hat der 3. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 03. Mai 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht Brähler, die Richterin am Landessozialgericht Heinrich-Reichow, den Richter am Landessozialgericht Dr. Drappatz sowie die ehrenamtliche Richterin Höpfner und den ehrenamtlichen Richter Wusterbarth für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. September 2020 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben auch für das Berufungsverfahren einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Bandscheibenschädigung als Folge eines Arbeitsunfalls.
Der im Jahr 1974 geborene und beruflich zuletzt als Kranfahrer tätige Kläger erlitt am 30. September 2016 gegen 11:45 Uhr einen Unfall, als auf der Heimfahrt von seinem Einsatzort in Süddeutschland auf der Autobahn A9 kurz vor der Abfahrt G bei einem Stau ein von hinten kommendes Fahrzeug ungebremst auf seinen Pkw auffuhr. Sein auf der linken Fahrspur stehender Pkw wurde dabei an die linke Leitplanke gedrückt. Durch den Notarzt wurde er umgehend in das Klinikum in K eingeliefert. Laut Durchgangsarztbericht des Dr. F, K vom 04. Oktober 2016 über die Behandlung vom Unfalltag war der Kläger selbstständig aus seinem Auto ausgestiegen. Es wurden insbesondere die folgenden Befunde dokumentiert: Kopf/Hals: Druckschmerz rechts paravertebral, kein Hartspann, keine neurologischen Ausfälle, Klopfschmerz Lendenwirbelsäule (LWS) und Becken dorsal rechts. Die Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule (HWS) und des rechten Sprunggelenks sowie des Beckens ergaben keine Hinweise auf eine knöcherne Verletzung. Anhand der Röntgenaufnahmen der LWS ergab sich zunächst der Verdacht auf eine Vorderkantenfraktur am 1. Lendenwirbelkörper (LWK), der jedoch durch die anschließende Computertomografie (CT) ausgeschlossen werden konnte. Es zeigte sich indes ein ausgeprägter Bandscheibenvorfall (Massenprolaps) bei L4/5.
Nach seiner Rückkehr begab sich der Kläger in B in die Behandlung des Durchgangsarztes Dr. K, der wegen anhaltender Beschwerden im rechten Hüftgelenksbereich und Bein eine Magnetresonanztomografie (MRT) des Beckens veranlasste. Im Rahmen der am 10. Oktober 2016 durchgeführten MRT-Untersuchung im Bereich des Beckens im CP stellten sich keine Traumafolgen dar. Es fanden sich eine Spondyloosteochondrose im Bereich von LWK 3/4 und LWK 4/5. Dr. K wies mit Bericht vom 13. Oktober 2016 auf unfallunabhängig bestehende degenerative Veränderungen der Wirbelsäule hin. Die Beklagte zahlte dem Kläger ab dem 12. November 2016 Verletztengeld.
In seinen Zwischenberichten vom November und Dezember 2016 beschrieb der Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. V bei dem Kläger eine massive posttraumatische Muskelverspannung der LWS und der rechten Hüfte. Er habe ihm gegenüber berichtet, sofort nach dem Unfall Schmerzen in der rechten Hüfte und im rechten Sprunggelenk gehabt zu haben. In der MRT-Untersuchung der rechten Hüfte vom 10. Oktober 2016 seien keine sicheren Unfallfolgen zu sehen. Es werde von einer starken Muskelverspannung der LWS und des rechten Oberschenkels ausgegangen.
Der Durchgangsarzt Dr. K teilte in seinem Zwischenbericht vom 18. November 2016 mit, der Kläger habe über anhaltende, tendenziell schlimmer werdende Schmerzen berichtet, insbesondere auch beim Bewegen des rechten Hüftgelenks. Bildgebend hätten die Beschwerden bislang nicht verifiziert werden können.
In der von Dr. V veranlassten, in der Radiologischen Praxis am E Krankenhaus durchgeführten MRT-Untersuchung des Beckens vom 06. Dezember 2016 wurde laut Befundbericht vom 08. Dezember 2016 festgestellt: unauffällige Abbildungen beider Hüftgelenke und des Beckens, Denervierungszeichen am Musculus gluteus maximus rechts, aus Voruntersuchungen bekannter Massenprolaps im Segment L4/5 mit rechtsseitiger Betonung.
Am 07. Dezember 2016 stellte sich der Kläger bei Dr. V und Dr. R in der Unfallbehandlungsstelle B vor. In ihrer fachchirurgischen Stellungnahme vom 27. Dezember 2016 teilten Dr. V und Dr. R mit, die erstellten Untersuchungsbefunde beschrieben keine Reflexstörungen sowie keine Gefühlsstörungen an den unteren Extremitäten. Der Lasègue-Test sei rechts positiv und es bestünden Schmerzen außenseitig am Oberschenkel. Bei der Untersuchung der Wirbelsäule sei es zu einer leichtgradigen Schmerzverstärkung im rechts glutealen Bereich mit Einstrahlung in den rechten Oberschenkel gekommen. Die Untersucher kamen zu dem Schluss, dass die derzeitigen klinischen Beschwerden und Untersuchungsbefunde mit dem bereits am 30. September 2016 diagnostizierten Massenvorfall der Bandscheibe L4/5 korrespondierten und schlugen eine zügige stationäre weitere Abklärung vor. In Abhängigkeit von den Ergebnissen einer noch durchzuführenden MRT-Untersuchung der LWS und für den Fall, dass dort keine weiteren verletzungstypischen Begleitverletzungen festzustellen seien, erfolge die weitere Behandlung voraussichtlich zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse.
Bei einem stationären Aufenthalt des Klägers vom 10. Januar 2017 bis zum 14. Januar 2017 im C-Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie wurden nach MRT-Untersuchung vom Vortrag (zusammenfassender Befund: Nucleus pulposus Prolaps LWK 4/5 und rechts paramedian mit konsekutiv höhergradiger Spinalkanalstenose, geringe Bandscheibenprotrusion mit lediglich fraglicher Affektion der Wurzel L4 links im Segment LWK 3/4) am 11. Januar 2017 die Entfernung des Bandscheibensequesters L4/5 und die operative Lösung bzw. Befreiung der Nervenwurzel L5 rechts vorgenommen. Im Operationsbericht wurde ein deutlich verdicktes Ligamentum flavum beschrieben. Die Nervenwurzel zeigte sich chronisch gereizt. Die Diagnose lautete: Akutes radikuläres inkomplettes Schmerzsyndrom L5 bei Nucleus pulposus-Prolaps L4/5 mit konsekutiver Kompression der Nervenwurzel L5 rechts.
In einem von der Beklagten beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnis samt Arbeitsunfähigkeitszeiten der Krankenkasse A vom 10. Januar 2017 sind unter anderem die folgenden Arbeitsunfähigkeitszeiten samt Diagnosen festgehalten: 16. September 1998 bis 18. September 1998 und 19. Juli 1999 bis 24. Juli 1999: Lendenschmerz; 10. Juni 2006 bis 15. Juli 2006: Kreuzschmerz (ICD-10: M54.5), 06. April 2011 bis 08. April 2011: Kreuzschmerz (ICD-10: M54.5); 08. August 2016 bis 20. August 2016: Lumboischialgie (ICD-10: M54.4), Radikulopathie, nicht näher bezeichnete Lokalisation (ICD-10: M54.19), sonstige näher bezeichnete Bandscheibenverlagerung (ICD-10: M51.2); 21. August 2016 bis 02. September 2016: Lumboischialgie (ICD-10: M54.4).
Dr. V berichtete nach der Operation am 31. Januar 2017 über Empfindungsstörungen des Klägers im Bereich des rechten Oberschenkels und Missempfindungen im linken Unterschenkel, die sich postoperativ eingestellt hätten. Bei einer Wiedervorstellung des Klägers in der C wurde ein Re-Prolaps festgestellt und eine erneute Operation angedacht.
In einer fachchirurgischen Stellungnahme vom 24. Februar 2017, ergänzt durch eine weitere Stellungnahme vom 29. März 2017, nahmen Dr. V und Dr. R, Unfallbehandlungsstelle B, unter Berücksichtigung des Operationsberichtes und des Entlassungsberichtes aus der C vom 14. Januar 2017 zur Frage der traumatischen Verursachung des Bandscheibenvorfalls Stellung. Sie gelangten zu der Ansicht, dass der Bandscheibenvorfall mangels bildgebend festgestellter Begleitverletzungen nicht als traumatisch gewertet werden könne.
Am 22. März 2017 konnte die geplante berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung des Klägers in der M Klinik H aufgenommen werden. Als Beschwerden beschrieb der Kläger brennende Schmerzen nach längerem Stehen und Zunahme der Schmerzen nach längerem Sitzen im Bereich der LWS mit Ausstrahlung in beide Oberschenkel. Neurologisch fanden sich keine Reflexausfälle, es wurden Kribbelparästhesien im Bereich beider Oberschenkel, links bis in den Fuß ausstrahlend, dokumentiert sowie eine Kraftminderung der Fußheber und Fußsenker links.
In einer Mitteilung vom 22. März 2017 wurde aus der MKlinik H berichtet, dass bei dem Kläger eine durch gestörte Verarbeitungsprozesse aufgetretene psychische Symptomatik in Form einer Anpassungsstörung, Angst und depressive Reaktionen (ICD-10: F43.22) vorlägen, sodass eine begleitende psychotherapeutische Behandlung durchgeführt worden sei.
Die Beklagte zog weiterhin die Ermittlungsakten der Verkehrspolizeiinspektion H bei, die unter anderem den Unfallbericht und eine Fotodokumentation zur Unfallsituation sowie zum Zustand des Pkw des Klägers nach dem Unfall enthielten.
Mit Bescheid vom 29. März 2017 lehnte die Beklagte Leistungen anlässlich des Unfallereignisses vom 30. September 2016 über den 24. November 2016 hinaus ab. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätten unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nach ärztlicher Aussage nicht mehr vorgelegen. Das Fehlen entsprechender knöcherner oder ligamentärer Begleitverletzungen spreche dafür, dass hier nicht das äußere Ereignis vom 30. September 2016 die rechtlich wesentliche Ursache für die festgestellten Körperschäden sei. Auf Nachfrage habe Dr. V mitgeteilt, dass aufgrund der im Rahmen des Unfalls erlittenen Distorsionen der LWS sowie des Beckens und des rechten Hüftgelenks für sechs bis acht Wochen von unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei. Bei dieser Sach- und Rechtslage seien Leistungen durch die Berufsgenossenschaft über den 24. November 2016 hinaus nicht zu erbringen.
Hiergegen legte der Kläger über seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 19. April 2017 Widerspruch ein. Zur Begründung seines Widerspruchs trug er im Folgenden mit Schriftsatz vom 09. Mai 2017 vor, dass unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit aufgrund des Bandscheibenvorfalls auch über den 24. November 2016 hinaus vorgelegen hätten. Der Massenvorfall mit rechtsseitiger Betonung sei bereits auf den CT-Aufnahmen vom Unfalltag nachzuweisen gewesen. Hiernach sei auch ein Knochenödem zu erkennen. Der stellvertretende Durchgangsarzt Dr. W sei nach einer Befundbesprechung mit den Radiologen zu der Einschätzung gekommen, dass der Bandscheibenvorfall traumatisch bedingt sei. Auch der Chefarzt Dr. K, M Klinik H habe die Ruptur der lumbalen Bandscheibe als traumatisch eingeschätzt.
In einem Zwischenbericht vom 03. Mai 2017 berichtete Dr. V, die stationäre Reha-Maßnahme sei absolviert worden. Der Kläger habe aufgrund von Schmerzen in beiden Oberschenkeln nicht einschlafen können.
Bei einer elektromyografischen Untersuchung am 19. Mai 2017 sicherte der Facharzt für Neurologie Dr. R eine noch bestehende L5-Wurzelschädigung links mit einer Fußheberparese und diagnostizierte darüber hinaus Sensibilitätsstörungen. Dazu kämen belastungsabhängige Schmerzen der Oberschenkel.
