein Anspruch auf Prozesszinsen nach entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 BGB besteht“.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Das Befangenheitsgesuch des Klägers vom 23.03.2023 gegen den Berichterstatter des Senats, Richter am Landessozialgericht M1, hat der Senat in seiner geschäftsplanmäßigen berufsrichterlichen Besetzung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters mit nicht anfechtbarem Beschluss vom 30.03.2023 (L 10 SF 919/23 AB) abgelehnt. Wegen der diesbezüglichen weiteren Einzelheiten wird auf die dortigen Beschlussgründe verwiesen.

Die Beteiligten sind zur beabsichtigten Verwerfung des Wiederaufnahmeantrags als unzulässig im Beschlussweg ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter entsprechend § 158 SGG wegen nicht schlüssiger Darlegung eines Wiederaufnahmegrunds gehört und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt worden (s. Verfügung vom 07.03.2023), die namentlich der Kläger mit seiner Begründung des Wiederaufnahmeantrags (Schreiben vom 22. und 23.03.2023) wahrgenommen hat. Im Anschluss daran und dem Senatsbeschluss vom 30.03.2023 ist den Beteiligten mitgeteilt worden (Verfügung vom 30.03.2023), dass es bei der beabsichtigen Verfahrensweise (Hinweis auf die Verfügung vom 07.03.2023) verbleibt.


Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Prozessakten des Senats (Verfahren L 10 R 3518/22 WA und L 10 SF 919/23 AB), der Prozessakten der Verfahren S 4 R 5638/18 und L 10 R 1589/19 sowie der Prozessakte des BSG des Verfahrens B 5 R 45/22 B Bezug genommen.

II.

Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag des Klägers, das mit rechtskräftigem, instanzbeendenden Beschluss des erkennenden Senats vom
10.02.2022 - mit dem der Senat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 10.04.2019 (S 4 R 5638/18) nach § 153 Abs. 4 SGG aus sachlich-rechtlichen Gründen zurückgewiesen hat - abgeschlossene Berufungsverfahren L 10 R 1589/19 wieder aufzunehmen (zur Unterscheidung zwischen einer Wiederaufnahmeklage und einem entsprechenden Antragsverfahren - wie vorliegend -, vgl. nur Bundesverfassungsgericht - BVerfG - 22.01.1992, 2 BvR 40/92, in juris, Rn. 6; Bullwan in BeckOGK SGG, § 179 Rn. 68, Stand 01.02.2023; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 179 Rn. 7, alle m.w.N.).

Der Wiederaufnahmeantrag, über den der Senat nach Ablehnung des Befangenheitsgesuchs des Klägers gegen den Berichterstatter - insoweit wird vollumfänglich auf den Beschluss vom 30.03.2023 (L 10 SF 919/23 AB) Bezug genommen - in seiner geschäftsplanmäßigen berufsrichterlichen Besetzung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß
§ 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 585 der Zivilprozessordnung (ZPO) und analog § 158 Satz 1 und 2 SGG entscheidet (s. dazu nur BSG 23.04.2014, B 14 AS 368/13 B, in juris, Rn. 12 ff.; BSG 10.07.2012, B 13 R 53/12 B, in juris, Rn. 11 ff.; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., Rn. 9, alle m.w.N.), ist bereits unzulässig, da ein Wiederaufnahmegrund nicht schlüssig dargetan ist; auch darauf sind die Beteiligten vorab hingewiesen worden.

Ein rechtskräftig beendetes Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit kann entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der ZPO wieder aufgenommen werden (§ 179 Abs. 1 SGG). Gemäß § 578 Abs. 1 ZPO kann die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenen Verfahrens durch die Restitutionsklage (§ 580 ZPO) und die Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) erfolgen. Der vorliegend in Rede stehende (urteilsersetzende) Berufungszurückweisungsbeschluss des Senats vom
10.02.2022 ist rechtskräftig. Da der Senat somit zuletzt in der Sache entschieden hat, ist er auch für die Klage auf Wiederaufnahme zuständig (§ 584 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO).

Nach § 579 Abs. 1 ZPO findet die Nichtigkeitsklage bzw. ein entsprechender Antrag (s.o.) statt, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (Nr. 1), wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist (Nr. 2), wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war (Nr. 3) und wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat (Nr. 4). In den Fällen der Nrn. 1 und 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte (§ 579 Abs. 2 ZPO).

