Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 03.11.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten steht die Höhe von Übergangsleistungen für das Jahr 2018 im Streit.
Der 1979 geborene Kläger ist Friseurmeister und seit Dezember 2003 selbstständig tätig (Bl. 384 VA). Zwischenzeitlich ist er Inhaber von drei Friseursalons. Er ist im Rahmen seiner Unternehmertätigkeit mit der Mindestversicherungssumme - diese betrug im Jahr 2015 21.000,- € (s. Bl. 547 elektronische VA <eVA>) - bei der Beklagten pflichtversichert. Er leidet an einer Hauterkrankung an den Händen, die seitens der Beklagten mit Bescheid vom 26.11.2015 als Berufskrankheit nach Nr. 5101 (im Folgenden: BK 5101) der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkannt wurde und am 23.05.2015 zur Aufgabe der Tätigkeit als Friseur führte. Seitdem ist er nur noch administrativ in seinen Friseursalons tätig. Eine Verletztenrente erhält der Kläger nicht (s. Bescheid vom 14.12.2016, Bl. 39 f. eVA, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2017, Bl. 73 f. eVA, Vergleich in dem anschließenden Klageverfahren S 6 U 761/17, Bl. 356 f. eVA).
Im Februar 2016 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV. Gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 18.01.2017 (Bl. 49 f. eVA) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2017 (Bl. 66 f. eVA) erhob er Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG, S 6 U 760/17), das mit Urteil vom 14.03.2019 (Bl. 8 ff. LSG-Akte L 6 U 1306/19) den Bescheid der Beklagten aufhob und sie zur Neubescheidung verurteilte. Im Rahmen des hiergegen beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) geführten Berufungsverfahrens (L 6 U 1306/19) wurde das Urteil des SG vom 14.03.2019 abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2017 verpflichtet, auch über die Gewährung von Übergangsleistungen ab dem 01.01.2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. In den Entscheidungsgründen seines Urteils vom 24.10.2019 führte der 6. Senat des LSG u.a. aus, dass bei der Berechnung der Höhe des Minderverdienstes grundsätzlich der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn heranzuziehen sei, als Höchstgrenze für das Unternehmereinkommen jedoch die im Zeitpunkt des Arbeitsplatzwechsels geltende Versicherungssumme heranzuziehen sei, da der Unternehmer mit seinem Beitrag seinen Verdienst lediglich in dieser Höhe „versichert“ habe. Dieses Urteil wurde nach Verwerfung der erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde durch das Bundessozialgericht (BSG, B 2 U 201/19 B) rechtskräftig.
Nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2018 - dieser wies Einkünfte des Klägers aus seinem Gewerbebetrieb in Höhe von 4.403,- € aus (Bl. 538 eVA) - bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 19.01.2021 Übergangsleistungen für das Jahr 2018 in Höhe von 8.021,88 €. Der Berechnung des Minderverdienstes legte sie - wie ihr seitens des 6. Senats des LSG in dem Urteil vom 24.10.2019 vorgegeben - die Versicherungssumme des Klägers in Höhe von - im Jahr 2015 - 21.000,- € und die tatsächlichen Einkünfte in Höhe von 4.403,- € zugrunde. Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit (Bl. 557 f. eVA), dass bei der Berechnung des Minderverdiensts nicht die Versicherungssumme, sondern sein tatsächliches vor Aufgabe der Tätigkeit erwirtschaftetes Einkommen zugrunde zu legen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Bl. 567 f. eVA).
Hiergegen hat der Kläger am 26.04.2021 mit dem Begehren, den Bescheid der Beklagten vom 19.01.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Anspruch des Klägers auf Übergangsleistungen für das Kalenderjahr 2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden, Klage beim SG erhoben. Mit Urteil vom 03.11.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Neubescheidung bestehe nicht, da die Beklagte ihr Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt habe. Sie habe bei der Berechnung des dem Kläger zustehenden Übergangsgeldes vielmehr genau die Berechnungsmethode zugrunde gelegt, die ihr seitens des LSG im Urteil vom 24.10.2019 vorgeschrieben worden sei. Dieses rechtskräftige Urteil binde sowohl Beklagte als auch Kläger. Andere Ermessensfehler seien weder ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden.