In einem Zwischenbericht vom 13. Juli 2017 beschrieb Prof. Dr. S, C, weiterhin bestehende Beschwerden trotz Schmerzmitteleinnahme. Eine erneut durchgeführte MRT-Untersuchung der LWS vom 20. Juni 2017 habe eine aktivierte Osteochondrose L4/5 mit Re-Prolaps, eine Durakompression und eine Kompression beider Nervenwurzeln im Bereich L4/5 gezeigt.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2017 zurück. Der angefochtene Verwaltungsakt beruhe auf den im Rahmen des Feststellungsverfahrens gewonnenen Ermittlungsergebnissen, insbesondere auf den erhobenen medizinischen Befunden, den erstatteten ärztlichen Berichten sowie einer auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen durchgeführten internen Prüfung. Danach habe der Kläger bei dem Auffahrunfall vom 30. September 2016 multiple Prellungen bzw. Distorsionen der LWS, des Beckens und der Hüfte rechts erlitten, die spätestens am 24. November 2016 folgenlos ausgeheilt gewesen seien. Nach den aktuellen unfallmedizinischen Erkenntnissen betrage die Behandlungsbedürftigkeit hierfür längstens sechs bis acht Wochen. Ein rechtlich wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen dem angeschuldigten Ereignis vom 30. September 2016 und den bei dem Kläger zutage getretenen Bandscheibenschäden der Wirbelsäule könne nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden. Entsprechend der unfallmedizinischen Literatur erschienen Bandscheibenvorfälle als Unfallfolge stets mit begleitenden (minimalen) knöchernen oder Bandverletzungen im betroffenen Segment. Ohne Begleitverletzungen sei die Schadensanlage wesentlich. Ältere Lehrmeinungen über das Vorliegen isolierter traumatischer Bandscheibenvorfälle seien nicht mehr zu halten (vergleiche Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., Seite 459 ff.). Aus dem Operationsbericht vom „01. Februar 2017“ ergäben sich keine Hinweise auf eine traumatische Genese. Intraoperativ seien keine Zeichen einer stattgehabten Gewalteinwirkung nachgewiesen worden. Auch röntgenologisch hätten sich keine Gefügestörung bzw. keine posttraumatischen Veränderungen gezeigt. Der Verdacht auf eine Fraktur bzw. einen Vorderkantenbruch des 1. LWK sei kernspintomografisch ausgeschlossen. Ein sogenanntes Bone Bruise der LWK 3-5 habe entgegen der Angabe des Dr. W im Zwischenbericht vom 16. Januar 2017 nicht festgestellt werden können. Somit seien traumatische Begleitverletzungen weder intraoperativ noch bildgebend nachgewiesen worden. Von Dr. K, Chefarzt der Reha-Einrichtung in H sei eine eigene Zusammenhangsbeurteilung nicht vorgenommen worden. Traumatische Schädigungen im Bereich der LWS ließen sich insofern nicht feststellen.
Bei dem Kläger lägen vielmehr degenerative Veränderungen der unteren LWS mit Spondylosteochondrose der unteren Anteile mit ventralen Spondylophyten bei L3/L4 mit einem ausgeprägten Bandscheibenvorfall (L4/L5) vor.
Hierzu passe, dass er nach Auskunft seiner Krankenkasse bereits vor dem Unfallereignis wiederholt unter Beschwerden im Bereich der LWS (Lumboischialgien, Kreuzschmerzen) gelitten habe. Insbesondere werde auf eine längere Arbeitsunfähigkeit vom 08. August 2016 bis zum 02. September 2016 wegen Wirbelsäulenbeschwerden hingewiesen. Demnach sei bereits zu diesem Zeitpunkt eine Bandscheibenverlagerung bzw. Radikulopathie (Reizung/Schädigung der Nervenwurzel mit Missempfindungen wie Kribbeln, Schmerzen, Taubheit) diagnostiziert worden. Dazu passe, dass der Befund des Bandscheibenleidens retrospektiv bereits in der CT-Aufnahme vom Unfalltag erkennbar gewesen sei.
Auch aus dem Operationsbericht ergäben sich keine Hinweise auf eine posttraumatische Genese des Bandscheibenvorfalls. Es werde vielmehr auf chronisch gereizte Nervenwurzeln hingewiesen.
Nach alledem sprächen sämtliche erhobenen Befunde wie auch der Beschwerdeverlauf gegen eine unfallbedingte Verursachung. Darüber hinaus sei auch nicht erkennbar, dass der stattgehabte Auffahrunfall nach Art, Schwere und Mechanismus geeignet gewesen sei, eine traumatische Bandscheibenschädigung rechtlich wesentlich zu verursachen. Somit könnten die von dem Kläger im weiteren Verlauf geklagten Beschwerden nicht ursächlich auf das angeschuldigte Unfallereignis vom 30. September 2016 zurückgeführt werden. Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien über den 24. November 2016 hinaus nicht zu erbringen.
Am 04. August 2017 hat der Kläger über seinen damaligen Bevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) <SG> erhoben. Mit am 02. November 2017 eingegangenem Schriftsatz vom 24. Oktober 2017 hat er vorgetragen, er habe vor dem Unfall keine wesentlichen Beschwerden im Bereich der LWS gehabt. Es komme auch nicht darauf an, ob bei ihm degenerative Vorschäden bestanden hätten. Stattgefunden – und auf seine LWS eingewirkt - habe ein überaus massives Unfallereignis. Auf seinen am Stauende stehenden Pkw sei ein weiteres Auto ungebremst aufgefahren, so dass er mit seinem Pkw gegen die Leitplanken gedrückt worden sei. Zeitnah zum Unfall sei auf den CT-Aufnahmen vom 30. September 2016 ein Massenvorfall mit rechtsseitiger Betonung festgestellt worden. Nach Einschätzung des stellvertretenden Durchgangsarztes Dr. W, die auf einer Befundbesprechung mit dem Radiologen beruhte, sei auf der MRT-Aufnahme vom 10. Oktober 2016 zudem ein Hinweis auf ein Knochenödem zu erkennen gewesen. Hierbei handele es sich um die unfallversicherungsrechtlich geforderte Begleitverletzung. So sei auch der Chefarzt der MKlinik H, Dr. K, zu dem Schluss gelangt, dass bei ihm ein posttraumatischer, also unfallbedingter Bandscheibenvorfall vorgelegen habe. Überdies seien Begleitverletzungen keineswegs zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines unfallbedingten Bandscheibenvorfalls.
Im Rahmen eines stationären Aufenthalts des Klägers in der C vom 20. bis zum 30. August 2017 wurden am 21. August 2017 die Bandscheibenfächer L3/4 und L4/5 ausgeräumt. Es erfolgte eine Fusion der LWK von L3 bis L5 durch einen dorsal eingebrachten Fixateur interne, der in den LWK 3 bis 5 durch Schrauben verankert und durch einen Kunststoffkörper gefüllt wurde.
Das SG hat einen am 26. Januar 2018 verfassten Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. H eingeholt, dem unter anderem ein Arztbrief des HKlinikums B vom 07. August 2016 beigefügt war, wonach der Kläger seit zehn Tagen über Rückenschmerzen klage, die unter einer Behandlung mit Ibuprofen schlimmer geworden seien. Seit zwei Tagen leide er unter einer Schmerzausstrahlung bis in die Sohle. Als klinische Befunde wurden erhoben: Nervenwurzelsyndrom L5/S1 rechts ohne Paresen und ohne Sensibilitätsstörungen, keine Kaudasymptomatik. Dem Kläger sei eine stationäre Aufnahme zur Schmerztherapie angeboten worden, was dieser abgelehnt habe. Zudem war dem Befundbericht beigefügt ein Arztbrief der Praxis D B vom 29. August 2016 über eine MRT-Untersuchung der LWS vom 22. August 2016 mit folgender Beurteilung: dorsale rechts mediolaterale Bandscheibenextrusion LWK 4/5 mit Pelottierung der Nervenwurzeln L4 intraforaminal und L5 intraspinal; dorsale rechts mediolaterale Bandscheibenprotrusion LWK5/ Sakralwirbelkörper (SWK) 1 mit Pelottierung der Nervenwurzel S1 links intraspinal, Spinalkanalstenose der LWS basal, Osteochondrose LWK 3 bis SWK 1. Weiterhin hat das SG einen Befundbericht des Arztes für Innere Medizin L vom 20. Februar 2018 eingeholt.
Sodann hat das SG gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben, indem es ein orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten von Prof. Dr. B, , B, eingeholt hat. In seinem auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers vom 28. August 2018 und einer Auswertung der vorgelegten Bilddokumente beruhenden, am 26. September 2018 erstellten Gutachten hat er ausgeführt, der Kläger habe bereits zum Zeitpunkt des Unfalls eindeutige Bandscheibendegenerationen in den untersten LWS-Abschnitten L3/4 und L4/5 gehabt. Das Unfallereignis erscheine grundsätzlich nicht geeignet, eine Verletzung einer gesunden Bandscheibe der unteren LWS zu verursachen. Es sei aber zu erwägen, ob das Unfallereignis eine wesentliche Bedingung für die objektiv eingetretene Verschlimmerung der bereits bestehenden Bandscheibenveränderung im Segment L4/5 und somit für eine Bedrängung der Nervenwurzel L5 rechts darstelle. Bei dem Kläger hätten nicht nur degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule im Sinne einer Diskose bestanden, sondern bereits eine erhebliche Bandscheibenvorwölbung nach hinten, die ihm Vorbefund vom 22. August 2016 als Bandscheibenextrusion beschrieben worden sei. Dieser Begriff sei gleichzusetzen mit einem Bandscheibenvorfall. Während bei der Bandscheibenvorwölbung im Sinne einer Protrusion definitionsgemäß der Durchmesser des herausgedrängten Bandscheibenmaterials an der Hernienbasis breiter als in der Mitte der Hernie sei, sei er bei der Extrusion oder dem Prolaps an der Basis der Hernie schmaler als in der Mitte. Ein solcher Befund habe bei dem Kläger eindeutig vorgelegen. Darüber hinaus habe eine Bandscheibenvorwölbung in dem darüber liegenden Segment L3/4 bestanden. Mit anderen Worten sei bei dem Kläger bereits im Segment L4/5 durch einen Riss im knorpelfaserigen Bandscheibenring ein Anteil des weichen Bandscheibenkerns aus dem Bandscheibenring herausgetreten, der sich unter dem hinteren Längsband der Wirbelsäule in Richtung des Rückenmarkskanals vorgewölbt habe, der zumindest zu einem Drittel eingeengt worden sei. Die Bandscheibenveränderung im Segment L4/5 sei bereits so weit fortgeschritten gewesen, dass es relativ geringer Kräfte bedurft habe, um eine wesentliche Verschlimmerung, nämlich eine Zunahme des Bandscheibenvorfalls mit Verdrängung der Nervenwurzel L5 rechts, herbeizuführen. Mit anderen Worten hätte jede andere gleichartige Gelegenheit, zum Beispiel ein Herunterspringen des Klägers vom Baufahrzeug oder ein Heben eines schweren Gegenstandes, zu der eingetretenen Verschlimmerung geführt. Der Unfall selbst sei nur die Gelegenheitsursache gewesen. Aus den Unfallfolgen selbst resultierten keine Funktionseinschränkungen.
Auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B hat der Kläger über seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 28. Januar 2019 erwidert, dass in dem Gutachten unzutreffende Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt worden seien. Sein Fahrzeug habe komplett stillgestanden, als die Unfallverursacherin mit sehr hoher Geschwindigkeit von hinten und rechtsseitig betont aufgefahren sei. Dieses sei sodann in einem Winkel von 45° in die Leitplanken katapultiert und anschließend mit der kompletten linken Außenseite ca. 10 m weiter die Leitplanken entlang geschleift worden. In diesem Moment habe sich der SOS-Notruf seines Fahrzeugs aktiviert, über den dann auch die Polizei und die Rettungsstelle gerufen worden seien. Bereits hier habe er heftige Schmerzen im rechten Bein angegeben. Ein Ersthelfer habe ihm sodann aus dem Auto geholfen, da er nicht mehr allein habe aussteigen können. Weiterhin sei bei ihm durch das MRT vom 22. August 2016 ein Bandscheibenprolaps gerade ausgeschlossen worden, wie sich auch aus dem beigefügten Bericht des D B vom 29. August 2016 ergebe. Ein medialer Massenvorfall der Bandscheibe zwischen LWK 4 und LWK 5 habe mit dem Bericht vom 29. August 2016 gerade nicht bestätigt werden können. Er ergebe sich hingegen aus den CT-Aufnahmen vom 30. September 2016. Auch eine LWK 1-Vorderkantenfraktur sei mit den Röntgenaufnahmen vom Unfalltag ausdrücklich festgestellt worden.