Nach § 580 ZPO findet die Restitutionsklage bzw. ein entsprechender Antrag statt, wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat (Nr. 1), wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war (Nr. 2), wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat (Nr. 3), wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist (Nr. 4), wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat (Nr. 5), wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist (Nr. 6) sowie wenn die Partei ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil (Nr. 7 Buchst. a) oder eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (Nr. 7 Buchst. b). In den Fällen des § 580 Nr. 1 bis 5 ZPO findet die Restitutionsklage nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann (§ 581 Abs. 1 ZPO).

Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage bzw. der Antrag an sich statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist (vgl. § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Klage/der Antrag als unzulässig zu verwerfen (Satz 2 der Vorschrift). Zur Statthaftigkeit der Klage gehört auch, dass der Kläger das Vorliegen eines gesetzlichen Wiederaufnahmegrunds schlüssig darlegt (statt vieler nur BSG 23.04.2014, B 14 AS 368/13 B, a.a.O., Rn. 10 m.w.N.). Das ist vorliegend nicht geschehen.

Soweit der Kläger, freilich erstmals nach Erlass des Senatsbeschlusses vom
10.02.2022, gemeint hat, der Berichterstatter im Verfahren L 10 R 1589/19 sei im Rahmen der Durchführung jenes Verfahrens voreingenommen gewesen (s. zusammengefasst dazu die Ausführungen im Beschluss vom 30.03.2023, L 10 SF 919/23 AB), begründet dies schon deshalb keinen Nichtigkeitsgrund nach § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, weil der Kläger seinerzeit ein entsprechendes Ablehnungsgesuch nicht angebracht hat. Ohnehin ist sein diesbezügliches Wiederaufnahmevorbringen aus den Gründen des § 579 Abs. 2 ZPO unbeachtlich.

Auch ein Nichtigkeitsgrund nach § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO liegt ersichtlich nicht vor, nachdem der Kläger im Berufungsverfahren ordnungsgemäß durch die DGB R1 GmbH vertreten gewesen ist (§ 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 Var. 1, Satz 3 und Abs. 6 Satz 1 SGG).

Soweit der Kläger - freilich nur pauschal - gemeint hat, „es könnte sich bei dem Entlassbericht [Anm.: der Ärzte der
O1klinik S1] um eine verfälschte Urkunde i.S.d. § 580 ZPO handeln“ (s. S. 57 Senats-Akte), ist auch dies von vornherein nicht geeignet, schlüssig einen Wiederaufnahmegrund (Restitutionsgrund nach § 179 Abs. 1 SGG, § 580 Nr. 2 ZPO) darzutun. Denn gemäß § 581 Abs. 1 ZPO findet eine Restitution insoweit nur statt, wenn wegen der Straftat (hier: eine vom Kläger in den Raum gestellte Urkundenfälschung, § 580 Nr. 2 ZPO) eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Derartiges hat der Kläger nicht einmal auch nur behauptet.

Auch aus den vom Kläger im Wiederaufnahmeverfahren vorgelegten Unterlagen lässt sich ein Restitutionsgrund nicht einmal ansatzweise herleiten, geschweige denn schlüssig.
Als gesetzlicher Wiederaufnahmegrund kommt insoweit allein § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO in Betracht. Danach findet die Restitution(sklage) statt, wenn der Beteiligte eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

Hinsichtlich der vom Kläger vorgelegten ersten Seite seines Antrags auf eine medizinische Rehabilitation an die Beklagte von Februar 2015 ist schon nicht ansatzweise nachvollziehbar, warum er unverschuldet (§ 582 ZPO, s. dazu nur
Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., Rn. 5e m.w.N. zur höchstrichterlichen Rspr.) nicht in der Lage gewesen sein soll, diese Seite bis zum Senatsbeschluss vom 10.02.2022 (zum maßgeblichen Zeitpunkt s. nur Schmidt, a.a.O., Rn. 5h m.w.N.) vorzulegen, nachdem diese Seite bzw. vielmehr sein gesamter Rehabilitationsantrag Gegenstand der Rehabilitationsverwaltungsakte der Beklagten ist; auf der Grundlage dieses Antrags bewilligte ihm die Beklagte schließlich auch die medizinische Rehabilitation in S1. Unabhängig davon, dass der Kläger bzw. seine Prozessbevollmächtigten im Vorprozess jederzeit in die Rehabilitationsverwaltungsakte der Beklagten hätten Einsicht nehmen können, erschließt sich schon nicht ansatzweise, welche Relevanz die erste Seite des Reha-Antrags für den Vorprozess gehabt haben soll. Dass die medizinische Rehabilitation nicht nur beantragt, sondern durchgeführt worden ist, stand zu keinem Zeitpunkt in Frage und ist gerade Grundlage für den erhobenen Anspruch auf Zwischenübergangsgeld gewesen.