Gegen das - seiner Prozessbevollmächtigten am 04.11.2021 zugestellte - Urteil hat der Kläger am 06.12.2021 (Montag) Berufung beim LSG eingelegt. Zur Begründung hat er insbesondere vorgetragen, dass bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt sei, ob bei der Ermittlung des Minderverdienstes eines Unternehmers die Versicherungssumme oder das tatsächliche Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit zugrunde zu legen sei. Der Auffassung des 6. Senats des LSG in seinem Urteil vom 24.10.2019 schließe er sich nicht an. § 3 Abs. 2 BKV solle einen Ausgleich konkret eingetretener Schäden bewirken.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 03.11.2021 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 19.01.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2021 zu verurteilen, seinen Anspruch auf Übergangsleistungen für das Kalenderjahr 2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie beruft sich im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des Urteils des 6. Senats des LSG vom 24.10.2019.
Der Senat hat die Beteiligten zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung im Beschlussweg ohne mündliche Verhandlung angehört (s. S. 45 Senats-Akte).
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Verfahrensakte des Berufungsverfahrens L 6 U 1306/19 sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 19.01.2021 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2021, mit dem die Beklagte dem Kläger Übergangsleistungen für das Jahr 2018 in Höhe von 8.021,88 € bewilligt hat. Der Sache nach begehrt der Kläger höhere (Ermessens-)Leistungen (s. dazu sogleich). Richtige Klageart für das auf Verpflichtung der Beklagten zur neuerlichen Bescheidung des Begehrens des Klägers auf Übergangsleistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in Gestalt der Bescheidungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 3 SGG). Diese Klage hat das SG zu Recht abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf höhere Übergangsleistungen für das Jahr 2018 nach § 3 Abs. 2 BKV und damit auch keinen Anspruch auf entsprechende Neubescheidung hat.
Der Anspruch auf Gewährung von Übergangsleistungen gem. § 3 Abs. 2 BKV steht hinsichtlich der Höhe, der Dauer und der Zahlungsart grundsätzlich im Ermessen der Unfallversicherungsträger, so dass dem Versicherten insoweit ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch gem. § 39 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) zusteht (s. BSG 22.03.2011, B 2 U 12/10 R, zitiert - wie sämtliche Rechtsprechung - nach juris; BSG 29.05.1963, 2 RU 269/59; Bayerisches LSG 02.03.2022, L 2 U 21/15; Ricke in BeckOGK, Stand 01.09.2021, § 3 BKV Rn. 68; Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Mai 2022, § 3 BKV Rn. 63). Ein Ermessensfehler seitens der Beklagten ist bei der Berechnung der Höhe der dem Kläger für das Jahr 2018 gewährten Übergangsleistung jedoch nicht ersichtlich. Die Beklagte hat bei der Berechnung der Übergangsleistung genau die Berechnungsmethode angewandt, die ihr seitens des 6. Senats des LSG in seinem rechtskräftigen Urteil vom 24.10.2019 vorgegeben worden ist. Da der 6. Senat über die Gewährung von Übergangsleistungen dem Grunde nach zu entscheiden hatte und die Beklagte verpflichtet hat, über die Gewährung von Übergangsleistungen ab dem 01.01.2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, ist die Beklagte an die vorgegebene Berechnungsmethode zwingend gebunden. Dies ist Folge der Rechtskraftwirkung bei Bescheidungsurteilen (§§ 141 Abs. 1 und 131 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 SGG). Wird ein Bescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, „unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts“ einen neuen Bescheid zu erlassen, so bestimmen erst die dieses Urteil tragenden Gründe - also die im Urteil zum Ausdruck gebrachte, für die Entscheidung maßgebende Rechtsauffassung des Gerichts - den Umfang und die Grenzen der Rechtskraftwirkung (BSG 13.05.2015, B 6 KA 20/14 R; BSG 27.10.1976, 2 RU 127/74; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 131 Rn. 16 und § 141 Rn. 11a). Das SG hat folglich zutreffend darauf verwiesen, dass die Beklagte an die seitens des 6. Senats des LSG in seinem Urteil vom 24.10.2019 vorgegebene Berechnungsmethode, insbesondere die Geltung der zum Zeitpunkt des Arbeitsplatzwechsels geltende Versicherungssumme, gebunden ist und die Klage daher zu Recht abgewiesen. Dem hat der Senat nichts hinzuzufügen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 981/21
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 10 U 3737/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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