Im Hinblick hierauf hat das SG bei Prof. Dr. B eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme eingeholt, die dieser am 10. Februar 2019 verfasst hat. Die von ihm zugrunde gelegten Angaben zum Unfallhergang stammten aus dem Durchgangsarztbericht vom 30. September 2016 aus dem Klinikum in K und seien durch die Angaben des Klägers bei der Befragung durch ihn, den Sachverständigen, ergänzt worden. Er sei zudem von einer stärkeren Krafteinwirkung auf den mit dem Rückhaltegurt fixierten Körper des Klägers ausgegangen. Von einem unfallmechanischen Gutachten seien für diesen Fall keine wesentlichen Erkenntnisse zu erwarten. Der Befundbericht zur MRT-Untersuchung vom 29. August 2016 beschreibe eindeutig erhebliche Bandscheibenvorwölbungen der Fächer L4/5 und L5/S1 mit Druck auf die Nervenwurzeln L5 und S1 (Pelottierung). Der in dem Befundbericht verwendete Begriff „Bandscheibenextrusion“ stehe dem nicht entgegen. Entgegen der Annahme des Klägers habe er, der Sachverständige, nicht behauptet, dass nach dem Unfall die Bandscheibenprotrusionen im CT vom 30. September 2016 nicht mehr vorhanden gewesen seien, sondern dass ein Massenvorfall L5/S1 auf dem zur Verfügung stehenden Bildmaterial nicht erkennbar gewesen sei. Eine Vorderkantenfraktur des 1. LWK sei durch die CT-Untersuchung im Klinikum K ausgeschlossen worden. Ein Knochenödem könne verschiedene Ursachen haben, unter anderem könne es auch bei degenerativen Veränderungen der Bandscheiben und nach Traumen der Wirbelsäule auftreten. In dem Befundbericht über die MRT-Untersuchung vom 22. August 2016 sei bereits über ein Knochenödem vor dem Unfall berichtet worden.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat das SG bei dem Privatdozenten und Facharzt für Neurochirurgie sowie Facharzt für Physiologie Dr. S, B, ein auf einer Auswertung der vorgelegten Bilddokumente sowie auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers beruhendes und am 21. November 2019 fertiggestelltes Gutachten eingeholt. Der Kläger hatte bei Dr. S angegeben, sein Fahrzeug habe sich durch den Aufprall gedreht, so dass Dr. S von einer Rotationsbewegung ausging. Zum Unfallhergang heißt es in dem Gutachten, der Kläger habe gegenüber dem Ersthelfer an der Unfallstelle Beinschmerzen rechtsseitig angegeben und es hätten weiterhin Schmerzen im Bereich des Hüftgelenks bestanden. Aufgrund der Schmerzsituation habe er das Auto nicht selbstständig verlassen können, sondern sei hierbei durch einen hinzukommenden Verkehrsteilnehmer unterstützt worden. Der Kläger habe ihm, dem Sachverständigen, bei der Begutachtung mitgeteilt, nach der Untersuchung im Krankenhaus in K von seinem Bruder mit einem Fahrzeug abgeholt worden zu sein. Er sei dann von ihm an seinen Wohnort in B(Landkreis B) gefahren worden.
Dr. S hat in seinem Gutachten weiter ausgeführt, aufgrund des Unfallereignisses vom 30. September 2016 habe sich bei dem Kläger eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik im Nervenwurzelbereich L5 rechtsseitig entwickelt, die im Rahmen der operativen Maßnahme vom 11. Januar 2017 deutlich reduziert worden sei. Infolge dieser Operation sei jedoch eine Schmerzsymptomatik entsprechend der Nervenwurzel L5 und S1 linksseitig aufgetreten. Strukturell seien die Ursachen für die Nervenkompression auf der rechten Seite mit der Operation am 21. August 2017 behoben worden; es bestehe jedoch bis aktuell ein residuelles L5 und S1-Syndrom fort. Vor dem Unfall sei der Kläger hinsichtlich der Nervenwurzel L5 rechts beschwerdefrei gewesen. Zwar habe bereits vor dem Unfall vom 30. September 2016 ein Bandscheibenvorfall auf der Höhe LWK 4/5 mediolateral rechtsseitig bzw. eine degenerative Wirbelsäulenerkrankung in den Segmenten LWK 3/4 und LWK 4/5 sowie LWK5/SWK1 und somit ein pathologischer Befund vorgelegen. Dieser sei bereits am 22. August 2016 bildgebend dargestellt worden. Die Nervenwurzelkompression L5 rechtsseitig lasse sich jedoch ohne das Unfallereignis nicht zwangsläufig ableiten. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 08. August bis zum 02. September 2016 habe vor dem Hintergrund eines S1-Syndroms bestanden, das sich durch die Behandlung gebessert habe, so dass der Kläger wieder habe arbeiten können.
Bei der Beurteilung des kausalen Zusammenhangs zwischen diesem Beschwerdebild bzw. Diagnosekomplex und dem Unfallereignis vom 30. September 2016 sei zu beachten, dass der Kläger bei dem Unfall plötzlich, mit großer Kraft und für ihn unerwartet einer Drehbelastung im Bereich der Wirbelsäule ausgesetzt gewesen sei. Aufgrund der Kraft, die kurzzeitig auf das Segment LWK 4/5 eingewirkt habe, sei der Unfall in Bezug auf die Kompression der Nervenwurzel L5 rechtsseitig als schädigendes Ereignis zu werten. Das angeschuldigte Trauma sei geeignet gewesen, einen Unfallmechanismus darzustellen, dem der Kläger nicht einen körpereigenen Schutzmechanismus habe entgegensetzen können. Strukturelle Schäden im Bereich der Bandscheiben könnten bereits ab einer Geschwindigkeitsschwelle von 10 km/h eintreten. Hinsichtlich der Kausalitätsbeurteilung sei der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen und dem Auftreten der Beschwerden ein wichtiger Faktor. Konkurrierende Ursachen für die Nervenwurzelkompression L5 rechtsseitig seien hier nicht auszumachen. Als Auslöser habe es der akuten und erheblichen Krafteinwirkung im Rahmen des Unfallereignisses vom 30. September 2016 bedurft. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit habe bis zur Operation am 11. Januar 2017 bestanden bzw. aufgrund der folgenden Nervenwurzelkompression der Gegenseite bis zur Folgeoperation am 21. August 2017. Darüber hinaus bestehe aufgrund der residualen Wurzelschädigungen bis aktuell ein unfallbedingter Behandlungsbedarf.
Dem Gutachten beigefügt war unter anderem eine Fotodokumentation des verunfallten Pkw des Klägers.
Auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. S hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30. Januar 2020 erwidert, dass sie sich diesem nach interner beratungsfachärztlicher Prüfung nicht anschließen könne. Die vom Gutachter beschriebene biomechanische Krafteinleitung, die für die Verlagerung des bereits unfallunabhängig vorbestehenden massiven Bandscheibenvorfalls in Höhe L4/5 notwendig wäre, finde sich in den Aktenunterlagen nicht bestätigt. Vielmehr sei diesen zu entnehmen, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt mit einem Dreipunktgurt gesichert gewesen sei, der gerade kraftvolle Rotationen und Neigungen verhindere. Weiterhin ergäben die Unfallbilder, dass der erste Anstoß am rückseitigen Fahrzeug nur geringe Schäden verursacht und erst das Aufschieben auf die Leitplanke zur vorderseitigen Beschädigung des Fahrzeugs geführt habe. Zudem sei auch der Airbag nicht ausgelöst worden. Nicht zuletzt sei dem Gutachter eine eindeutige Auswertung des bildgebenden Materials im Hinblick auf das ausgeprägte Volumen des Vorfalls nicht möglich, einzelne komprimierte Nervenwurzeln seien nicht einzuordnen. Dem Schriftsatz beigefügt war eine beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. L vom 27. Januar 2020.
Im Hinblick hierauf hat das SG bei dem Sachverständigen Dr. S eine am 11. März 2020 verfasste ergänzende gutachterliche Stellungnahme in Auftrag gegeben. Unabhängig von der Bewegung der Wirbelsäule im Fahrzeug selbst bei Fixierung, etwa durch einen Dreipunktgurt, wirkten auch bei vollständiger Fixierung und Fahrzeugbewegung Kräfte auf die Wirbelsäule ein. Gerade bei einer Krafteinwirkung auf das Fahrzeug von hinten und seitlich komme es zu Rotationskräften, die ein Entgegenwirken des Körpers gegen Verdrehung und Neigung erforderten. Entscheidend sei, dass sich unmittelbar nach dem Unfallereignis vom 30. September 2016 eine L5-Schmerzsymptomatik rechtsseitig entwickelt habe, der enge zeitliche Zusammenhang zwischen schädigendem Ereignis und Beschwerden also gegeben sei. Selbst voluminöse Bandscheibenvorfälle könnten ohne klinische Symptomatik verlaufen. Für sich genommen habe ein Bandscheibenvorfall noch keinen Krankheitswert. Gleiches gelte für die dargestellten degenerativen Veränderungen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 25. September 2020 hat der Kläger mitgeteilt, unmittelbar nach dem Unfall Schmerzen im Bein verspürt zu haben. Dies habe er so auch gegenüber den Notärzten und Ärzten im Krankenhaus in K angegeben.
Mit Urteil vom 25. September 2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Der Bandscheibenvorfall in dem Segment LWK 4/5 mit Schädigung der Nervenwurzel L5 sei nicht gemäß § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Folge des Arbeitsunfalls vom 30. September 2016. Die Kammer sei davon überzeugt, dass der Bandscheibenvorfall im Segment LWK 4/5 zum Zeitpunkt des Unfalls bereits als Vorerkrankung bestanden habe. Sowohl Prof. Dr. B als auch Dr. S kämen in ihren jeweiligen Gutachten nach Auswertung des MRT-Befundes vom 22. August 2016 übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger bereits im August 2016 ein großvolumiger Bandscheibenvorfall im Segment LWK 4/5 vorgelegen habe, der eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik und eine Behandlungsbedürftigkeit nach sich gezogen habe.
Zudem sei das Unfallereignis entgegen der von Dr. S geäußerten Einschätzung nicht geeignet gewesen, eine gesunde Bandscheibe zu schädigen. Die Kammer folge insofern den schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr. B in seinem Gutachten sowie der überzeugenden Stellungnahme von Dr. V vom 24. Februar 2017, in welcher dieser zutreffend ausgeführt habe, dass eine traumatische Verursachung eines Bandscheibenvorfalls ohne die im Falle des Klägers fehlenden, entsprechenden Begleitverletzungen nicht in Betracht komme. Diese Einschätzung entspreche den aktuellen medizinischen Erfahrungssätzen, nach denen es keine vorstellbare äußere Krafteinwirkung gebe, die eine Bandscheibe der LWS isoliert schädigen könne. Ein traumatischer Bandscheibenvorfall könne somit nur mit begleitenden (minimalen) knöchernen Verletzungen oder Bandverletzungen einhergehen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Seite 461; Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 14. Aufl., 13.3.18.6, Seiten 298 bis 302). Nichts Anderes ergebe sich im Übrigen auch aus der von Dr. S angeführten Literatur (vgl. Arand, in Börm/Meyer/Bullmann/Kopp, Wirbelsäule interdisziplinär, 1. Aufl. 2017, Seite 174, Ziffer 6.1.8).
Soweit der Kläger diesbezüglich einwende, dass durch das festgestellte Knochenödem (Bone bruise) der Nachweis entsprechender traumatischer Begleitverletzungen als erbracht anzusehen sei, könne die Kammer dieser Einschätzung nicht folgen. Prof. Dr. B habe in diesem Zusammenhang in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Februar 2019 nachvollziehbar ausgeführt, dass ein derartiges Knochenödem, welches grundsätzlich verschiedene Ursachen haben könne, bereits in dem Befundbericht des MRT vom 22. August 2016 beschrieben werde und somit als fortbestehend anzusehen sei.
Weiterhin sei die Kammer davon überzeugt, dass der Bandscheibenvorfall im Segment LWK 4/5 mit Schädigung der Nervenwurzel L5 auch nicht im Sinne der Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens durch den Arbeitsunfall vom 30. September 2016 rechtlich wesentlich verursacht worden sei. Wirke ein Unfallereignis auf einen vorbestehenden Gesundheitsschaden ein und bringe diesen in eine geänderte Erscheinungsform, sei nicht das Grundleiden mit seinen Auswirkungen Unfallfolge; vielmehr werde der gesamte Gesundheitsschaden rechtlich zerlegt in den allein vor dem Unfall bestehenden und den danach gegebenen, durch ihn wesentlich bedingten (verschlimmerten) Teil. Nur dieser Anteil der Verschlimmerung sei unfallversicherungsrechtlich relevant und werde, unter Berücksichtigung des Vorschadens, als solcher entschädigt. Damit die Verschlimmerung eines Vorschadens einen eigenständigen Gesundheitserstschaden darstellen könne, müsse sie klar von dem vorbestehenden Schaden abgrenzbar sein. Nach den schlüssigen gutachterlichen Einschätzungen von Prof. Dr. B sehe es die Kammer als erwiesen an, dass es durch das Unfallereignis nicht zu einer wesentlichen Verschlimmerung des vorbestehenden Bandscheibenvorfalls des Klägers gekommen sei. Prof. Dr. B habe in seinem Gutachten überzeugend dargelegt, dass die Bandscheibenveränderung im Segment L4/5 zum Zeitpunkt des Unfalls bereits so weit fortgeschritten gewesen sei, dass es relativ geringer Kräfte bedurft habe, um eine Zunahme des Bandscheibenvorfalls mit Bedrängung der Nervenwurzel L5 rechts herbeizuführen. Es sei daher davon auszugehen, dass jede andere Gelegenheit - zum Beispiel ein Herunterspringen des Klägers vom Baufahrzeug oder ein Heben eines schweren Gegenstandes - zu der eingetretenen Verschlimmerung geführt hätte. Der Eintritt eines von dem vorbestehenden Leiden eindeutig abgrenzbaren eigenständigen Gesundheitsschadens durch das Unfallereignis vom 30. September 2016 könne somit insgesamt nicht festgestellt werden.