Entsprechendes gilt hinsichtlich des vom Kläger vorgelegten Schreibens seiner Krankenkasse an ihn vom 22.12.2014. Nachdem er auf der Grundlage dieser Aufforderung zur Reha-Antragstellung bei der Beklagten den Rehabilitationsantrag von Februar 2015 gestellt hat, ist schon nicht glaubhaft, dass er ohne Verschulden nicht in der Lage gewesen sein soll, eben dieses Schreiben bereits im Vorprozess vorzulegen. Ungeachtet dessen ergibt sich aus dem Schreiben auch lediglich, dass und warum ihn die Krankenkasse seinerzeit zur Reha-Antragstellung bei der Beklagten aufgefordert hat. Eine entscheidungserhebliche Bedeutung für den Ausgang des Vorprozesses ist nicht erkennbar. Ohnehin sind die Schlussfolgerungen, die der Kläger aus der Aufforderung der Krankenkasse ziehen will, im vorliegenden Verfahren unerheblich, denn eine irgendwie geartete nur indizielle Aussagekraft einer Urkunde eröffnet eine Wiederaufnahme nicht (statt vieler nur
Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., Rn. 5g m.w.N.).

Hinsichtlich des vom Kläger vorgelegten MDK-Gutachtens liegen die Voraussetzungen des § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO schon deshalb nicht vor, weil (auch) dieses Gutachten Teil der Verwaltungsakte der Beklagten ist (
Bl. 64 ff. VerwA) und die seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits im Widerspruchsverfahren Akteneinsicht genommen haben (s. Bl. 147 VerwA). Dass der Kläger insoweit also unverschuldet nicht im Stand gewesen sein will, dieses Gutachten im Vorprozess vorzulegen, ist damit widerlegt, denn es lag (in der Verwaltungsakte) vor.

Hinsichtlich des im Wiederaufnahmeverfahren vorgelegten Entlassungsscheins der O1klinik S1 vom 29.04.2015 erschließt sich ebenfalls nicht, dass dem Kläger eine Vorlage im Vorprozess ohne Verschulden nicht möglich gewesen sein soll. Ohnehin ist auch insoweit nicht ansatzweise eine Relevanz für den Vorprozess ersichtlich, nachdem in diesem Schein nichts dokumentiert ist, was über die Angaben im ärztlichen Entlassungsbericht der Klinik vom 28.05.2015 hinausgeht. Dieser ist Gegenstand des Vorprozesses gewesen und die seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Klägers hatten bereits - nach Einsichtnahme in die Verwaltungsakte der Beklagten (s.o.) - im Widerspruchsverfahren unter Hinweis auf eben jenen Bericht (s. Bl. 26 ff. = Bl. 68 ff. VerwA) geltend gemacht, dass der Kläger am 29.04.2015 arbeitsunfähig aus der medizinischen Rehabilitation entlassen worden war (s. die Widerspruchsbegründung mit Schreiben vom 06.02.2018, Bl. 148 VerwA); gerade dies hat auch der Senat seiner Entscheidung vom 10.02.2022 zu Grunde gelegt.

Hinsichtlich der vom Kläger vorgelegten ausgedruckten Bildkopie („Screenshot“) des (Internet-) Impressums der O1klinik S1 ohne Datum handelt es sich schon nicht um eine Urkunde i.S.d. § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO in Gestalt einer durch Niederschrift verkörperten Gedankenerklärung, sondern um ein Augenscheinsobjekt (vgl. dazu nur Kammergericht - KG - Berlin 30.08.2007, 12 U 34/07, in juris; Feskorn in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, Vorbem. zu §§ 415-444 Rn. 5; Schreiber in MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 415 Rn. 7; s. auch Bullwan in BeckOGK SGG, § 179 Rn. 49 f. m.w.N. zur Fotokopie). Ohnehin erschließt sich auch insoweit eine (Beweis-)Relevanz nicht und erst recht nicht, aus welchen Gründen dieses Impressum eine dem Kläger günstigere Entscheidung hätte herbeiführen können, zumal - wie schon dargelegt - eine indizielle Aussagekraft nicht ausreichend ist.