Soweit Dr. S in seinem Gutachten die hierzu gegenteilige Auffassung vertrete, dass nämlich das Unfallereignis eine Verschlimmerung des vorbestehenden Bandscheibenschadens in dem Segment LWK 4/5 mit Schädigung der Nervenwurzel L5 verursacht habe, könne die Kammer dieser Einschätzung nicht folgen. Dr. S verkenne insofern die Schwere des bereits nachgewiesenen vorbestehenden Bandscheibenvorfalls auf Höhe der LWK 4/5, welchen er selbst als „großvolumig“ bewertet habe. Soweit Dr. S dementsprechend davon ausgehe, dass die von ihm als „Diagnosekomplex 1“ beschriebene Erkrankung des Klägers, also das Nervenwurzelsyndrom S1, zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeit am 03. September 2016 vollständig beendet gewesen sei, sei dies für die Kammer nicht nachvollziehbar. Es erschließe sich nicht, warum die im Zusammenhang mit dem Bandscheibenvorfall bestehende Erkrankung des Klägers als vollständig beendet gewesen anzusehen sein sollte, nur weil der Kläger unter der Gabe von Schmerzmitteln zwischenzeitlich weitgehende Beschwerdefreiheit habe erlangen können. Dr. S gehe insofern in widersprüchlicher Weise zu seiner Einschätzung selbst davon aus, dass der Bandscheibenvorfall auch nach dem 02. September 2016 weiterbestanden habe (vgl. Seite 38 des Gutachtens). Auch die von Dr. S vorgenommene Differenzierung zwischen den Beschwerden des Klägers vor und nach dem Unfall, welche er auf die Bedrängung der Nervenwurzel S1 einerseits sowie der Nervenwurzel L5 andererseits zurückgeführt habe, überzeuge die Kammer nicht. Dr. S gehe in diesem Zusammenhang ausweislich seines Gutachtens selbst davon aus, dass sich anhand der MRT-Aufnahmen vom 22. August 2016 die einzelnen komprimierten Nervenwurzeln aufgrund des ausgeprägten Vorfallvolumens nicht zuordnen ließen (vgl. Seite 24 des Gutachtens). Die Kammer verweise in diesem Zusammenhang auch auf die überzeugende beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. L vom 21. Januar 2020. Zudem lasse Dr. S diesbezüglich außer Acht, dass nach dem Bericht des H Klinikums B vom 07. August 2016 bereits bei der Vorstellung des Klägers an diesem Tag - und damit vor dem Unfallereignis - der klinische Befund eines Nervenwurzelsyndroms L5/S1 rechts habe erhoben werden können.
Da insgesamt ein rechtlich wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 30. September 2016 und dem Bandscheibenvorfall des Klägers in dem Segment LWK 4/5 mit Schädigung der Nervenwurzel L5 nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit habe festgestellt werden können, seien weder die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten zu beanstanden noch habe der Kläger einen Anspruch auf die begehrte Feststellung weiterer Unfallfolgen.
Gegen das seinem damaligen Bevollmächtigten am 18. November 2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. Dezember 2020 über seinen Bevollmächtigten Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingelegt. Es sei eine weitere Begutachtung erforderlich. Die widerstreitenden Gutachten seien durch einen Fachmediziner in den entscheidenden Punkten abschließend zu bewerten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. September 2020 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 29. März 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 abzuändern sowie festzustellen, dass der Bandscheibenvorfall in dem Segment LWK 4/5 mit Schädigung der Nervenwurzel L5 Folge des Arbeitsunfalls vom 30. September 2016 ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 und Abs. 4 SGG Beweis erhoben, indem er ein fachorthopädische Zusammenhangsgutachten bei dem Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. T, B, in Auftrag gegeben hat. Dr. T hat den Kläger am 23. Juni 2021 untersucht und sein Gutachten am 28. Juli 2021 verfasst. Zum Unfallhergang selbst hat der Sachverständige Dr. T ausgeführt, nach Angaben des Klägers habe dieser nicht über die Fahrerseite aussteigen können, weil er mit seinem Pkw zu dicht an die Leitplanken gedrückt worden sei. Das Aussteigen aus dem Pkw habe mühevoll über die Beifahrerseite unter Hilfestellung anderer Verkehrsteilnehmer erfolgen müssen. Der Kläger habe ein paar Schritte um den Pkw herummachen können und sich dann an die Leitplanken angelehnt. Nachfolgend habe er sich hingesetzt, bis die Feuerwehr eingetroffen sei und ihn mit dem Rettungswagen in das Klinikum in K verbracht habe. Nach der dort erfolgten ambulanten Behandlung sei der Kläger mit einem Taxi zu einer lokalen Mietwagenagentur gebracht worden und habe dort die Formalitäten für die Anmietung eines Mietwagens erledigt. Sodann habe er gewartet, bis sein Bruder, den er zuvor telefonisch verständigt gehabt habe, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach K gereist sei, weil er sich selbst nicht in der Lage gefühlt habe, den gemieteten Pkw von K nach B zu fahren. Gegen 01:00 Uhr nachts am 01. Oktober 2016 sei er dann in B eingetroffen. Der Sachverständige Dr. T hat weiter ausgeführt, dass dieser Ablauf dem Kläger nicht möglich gewesen wäre, wenn er akut unfallbedingte Schäden an den Wirbelsäulenbändern, den Wirbeln, den Bandscheiben oder den kleinen Wirbelgelenken erfahren hätte.
In der Kernspintomografie am 10. Oktober 2016 seien keine traumatischen Schäden am Becken gesehen worden, stattdessen aber deutliche degenerative Veränderungen an der LWS. Bei dem Kläger sei bereits am 22. August 2016 ein Bandscheibenvorfall in der Etage L4/L5 rechts festgestellt worden. Darüber hinaus seien zu diesem Zeitpunkt degenerative Veränderungen und eine Bandscheibenprotrusion in der Etage L5/S1 diagnostiziert worden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit habe der Unfall vom 30. September 2016 nicht zu einer Verschlimmerung des bereits zuvor bestehenden Bandscheibenvorfalls in der Etage L4/L5 rechts geführt. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit einen anderen posttraumatischen Verlauf gehabt mit deutlich stärkeren unfallzeitnahen Beschwerden.
Im Übrigen hätten Kreuzschmerzen des Klägers im Sinne eines Hexenschusses nach Lage der Akten bereits zur Jahrtausendwende angefangen. In dem Lebensalter, das der Kläger zu Beginn seiner Beschwerden gehabt habe, habe nach den Ausführungen in der wissenschaftlichen Gutachtenliteratur bereits der Alterungsprozess der Bandscheiben begonnen. Bei dem Kläger habe zum Zeitpunkt des Unfallereignisses bereits eine degenerativ bedingte, ernsthafte Schädigung der LWS bestanden. Für die Entwicklung von stärkeren Kreuzschmerzen sei das Unfallereignis allenfalls eine Gelegenheitsursache gewesen.
Berücksichtige man die Ausführungen in der wissenschaftlichen Gutachtenliteratur, könne es bei dem Kläger bei dem stattgehabten Unfallmechanismus - angegurtet im Fahrersitz - auf keinen Fall zu einem traumatischen Bandscheibenvorfall in der Etage L4/L5 gekommen sein. Es gebe keine vorstellbare äußere Krafteinwirkung, die eine Bandscheibe der LWS isoliert schädigen könne. Bei axialer Einwirkung komme es auch bei vorzeitig veränderten Bandscheiben immer zuerst zur Fraktur. Auch bei Frakturen bleibe der Faserring in der Regel intakt. Bei Überstreckung bzw. Überbeugung, Rotation oder Kombinationsbewegungen komme es erst zur Bandscheibenschädigung, wenn die ligamentären Strukturen oder diejenigen der Wirbelgelenke beseitigt worden seien. Bei dem Kläger seien zu keinem Zeitpunkt nennenswerte Begleitschäden an der Wirbelsäule festgestellt worden. Traumatische Bandscheibenvorfälle gingen indes immer mit begleitenden knöchernen Verletzungen oder Bandverletzungen einher.
Die Argumentation des Sachverständigen Dr. S zur Unfallkausalität überzeuge indes nicht. Er blende bei seiner Argumentation den Unfallmechanismus, den direkten unfallzeitnahen Ablauf sowie die bildgebende Diagnostik aus.
Dem Gutachten beigefügt ist eine anlässlich der Untersuchung abgegebene Erklärung des Klägers, wonach dieser sich gut befragt und untersucht fühle und keine weiteren Fragen habe.
Im Hinblick auf das Gutachten von Dr. T hat der Kläger ein für den Medizinischen Dienst Berlin-Brandenburg im Auftrag der Krankenkasse A erstelltes Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. R vom 09. Juli 2021 zu den Akten gereicht. In diesem Gutachten heißt es, unter Berücksichtigung des Unfallmechanismus sei von einer ausreichenden Energie auszugehen, um eine traumatische Bandscheibenverletzung zu verursachen. Um den Kausalzusammenhang zwischen Trauma und Bandscheibenverletzung zu bekräftigen, spielten neben der Schwere des Traumas weitere Kriterien eine erhebliche Rolle, namentlich das Zeitintervall zwischen Trauma und Symptombeginn, der radiologische bzw. intraoperative Befund und die Vorschädigung. Ausweislich des Zwischenberichts von Dr. V vom 18. November 2016 habe der Kläger unmittelbar nach dem Unfall über Schmerzen in der rechten Hüfte geklagt. Diese Beschwerden hätten im gesamten Krankheitsverlauf fortbestanden und seien später als typische radikuläre, inkomplette Schmerzsymptomatik L5 klassifiziert worden. Somit sei festzustellen, dass die Schmerzsymptomatik unmittelbar nach dem Unfall eingetreten sei. Hinsichtlich des radiologischen Befundes sei die Sachlage nicht eindeutig. In der direkt nach dem Unfall durchgeführten CT-Untersuchung seien keine Begleitverletzungen nachgewiesen worden. Anhand von Röntgenbildern sei festzustellen, dass bereits im August 2016 ein großer Bandscheibenvorfall L4/5 vorgelegen habe. Anamnestisch sei mitgeteilt worden, dass eine radikuläre Symptomatik auf Höhe der Etage L5 seinerzeit nicht vorgelegen habe. Davon ausgehend, dass diese Informationen zuträfen und dass das Unfallereignis geeignet gewesen sei, um eine traumatische Bandscheibenverletzung zu verursachen, würde dieser geschilderte Sachverhalt für eine richtungsweisende Verschlimmerung des vorbestehenden Bandscheibenschadens sprechen. Das Kriterium, wonach traumatische Bandscheibenverletzungen Begleitverletzungen voraussetzten, sei kritisch zu sehen. Nach einer Dissertation aus Magdeburg aus dem Jahr 2018 könnten nur in rund 30 % der Fälle bei höchstwahrscheinlich traumatischen Bandscheibenverletzungen Begleitverletzungen nachgewiesen werden. Ferner sei zu berücksichtigen, dass bei dem Kläger eine vorbestehende Verschleißerkrankung der Wirbelsäule vorgelegen habe. Nach alledem müsse davon ausgegangen werden, dass es erst durch den Unfall zu einer Radikulopathie L5 gekommen sei. Insgesamt sei es durch das Unfallereignis vom 30. September 2016 zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung des Bandscheibenschadens auf der Etage L4/5 gekommen. Einschränkend hat Dr. R mitgeteilt, dass ihm Unterlagen für die Zeit vor dem Unfallereignis nicht vorgelegen hätten.
Im Hinblick auf dieses Gutachten hat der Senat bei dem Sachverständigen Dr. T eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme eingeholt, die dieser am 12. Oktober 2021 verfasst hat. Hierin hat Dr. T ausgeführt, dass die Unfallunabhängigkeit des rund fünf Wochen vor dem Unfallereignis aufgedeckten großen Bandscheibenvorfalls eindeutig sei. Eine Radikulopathie könne bei einem Bandscheibenvorfall jederzeit vorkommen bzw. entstehen, zum Beispiel, wenn man eine Treppenstufe verfehle oder eine Drehung aus der Vorbeuge beim Sich-Aufrichten vollziehe. Vor dem Hintergrund einer Gelegenheitsursache könne eine richtungsweisende wesentliche Verschlimmerung eines vorbestehenden unfallunabhängigen Leidens nicht festgestellt werden. Es sei auch unvorstellbar, dass die geschädigte Bandscheibe eine zusätzliche Schädigung erfahre, ohne dass anatomische Begleitstrukturen um die Bandscheibe herum verletzt würden.
Der Kläger hat hierzu mit Schriftsatz seines neuen Bevollmächtigten vom 31. Januar 2022 mitgeteilt, die bisherigen ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen seien vor dem Hintergrund einer inkorrekten Schilderung des Unfallhergangs ergangen. Tatsächlich sei er, wie bereits am 28. Januar 2019 mitgeteilt, nur mit Hilfe eines Ersthelfers in der Lage gewesen, aus dem Unfallwagen auszusteigen. Er sei, anders als im Durchgangsarztbericht vom 04. Oktober 2016 vermerkt, keinesfalls selbstständig aus dem Unfallwagen ausgestiegen. Die bisher gehörten Gutachter seien indes ausnahmslos von der unzutreffenden Schilderung des Unfallhergangs im Durchgangsarztbericht ausgegangen. Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. T, wonach ein selbstständiges Aussteigen aus dem Pkw bei einem traumatisch bedingten Bandscheibenvorfall aufgrund der starken Schädigung von anatomischen Strukturen kaum möglich gewesen wäre, verlören angesichts des tatsächlichen Unfallhergangs an Bedeutung. Zum Beweis der Tatsache, dass er das Fahrzeug nach dem Unfall nicht aus eigener Kraft habe verlassen können, werde als Zeuge der Ersthelfer H benannt, der noch am Unfallort seine persönlichen Daten hinterlassen habe.