Hinsichtlich des - auf der Seite www.sozialgerichtsbarkeit.de abgerufenen und vom Kläger übermittelten - Urteils des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.04.2019 (L 8 R 164/14) scheitert ein Wiederaufnahmegrund bereits daran, dass der Kläger nicht eine Urkunde im obigen Sinne „aufgefunden“, sondern in einer Entscheidungsdatenbank eine Gerichtsentscheidung recherchiert hat, aus der sich seiner Meinung nach eine inhaltliche Unrichtigkeit des Senatsbeschlusses vom 10.02.2022 ergibt. Dass darauf eine Wiederaufnahme nicht gestützt werden kann, bedarf keiner weiteren Begründung.

Schließlich sind auch der Auszug (S. 5 und 6 des Versicherungsverlaufs) der Rentenauskunft der Beklagten vom 08.11.2022, der Auszug des Schreibens der Beklagten an den Kläger vom 23.09.2022 betreffend seines „Antrags auf Auskunft über die Höhe der Beitragszahlung zum Ausgleich einer Rentenminderung bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters nach § 109 Abs. 5 Satz 4 SGB VI“ und der Auszug aus der Rentenauskunft der Beklagten vom 17.09.2015 schon keine Urkunden i.S.d. § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO. Es handelt sich dabei vielmehr um behördliche Auskünfte respektive um (rechtliche) Äußerungen über die tatsächlichen Grundlagen andernorts dokumentierter versicherungsrechtlich erheblicher Tatbestände (namentlich zurückgelegte Versicherungszeiten) und deren rechtliche Bewertung und unterfallen damit nicht dem genannten Wiederaufnahmegrund (s. nur Bundesgerichtshof - BGH -
23.11.1983, IVb ZB 6/82, in juris, Rn. 12 m.w.N.; Bullwan in BeckOGK SGG, a.a.O., Rn. 53). Bezüglich der Rentenauskunft vom 17.09.2015 ist zudem wiederum nicht glaubhaft - und vom Kläger auch nicht weiter substantiiert -, dass eine Vorlage nicht schon im Vorprozess hätte erfolgen können (§ 582 ZPO).

Ist mithin ein Wiederaufnahmegrund auch und insbesondere in Ansehung der vorgelegten Unterlagen nicht schlüssig dargetan, kommt es auf das übrige Wiederaufnahmevorbringen des Klägers nicht an. Seine Ausführungen, warum die Senatsentscheidung vom 10.02.2022 inhaltlich falsch und nicht überzeugend sei, sind ohnedies von vornherein nicht geeignet, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu eröffnen.


Nachdem der Wiederaufnahmeantrag des Klägers bereits unzulässig ist, ist auch der Klageerweiterung im Wiederaufnahmeverfahren (erstmalige Geltendmachung der Gewährung von Übergangsgeld auch für die Zeit vom 30.04.2015 bis 06.03.2017 sowie für die Zeit vom 30.04.2020 bis 14.06.2020) von vornherein der Boden entzogen. Unabhängig davon war alleiniger Streitgegenstand des vormaligen Rechtsstreits ohnehin allein die Gewährung von Zwischenübergangsgeld für die Zeit vom 07.03.2017 bis 02.05.2018. Dass der Kläger keinen entsprechenden Anspruch gegen die Beklagte hat, steht (weiterhin) rechtskräftig fest (vgl. § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

„Ob die biographischen und gesundheitlichen Angaben in den veröffentlichten Entscheidungen im Hinblick auf datenschutzrechtliche Gesichtspunkte ausreichend anonymisiert sind“, ist nicht statthafter Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens; das entsprechende Begehren des Klägers ist ebenfalls unzulässig. Gleiches gilt, soweit er begehrt hat, „einen Anspruch auf Prozesszinsen nach entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 BGB zu überprüfen“.

Der „Hilfsantrag“ des Klägers, seinen „Schriftsatz“ vom 23.03.2023 als „Überprüfungsantrag gem. § 44 SGB X“ an „die Rentenversicherung“ weiterzuleiten, hat - unabhängig davon, dass es sich dabei schon nicht um einen zulässigen „Hilfsantrag“ im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens gehandelt hat - keinerlei Bedeutung mehr, denn der Senat hat das besagte Schreiben bereits auf der Grundlage der Regelung des § 153 Abs. 1 i.V.m. § 108 Satz 2 SGG an die Beklagte weitergeleitet. 


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
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