Der Senat hat eine weitere ergänzende gutachterliche Stellungnahme bei dem Sachverständigen Dr. T eingeholt, die dieser am 21. März 2022 gefertigt hat. Dr. T hat hierin ausgeführt, der Kläger habe sich beim Wechsel vom Fahrersitz auf den Beifahrersitz, um aus der Beifahrertür auszusteigen, mit einer entsprechenden Drehung und Vorneigung des Körpers verbiegen müssen. Dies wäre ihm nicht möglich gewesen, hätte er einen akuten, traumatischen Bandscheibenvorfall an Ort und Stelle erlitten, da er sich sodann überhaupt nicht hätte bewegen können. Unterstützt werde die These, dass hier kein traumatischer Bandscheibenvorfall zustande gekommen sei, durch den Umstand, dass der Kläger nach dem Aussteigen aus dem Pkw über die Beifahrerseite ein paar Schritte in Richtung Leitplanke habe machen und sich dort habe hinsetzen können. Weiterhin sprächen die Tatsachen, dass im Akutkrankenhaus gefertigte Röntgenaufnahmen keine Frakturen gezeigt hätten und dass der Kläger ambulant behandelt bzw. mit einem Taxi zur nächsten Pkw-Vermietung gefahren worden sei und hier einen Pkw angemietet habe, für sich. Bei einem traumatischen Bandscheibenvorfall wäre dem Kläger eine derartige Aktivität nicht möglich gewesen.
Der Kläger hat hierauf über seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 12. April 2022 mitgeteilt, in dem radiologischen Kurzgutachten von Prof. Dr. K vom 06. September 2021 werde festgehalten, dass ein kleiner kaudal deszendierter Sequester, ausgehend vom darüber liegenden Massenvorfall, im CT nach dem Unfall neu aufgetreten und im MRT vom 22. August 2016 noch nicht nachweisbar gewesen sei. Dieser Befund würde eine verstärkte L5-Symptomatik erklären. Des Weiteren seien diverse Angaben in dem Gutachten von Dr. T nicht korrekt, namentlich zur Familienanamnese, zu einem vorbestehenden, die Mittelhand betreffenden Arbeitsunfall, zur Frage des Sachverständigen nach der Häufigkeit der Defäkation, zum Umfang des Alkoholgenusses und zur sportlichen Tätigkeit sowie zu den verbliebenen Möglichkeiten der Bewegung, zur Möglichkeit, eigene Beschwerden in der Untersuchungssituation ausführlich darzustellen, zum genauen Unfallhergang und zur Veranlassung des Notrufs, zur Art der Behandlung der Beschwerden im Bereich der LWS, zu den Fragen, welche Ärzte genau im Rahmen welcher Behandlungen tätig geworden seien und welche Ärzte die jeweiligen Behandlungen veranlasst hätten, zur Frage der bei und infolge der durchgeführten Operationen aufgetretenen Komplikationen, zur Frage, wann er erstmals wegen Rückenschmerzen bzw. Lumbago in Behandlung gewesen sei, zur Frage der Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Beschwerden von Seiten der LWS, zum Umfang der Schmerzmittelmedikation, zur Frage, an welchen Orten therapeutische Behandlungen stattgefunden haben sowie zur Frage, ob er eine Rente aus der Unfallversicherung beziehe. Unrichtig sei ferner die Angabe von Dr. T, unfallbedingte Frakturen seien sicher ausgeschlossen worden. Tatsächlich seien sie nicht zu 100 % ausgeschlossen worden. An der Unfallstelle sei auch zu keiner Zeit die Feuerwehr zugegen gewesen, sondern vielmehr ein Rettungswagen, der Notarzt und die Polizei. Er habe gegenüber Dr. T auch nie behauptet, dass sein Bruder mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach K gefahren sei. Vielmehr habe er dem Gutachter lediglich gesagt, dass sein Bruder nach K gebracht worden sei, da dieser nicht gewollt habe, dass er mit einem kaputten Auto und alleine nach Hause fahre. Er selbst, der Kläger, habe nicht mit der Bahn zurückfahren können, da ein verlängertes Wochenende aufgrund des Feiertags am 03. Oktober angestanden habe. Im Zug hätte er womöglich auf einem Stehplatz reisen müssen, was ihm gesundheitlich nicht möglich gewesen sei. In den ersten beiden Tagen nach dem Unfall habe er keinen Arzt aufsuchen können, da diese Tage auf ein Wochenende gefallen seien und er noch über Schmerzmedikamente verfügt habe, die er gegen seine sehr starken Schmerzen habe einnehmen können.
Dr. T habe ihn bei der Untersuchung immer wieder unterbrochen und es sei zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen, Sachverhalte ausführlich zu erklären. Dr. T habe sich zudem selbstständig und ohne sein Einverständnis aus den von ihm mitgebrachten Unterlagen und Bilddokumenten bedient, was dem Datenschutz zuwiderlaufe. Die Begleitung durch seinen Onkel bei der Untersuchung sei nicht etwa auf seine eigenen Bitten hin erfolgt, sondern auf Vorschlag von Dr. T selbst. Während der Untersuchung durch Dr. T habe er bereits nach 10 Minuten schmerzbedingt aufstehen müssen und nicht erst nach 25 bis 30 Minuten, wie von Dr. T beschrieben. Wegen der weiteren Angaben des Klägers zu (vermeintlichen) Ungenauigkeiten in der Darstellung von Einzelheiten im Gutachten von Dr. T wird auf den Schriftsatz vom 12. April 2022 Bezug genommen.
Zur Frage des genauen Unfallhergangs werde die Einholung eines biomechanischen Gutachtens von Amts wegen beantragt. Das Gericht solle sich auch seine Arbeit auf der Baustelle im Windpark bei einem Außentermin anschauen. Die Baustelle liege zwischen Be und E in der Nähe der Ortschaft T. Seine Tätigkeit erfordere körperliche Fitness und eine gewisse Kraftanstrengung. Wäre eine Gelegenheitsursache für den Bandscheibenvorfall bzw. die Nervenwurzelreizung ausschlaggebend gewesen, dann hätte sich diese schon vor dem Unfall bei seinen Arbeiten im Windpark ereignet.
Weiterhin sei von Seiten der Beklagten eine Stellungnahme einzuholen zu den Fragen, welcher Arzt der Berufsgenossenschaft die Operation im Januar 2017 veranlasst habe, was diesen Arzt bewegt habe, diese Operation zu veranlassen und warum der Arzt dem Kläger keine alternative Therapie vorgeschlagen habe. Nach dieser Operation habe er gleich schmerzende Gefühlsstörungen im linken Bein gehabt, sodass die Ausheilung nicht als komplikationslos dargestellt werden könne. Er sei von dem Arzt der Berufsgenossenschaft zu dieser Operation gedrängt worden.
Nicht zuletzt tätige der Sachverständige Dr. T Ausführungen zu dem Unfallhergang, die seine medizinische Fachkompetenz überschritten.
Dem Schriftsatz beigefügt ist ein Schadengutachten der Dekra vom 11. Oktober 2016, wonach sich die Reparaturkosten für den beschädigten Pkw auf insgesamt 36.360,20 EUR inklusive Mehrwertsteuer beliefen. Der Unfallhergang ist in dem Gutachten auf der Grundlage der eigenen Angaben des Klägers wie folgt beschrieben: „Starker Anstoß gegen das Fahrzeugheck durch den auffahrenden Unfallverursacher mit seinem Pkw. Durch die starke Kollision wurde das Fahrzeug links in die Leitplanke geschoben.“ Dem Gutachten angehängt ist eine Fotodokumentation des beschädigten Fahrzeugs.
In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 02. August 2022 hat der Sachverständige Dr. T zu dem Umstand Stellung genommen, dass in dem radiologischen Kurzgutachten von Prof. Dr. K vom 06. September 2021 ein kleiner kaudal deszendierter Sequester, ausgehend vom darüber liegenden Massenvorfall, im CT nach dem Unfall neu aufgetreten und im MRT vom 22. August 2016 noch nicht nachweisbar gewesen sei. Er hat hierzu unter Hinweis auf seine bisherigen gutachterlichen Ausführungen mitgeteilt, dass die Hypothese, wonach dieser Befund eine verstärkte L5-Symptomatik erkläre, aus orthopädischer Sicht sehr unwahrscheinlich sei. Es werde empfohlen, ein radiologisches Zusatzgutachten zu veranlassen.
Schließlich hat der Senat – nach Beiziehung der weiteren MRT-Aufnahmen der LWS des Klägers aus dem Diagnostikum B vom 22. August 2016 – am 24. August 2022 ein Kurzgutachten auf radiologischem Fachgebiet nach Aktenlage bei dem Sachverständigen Prof. Dr. T, Uklinik M , in Auftrag gegeben. Nachdem der Senat ein durch den Kläger mit Schriftsatz vom 19. September 2022 gegen Prof. Dr. T gestelltes Ablehnungsgesuch wegen der Besorgnis der Befangenheit durch seinen Berichterstatter mit Beschluss vom gleichen Tag zurückgewiesen hatte, hat Prof. Dr. T am 28. Februar 2023 sein Gutachten verfasst. Darin hat er anhand der ihm vorliegenden Projektionsradiografien, Computertomografien und MRT-Untersuchungen ausgeführt, dass sich bei dem Kläger nach dem Unfall keinerlei Weichteilschäden oder knöcherne Läsionen nachweisen ließen. Insbesondere fehlten Einblutungen in die Weichteile oder Kontusionsödeme, die auf eine direkte Krafteinwirkung auf die Wirbelsäule und das Becken hinweisen würden. Es finde sich auch keine frische Fraktur. Zwar lasse sich in der CT-Untersuchung vom Unfalltag erstmals ein kleiner Bandscheibensequester unterhalb des bereits vorhandenen und in der Größe nicht zunehmenden Massenprolaps nachweisen. Der Massenprolaps dränge die Wurzeln L5 und S1 bereits stark nach dorsal, sodass der Sequester auch in der CT-Untersuchung, in der der Verlauf der Wurzel L5 sehr gut nachvollziehbar sei, keinen Kontakt zur Wurzel L5 erhalte. Für diesen kleinen Sequester könne die unfallbedingte Genese nicht hinreichend wahrscheinlich bewiesen werden. Selbst wenn der Sequester durch den Unfall entstanden sein sollte, würde dieser keine zusätzliche oder neue Kompression der Wurzel L 5 bedingen. Bildmorphologisch lasse sich zu keinem Zeitpunkt eine relevante Unfallfolge oder gar eine richtungsgebende Verschlimmerung der bereits vorhandenen multisegmentalen und sehr ausgeprägten degenerativen Schäden, wie sie in der MRT-Untersuchung vom 22. August 2016 im Sinne eines frischen Massenvorfalls mit Bedrängung der Nervenwurzeln L5 und S1 nachgewiesen worden seien, feststellen.
Im Hinblick auf das Gutachten von Prof. Dr. T hat der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 02. Mai 2023 vorgetragen, die Abbildungen auf den Seiten 7 bis 14 seien bereits nicht eindeutig ihm, dem Kläger, zuzuordnen. Die Qualität der Aufnahmen mache dies unmöglich. Die Aussage des Sachverständigen, wonach der Sequester keinerlei Kontakt zu den Nervenwurzeln gehabt habe, hätte nur dann eindeutig sein können, wenn die MRT-Aufnahme im Stehen erfolgt wäre. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen. Um festzustellen, dass es definitiv zu keinen Einblutungen gekommen sei, hätte vor den Bildaufnahmen ein Kontrastmittel verabreicht werden müssen, was aufgrund einer gegen Kontrastmittel bestehenden hochgradigen Allergie allerdings nicht geschehen sei. Dem Gutachten von Prof. Dr. T könne daher nicht gefolgt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Die Akten lagen in der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung vor.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet.
Das Urteil des SG vom 25. September 2020 sowie der Bescheid der Beklagten 29. März 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung, dass es sich bei dem Bandscheibenvorfall in dem Segment LWK 4/5 mit Schädigung der Nervenwurzel L5 um eine (weitere) Folge des Arbeitsunfalls vom 30. September 2016 handelt.
Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII
begründenden Tätigkeit, wobei gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit ist. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(erst)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung zur Zeit des Unfalls“, „Unfallereignis“ sowie „Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden“ im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die überwiegende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit; ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden. Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht ausschließlich eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (ständige Rechtsprechung, Bundessozialgericht <BSG>, vgl. Urteile vom 30. März 2017 – B 2 U 6/15 R -, Rn. 12, vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 11/14 R -, Rn. 10, vom 04. Dezember 2014 – B 2 U 18/13 R -, Rn. 16 ff., vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R -, Rn. 20 ff., vom 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R -, Rn. 16 ff., vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, Rn. 15 ff., vom 27. Juni 2006 – B 2 U 20/04 R -, Rn. 18 ff. und vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, Rn. 13 ff., alle zitiert nach Juris, siehe auch: Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Kap. 1.7, S. 21 f.). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 8/06 R -, Rn. 20, zitiert nach Juris).
Dies zugrunde gelegt steht nicht zur Überzeugung des Senats gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG fest, dass der Bandscheibenvorfall in dem Segment LWK 4/5 mit Schädigung der Nervenwurzel L5 im Sinne einer wesentlichen Verursachung abgrenzbar auf den Unfall vom 30. September 2016 zurückgeführt werden kann.
Das SG hat in seinem Urteil vom 25. September 2020 ausführlich und mit zutreffender Begründung dargelegt, dass es bei dem Kläger infolge des Arbeitsunfalls vom 30. September 2016 zu keiner strukturellen Schädigung im Bereich der LWS gekommen ist, die Ursache für ein dauerhaftes Fortbestehen von unfallbedingten Beschwerden sein könnte. Es hat ausgeführt, weshalb es dem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Prof. Dr. B vom 26. September 2018 in Verbindung mit der ergänzenden Stellungnahme vom 10. Februar 2019 folgt. Ebenso hat es dargelegt, dass dieses Gutachten in Einklang steht mit der im Verwaltungsverfahren eingeholten fachchirurgischen Stellungnahme von Dr. V und Dr. R vom 24. Februar 2017 und dass die Feststellungen von Prof. Dr. B darüber hinaus auch durch den Beratungsarzt Dr. L in seiner Stellungnahme vom 21. Januar 2020 bekräftigt worden sind. Die vorgenannten Gutachter bzw. Ärzte haben übereinstimmend die nachgewiesenen unmittelbar unfallbedingten Gesundheitsstörungen als lediglich vorübergehend eingestuft und dargelegt, dass der Bandscheibenvorfall im Segment L4/5 mit Schädigung der Nervenwurzel L5 nicht, auch nicht im Sinne der Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens, durch den Arbeitsunfall vom 30. September 2016 rechtlich wesentlich verursacht worden ist. Bei ihren jeweiligen Beurteilungen kam den durchgangsärztlich erhobenen Befunden, der Rekonstruktion des Unfallhergangs und vor allem der Auswertung der gefertigten Bilddokumente die tragende Rolle zu. Zusätzlich hat sich das SG bei der von ihm vorgenommenen Wertung auf die Dokumentation in den beigezogenen Leistungsnachweisen der Krankenkasse gestützt.
Nicht in Übereinstimmung mit den vorgenannten Gutachten steht das auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Facharztes für Neurochirurgie und Physiologie Dr. S vom 21. November 2019 in Verbindung mit der ergänzenden Stellungnahme vom 11. März 2020. Dr. S hat darin ausgeführt, dass der Kläger dem stattgehabten Unfallmechanismus keinen körpereigenen Schutzmechanismus habe entgegensetzen können und – unter besonderer Berücksichtigung des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfallgeschehen und dem Auftreten von Beschwerden – die Nervenwurzelkompression L 5 rechtsseitig als unfallbedingt anzusehen sei.
Das SG setzt sich in seiner Entscheidung mit den vorgenannten Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen eingehend auseinander und legt mit zutreffender Begründung dar, weshalb es Prof. Dr. B und Dr. V bzw. Dr. R sowie dem Beratungsarzt Dr. L folgt, sich aber nicht dem Sachverständigen Dr. S anzuschließen vermag. Der Senat sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit Bezug auf die nach eigener Prüfung als zutreffend erachtete ausführliche Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Durch die im Berufungsverfahren erfolgten medizinischen Ermittlungen, namentlich das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. T vom 28. Juli 2021 in Verbindung mit den beiden ergänzenden Stellungnahmen vom 12. Oktober 2021 und vom 21. März 2022, wird das erstinstanzliche Urteil bzw. werden die ihm zugrundeliegenden ärztlichen Beurteilungen, wonach es durch den Arbeitsunfall vom 30. September 2016 nicht nachweislich zu einem Bandscheibenvorfall in dem Segment LWK 4/5 mit Schädigung der Nervenwurzel L5 gekommen ist, bestätigt.
Entscheidend ist auch für Dr. T dass bei dem Kläger bereits am 22. August 2016 und mithin über einen Monat vor dem Unfallgeschehen kernspintomografisch Bandscheibenveränderungen im Segment L4/5 im Sinne eines Massenvorfalls der Bandscheibe mit Einengung des Spinalkanals festgestellt und darüber hinaus zu diesem Zeitpunkt auch degenerative Veränderungen und eine Bandscheibenprotrusion in der Etage L5/S1 diagnostiziert worden waren. Weiterhin konnten in der Kernspintomografie vom 10. Oktober 2016 - und mithin nur anderthalb Wochen nach dem Unfall - keine traumatischen Schäden am Becken aufgedeckt werden, stattdessen aber deutliche degenerative Veränderungen an der LWS. Auf dieser Grundlage bildgebender Dokumentation folgert Dr. T schlüssig und nachvollziehbar, dass der Unfall vom 30. September 2016 mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Verschlimmerung des bereits zuvor bestehenden Bandscheibenvorfalls in der Etage L4/L5 rechts geführt hat. Bei dem stattgehabten Unfallmechanismus - angegurtet im Fahrersitz – könne es auf keinen Fall zu einem traumatischen Bandscheibenvorfall in der Etage L4/L5 gekommen sein. Es gebe keine vorstellbare äußere Krafteinwirkung, die eine Bandscheibe der LWS isoliert schädigen könne. Bei axialer Einwirkung komme es auch bei vorzeitig veränderten Bandscheiben immer zuerst zur Fraktur. Auch bei Frakturen bleibe der Faserring in der Regel intakt. Bei Überstreckung bzw. Überbeugung, Rotation oder Kombinationsbewegungen komme es erst zur Bandscheibenschädigung, wenn die ligamentären Strukturen oder diejenigen der Wirbelgelenke beseitigt worden seien.
Diese Ausführungen des Sachverständigen Dr. T stehen in Einklang mit der aktuellen wissenschaftlichen Gutachtenliteratur: Danach entstehen Bandscheibenverletzungen unfallmäßig meist mit Wirbelkörperfrakturen. Die Bandscheibenbeteiligung ist eine häufige Begleitverletzung des Wirbelkörperbruchs. Der isolierte Wirbelkörperbruch ist relativ selten. Ältere Lehrmeinungen über das Vorliegen isolierter traumatischer Bandscheibenvorfälle sind auf Grund moderner bildgebender Verfahren (Computer-, Kernspintomografie) nicht zu halten. Bandscheibenvorfälle erscheinen als Unfallfolge stets mit begleitenden (minimalen) knöchernen oder Bandverletzungen im betroffenen Segment. Segmentale Scherungs-, Torsions- und Kippbewegungen werden durch Bandapparat und Gelenke des Bewegungssegments auf etwa die Hälfte des möglichen Bewegungsumfangs einer Bandscheibe begrenzt; vor einer unfallbedingten mechanischen Schädigung der Bandscheibe müssen diese sichernden, gelenkigen und ligamentären Strukturen verletzt werden. Experimentell wurde bei unversehrten Bändern und Wirbelgelenken über Scherungs- und Torsionsbelastungen keine einzige Bandscheibenschädigung herbeigeführt. Dies gelang erst beim Überschreiten der durch einen intakten Bandapparat vorgegebenen Grenze normaler Bewegung nach Durchtrennung der Bänder, sogenannter Hyperflexion, das heißt Vorbeugung über die physiologische Grenze hinaus, bei gleichzeitiger hoher axialer Belastung. Bei Texturstörungen der Bandscheibe vergrößert keineswegs eine axial einwirkende Kraft die „Risse“ und erleichtert hierdurch den Bandscheibenvorfall. Auch bei texturgestörten Bandscheiben in der Wirbelsäulen-Bandscheiben-Einheit kommt es bei axialer Kompression immer zuerst zu Einbrüchen der Deck- und Bodenplatten, bevor die veränderte Bandscheibe zusätzlich Schaden nimmt. Liegen Begleitverletzungen im Sinne von – wenn auch minimalen – knöchernen oder Bandverletzungen im vom Bandscheibenvorfall betroffenen Segment nicht vor, kann ein Unfall einen Bandscheibenvorfall nur herbeiführen, wenn eine gravierende Schadensanlage vorliegt, das heißt eine weit fortgeschrittene Zermürbung des Faserrings der Bandscheibe. Das Unfallereignis führt dann nur zu einem Zerreißen der letzten Fasern und zu einer Manifestation des Bandscheibenvorfalls. Da der unfallunabhängige Prozess, welcher primär zu der fortgeschrittenen Zermürbung des Faserrings geführt hat, seinem Wesen nach fortschreitend ist, ist das Unfallereignis als Ursache des Bandscheibenvorfalls unwesentlich. In absehbarer Zeit wäre der Bandscheibenvorfall auch im Sinne eines Unfalls als Gelegenheitsanlass unter den Bedingungen des alltäglichen Lebens zu erwarten gewesen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Seiten 460 ff., m. w. N.; vgl. zur Begutachtung bei Bandscheibenvorfall nach Trauma auch: Thormann/Grosser/Schröter, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 3. Aufl. 2019, Seiten 78 ff.).
Gehen demnach traumatische Bandscheibenvorfälle immer mit begleitenden knöchernen Verletzungen oder Bandverletzungen einher, so ist hier festzustellen, dass bei dem Kläger zu keinem Zeitpunkt traumatische Begleitschäden an der Wirbelsäule oder den Bändern aufgedeckt worden sind. Das von dem Kläger als möglicher Begleitschaden angeführte Knochenödem war bereits bei der Kernspintomografie vom 22. August 2016 erkennbar und kann demzufolge keine Begleitverletzung des Unfalls vom 30. September 2016 darstellen.
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Klägers überschreitet der medizinische Sachverständige Dr. T auch nicht seine Kompetenz, wenn er die Position des Klägers zum Unfallzeitpunkt – Fixierung mit einem Dreipunktgurt auf dem Fahrersitz - auf ihre Geeignetheit hin untersucht, bestimmte Verletzungsmuster zu verursachen. Bei insoweit feststehendem Unfallhergang ist die Frage, welche Art von körperlichen Beeinträchtigungen sich hieran anknüpfen lassen, keine technische, sondern eine medizinische.
Ferner nimmt der Sachverständige Dr. T zur Beurteilung des Kausalzusammenhangs die Krankheitsvorgeschichte des Klägers bzw. die bei ihm bereits vor dem Unfall gestellten Diagnosen und erhobenen Befunde in den Blick. Soweit er darauf hinweist, dass Kreuzschmerzen des Klägers bereits zur Jahrtausendwende begonnen hatten, ist festzuhalten, dass dem Vorerkrankungsverzeichnis samt Arbeitsunfähigkeitszeiten der A entsprechende jeweils mehrtägige Zeiten der Arbeitsunfähigkeit im September 1998 und im Juli 1999 wegen Lendenschmerzen zu entnehmen sind und mithin relevante und einschlägige Beschwerden zeitlich bereits weit vor dem angeschuldigten Ereignis vom 30. September 2016 bestanden hatten. Sodann weist das Vorerkrankungsverzeichnis der A kurz vor dem angeschuldigten Ereignis die folgenden Arbeitsunfähigkeitszeiten auf: vom 08. August 2016 bis zum 20. August 2016 wegen der Diagnosen Lumboischialgie, Radikulopathie (nicht näher bezeichnete Lokalisation) und sonstige näher bezeichnete Bandscheibenverlagerung, sowie direkt im Anschluss vom 21. August 2016 bis zum 02. September 2016 wegen der Diagnose Lumboischialgie. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass dem am 26. Januar 2018 verfassten Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. H unter anderem ein Arztbrief des HKlinikums B vom 07. August 2016 beigefügt war, wonach der Kläger seit zehn Tagen über Rückenschmerzen klage, die unter einer Behandlung mit Ibuprofen schlimmer geworden seien. Seit zwei Tagen leide er unter einer Schmerzausstrahlung bis in die Sohle. Als klinischer Befund wurde ein Nervenwurzelsyndrom L5/S1 rechts ohne Paresen und ohne Sensibilitätsstörungen erhoben und dem Kläger sei eine stationäre Aufnahme zur Schmerztherapie angeboten worden, was dieser abgelehnt habe. Vor diesem Hintergrund folgert der Sachverständige Dr. T schlüssig und nachvollziehbar, dass zum Zeitpunkt des Unfallereignisses vom 30. September 2016 bei dem Kläger bereits eine degenerativ bedingte, ernsthafte Schädigung der LWS bestanden hatte und für die Entwicklung von stärkeren Kreuzschmerzen das Unfallereignis allenfalls eine Gelegenheitsursache gewesen sein kann.
Nicht zuletzt nimmt Dr. T bei seiner Kausalitätsbewertung den posttraumatischen Verlauf in den Blick. Er erläutert, dass - wäre der Bandscheibenvorfall in dem Segment LWK 4/5 mit Schädigung der Nervenwurzel L5 Folge des Arbeitsunfalls vom 30. September 2016 gewesen - der Kläger deutlich stärkere unfallzeitnahe Beschwerden gehabt hätte. Soweit sich Dr. T in seiner Begründung auf den an den Unfall unmittelbar anschließenden Ereignisablauf stützt, bleibt festzustellen, dass es hier nicht entscheidend darauf ankommt, ob der Kläger, wie in dem Durchgangsarztbericht des Dr. F vom 04. Oktober 2016 vermerkt, selbstständig aus dem Fahrzeug ausgestiegen ist oder ob ihm von einem Ersthelfer aus dem Auto geholfen wurde. Dr. T hat seiner Beurteilung bereits den erweiterten Vortrag des Klägers zugrunde gelegt, wonach dieser mithilfe anderer Verkehrsteilnehmer über die Beifahrerseite ausgestiegen ist, sodass der Senat eine Diskrepanz zwischen den eigenen Angaben des Klägers und dem von Dr. T berücksichtigten Ablauf des Unfallgeschehens nicht erkennen kann. Berücksichtigt Dr. T den eigenen Vortrag des Klägers zu der unmittelbar nach dem Unfall ablaufenden Ereigniskette, so hält der Senat die von dem Kläger beantragte Vernehmung des Ersthelfers H als Zeugen für entbehrlich. Lebensnah und in Kenntnis der physiologischen Gegebenheiten beim Ablauf bestimmter Bewegungsmuster hat Dr. T in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. März 2022 ausgeführt, der Kläger habe sich beim Wechsel vom Fahrersitz auf den Beifahrersitz, um aus der Beifahrertür auszusteigen, mit einer entsprechenden Drehung und Vorneigung des Körpers verbiegen müssen. Dies wäre ihm nicht möglich gewesen, hätte er einen akuten, traumatischen Bandscheibenvorfall an Ort und Stelle erlitten, da er sich sodann überhaupt nicht hätte bewegen können. Weiterhin in Einklang mit der eigenen Darstellung des Klägers hat Dr. T berücksichtigt, dass dieser ein paar Schritte um den Pkw herumlaufen konnte, sich dann an die Leitplanken angelehnt und sich nachfolgend hingesetzt hatte, bis der Notarzt (bzw. – so Dr. T unerheblich abweichend – die Feuerwehr) eintraf, um ihn mit dem Rettungswagen in das Klinikum in K zu bringen. Gestützt auf die eigenen Schilderungen des Klägers legt Dr. T weiter zugrunde, dass der Kläger nach der dort erfolgten ambulanten Behandlung mit einem Taxi zu einer lokalen Mietwagenagentur gebracht wurde, dort die Formalitäten für die Anmietung eines Mietwagens erledigte und sodann wartete, bis sein Bruder nach mehrstündiger Fahrt eintraf, um ihn in dem gemieteten Pkw vom oberfränkischen K ins nordbrandenburgische B zu fahren, wo beide gegen 01:00 Uhr nachts am 01. Oktober 2016 eintrafen. Nach den schlüssigen Ausführungen von Dr. T wird durch die vorgenannten Umstände sowie durch die von dem Kläger unmittelbar nach dem Unfall entfalteten Aktivitäten die These unterstützt, dass hier kein traumatischer Bandscheibenvorfall zustande gekommen sein kann. Die Wertung des Sachverständigen Dr. T, dass dieser Ablauf dem Kläger nicht möglich gewesen wäre, wenn er akut unfallbedingte Schäden an den Wirbelsäulenbändern, den Wirbeln, den Bandscheiben oder den kleinen Wirbelgelenken erfahren hätte, ist für den Senat ohne Weiteres nachvollziehbar und steht ebenfalls in Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Gutachtenliteratur. Danach besteht beim traumatischen Bandscheibenvorfall auf Grund der erforderlichen Krafteinwirkung und Begleitverletzungen stets eine starke lokale Schmerzsymptomatik. Jede Strukturschädigung der Wirbelsäule im unmittelbaren Anschluss an einen Unfall führt zu schmerzhaften Funktionsstörungen. Eine Weiterarbeit nach dem Unfallereignis oder das Unterlassen einer unfallnahen Inanspruchnahme medizinischer Hilfe sprechen gegen eine schwere Verletzung (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., Seite 461). Zwar hat es der Kläger hier nicht unterlassen, zeitnah ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dennoch hat er – nach vorübergehender ärztlicher Betreuung in der Rettungsstelle - die oben wiedergegebenen umfassenden Aktivitäten entfaltet, aus denen Dr. T schlüssig folgert, dass es nicht zu einem traumatischen Bandscheibenvorfall gekommen sein kann.
Stellt man die in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. T, die den wissenschaftlichen Maßstäben zur Begutachtung bei einem Bandscheibenvorfall nach einem Trauma folgen (vgl. hierzu Thormann/Grosser/Schröter, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 3. Aufl. 2019, Seiten 78 ff.), der Argumentation des Sachverständigen Dr. S zur Unfallkausalität gegenüber, so überzeugen letztere nicht. Dr. S blendet bei seiner Argumentation die Krankheitsvorgeschichte, den Unfallmechanismus, den direkten unfallzeitnahen Ablauf sowie die bildgebende Diagnostik teilweise aus bzw. zieht aus den vorgenannten Umständen keine wissenschaftlich überzeugend begründeten Schlüsse.
Die Feststellungen in dem Gutachten von Dr. T werden auch nicht durch das Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. R vom 09. Juli 2021 entkräftet, wonach es durch das Unfallereignis vom 30. September 2016 zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung des Bandscheibenschadens auf der Etage L4/5 und zu einer Radikulopathie L5 gekommen sein soll. Dr. R erläutert nicht weiter, aus welchen Gründen er annimmt, unter Berücksichtigung des Unfallmechanismus sei von einer ausreichenden Energie auszugehen, um eine traumatische Bandscheibenverletzung zu verursachen. Aus dem rein zeitlichen Zusammentreffen von Schmerzen und Unfallereignis schließt er auf einen Kausalzusammenhang, ohne Vorschädigungen und radiologische sowie intraoperative Befunde in ihrer Bedeutung hinreichend zu würdigen oder auch nur den Unfallbericht auszuwerten. Bei der Begutachtung von fraglichen traumatischen Bandscheibenvorfällen der LWS müssen indes immer der Unfallbericht eingeholt werden und eine exakte Unfallerhebung erfolgen (etwa anhand der Gurtmarken), um einen echten traumatischen Bandscheibenvorfall zu beweisen oder lediglich die Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens und/oder eine Gelegenheitsursache der beschriebenen Bandscheibenproblematik auszuschließen (siehe hierzu Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 14. Aufl. 2019, Seite 299). Dies blendet Dr. R in seinen Ausführungen weitgehend aus. Er selbst weist einschränkend darauf hin, dass ihm Unterlagen für die Zeit vor dem Unfallereignis nicht vorgelegen hätten. Damit fehlt ihm hier aber die entscheidende Erkenntnisgrundlage.
Soweit Dr. R zur Begründung seiner Auffassung, dass unfallbedingte Bandscheibenschäden regelmäßig auch ohne Begleitverletzungen entstünden, auf eine Dissertation aus Magdeburg verweist, stellt dies offenbar einen Verweis auf eine vereinzelte Meinung dar, die in der wissenschaftlichen Gutachtenliteratur keine weitere Verbreitung gefunden hat und die nach Auffassung des Senats nicht geeignet ist, neue Erkenntnisse überzeugend zu vermitteln. Die im Internet abrufbare Dissertation „Klinischer Verlauf und kernspintomografische Befunde bei traumatischen Bandscheibenvorfällen in der Klinik für Neurochirurgie der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg aus den Jahren 2001-2014“[1] beruht auf der Auswertung einer nur sehr geringen Anzahl vermuteter traumatischer Bandscheibenvorfälle; nur 5 der 51 untersuchten Bandscheibenvorfälle betrafen die LWS. Vorerkrankungen und die den Bandscheibenvorfällen zugrundeliegenden Unfallhergänge wurden nicht hinreichend aufgeklärt. So heißt es etwa auf Seite 56 der Dissertation: „Einschränkend muss jedoch erwähnt werden, dass auf die im Einzelnen stattgefundenen Unfallmechanismen in den verwendeten Krankenblättern nicht näher eingegangen wurde“ und weiter: „Da die möglichen Vorschäden im Patientengut in den Krankenakten nicht konsistent erfasst wurden, konnte darauf in der vorliegenden Arbeit kein Bezug genommen werden.“ Damit fehlt der Dissertation nach Auffassung des Senats bereits die Grundlage, auf die mögliche Erkenntnisse zu stützen wären. Auch in ihren Schlussfolgerungen bleibt die Dissertation vage. Auf Seite 58 heißt es etwa: „Eine Signifikanz zwischen der Art des Unfalls und dem Auftreten von Begleitverletzungen ließ sich jedoch nicht nachweisen.“ Schließlich kann der Senat der Dissertation hinsichtlich des Auftretens von Begleitverletzungen keine Differenzierung zwischen Bandscheibenvorfällen der LWS, der HWS und der Brustwirbelsäule entnehmen; die Ausführungen bleiben auch hier zu vage und zu allgemein, um wissenschaftlich überzeugen zu können.
Stand der wissenschaftlichen Lehrmeinung ist vielmehr – wie oben dargelegt –, dass bei traumatischen Bandscheibenverletzungen immer Begleitverletzungen nachzuweisen sind. Für die lumbale Wirbelsäule wird postuliert, dass abgesehen vom Hyperflexionstrauma mit axialer Stauchung eine Schädigung der Bandscheibe bei bestehender Vorschädigung derselben durch Unfälle unwahrscheinlich ist, wenn nicht erhebliche Begleitverletzungen nachgewiesen werden können. Nicht vorstellbar ist es, dass eine geschädigte Bandscheibe eine zusätzliche Schädigung erfährt, ohne dass anatomische Begleitstrukturen um die Bandscheibe herum verletzt werden (vgl. auch Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 14. Aufl. 2019, Seite 298 f.)
Soweit Dr. R in seinem Gutachten vom 09. Juli 2021 die Auffassung vertritt, erst durch das Unfallgeschehens sei es zu einer Radikulopathie L5 gekommen, weist der Sachverständige Dr. T in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12. Oktober 2021 darauf hin, dass eine Radikulopathie bei einem Bandscheibenvorfall jederzeit vorkommen bzw. entstehen kann, wenn man etwa eine Treppenstufe verfehlt oder eine Drehung aus der Vorbeuge beim Sich-Aufrichten vollzieht. Vor dem Hintergrund einer Gelegenheitsursache kann, so auch Dr. T weiter überzeugend, eine richtungsweisende wesentliche Verschlimmerung eines vorbestehenden unfallunabhängigen Leidens nicht festgestellt werden.
Schließlich können die gegen das Gutachten von Dr. T in Verbindung mit seinen ergänzenden Stellungnahmen gerichteten Einwände des Bevollmächtigten des Klägers, die dieser mit Schriftsatz vom 12. April 2022 erhoben hat, die Überzeugung des Senats von der Richtigkeit der Feststellungen von Dr. T nicht entkräften. Soweit der Kläger anführt, diverse Angaben in dem Gutachten von Dr. T seien nicht korrekt, insbesondere zur Familienanamnese, zu einem vorbestehenden, die Mittelhand betreffenden Arbeitsunfall, zu den Fragen des Sachverständigen nach der Häufigkeit der Defäkation, zum Umfang des Alkoholgenusses, zu den Umständen der Veranlassung des Notrufs, zur Frage, an welchen Orten therapeutische Behandlungen stattgefunden haben sowie zur Frage, ob er eine Rente aus der (privaten) Unfallversicherung beziehe, gilt, dass hier eine Entscheidungserheblichkeit der Beantwortung dieser Fragen bereits nicht erkennbar ist. Diese Fragen mögen zwar anamnestisch gestellt worden sein (oder auch nicht), stehen aber in keinem direkten Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Kausalitätsbewertung. Soweit der Kläger die korrekte Wiedergabe des genauen Unfallhergangs durch den Sachverständigen moniert, kann der Senat – wie bereits oben dargelegt – entscheidungserhebliche Diskrepanzen zwischen den eigenen Angaben des Klägers und dem von Dr. T jedenfalls in seinen ergänzenden Stellungnahmen zugrunde gelegten Sachverhalt nicht erkennen. Der Senat sieht daher auch keine Veranlassung, das von dem Kläger angeregte biomechanische Gutachten zum Unfallhergang einzuholen.
Entscheidungserhebliche Unrichtigkeiten, die die Art der Behandlung der Beschwerden im Bereich der LWS, die Frage, welche Ärzte genau im Rahmen welcher Behandlungen tätig geworden sind und welche Ärzte die jeweiligen Behandlungen veranlasst hatten, die Frage der bei und infolge der durchgeführten Operationen aufgetretenen Komplikationen und diejenige nach dem Umfang der Schmerzmittelmedikation betreffen, kann der Senat ebenso wenig feststellen. Unerheblich ist auch, welche sportlichen und funktionellen Möglichkeiten dem Kläger infolge seiner gesundheitlichen Einschränkungen verblieben sind. Die Beantwortung all dieser Fragen wäre nur dann entscheidungserheblich, wenn sich die hier zur Feststellung beantragte Folge tatsächlich auf den Unfall vom 30. September 2016 zurückführen ließe und aus ihr ggf. Entschädigungsansprüche (namentlich Verletztengeld, Verletztenrente und Heilbehandlungsmaßnahmen) resultierten, die sich ihrerseits an den tatsächlich durchgeführten Behandlungsmaßnahmen und den verbliebenen funktionellen Möglichkeiten orientierten. Dies ist hier jedoch aus den oben genannten Gründen nicht der Fall.
Soweit der Kläger die Richtigkeit der Ausführungen von Dr. T, wann genau er erstmals wegen Rückenschmerzen bzw. Lumbago in Behandlung gewesen ist und welche Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Beschwerden von Seiten der LWS vermerkt sind, in Zweifel zieht, gilt, dass sich der Senat hier in seiner Begründung auf die Vorerkrankungsverzeichnisse mit Arbeitsunfähigkeitszeiten der Krankenversicherung des Klägers sowie die beigezogenen ärztlichen Befundberichte gestützt hat, aus denen auch Dr. T die zutreffenden Schlüsse gezogen hat. Demnach sind Arbeitsunfähigkeiten des Klägers wegen eines Rückenleidens erstmals um die Jahrtausendwende dokumentiert.
Soweit der Kläger moniert, unrichtig sei die Angabe von Dr. T, unfallbedingte Frakturen seien sicher ausgeschlossen worden, tatsächlich seien sie nicht zu 100 % ausgeschlossen worden, so ist entscheidungserheblich gemäß den obigen Ausführungen zur Kausalität im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nur, dass unfallbedingte Frakturen nicht nachgewiesen werden konnten, nicht aber, ob sie nun sicher oder nur „fast sicher“ ausgeschlossen werden konnten. Ebenso wenig besteht für die Entscheidung in dem vorliegenden Verfahren Interesse an der Beantwortung der Frage, auf wessen Initiative hin der Onkel des Klägers in der Untersuchungssituation anwesend war und mit welchem Verkehrsmittel der Bruder des Klägers am Unfalltag anreiste, um ihn sodann mit dem angemieteten Pkw mit nach Hause zu nehmen.
Rügt der Kläger die seines Erachtens unzureichende Möglichkeit, eigene Beschwerden in der Untersuchungssituation ausführlich darzustellen und teilt er mit, Dr. T habe ihn bei der Untersuchung immer wieder unterbrochen und es sei ihm zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen, Sachverhalte ausführlich zu erklären, so ist darauf hinzuweisen, dass dem Gutachten von Dr. T eine eigene und handschriftlich unterzeichnete Erklärung des Klägers beigefügt war, wonach dieser sich gut befragt und untersucht fühle und keine weiteren Fragen habe. Dem deutlich zeitnäher dokumentierten Eindruck des Klägers von der Qualität der gutachterlichen Exploration misst der Senat hier die größere Bedeutung zu, zumal seinerzeit dem Kläger noch nicht das – für ihn offensichtlich nicht zufriedenstellende – Ergebnis des Gutachtens vorlag, durch das er sich veranlasst sehen konnte, die gutachterliche Untersuchung zu diskreditieren. Nicht in Einklang mit dem guten Eindruck des Klägers von der Untersuchungssituation unmittelbar nach der ambulanten Begutachtung steht auch seine erst rund neun Monate später vorgebrachte Rüge, Dr. T habe sich selbstständig und ohne sein Einverständnis aus den von ihm mitgebrachten Unterlagen und Bilddokumenten bedient, was dem Datenschutz zuwiderlaufe. Der Kläger muss sich hier die Frage gefallen lassen, weshalb er seine Behandlungsdokumentation zum Untersuchungstermin mitbringt, wenn nicht zu dem Zweck, diese dem Sachverständigen, der sich ein umfassendes Bild von der Krankengeschichte machen möchte und muss, zur Verfügung zu stellen.
Hervorzuheben ist der Umstand, dass der Kläger erst rund neun Monate nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen eine Fülle vermeintlicher Unzulänglichkeiten entdeckt und mitteilt, obwohl er zuvor bereits wiederholt zu dem Gutachten Stellung genommen hatte, ohne auch nur einzelne dieser Punkte zu bezeichnen. Der Senat kann sich daher des Eindrucks nicht erwehren, dass die erst sehr spät aufgetretene Fülle von Kritikpunkten von der Erwägung getragen ist, die Arbeit des Sachverständigen, der nicht die erwünschten Schlussfolgerungen gezogen hat, zu disqualifizieren.
Der Senat sieht keinen Anlass, sich die vor dem Unfall ausgeübte Tätigkeit des Klägers auf der Baustelle im Windpark bei einem Außentermin anzuschauen. Der Senat unterstellt, dass die Arbeit des Klägers körperliche Fitness und eine gewisse Kraftanstrengung voraussetzt. Dies bedeutet aber nicht, dass sich bereits bei den kräftezehrenden Arbeiten im Windpark ein Bandscheibenvorfall bzw. eine Nervenwurzelreizung aufgrund einer Gelegenheitsursache hätten ereignen müssen. Wann genau sich eine Gelegenheitsursache manifestiert oder nicht, folgt gerade keiner bestimmten Regelmäßigkeit.
Nicht für erforderlich hält es der Senat weiterhin, bei der Beklagten eine Stellungnahme einzuholen zu den Fragen, welcher Arzt der Berufsgenossenschaft die Operation im Januar 2017 veranlasst hat, was diesen Arzt bewogen hat, diese Operation zu veranlassen und warum der Arzt dem Kläger keine alternative Therapie vorgeschlagen hat. Gemäß dem oben Gesagten stand die operative Ausräumung des bereits vor dem Unfall eingetretenen Massenvorfalls nicht in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen vom 30. September 2016.
Soweit der Kläger auf das radiologische Kurzgutachten von Prof. Dr. K vom 06. September 2021 verweist, in dem festgehalten wurde, dass ein kleiner kaudal deszendierter Sequester, ausgehend vom darüber liegenden Massenvorfall, im CT nach dem Unfall neu aufgetreten und im MRT vom 22. August 2016 noch nicht nachweisbar gewesen sei, und dieser Befund eine verstärkte L5-Symptomatik erklären würde, lässt sich diese Annahme unter Berücksichtigung des auf einer umfassenden Auswertung des vorliegenden Bildmaterials beruhenden, in sich schlüssigen und im Ergebnis überzeugenden radiologischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. T so nicht bestätigen. Prof. Dr. T hat anhand des ihm vorliegenden Bildmaterials ausgeführt, dass bei dem Kläger bereits vor dem Unfall vom 30. September 2016 fortgeschrittene multisegmentale Bandscheibendegenerationen in den Segmenten LWK 3 bis 5 mit Osteochondrosen, Spondylarthrosen und Flavumhypertrophien sowie entzündlichen Grund- und Deckplattenödemen an LWK 3/4 sowie LWK 4/5 vorgelegen hätten, zudem eine Bandscheibenextrusion LWK 3/4 mit beginnender Rezessusstenose für die Wurzel L4 rechts sowie ein Massenprolaps L4/5 mit massiver Verlegung des Spinalkanals und einem nur noch wenig verbleibenden residualen subarachnoidalen Reserveraum. Insbesondere in den vor dem Unfall gefertigten sagittalen Aufnahmen könne zweifelsfrei eine intraspinale Kompression der Wurzeln L5 und S 1, beidseits rechts betont, nachgewiesen werden. Schließlich habe sich auch bereits vor dem Unfall eine beginnende Bandscheibenextrusion im Segment LWK 5/SWK 1 ohne nervale Kompressionen gezeigt.
Nach dem Unfall komme der Massenprolaps LWK 4/5 messtechnisch in der CT-Untersuchung vom Unfalltag in identischer Größe zur Darstellung. Die CT-Aufnahme der LWS weise eine exzellente Qualität auf und ein messtechnischer Vergleich sei problemlos möglich. In der Tat lasse sich am Unfalltag erstmals neu ein kleiner Sequester kaudal des Massenprolapses nachweisen. Da der Verlauf der Wurzel L5 aber auch in der CT-Aufnahme gut nachvollziehbar sei, könne hier ausgeschlossen werden, dass der Sequester Kontakt mit der Wurzel L5 bekomme. Der Sequester sei wesentlich kleiner als der eigentliche Prolaps, liege direkt unterhalb des Prolaps, der die Wurzeln L5 und S1 erkerartig bereits so stark nach dorsal verdränge, dass der Sequester keinen zusätzlichen Kontakt bekommen könne. Insofern könne zwar nicht geklärt werden, ob dieser Sequester durch das Unfallereignis entstanden sei; eine Beschwerdeverursachung mit neuerlicher Kompression der Wurzel L5 über die bereits bestehende Kompression durch den Massenprolaps hinaus sei aber auszuschließen. Auch an den übrigen Bandscheibensegmenten zeige sich keine Progredienz der bereits vorhandenen Bandscheibenextrusionen. Im längerfristigen Verlauf bis Dezember 2016 lasse sich keine Zunahme des Massenprolapses nachweisen. Die Ödeme an den Grund- und Deckplatten von LWK 3, 4 und 5 seien als entzündliche Aktivierungen erosiver Osteochondrosen, also als rein chronisch-degenerativer Befund zu werten und entsprächen zweifelsfrei keinen Kontusionsödemen, was sich schon allein aufgrund der weiteren degenerativen Veränderungen an diesen Positionen und der Lage der Ödeme ergebe. Sie seien nach dem Unfall nicht progredient.
Mithin lasse sich zwar – insoweit in Übereinstimmung mit Prof. Dr. K - in der CT-Untersuchung vom Unfalltag erstmals ein kleiner Bandscheibensequester unterhalb des bereits vorhandenen Massenprolapses nachweisen. Da der Massenprolaps die Wurzeln L5 und S1 bereits stark nach dorsal dränge, erhalte der Sequester aber auch in der CT-Untersuchung, in der der Verlauf der Wurzel L5 sehr gut nachvollziehbar sei, keinen Kontakt zur Wurzel L5. Selbst wenn der Sequester durch den Unfall entstanden sein sollte, würde dieser also keine zusätzliche oder neue Kompression der Wurzel L5 bedingen. Der bereits vor dem Unfall ausgeprägte Massenprolaps hätte zu jedem Zeitpunkt auch ohne wertiges Trauma zu einer Verschlimmerung der klinischen Symptomatik führen können, das Unfallgeschehen könne hier lediglich als Gelegenheitsursache gewertet werden.
Mangels klarer Krafteinwirkung auf die LWS könne für den erstmals am 30. September 2016 gesicherten kleinen Sequester die unfallbedingte Genese nicht hinreichend wahrscheinlich bewiesen werden. Da der Massenprolaps in der Untersuchung vom 22. August 2016 immer noch signalreich und damit restliquide zur Darstellung komme, könne ein derartiger Sequester zu jedwedem Zeitpunkt zwischen dem 22. August 2016 und dem 30. September 2016 auch ohne zusätzliche Krafteinwirkung entstanden sein. Eine relevante Unfallfolge oder gar eine richtungsgebende Verschlimmerung der bereits vorhandenen multisegmentalen und sehr ausgeprägten degenerativen Schäden lasse sich bildmorphologisch zu keinem Zeitpunkt nachweisen.
Die durch den Kläger vorgebrachten Einwände gegen das Gutachten des Sachverständigen Dr. T sind nicht geeignet, die Überzeugung des Senats von der Richtigkeit der gutachterlichen Feststellungen zu entkräften. Soweit der Kläger mitteilt, die Abbildungen auf den Seiten 7 bis 14 seien ihm nicht eindeutig zuzuordnen, da die Qualität der Aufnahmen dies unmöglich mache, handelt es sich um eine bloße, nicht weiter belegte Hypothese bzw. Vermutung „ins Blaue hinein“, der nicht weiter nachzugehen ist. Auf die Annahme des Klägers, die Aussage des Sachverständigen, wonach der Sequester keinerlei Kontakt zu den Nervenwurzeln gehabt habe, hätte nur dann eindeutig sein können, wenn die MRT-Aufnahme im Stehen erfolgt wäre, ist zu entgegnen, dass der Gutachter nur das vorhandene, zeitnah zum Unfall angefertigte Bildmaterial auswerten kann, das hier überdies vergleichsweise gut dokumentiert und aussagekräftig ist. Lässt sich anhand des vorliegenden Bildmaterials der gewünschte Nachweis nicht führen, trifft den Kläger die Beweislast. Dies gilt auch, soweit der Kläger die Auffassung vertritt, aufgrund des nicht verabreichten Kontrastmittels hätten sich Einblutungen nicht feststellen lassen.
Nach alledem liefert auch der Umstand des erstmals am 30. September 2016 bildmorphologisch gesicherten kleinen Sequesters kein Argument dafür, dass der Bandscheibenvorfall des Klägers in dem Segment LWK 4/5 mit Schädigung der Nervenwurzel L5 eine Folge des Arbeitsunfalls vom 30. September 2016 wäre. Mithin war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Revisionsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG vorliegt.
[1] https://opendata.uni-halle.de/bitstream/1981185920/13727/1/Dissertation_Anna_Nader.pdf